Journey to Evolution von Yurippe (Mit jedem Schritt wirst du stärker) ================================================================================ Kapitel 22: Eine andere Dimension --------------------------------- Zum zweiten Mal an diesem Tag hatte Lily das Gefühl, ihr würde der Boden unter den Füßen weggezogen. Dieses Mal hielt sie zumindest Rose' Hand fest umklammert, als die Luft um sie herum flimmerte und die Wände sich zu drehen schienen. Sie kämpfte mit Übelkeit, als sie sich hektisch nach ihren Pokémon umsah und keinen festen Anker für ihren Blick fand. Evoli und Endivie schienen zusammen mit Psiana und Girafarig im Raum zu schweben und ebenso verängstigt zu sein wie ihre Trainerinnen. Sie wollte schreien, brachte jedoch keinen Ton heraus. Rose schien es ähnlich zu gehen und die Tatsache, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben Panik im Gesicht ihrer Schwester sah, hätte ihr beinahe den Rest gegeben, wenn sich nicht in diesem Augenblick ihr Umfeld stabilisiert hätte. Lily lehnte sich an Rose, die sich wiederum auf Lily stützte, während ihre Beine sich wieder an festen Boden gewöhnten und die Übelkeit abnahm. Als ihr Schwindel sich verzogen hatte, entdeckte sie ihre Pokémon, die sich an ihrer Seite auf einem Haufen zusammendrängten. Nur Girafarig ging vorsichtig einige Schritte vorwärts und blieb dort mit zuckenden Ohren stehen. „Wie sind wir aus den Ruinen ins Freie gekommen?“, fragte Rose verwirrt. „Vielleicht haben wir uns die Köpfe angestoßen und jetzt beide den gleichen Traum?“, schlug Lily vor. Sie gingen einige Schritte vorwärts zu Girafarig, ohne einander loszulassen. Genau wie Rose gesagt hatte, befanden sie sich nicht mehr in den Alph-Ruinen inmitten der Icognito, sondern in einem Garten. Um genau zu sein, erkannte Lily nach näherem Hinsehen ihren Garten mit seinen Rosenbüschen, dem Amrenabaum und dem kleinen Gemüsebeet hinter der Küche. Der Küche in ihrem Haus, das ebenfalls auf einmal vor ihnen stand. Der Schwindel, der sich soeben erst verzogen hatte, drohte Lily wieder zu erfassen, und sie musste sich auf das Giraffenpokémon stützen. „Ich glaube, du hast Recht“, murmelte Rose und rieb sich die Stirn. „Zumindest kriege ich definitiv Kopfschmerzen. Wie kann denn das sein?“ Lily blickte zu ihrem Endivie, welches einen Busch inspiziert, aber sich dann skeptisch wieder zurückgezogen hatte. Auch Evoli schien unruhig, während Girafarig sich mittlerweile sanft von Lily gelöst hatte, an der Terassentür stand und zwischen dort und den Mädchen hin- und herschaute. Diese sahen sich gegenseitig an und konnten im Gesicht der jeweils Anderen die gleiche Verwirrung erkennen. Vorsichtig gingen sie weiter in Richtung Haus, bis sie bei dem Pokémon ankamen. Gerade wollte Lily ihre Hand nach Girafarig ausstrecken, um es beruhigend zu tätscheln, als dieses einen Laut ausstieß und sich nach vorne warf. In der Tür stand eine Frau mit lockigen braunen Haaren und leuchtenden blauen Augen, die ihr Pokémon mit offenen Armen empfing. „Mum?“ Der erstaunte Ausruf beider Mädchen kam wie aus einem Munde. Die Frau wandte sich ihnen zu und strahlte sie an. „Rose! Lily!“ Sie ließ Girafarig los und schloss stattdessen ihre Töchter in die Arme. „Mum...“ Lily konnte fühlen, wie ihr Tränen über die Wangen liefen, aber das störte sie nicht. „Ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen“, schniefte sie und konnte hören, wie Rose, dicht an sie gedrängt, leise schluchzte. „Na, na, meine Lieben. Es ist doch alles gut“, redete ihre Mutter beruhigend auf sie ein und streichelte Lily über den Rücken. Kommt erst mal rein, dann können wir in Ruhe über alles reden.“ Sie bugsierte die beiden Mädchen sanft ins Haus und auf das gemütliche Wohnzimmersofa. „Setzt euch erst mal gemütlich hin und esst etwas aus der Süßigkeitendose, ich mache gleich Tee. Ich bin ja so froh, euch wiederzusehen.“ Sie verschwand in die Küche, bevor ihre Töchter sie aufhalten konnten. „Kommt es dir auch so vor, als wüsste Mum nicht, dass wir die letzten zwei Jahren getrennt verbracht haben?“, raunte Rose ihrer jüngeren Schwester zu. „Es würde erklären, wieso sie so… gelassen auf unser Auftauchen reagiert hat. Glaubst du, in dieser Illusion gibt es uns auch?“, fragte Lily ebenso leise. „Gibt es uns dann jetzt zweimal? Was hast du vorhin gesagt über Kopfverletzungen und Halluzinationen?“, fragte Rose und rieb sich erneut die Stirn. „Vielleicht haben ja auch wir die letzten zwei Jahre nur geträumt?“ Sie glaubte eigentlich nicht, was sie sagte, aber sie konnte sich keinen anderen Reim auf das Verhalten ihrer Mutter machen. Versuchweise öffnete sie die Dose mit Süßigkeiten und hielt eine Praline prüfend unter ihre Nase. Evoli, das sich inzwischen zu ihren Füßen niedergelassen hatte, schaute sie mit großen Augen an, machte aber ausnahmsweise keine Anstalten, seiner Trainerin den Leckerbissen abzunehmen. Psiana hatte die Ohren aufgestellt und schlug nervös mit dem Schweif auf den Teppich, während Endivie sich immer noch im Garten aufhielt und die Pflanzen inspizierte. Girafarig, das seine Trainerin nicht mehr aus den Augen lassen wollte, war ihr in die Küche gefolgt. „Hatten wir beide den gleichen Traum oder träumt nur eine von uns und die Andere ist eine Figur im dem Traum? Ich kriege langsam wirklich Kopfschmerzen“, murmelte Rose. „Kann man im Traum Kopfschmerzen haben?“, fragte Lily halb rhetorisch. In diesem Moment erschien ihre Mutter wieder mit einem Tablett, auf dem eine Teekanne und vier Becher standen. „Ich habe Pirsiftee gemacht, den mögt ihr doch beide, oder? Und hier sind noch ein paar Kekse.“ Sie goss Tee in drei der Tassen und stellte sich vor den Mädchen ab, setzte sich jedoch nicht zu ihnen aufs Sofa, sondern ging hinaus in den Flur und rief die Treppe hinauf: „Schatz, wo bleibst du denn? Es gibt Tee!“ Lily schaute zu Rose hinüber. „Mit wem redet sie denn da?“, flüsterte sie ihrer Schwester zu. Bevor Rose antworten konnte, erklang eine männliche Stimme aus Richtung Obergeschoss. „Ich komme ja schon!“ Lily blickte zwischen ihrer Schwester, die wie erstarrt neben ihr saß, und ihrer Mutter, die sich lächelnd zu ihnen gesellt hatte und die vierte Teetasse vollgoss, hin und her, bis ein hochgewachsener, schlanker Mann mit violetten Haaren den Raum betrat und sich ihnen mit schwungvollen Schritten näherte. Fröhlich nahm er die Tasse in Empfang und grüßte sie: „Es gibt doch nichts Schöneres, als mit allen meinen Lieblingsfrauen zusammen zu sitzen und einen guten Tee zu trinken.“ Neben Lily entglitt Rose die Teetasse und landete mit einem lauten Scheppern auf dem Boden. „Daddy!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)