Journey to Evolution von Yurippe (Mit jedem Schritt wirst du stärker) ================================================================================ Kapitel 2: Begegnungen ---------------------- Da standen sie nun also, Lily und Evoli, auf Route 35, mit Dukatia City im Rücken und dem Nationalpark vor sich. Diesen sollten sie vielleicht erst einmal durchqueren, um dann entweder östlich nach Viola City oder nördlich nach Teak City zu gehen. „Evoli!“ Ihr Evoli preschte fröhlich voran Richtung Nationalparkeingang – es kannte den Weg schon von früheren Besuchen, die Lily zusammen mit Rose gemacht hatte. Bisher hatte sie ihre Reise also noch nicht in unbekannte Gebiete geführt, aber zumindest war sie zum ersten Mal allein außerhalb der Stadt unterwegs. „Hey, warte auf mich!“ Lily spurtete ihrem Evoli hinterher, um es nicht im hohen Gras aus den Augen zu verlieren. In einer Kurve holte sie es ein und wollte es gerade auf den Arm nehmen, damit es nicht wieder weglaufen konnte, als sie angesprochen wurde. „Ey, du da! Die Kleine mit dem Fellknäuel! Wie wär’s mit einem Kampf?“ „Nein, danke“, antwortete Lily. Auf einen Kampf hatte sie nun wirklich keine Lust, schon gar nicht mit jemandem, der sicher kurzen Prozess mit ihrem unerfahrenen Evoli machen würde. Zwar hatte sie schon ein paar Mal Trainingskämpfe gegen ihre Cousine ausgetragen, aber eigentlich lagen ihre Stärken eher woanders. „Ach, stell dich nicht so an! Vielleicht wird aus deinem unentwickelten Winzling so mal ein richtiges Pokémon.“ Der Junge befreite ein Granbull aus dem Pokéball, woraufhin dieses sich vor Evoli aufbaute und bedrohlich knurrte. „Lass mein Evoli in Ruhe!“, forderte Lily den unbekannten Jungen auf. Dieser lachte bloß. „Aus dem mach ich mir ne Pelzmütze für den Winter! Granbull, setz Biss ein!“ Dabei hatte sie doch bloß vorgehabt, in Ruhe bis zur nächsten Stadt zu gehen, dachte Lily. Kämpfen war wirklich nicht ihr Ding, aber sie musste sich jetzt um Evolis Willen zusammenreißen. „Evoli, weiche aus mit Ruckzuckhieb!“ Es gelang dem kleinen Pokémon, rechtzeitig auszuweichen, doch Granbull war schon zum nächsten Angriff bereit. Sein Trainer grinste hämisch. „Du bist ein leichtes Opfer. Granbull, Donnerzahn, jetzt!“ Der Donnerzahn traf Evoli mit voller Wucht und paralysierte es, sodass es wimmernd zu Boden ging. „Oh nein, Evoli!“ Lily kniete sich nieder zu ihrem kleinen Freund, während Granbull sich wieder zum Angriff bereit machte. „Schluss damit!“, rief plötzlich eine kräftige Stimme. Sie gehörte zu einem jungen Mann, der plötzlich um die Kurve gekommen war und nun dem Rabauken einen wütenden Blick zuwarf. „Pokémon sind keine Spielzeuge, und vor allem dürfen sie nicht mutwillig verletzt werden! Wenn du dich nicht mal an den einfachsten Grundsatz des Trainerkodex halten kannst, sollte man dir deine Lizenz wegnehmen!“ Der Junge sah ihn herausfordernd an. „Ich amüsiere mich nur etwas mit den beiden. Geht’s dich was an?“ „Und ob es das tut. Vielleicht sollte ich dir ein paar Manieren beibringen, oder was meinst du, Glurak?“ Das Glurak, welches er beiläufig aus dem Pokéball ließ, starrte den Jungen böse an. Es war deutlich zu sehen, dass dieser es mit der Angst zu tun bekommen hatte, und so murmelte er nur paar Beleidigungen und zog mürrisch mit Granbull in Schlepptau ab. „Ich bin noch nicht fertig mit dir!“, rief der junge Mann und wollte ihm folgen, doch als Evoli wimmerte, ließ er von dem Rabauken ab und wandte sich Lily zu. Neben Evoli kniete er sich auf den Boden und strich ihm beruhigend über den Kopf, bevor er einen Trank aus der Tasche nahm und ihn dem kleinem Pokémon einflößte. „Keine Sorge, deinem Evoli geht es bald wieder besser.“ Tatsächlich hörte Evoli nach einigen Augenblicken auf zu wimmern und schlief in Lilys Armen ein. „Lass es eine Nacht ausruhen und morgen ist es wieder fit“, erklärte er, nachdem er sich erhoben hatte und nun Lily eine Hand entgegenstreckte, um ihr ebenfalls aufzuhelfen. „Vielen Dank“, erwiderte diese, noch immer etwas benommen von den plötzlichen Geschehnissen, und nun auch leicht verlegen. „Ich weiß gar nicht, was ich ohne Sie gemacht hätte...“ „Du kannst ruhig du sagen. Mein Name ist Aidan.“ Er lächelte. „Ich heiße Lily“, brachte sie hervor. „Es freut mich, dich kennen zu lernen, Lily. Bist du auf Reisen?“ „Ähm, na ja...“ stammelte sie. „Also eigentlich bin ich gerade erst von Dukatia City aus zu meiner Reise aufgebrochen.“ Kaum war sie einige Schritte allein unterwegs, musste ihr so etwas passieren. Vielleicht war sie ja einfach noch nicht so weit. „Verstehe.“ Aidan nickte verständnisvoll. „Da hast du ja gleich mal einen Schreck wegbekommen, hm? Wo wolltest du denn hin?“ „Ich dachte an Viola City“, antwortete Lily unsicher. Sie hatte noch gar keinen konkreten Plan gehabt – zwar gab es in Viola City eine Wettbewerbshalle, aber ohne ein zweites Pokémon nützte diese ihr wenig. Aidan lächelte. „Das trifft sich gut, da wollte ich auch nämlich auch hin. Am besten, ich nehme dich bis zum Pokémon Center mit. Steig auf!“ Er deutete auf Glurak. „Kann es mich denn auch noch tragen?“, fragte Lily, der nicht ganz wohl war bei dem Gedanken, auf dem Feuerdrachen zu reiten. „Ach, klar, du siehst leicht aus. Hier, ich helfe dir auf.“ Bevor sie protestieren konnte, saß Lily auch schon auf Glurak und Aidan schwang sich vor ihr auf dessen Rücken. „Immer schön festhalten!“, ermahnte er sie noch, bevor sie auch schon durch die Luft flogen. Als sie sich erst einmal daran gewöhnt hatte, musste Lily zugeben, dass es gar nicht so schlecht war. Mit eine Arm ihr Evoli stützend, mit dem anderen an Aidan geklammert – was leichte Schmetterlinge in ihrem Bauch hervorrief-, wagte sie einen Blick nach unten und war beeindruckt. Unter ihr lag ihre Heimat, wie sie sie noch nie gesehen hatte. Der Nationalpark hatte von oben betrachtet wirklich die Form eines Pokéballs, wie sie einmal gelesen, aber noch nie selbst hatte überprüfen können. Vielleicht würde diese Reise ihr ja wirklich ungeahnte Perspektiven eröffnen. Genau, sie durfte noch nicht aufgeben, das war sie sich, ihrem Pokémon und auch ihrer Schwester schuldig. In erstaunlich kurzer Zeit schon erreichten sie Viola City, und wenig später setzte Glurak zum Landeflug direkt vor dem Pokémon Center an. „Also, junges Fräulein, lass am besten dein Evoli noch einmal hier durchchecken, und ansonsten wünsche ich dir viel Erfolg auf der weiteren Reise. Du hattest vorhin einfach Pech, nicht alle Trainer sind gemein.“ Er lächelte ihr aufmunternd zu. „Das habe ich gemerkt“, erwiderte Lily. „Vielen Dank fürs Mitnehmen und alles, ich weiß wirklich nicht, was ich allein getan hätte.“ „Also allein bist du ja nun wirklich nicht“, meinte Aidan und deutete auf Evoli. „Halt die Ohren steif!“ Und schon war er wieder auf Glurak gestiegen und gen Himmel verschwunden. Da stand sie nun also, zwar nicht allein, sondern mit ihrem immer noch schlafenden Evoli auf dem Arm, aber ohne einen Plan, was sie als nächstes tun sollte. Zuerst einmal begab sich Lily jedoch ins Pokémon Center, um Schwester Joy dort von Evolis Situation zu berichten. Diese nickte verständnisvoll, machte ein wütendes Gesicht, als sie von dem rücksichtslosen Trainer hörte, untersuchte Evoli gründlich und bot Lily ein Zimmer für die Nacht an, welches diese dankend annahm. Während Evoli im Untersuchungsraum war, brachte Lily ihre Sachen aufs Zimmer und trank einen Saft in der Cafeteria des Centers. Dann ging sie wieder in den Krankentrakt, um nach ihrem Evoli zu sehen. Nicht nur machte sie sich Sorgen, es bereitete ihr auch Unbehagen, von ihrem einzigen Begleiter auf dieser Reise getrennt zu sein. Überhaupt war sie seit dem Tag, an dem sie Evoli bekommen hatte, noch nie wirklich ohne es gewesen. „Ach, Evoli“, sagte Lily leise zu dem kleinen Pokémon, das immer noch friedlich schlief. „Wenn ich nur stärker wäre, dann wärst du nicht verletzt worden.“ Lily sah sich um. Irgendwer hatte ihr gerade die Worte aus dem Mund genommen, nur wer? Auf einem Bett weiter hinten im Raum saß ein Bisasam mit einem Verband um den Kopf, dessen Trainer schuldbewusst den Kopf gesenkt hatte. Das Bisasam gab aufmunternde Laute von sich und strich dem Jungen mit einer Ranke über den Arm. Dieser hob daraufhin den Kopf und lächelte sein Pokémon an. „Du bist einfach der Beste, Bisasam. Aber nächstes Mal passen wir auf, dass du nicht wieder verletzt wirst, in Ordnung?“ Bisasam strahlte seinen Trainer an und nickte. Unwillkürlich musste Lily lächeln. In diesem Moment traf ihr Blick den des Jungen. „Entschuldige, ich wollte nicht lauschen. Es ist nur so, dass ich gerade genau dasselbe zu meinem Evoli sagen wollte.“ Lily errötete leicht. „Hast du auch gegen Falk gekämpft?“ Er musterte sie prüfend aus seinen grünen Augen. „Nein, ich hab... noch gar nicht richtig gekämpft. Ein Trainer hat uns angegriffen, kurz nachdem ich aufgebrochen war.“ Oh je, jetzt hielt er sie sicher für eine absolute Anfängerin. „Solchen Trainern sollte man die Lizenzen wegnehmen“, entgegnete er jedoch. „Ich bin Alex, und du?“ „Lily. Bist du schon länger Trainer?“ Alex nickte. „Durch Kanto bin ich schon gereist, und jetzt bin ich hier, um die Johto-Orden zu gewinnen. Falk war ein ziemlich harter Brocken, und Bisasam musste ganz schön was einstecken.“ „Aber es sieht so aus, als wärt ihr ein gutes Team“, meinte Lily mit Blick auf das Pflanzenpokémon, welches seinen Trainer liebevoll anblickte. „Klar, ohne Bisasam hätte ich keinen einzigen Kampf gewinnen können.“ Er streichelte seinem Pokémon stolz über Kopf. In diesem Moment betrat Schwester Joy den Raum, um Alex mitzuteilen, dass sein Bisasam vorsichtshalber noch die Nacht über im Pokémon Center bleiben sollte, und ihm daher den Schlüssel zu einem der Zimmer überreichte. „Und du, Liebes, kannst dein Evoli ruhig hier allein lassen, Chaneira kümmert sich schon um es“, wandte sie sich dann an Lily. „Das heutige Abendmenü in der Cafeteria ist besonders gut, also geh und iss etwas, es nützt einem Pokémon nichts, wenn sein Trainer verhungert“, fügte sie mit Blick auf Lilys unsicheren Gesichtsausdruck hinzu. „Na gut...“ Wenig begeistert stand Lily auf und warf einen letzten Blick auf Evoli, bevor sie den Raum verließ und hinter Alex in die Cafeteria ging. Sie musste zugeben, dass der Nudelauflauf wirklich fantastisch aussah, und sie merkte nun auch, dass ihr Magen etwas grummelte. Mit einem großen Teller Auflauf und einem Glas Eistee auf ihrem Tablett machte sie sich also auf die Suche nach einem Tisch. Das Center war inzwischen gut gefüllt und es gab kaum noch einen freien Platz, sodass sie schließlich auf Alex zusteuerte, der allein an einem kleinen Tisch saß. „Darf ich mich zu dir setzen?“ „Klar.“ Er nickte ihr nur kurz zu und widmete sich dann wieder seinem Essen. Lily hingegen stocherte trotz ihres leeren Magens nur in ihrem Essen herum. Ihr Versagen als Trainerin – nichts anderes war in ihren Augen die Ursache für Evolis Zustand – hatte ihr den Appetit verdorben. „Dein Evoli will sicher nicht, dass du verhungerst“, kommentierte Alex, der von seinem inzwischen leeren Teller aufsah. „Das weiß ich doch, aber... Macht es dir denn gar nichts aus, dass dein Pokémon verletzt ist?“ „Sicher. Aber Schwester Joy hat Recht, dein Evoli ist in besten Händen, und tun kannst du eh nichts.“ Er stand auf. „Na ja, man sieht sich.“ Dann war er weg. Lily seufzte. Er war ihr eigentlich nicht wie ein kaltherziger Trainer vorgekommen, im Gegenteil, sein Bisasam schien ihm sehr viel zu bedeuten. Vielleicht hatte er ja Recht, und sie musste sich mehr Mühe geben, mit solchen Situationen fertig zu werden. Etwas entschlossener als zuvor griff sie nach ihrer Gabel und aß letztendlich fast die ganze Portion auf, bevor sie ebenfalls die Cafeteria verließ, um wieder nach Evoli zu sehen. Als sie sich dem Raum näherte, wurde sie jedoch von Schwester Joy abgefangen. „Wir haben die Pokémon gerade gefüttert, komm doch in einer halben Stunde wieder und setz dich so lange vielleicht zu den anderen Trainern.“ Da ihr gerade nicht der Sinn nach Gesellschaft stand, verließ Lily stattdessen das Center und spazierte etwas durch das nächtlich erleuchtete Viola City. Im Norden der Stadt ragte der Knofensaturm auf, den sie schon von einem früheren Besuch mit ihrer Schwester kannte. Bei diesem Anblick fiel ihr ein, dass sie ja versprochen hatte, daheim anzurufen, also nahm sie ihren PokéCom aus der Rocktasche und wählte „zu Hause“ an. „Lily?“ Rose meldete sich schon beim ersten Klingeln. „Ja. Ich bin jetzt in Viola City.“ Die Details ihrer Reise verschwieg sie vorsichtshalber. „Bist du im Pokémon Center? Warum benutzt du nicht eins der Bildtelefone?“, erkundigte sich Rose. „Ach, da war es so voll...“ Sie hatte gar nicht an die Möglichkeit eines Videotelefonats gedacht, war aber im Nachhinein froh darüber, da es ihr schon schwer genug fiel, nur die Stimme ihrer Schwester zu hören. Würde sie nun auch noch ihr Gesicht sehen, bekäme sie sicher Heimweh, ganz zu schweigen davon, dass Rose sicher bemerken würde, dass es nicht besonders gut lief. „Ich bin ziemlich kaputt von der Reise und gehe sicher gleich ins Bett.“ Das war nicht einmal gelogen, sie fühlte sich wirklich erschöpft, obwohl sie ja dank Aidan bequem hergeflogen war. „Dann schlaf gut, und melde dich morgen wieder“, verabschiedete Rose sich. „Mach ich. Gute Nacht!“ Lily schluckte ihr Heimweh und ihr schlechtes Gewissen herunter, doch ein unangenehmer Nachgeschmack blieb auch noch, nachdem sie aufgelegt hatte. Es gefiel ihr nicht, Rose anzulügen, aber wenn sie ihr erzählte, dass gleich am ersten Tag praktisch alles schiefgegangen war, würde sie sich nur unnötige Sorgen machen oder sie womöglich sogar bitten, zurück nach Hause zu kommen. Zur Beruhigung drehte sie noch eine Runde um den Block, bevor sie wieder ins Pokémon Center ging, um nach Evoli zu sehen. Bevor sie die Eingangstür durchschritt, hatte sie für einen Moment das Gefühl, jemand würde sie beobachten, doch als sie sich umdrehte, war niemand zu sehen. Vielleicht spielten ihre Nerven ihr nach der ganzen Aufregung einen Streich, dachte Lily. Sie durchquerte die etwas leerer gewordene Lobby und öffnete vorsichtig die Tür zum Krankenzimmer, um keine eventuell schlafenden Pokémon zu wecken. Zwischen den Pokémon entdeckte sie Alex, der mit dem Oberkörper auf Bisasams Bett lag und ebenfalls zu schlafen schien. Lily lächelte, zog sich einen Stuhl heran und machte es sich, seinem Beispiel folgend, an Evolis Seite bequem. Sie war wirklich nicht allein, dachte sie, bevor sie einschlief. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)