Kaiser Hidijo's Katze [Leseprobe] von Futuhiro (eine japanische Dämonensage) ================================================================================ Kapitel 6: Aya -------------- Mit einem fröhlichen Lächeln räumte Aya in ihrem Zimmer die letzten Sachen zusammen. Alles, was sie auf die Reise mitnehmen wollte, hatte sie schon zu einem Bündel zusammengeschnürt. Den Rest wollte sie zumindest ordentlich wieder wegräumen. Sie mochte diese Unordnung nicht. Intetsu stand daneben und schaute ihr zu. Den Auftrag, sie an die Westgrenze zu begleiten und auf sie aufzupassen, hatte der Dämon scheinbar gleich so aufgefasst, daß er sie ab sofort keine Sekunde mehr aus den Augen lassen sollte. Auch hier im Haus nicht mehr. Aber wie er ihr beim Packen eine Hilfe sein sollte, wusste er wohl nicht so recht. Er wirkte ratlos. „Ich freue mich, daß Vater dich mitgeschickt hat.“, strahlte Aya ihn an. Intetsu sah nur aus den Augenwinkeln zu ihr hinüber, dann wandte er den Blick wieder auf das Bettzeug vor sich. „Er hätte Hanya und Ponya mitschicken sollen, er ist ein besserer Kämpfer als ich es bin. Hanya und Ponya ist sehr stark.“ „Aber der macht mir Angst.“ „Er ist ein ganz gewöhnlicher Dämon, wie ich auch.“ „Er ist ein Psycho.“ Intetsu lächelte leicht. „Tut mir leid, ich wollte Hanya und Ponya nicht beleidigen.“, bemerkte sie und kam sich immer noch etwas dämlich vor, eine einzelne Person mit mehreren Namen zu betiteln. Das hatte schon was von anerkannter und stattgegebener Schizophrenie. „Sicher ist er ein guter Mann.“, lenkte Aya ein. „Aber dich mochte ich immer am meisten.“ „Wie kannst du das sagen? Dein Vater hat dich immer von uns ferngehalten. Wir haben bisher kaum ein Wort gewechselt.“, meinte der Dämon mit dem farbenfrohen Gewand und setzte sich im Schneidersitz auf den nunmehr freigeräumten Futon. Die ebenerdige Schlafmatratze war gar nicht so bequem wie sie aussah und er hatte einen Moment damit zu tun, sein langes, sperriges Schwert aus dem Weg zu bekommen. „Nein. Aber du bist auch ohne Worte immer freundlich zu mir gewesen.“ Aya setzte sich neben ihn. „Du hast mir tragen geholfen, wenn du mich mit dem schweren Wasserkessel erwischt hast. Du hast mir die Türen geöffnet, wenn wir uns im Gang begegnet sind. Du hast mir auch ab und an mal ein Lächeln aus der Ferne geschenkt. Hanya und Ponya hat sich nur verächtlich über mich lustig gemacht. Ich weiß, daß er damit nur die Distanz zu mir wahren wollte, die mein Vater befohlen hat, aber trotzdem.“ Sie rutschte näher. Während er noch damit beschäftigt war, zu überlegen, ob er das wirklich alles so übertrieben oft getan hatte, spürte er die Lippen an seinem Hals, die Hand die sich in den Ausschnitt seiner Wickeljacke schob und zart auf nackte Haut traf, den Stoff auseinanderschob und seinen Oberkörper etwas weiter freilegte. Dann wurde er rücklings ins Kissen gedrückt. Ohne Gewalt zwar, aber sehr eindeutig und zielstrebig. Er holte tief Luft, um seine Fassung zu wahren. „Bitte, junge Dame. Tu das nicht.“ Aya sah ihm näckisch ins Gesicht. „Ich kann nicht für meine Selbstbeherrschung garantieren.“, fuhr er fort. „Das ist auch nicht mein Ziel.“, lächelte Aya und senkte ihre Lippen wieder auf seine Haut, diesmal auf seine Brust. „Dein Vater wird mich köpfen.“ „Lass meinen Vater meine Sorge sein.“ „Aya!“ Die junge Kunoichi seufzte und ließ von ihm ab. Sie machte sich neben ihm lang und nur ihr Unterarm lag noch quer über seinem Oberkörper. „Wenn du es nicht willst, dann scheue dich nicht, es zu sagen. Aber mein Vater steht uns nicht im Weg. Er will lediglich, daß ihr euch nicht an mir vergreift. Also nicht gegen meinen Willen, meine ich. Wenn wir uns einig sind, ist doch alles okay.“ „Für Gemma nicht.“ Aya schaute ihn verdutzt an. „Wie jetzt?“ „Gemma?“ Der Dämon vollendete seine Schwertübung in aller Konzentration, verharrte in der Endposition, dann erst wanderte sein Kopf langsam zu ihr herum. Es sah unnatürlich und irgendwie ungesund aus. Wie eine Eule. Er schien den Kopf viel weiter drehen zu können als normale Menschen. Aya erkannte ihn nur an den kurzen, sonnengelben Haaren und dem weißen Kimono. Sein Gesicht war unter einer hölzernen Fratze verborgen. Stumm sah er ihr entgegen und wartete was sie zu sagen hatte, wenn sie schon ungebeten in seiner Zimmertür stand. „Gemma, darf ich die Nacht mit dir verbringen?“ Nachdenklich richtete er sich aus seiner Finalhaltung wieder auf und legte sich die Klinge seines Katana über die Schulter. Seine Maske verriet nicht, was in ihm vorging, was dem Ganzen einen etwas gruseligen Anstrich verlieh. Sekunden vergingen. „Was hat Intetsu dir erzählt?“, wollte er dann ruhig wissen. „Das mein Vater meine Jungfräulichkeit an dich verkauft hat. Als Gegenleistung für euren Handel. Aber das ist okay.“, gab Aya zurück und kam näher, während er sein Schwert zurück in die Saya schob und es zur Seite stellte. „Ich werde eine Ninja werden und ohnehin nie heiraten. Ich muss also für niemanden unschuldig bleiben.“ Sie hatte den Dämon inzwischen erreicht und fuhr mit den Fingern über seinen Oberkörper. Die Seide seines Kimonos war außergewöhnlich hochwertig, stellte sie fest. „Darf ich dir diese Maske abnehmen?“ „Nein, noch nicht. Gib mir noch einen Moment.“ Genötigterweise legte der Chef der Dämonenbande einen Arm um ihre Taille. Das kam irgendwie schon ganz schön plötzlich, daß sie so aus heiterem Himmel bei ihm in der Tür stand. „Ich habe mich gerade in Trance trainiert. Ich muss erst mein menschliches Gesicht wieder herstellen, sonst mache ich dir nur unnötig Angst.“ Er seufzte unmerklich in sich hinein. „Ich sehe eine gespaltene Meinung in dir. Du willst mich wirklich. Aber nicht um meinetwillen. Mir scheint, du verfolgst eigentlich andere Ziele.“ Aya hatte seine typische, etwas zu helle Stimme, die summte wie eine Bogensehne, noch nicht oft gehört. Sie hatte sich ja bisher von den Dämonen fernhalten müssen. Aber wenn er diese Holzmaske trug, hinter der man sein Gesicht nicht sah, wirkte diese Stimme gleich nochmal doppelt so auffällig. Sie wandte kurz den Blick von seiner Maske ab. „Gut, ich werde dich nicht anlügen. Ich will eigentlich einen anderen. Aber du hast ein Recht auf meine Unschuld, und dieses Recht will ich dir nicht verweigern. Vorher kann ich mich keinem anderen zuwenden.“ „Noch habe ich das Recht nicht. Meine Arbeit hier habe ich noch nicht getan.“ Gemma ließ sie los und setzte sich leger auf seinen Futon. „Betrachte es als Übung. Weibliche Ninja setzen oft ihre Reize ein, um Männer zu verführen, die sie ermorden oder um ein paar Informationen erleichtern wollen.“, meinte Aya mit einem schrägen Grinsen. Gemma teilte diesen Humor nicht im Mindesten. „Es ist Intetsu, den du willst, oder? Ich habe heute die Blicke gesehen, die du ihm schenkst.“, entgegnete er ernst. „Ich hoffe, du bist dir im Klaren darüber, daß er auch ein Dämon ist, und nichts weiter. Er wird auf Nimmerwiedersehen verschwinden, wenn wir hier fertig sind. Und er wird dich schwer verwunden, wenn er sich auch nur einen Augenblick nicht im Griff hat.“ Sie nickte und kletterte auf allen Vieren zu ihm. Langsam zog Gemma sich die hölzerne Maske vom Gesicht, als ihre Finger wieder auf seine Brust trafen. Darunter kamen die üblichen, geröteten Augen zum Vorschein, die er stets hatte. „Es gab in der Vergangenheit immer wieder Erzählungen über die Liebe zwischen einem Menschen und einem Yokai. Sogar über die Zeugung Halbblütiger. Ist dir klar, daß keine einzige davon gut ausgegangen ist?“ Aya nickte wieder und machte ungerührt weiter, als hätte sie ihn nicht gehört. Genüsslich lehnte er sich also zurück und ließ das Mädchen machen. Wenn sie ihn denn unbedingt wollte, würde er sie ganz bestimmt nicht aufhalten. Und er konnte das, was sie ihm zu bieten hatte, derwegen gut brauchen. Er schloss die Augen. Ließ es auf sich wirken, wie es sich anfühlte wenn sie den Stoff seines Kimonos teilte und seinen Körper freilegte. Ein dezentes Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, als er spürte, wie sich der Knoten an seinem Obi löste. Ob Aya sich bewusst war, was er jetzt gleich alles mit ihr anstellen würde? Oh ja, das würde ihr definitiv keinen Spaß machen. Und es war, so ganz am Rande bemerkt, übrigens eine lustige Erfahrung, daß ein Mädchen tatsächlich mal freiwillig und von sich aus zu ihm kam. Er freute sich jetzt schon diebisch auf das Gesicht ihres Vaters. Er wünschte sich beinahe, daß der Meister gleich unvermutet hereinplatzte und das hier sah. „Ach, Aya!? Lass die Finger von meinem Kettenanhänger, verstehst du mich? Sonst bist du eine Gewesene.“, fügte Gemma noch an. Aya schaute ihn kurz irritiert an. Das waren harte Worte und er meinte das todernst, das war ihr sofort bewusst. Sie musterte einen Moment besagten Anhänger an seinem Hals. Es war nicht mehr als ein durchbohrter Edelstein, durch den man eine Lederschnur gezogen hatte. Nichts wirklich Beeindruckendes. Schulterzuckend beugte sie sich vor und drückte ihre Lippen auf seine Haut. Wenn sie den Anhänger in Ruhe lassen sollte, dann würde sie das tun. Das Ding interessierte sie eh nicht. „Was ... in aller Welt ...“, keuchte der Alte, nachdem er die schockierte Schnappatmung wieder unter Kontrolle hatte. Gemma trat aus dem Türrahmen heraus, in dem er gerade noch ganz selbstgefällig gelehnt hatte, das gezogene Katana in der Hand. Dabei gab er endgültig den Blick ins Zimmer frei. Drinnen lag Aya in ihrem eigenen Blut. Ihr Unterleib, ihre Beine, der Futon, ihre Kleidung, alles war rot verschmiert. Der schneeweiße Kimono des Dämons war dagegen trotzig blütenrein. „Was hast du ihr angetan?“, wollte ihr Vater fassungslos wissen. Obwohl an Gemma nicht ein einziger Blutspritzer zu finden war, hatte er keinerlei Zweifel daran, wer das hier angerichtet hatte. „Sie hat mir ihre Unschuld gelassen, wie du es mir zugesichert hast.“, gab Gemma ruhig zurück. Bedrohlich ruhig! Dieser Tonfall duldete weder Diskussion noch Tadel, weder von seinem Herrn, noch von sonst irgendwem. „Da-...Was!?“, keuchte Meister Suruga, weil er auf die Schnelle nicht wusste, was er sonst sagen sollte. Dieses Blutbad hier sah nach wesentlich mehr als nur einem harmlosen Entjungferungs-Akt aus. Und er schämte sich zutiefst, es nicht eher bemerkt und verhindert zu haben. „Du hast deinen Teil des Handels noch gar nicht erfüllt!“ „Nein. Aber du kannst doch nicht so naiv sein, zu glauben, ich würde sie zurückweisen wenn sie von selbst zu mir kommt.“ Gemma schulterte sein Schwert und spazierte herablassend davon. Überließ sein Zimmer und das Mädchen darin der Obhut der anderen Hausbewohner. „Von selbst?“, jammerte der Alte weinerlich und schaute überfordert zwischen seiner Tochter und dem gelbhaarigen Kerl hin und her. Jetzt hatte er endgültig den Glauben an die Welt verloren. Seine Tochter ging freiwillig auf das hier ein? Auf DAS HIER? „Mach dir keine Sorgen. Das sieht schlimmer aus als es ist.“, warf Intetsu von hinten ein, der gerade dazukam und ebenfalls einen Blick ins Zimmer warf. „Sie war noch eine Jungfrau. Beim ersten Mal gibt es immer so eine Sauerei.“ „Aber doch nicht so!“, stellte Meister Suruga klar. „Das kommt ja einem regelrechten Gemetzel gleich!“ „Nun ...“ Intetsu zuckte mit den Schultern, um die Zeit bis zum Finden passender Worte zu überbrücken. „Zugegeben, wir Dämonen verlieren uns da in ein paar anderen Praktiken als ihr Menschen. Die Art des Verkehrs, wie wir ihn betreiben, kommt euch wohlmöglich hart und barbarisch vor. Ihr kleinen, schwachen, zerbrechlichen Menschlein haltet eben nichts aus.“ „Das kannst du beurteilen?“, jappste Meister Suruga hysterisch. Er war schon lange nicht mehr so gründlich aus seiner meisterlichen Gelassenheit herausgerissen worden wie angesichts dieser Situation hier. „Ich habe schon genug Menschen beim Sex begutachten können.“, nahm sich Intetsu kein Blatt vor den Mund und ließ den Schwertmeister hart schlucken. Gelassen trat er in Gemmas Zimmer ein und kümmerte sich um das Mädchen. In der Tat, so schlachthausmäßig wie es hier aussah, musste Gemma eine ziemlich exzessive Party mit ihr gefeiert haben. Er konnte ein Kopfschütteln nicht unterdrücken. Die Menschen waren so unfassbar dumm. Da hatte sie sich also tatsächlich an Gemma rangeschmissen, damit sie sich danach unbekümmert mit Intetsu vergnügen konnte. Wie triebgesteuert konnte man sein? Zumal sie vorher nichtmal gefragt hatte, ob Intetsu da überhaupt Wert drauf legte. Wenn er das Mädchen gar nicht hätte haben wollen, hätte sie sich völlig umsonst Gemma ausgeliefert. Überhaupt, welcher Mensch trieb es schon freiwillig mit Dämonen? Intetsu hatte die Menschen ja schon viele skurrile Dinge tun sehen. Aber das? Aya musste doch klar sein, daß das bei Dämonen irgendwie anders ablaufen würde als unter ihresgleichen! Egal. Er war es leid, sich den Kopf darüber zu zermartern. Er verstand die Menschen genauso wenig wie die Menschen ihn. „Aber ... aber ... das Schwert!?“, jammerte der Alte wieder aus dem Hintergrund dazwischen. Er hatte sein Fassung immer noch nicht wieder. „Oh, das Schwert ist nicht zum Einsatz gekommen, keine Sorge. Gemma wollte es bloß nicht im Zimmer liegen lassen, wenn er geht.“ „Ist halb so wild, keine Sorge.“, meinte Aya zwischen amüsiert und schmerzlich, als der bunt gekleidete Dämon ihr hochhalf. Die Bisswunde an ihrer Schulter war gemein. Gemma hatte ihr dort Blut ausgesaugt wie ein Egel und es danach über ihre ganzen Klamotten und den Futon gespuckt. Und natürlich tat ihr auch vom eigentlichen Akt alles weh. Die rohe, brutale Kraft, mit der Gemma sie festgehalten hatte, war verstörend und eine Erfahrung für sich. Und sie fühlte sich immer noch etwas bedeppert, denn sie war kurz ohnmächtig gewesen. Was sollte es, sie war eine Ninja, sie würde sowas ja wohl aushalten. Der Blutverlust war nicht bedrohlich und mit Schmerzen konnte sie umgehen. Dagegen war es ihr wesentlich peinlicher, daß ihr Vater das hier mitbekommen hatte. Aber war nun nicht mehr zu ändern. Sie konnte es nur mit Humor nehmen. „Gemma hat sich zurückgehalten.“, fügte sie an. Intetsu musste sich das Grinsen verkneifen. „Ja, das hat er. Andernfalls wärst du jetzt anders zugerichtet.“, gab er zurück. Mit Verwunderung entdeckte er ein paar Katzenhaare auf ihrer Kleidung. Er wusste, daß es in diesem Haus keine Katzen gab. In der ganzen Stadt nicht. Aber er sagte nichts, tat es mit einem Schulterzucken ab und vergaß es wieder. Hanya und Ponya kam müde über den Holzsteg geschlurkst, der rund um den Innenhof führte, und ließ sich dann geräuschvoll in den Schotter hinunter plumpsen. Es war spät in der Nacht, alle Lichter gelöscht, nur der Schein des Halbmondes erlaubte einem noch, ungefähr zu erahnen, wen man gerade vor sich hatte. Seine beiden Mitstreiter waren, wie vereinbart, schon da. Gemma in seinem blütenweißen Kimono war in der Dunkelheit noch am besten zu erkennen. „Sei nicht so laut, du ungehobelter Klotz.“, zinkte Gemma ihn auch sofort an. „Die anderen Hausbewohner schlafen. Und mir wäre sehr daran gelegen, wenn das auch so bleibt. Die müssen das hier nicht sehen.“ „Warum schlafen WIR nicht? Was sollen wir denn um so eine Zeit hier?“, maulte der kleine Dicke uneinsichtig zurück. „Wenn du nicht auch ein paar Lebensjahre haben willst, dann geh halt wieder auf dein Zimmer und penn weiter. Dann teilen Intetsu und ich sie unter uns auf. Mir egal.“ „Oh!“, machte Hanya und Ponya plötzlich hellwach. „Hast du etwa ...?“ „Natürlich habe ich. Glaubt ihr, ich hab mich bloß um des Spaßes Willen mit der Tochter unseres Herrn vergnügt?“, gab Gemma leise zurück. „Kommt her.“ Gemma schloss eine Hand um seinen Edelstein, den er als Kette umhängen hatte. Die andere streckte er lose nach Intetsu aus, der den gleichen um den Hals trug, ohne dessen Edelstein jedoch wirklich zu berühren. Eine Distanz von wenigen Zentimetern genügte ihm völlig für sein Vorhaben. Der Stein, den Intetsu umhängen hatte, glomm schwach auf, als Gemma Energie darauf zu übertragen begann. Er hatte in seinem eigenen Kettenanhänger eine gewaltige Menge 'Chi' gespeichert, das er mit seiner Truppe teilen wollte. Immerhin war er der Kopf dieser Dämonenbande und daher auch für das Auskommen seiner Mitstreiter mit verantwortlich. Schließlich hielten sie ja bei den mitunter sehr riskanten Aufträgen auch ihren Kopf für ihn mit hin. Die Edelsteine fungierten wie Gefäße, in denen man Kraft sammeln konnte. Zum Teil war es pure Lebensenergie, die ihnen ein Weiterexistieren ermöglichte, zum Teil waren ihre dämonischen Fähigkeiten davon abhängig. Hatten Dämonen die Chance, ihren Stein mit neuer Energie aufzuladen, machte sie das ein gutes Stück stärker, fitter und langlebiger. Möglichkeiten, an solche Energie zu kommen, gab es verschiedene. „He, lass mir auch noch was übrig!“, maulte Hanya und Ponya dazwischen, als er mit ansah, wie Gemma mehr und immer mehr Chi an Intetsu abtrat. „Keine Sorge, es ist genug für alle.“, gab Gemma ernst zurück, konzentriert weiter mit seinem Werk beschäftigt. „Es ist erstaunlich, was für Energien frei werden, wenn ein Mensch sein Chi freiwillig hergibt. Anderes Thema: Mir scheint, wir stehen wieder unter der Beobachtung des Kaiserhofes.“ „Wie kommst du darauf?“ „Aya hatte Katzenhaare an ihrer Kleidung. Gar nicht mal so wenige.“ Also doch!, dachte Intetsu. Er hatte sich also nicht getäuscht. Gemma hatte es auch gesehen. „In dieser Stadt gibt es keine Katzen.“, bemerkte Hanya und Ponya ganz richtig. „Nein. Im gesamten Landstrich gibt es keine. Aber Aya hatte definitiv mit Kaiser Hidijos Katze zu schaffen. Ist die Bake Neko einem von euch über den Weg gelaufen?“ Intetsu und Hanya und Ponya schüttelten die Köpfe. „Mir auch nicht. Ich frage mich, was sie hier wollte. Ich glaube, sie hat nach uns gesucht. Und muss uns zwangsläufig auch gefunden haben.“, erzählte Gemma unwillig. Er hatte ganz sicher nicht vor, an den Kaiserhof zurück zu kehren. Aber er hätte zumindest gern den Grund ihres Auftauchens gewusst. Kaiser Hidijos Katze konnte schwerlich ein Interesse an einem kleinen, unbedeutenden Schwertmeister oder gar seiner noch unbedeutenderen Tochter haben. Aber hätte das Katzenmädchen irgendwas von ihnen gewollt, hätte es sich doch gezeigt und offen gesagt, was los war. Gemma wusste nicht recht, was er davon halten sollte, daß der Katzengeist hier herumstreunte, so weit vom Palast des Kaisers entfernt, ohne jedoch in Aktion zu treten. „Wahrscheinlich hat sie nur wieder rumspioniert und Informationen gesammelt, wie immer. Wäre ja nichts Neues.“, vermutete Intetsu. Gemma gab ein verneinendes Brummen von sich und wandte sich dabei von Intetsu ab und Hanya und Ponya zu, um auch dessen Edelstein-Anhänger ein wenig mit dem gehorteten Chi aufzuladen. „Hier gibt es absolut nichts, was für den Shirakawa-In von Interesse wäre. Abgesehen von der Tatsache, daß wir drei uns gerade hier aufhalten. Lasst uns in Zukunft ein bisschen vorsichtig sein, was wir tun und sagen. Und wenn diese Katze mit einem von euch spricht, will ich das wissen.“, meinte er. Gemma behielt auch weiterhin für sich, was er neulich auf dem alten, verwitterten Friedhof mit angesehen hatte. Das Wiedererscheinen von O-Takenaga war ein nicht zu unterschätzender Faktor im Gefüge der Menschenwelt. Gemma hoffte inständig, daß das Auftauchen von Kaiser Hidijos Katze in diesem verschlafenen Städtchen nicht damit in Zusammenhang gebracht werden musste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)