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Kaiser Hidijo's Katze [Leseprobe]

eine japanische Dämonensage
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
So, ihr Lieben, jetzt tauchen wir so langsam in die Anthologie-Version dieser Story ein. ^_^ Komplett anzeigen

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Hashi

„Zwei Bauerndörfer, die sich mit den Verwaltungsbeamten in den Haaren liegen? Was sollen wir da ausrichten?“, hakte Hashi nach, gab dem anderen die Schriftrolle zurück und rückte sich das Schwert am Gürtel zurecht. Er fühlte sich sichtlich unbehaglich. Natürlich wusste er, was er da ausrichten sollte. Als Samurai war er derjenige, der von seinem Fürsten ausgeschickt wurde, um für Ruhe zu sorgen.

„Unsinn, das ist kein Bauernaufstand. Unser schönes Ise wird angegriffen. Das ist ein Überfall von außen.“

„Woher willst du das wissen?“

„Das will ich dir sagen: Bauern tragen für gewöhnlich nicht die Flagge einer anderen Provinz vor sich her.“

Hashi verengte skeptisch die Augen. „Welcher Provinz?“

„Yamato. Fürst Sonos Land.“

„Wir befinden uns im Krieg mit dem Minister zur Linken? Ist unser Fürst wahnsinnig geworden?“

„Tja, was glaubst du, warum er uns einreden will, daß es sich nur um einen banalen Bauernaufstand handelt?“, erwiderte der andere Samurai ruhig und wedelte vielsagend mit der Schriftrolle, bevor er sie geradezu gelassen wieder aufwickelte. Es war ein vom Fürsten weitergeleitetes Hilfeersuchen eines Dorfes nahe der Grenze. Darin ging es um Kämpfe, ja, aber es war keine Rede davon, daß der benachbarte Fürst Sono, die rechte Hand des Kaisers höchstselbst, mit mehreren hundert Männern eingefallen war, eine Siedlung besetzt hatte, und von dort aus systematisch weiter vordrang. Die ersten Dörfer hatten begonnen, panisch Samurai zu Hilfe holen zu wollen. Es war halbwegs aussichtslos. Die meisten Samurai wagten sich nicht gegen solch eine Übermacht in den Krieg und retteten sich in monströse Geldforderungen, die die Bauern unmöglich zahlen konnten.

„Und, ähm, diesem Dorf willst du helfen?“, wollte Hashi unsicher wissen.

„Ja.“

„Warum?“

„Du bist selbst Samurai, du solltest die Antwort kennen.“

Hashi senkte den Blick. Natürlich waren ihm die Bushido-Tugenden geläufig, auch wenn sie von den meisten anderen stolzen Samurai heute gern vergessen wurden. Er selbst hielt noch viel auf diese alten Tugenden, aber deswegen wollte er sich auch nicht gleich suizidal in so eine hoffnungslose Schlacht stürzen. Unschlüssig rieb er mit den Fingern über ein gewaltiges Katzenbild, das mit Tusche an eine Hauswand gemalt worden war. Im gesamten Dorf gab es keine einzige Katze. Wenn eine auftauchte, wurde sie weggejagt. Weil Kaiser Hidijo befohlen hatte, daß man Katzen zu hegen und zu pflegen hatte als seien sie kleine Götter. Der Herrscher musste ein ziemlicher Katzennarr sein. Aber da in diesem Dorf fast nur Familien und Unterstützer des Minamoto-Clans lebten, der sich dem jungen Tenno und seinem fädenziehenden Ex-Kaiser bis aufs Blut widersetzte, hielt man Katzen einfach von hier fern, um sie nicht nach den Wünschen des Kaisers umsorgen zu müssen. Derzeit herrschte eine grauenvolle Mäuseplage im Dorf und man hatte sich der List bedient, Katzen an die Türen und Wände zu malen oder Katzenstatuen aus Holz und Bronze aufzustellen, um die Mäuse zu vertreiben. Quasi als Kompromisslösung zur echten Katze.

„Diese Menschen brauchen unsere Hilfe. Und sie bitten uns untertänig um Beistand, Hashi.“, holte der andere Samurai ihn wieder aus seinen Überlegungen zurück in die Realität. „Die Bauern arbeiten hart für den Reis, der auf unseren Tischen steht, und die Kleider, die wir am Leibe tragen. Findest du nicht, wir sind es ihnen schuldig?“

„Aber hat denn diesen Krieg unser Fürst begonnen?“

„Das wissen wir nicht. Und es ist auch egal. Ich sagte ja nicht, daß wir für den Fürsten kämpfen. Nein, für diese armen, wehrlosen Bauern!“, betonte sein Kollege.

„Du hast leicht Reden.“, seufzte Hashi und kratzte sich überfordert im Genick. „Du hast ja auch keine Frau mit einem kleinen Sohn zu Hause sitzen. Sollen wir uns zu zweit einer ganzen Armee stellen?“

„Nein, wir müssen noch ein paar Samurai finden, die sich unserer Sache anschließen.“

„Da hast du dir was vorgenommen, so ganz ohne irgendeinen Lohn, den du ihnen in Aussicht stellen kannst.“

„ ... und die Bauern kämpfen ja mit uns.“

Hashi seufzte wieder. „Schön. Also gut, ich bin dabei. Die Ehre gebietet es.“

„Sehr gut. Du bist wahrlich ein würdiger Samurai.“, stellte der andere anerkennend fest und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Wir sollten noch mindestens 3 weitere finden. 4 wären besser.“

Hashi nickte. „Ich weiß schon, wen ich noch fragen werde. ... Woher bist du überhaupt so gut informiert? Ich wusste ja noch nichtmal, daß wir überhaupt angegriffen werden, geschweige denn von wem.“

„Dai vom Lachs-Clan hat es mir gesagt, als er mir die Schriftrolle brachte. Er kam gerade von der Grenze und wird auch wieder dorthin zurückgehen. Er begleitet uns.“

„Oh nein, ist nicht dein Ernst. Der ist ein Arschloch!“

„Woher willst du das wissen, Hashi? Du kennst ihn gar nicht.“

„Nein. Aber die Typen vom Lachs-Clan sind doch ALLE Arschlöcher!“

Der andere lachte und zuckte dann mit den Schultern. „Du sollst ihn ja nicht heiraten. Er ist ein guter, aufrichtiger Kämpfer.“, stellte er ruhig klar und wandte sich dann zum Gehen. Hashi war halt noch jung. Sein Samuraigemüt war über so kleingeistige Dinge wie einen arroganten Ruf eben noch nicht erhaben. Ja, es gab ranghöhere, einflussreichere Samurai von nobler Abstammung, und weniger angesehene Samurai von geringerem Rang. Aber danach sollte sich Hashi nun wirklich nicht richten. „Wir treffen uns morgen früh am Stadttor.“

Hashi sah ihm noch einen Moment nach und schaute dann wieder auf das gruselige Katzenmonster, das an die Hauswand gemalt worden war. Nun, der Mäuseplage hatten die Bilder und Statuen bisher nicht entgegengewirkt. Katzen waren schon ganz schön eigenwillige und machtlose Dämonen, fand Hashi. Nichtmal gegen ein paar Mäuse kamen sie an. Oder sie wollten gar nicht helfen, wer weiß. Keine Ahnung, was Ex-Kaiser Hidijo an Katzen fand. Hashi konnte gut verstehen, daß sich sein Clan so gegen die sinnlosen Anweisungen des Shirakawa-In sträubte. Sie brachten ja nichts, wie man sah.
 

„Ja, ich habe davon gehört. Ein gewisser Dai war schon hier und hat es mir erzählt.“

„Ich nehme an, er hat dich gefragt, ob du mitkommst.“, gab Hashi zurück und stellte die Teetasse ab, die sein Freund und Lehrer ihm vorgesetzt hatte. Und rückte am niederen Tisch auf der Reisstrohmatte in eine bequemere Position. Er war ein wenig sauer, daß dieser Kerl vom Lachs-Clan schneller gewesen war. Er hatte seinem langjährigen Weggefährten und Meister gern selber von den Ereignissen rund um den angeblichen Bauernaufstand und den Angriff aus Yamato erzählt.

„Schon. Aber ich komme nicht mit. Ich habe hier schwerwiegendere Pflichten.“

„Das verstehe ich.“

„Wirst du denn mitgehen?“

„Ja, ich habe es ihm zugesichert.“

„Ach, das dachte ich mir. Das ist eine gefährliche Reise. Allerdings konnte ich meine Tochter Aya nicht davon abbringen, mit euch zu gehen. Ich gebe dir Intetsu mit, er soll für deine Sicherheit garantieren, und die meiner Tochter.“

Die hölzerne Schiebetür ging in genau diesem Moment auf, als habe sie nur auf den Befehl gewartet. Dahinter kam eine bewaffnete Gestalt mit ungewöhnlich heller Haut und geröteten Augenrändern zum Vorschein. Er trug ein weites, zwar lila-lastiges, aber insgesamt doch sehr farbenreiches, aufwändiges Gewand mit großem Kragenaufbau und eine gewisse, leicht übertriebene Farbenpalette im Gesicht. Er war schlimmer geschminkt als manche Frau. Dennoch wirkte er seriös und ernstzunehmend.

„Hallo, ... du ... ähm ... siehst interessant aus.“, bemerkte Hashi verwundert, nicht wissend wie er es auf die Schnelle diplomatischer ausdrücken sollte. Was um Himmels Willen war das denn? Er trug ein Schwert, aber ein Samurai war er nicht. Nur was war der dann? Ein Ninja? In so sperriger, hinderlicher Kleidung wohl kaum. „Sicher bist du ein großer Kämpfer, wenn du dich so selbstbewusst kleidest.“

Sein Meister schmunzelte. „Er ist ein Dämon.“

„Oh.“ Hashi wurde es anders. Er kannte Dämonen nur vom Hörensagen. Und zumeist lagen sie im Krieg mit den Menschen. Es kam nur denkbar selten vor, daß Dämonen und Menschen zusammenarbeiteten. „Ich hatte noch nie mit Dämonen zu tun. Und er soll mein ... Gefolgsmann sein?“, wollte der Samurai verunsichert wissen, arg um ein passendes, möglichst nicht zu hartes Wort ringend. Es fiel ihm schwer, eine magieumwobene Sagengestalt als Diener zu betrachten.

„An sich gibt es nur eine Sache zu beachten: Vergiss niemals, wer Intetsu ist. Er mag dir wie ein gewöhnlicher Untertan vorkommen. Dämonen sind nicht unfehlbar. Sie sind launisch, machen Fehler und man kann sie besiegen. Sie können einem wie Menschen vorkommen. Wie jemand über den man Befehlsgewalt hat. Aber du darfst trotzdem nicht glauben, sie befehligen oder beherrschen zu können. Es ist sein freier Wille, sich mit dir einzulassen. Wenn du einen Dämon nicht angemessen behandelst, wird er sich gegen dich wenden und dich im Zweifelsfall sogar töten, egal welche Position du unter den Menschen innehast.“

„Was bedeutet angemessen?“

„Du musst keine Angst vor Intetsu haben.“, winkte Meister Suruga lachen ab. „Er wird dir ergeben sein und dir gute Dienste leisten. Aber er wird nicht dulden, daß du ihn wie Dreck behandelst. Der letzte Kaiser der Fujiwara-Familie war herablassend und hat seine Diener geschlagen, wenn er mit ihrer Arbeit nicht zufrieden war. Er wurde von seiner eigenen Leibwache umgebracht: von seinen drei Dämonen.“

„Es hieß, er wäre plötzlich verstorben, an einem Anfallsleiden oder sowas.“

Der Meister lachte. „Natürlich hieß es das. Das ist die offizielle Version. Was glaubst du, was passiert, wenn es im gewöhnlichen Volk die Runde macht, ein Tenno sei von seinen eigenen Bediensteten erschlagen worden? ... Ich schätze, sein Nachfolger, Ex-Kaiser Hidijo, wird daraus gelernt haben und wird die drei wohl etwas besser behandeln, sofern er sie noch in seinem Gefolge hat.“

Hashi verzog das Gesicht. Kaiser Hidijo hatte Dämonen in seinem Gefolge? Ein Grund, sich selber nicht mit Dämonen abzugeben. Hashi hasste Kaiser Hidijo. Er konnte nichtmal so richtig sagen, warum. Er war Kaiser Hidijo nie begegnet. Es war wohl eine Prinzipfrage. Sein gesamter Clan stand mit dem Kaiser auf Kriegsfuß. Er war einfach von frühester Kindheit an so aufgewachsen und erzogen worden, dem Shirakawa-Kaiser zu misstrauen, der die geheiligte, alte Fujiwara-Blutlinie unterbrochen hatte. Dennoch wandte er sich nach kurzem Hadern mit einem ehrlichen Lächeln dem farbenfroh geschminkten Dämon zu, ohne sich Gedanken zu machen, warum sein Freund und Lehrer überhaupt einen solchen in seinem Haus beherbergte. „Gut, Intetsu, lass uns Partner sein! Ich freue mich auf unsere gemeinsame Reise.“

Der Dämon nickte nur schweigend, mit humorlosem Gesichtsausdruck als käme er sich veralbert vor. Abgesehen davon blieb er einfach in der Raumecke stehen wie ein Gebrauchsgegenstand, der geduldig auf seinen nächsten Einsatz wartete. Er setzte sich nichtmal.

Der betagte Mann lächelte ebenfalls bestätigend und schlürfte dann weiter an seinem inzwischen endlich abgekühlten Tee.

„Ich bedauere es fast, daß Aya uns begleiten will. Wir alle sind vom gleichen Clan. Unsere Familien eint ein starkes Band und ich liebe deine Tochter Aya als wäre sie meine eigene. Willst du sie wirklich in den Kampf schicken?“, hakte der Samurai nach, da nun keiner mehr reden wollte und ihm das Schweigen irgendwie unpassend erschien.

„Sie ist eine ausgebildete Kunoichi. Eine Ninja. Ich will darauf vertrauen, daß sie sich ihrer Lage bewusst ist und auf sich aufpassen kann.“

„Aber willst du ihr denn wirklich jemanden wie Intetsu mitgeben? Sicher hat sie keinerlei Ahnung von Dämonen.“

„Zugegeben, in der Obhut ihres Bruders wäre sie sicherlich besser aufgehoben. Aber ich kann und will Kenji jetzt nicht in so einen Krieg schicken. Ich brauche ihn hier. Aya wird mit Intetsu zurecht kommen, denke ich. ... Intetsu, hol meine Tochter bitte her.“

Der stattliche Kerl mit der pompösen Kimonogewandung sah verdutzt auf. „Ich soll sie ... herholen? Selbst?“

„Was stört dich daran?“, wollte der Alte mild wissen.

„Bisher hast du uns untersagt, auch nur in die Nähe deiner Tochter zu kommen.“

„Tja ... für dich wird sich das in der nächsten Zeit ein wenig ändern müssen. Geh schon.“

Intetsu nickte halb verwundert, halb verstehend, und verließ den Raum.
 

Es klopfte.

„Ja?“, kam es von drinnen. „Intetsu!“, machte Aya perplex, als die Tür zur Seite geschoben wurde und der Dämon dahinter zum Vorschein kam. Mit ihm hatte sie zu allerletzt gerechnet. Ihr Vater hatte jeglichen Kontakt zwischen ihr und den drei Kerlen unterbunden, die seit ein paar Wochen mit in diesem Haus lebten. Sie hatte einen Bogen um die Männer zu machen, wenn sie zufällig ihren Weg kreuzte, und durfte sie auch nicht ansprechen. Anfangs hatte Aya geglaubt, sie seien hochrangige Würdenträger und sie selbst sei daher nicht würdig diese Typen anzusprechen. Aber sie hatte oft interessiert vom Türspalt aus beobachtet, was die im Innenhof so trieben und war sehr schnell zu dem Schluss gekommen, daß sie nichtmal richtige Menschen sein konnten. Ihr Vater sagte, sie seien Dämonen. Aya hatte zwar keine Angst vor den ungehobelten Kerlen, die ihre Zeit im wesentlichen damit verbrachten, sich zu raufen, zu betrinken oder anzügliche Witze zu reißen, war aber auch nicht bei allen dreien sicher, ob die ihr nicht irgendwas antun würden. Jedenfalls war Aya der Anordnung ihres Vaters, sich von denen fernzuhalten, gern nachgekommen. Und doch stand Intetsu nun in ihrer Tür und wollte mit ihr sprechen.

„Dein Vater will dich sehen, Aya.“, meinte der Mann mit den zum Pferdeschwanz gebundenen Haaren und wirkte selbst ein wenig verlegen. Auch ihm war es nicht ganz geheuer, daß er bisher einen Bogen um dieses Mädchen hatte machen sollen und nun so direkt mit ihr konfrontiert wurde.

Aya sah ihn noch einen Moment an, aber er sprach nicht weiter. „Ist ... ist gut, ich komme.“, entgegnete sie daher und erhob sich von ihrem Nachtlager, auf dem sie gerade verschiedene Sachen für ihre morgige Abreise zusammenpackte. Als sie auf den Gang hinaustrat, warf sie mit ihrer langen Schleppe eine Katzenstatue aus Holz um. Sie machte sich nicht die Mühe, das verhasste Ding wieder aufzustellen. Seufzend tat Intetsu das für sie, bevor er ihr folgte.

Vor der Tür zum Wohnbereich ihres Vaters schloss sich ihnen ein weiterer Dämon an. In diesem Haus lebten ja drei davon. Aya stockte, als sie Gemma vor der Tür stehen und warten sah. Den freundlicheren, bunten Intetsu, welcher sie gerade aus ihrem Zimmer abgeholt hatte, fand sie ja noch ganz angenehm und schick. Aber Gemma machte ihr derwegen ein wenig Angst. Aya fragte sich, ob Dämonen immer in ungerader Zahl agierten. Ihr Vater hatte ihr vom letzten Fujiwara-Kaiser erzählt, der von seinen drei dämonischen Leibwachen erschlagen worden war. Und von einer Kolonne fahrender Händler, die von Dämonen überfallen und verschleppt worden war. Dort waren es fünf gewesen. Gemma hier hatte kurze, sonnenfarbene Haare, ein schneeweißes Gewand bis zum Boden, Haut wie Kreide und eine frostige, gänzlich humorlos anmutende Mimik. Wie Intetsu trug auch Gemma permanent ein Schwert in seinem gebundenen Stoffgürtel. Sie hatte ihn noch nie ohne gesehen. Auch seine Augen wirkten entzündet und rot umrandet. Das war wohl ein Erkennungsmerkmal von Yokai. Soweit Aya das mitbekommen hatte, war Gemma sowas wie der Kopf der Truppe. Er schien unter den drei hier hausenden Kerlen das Sagen zu haben und war auch der, der ständig bei ihrem Vater herumlungerte und mit ihm über irgendwas Absprachen traf.

Gemma und Intetsu wechselten einen ernsten Blick, mit dem sie sich offenbar wortlos verständigen konnten. Sie wussten, was der jeweils andere dachte und vorhatte. Ohne einen Kommentar zog Gemma die Schiebetür auf – und ohne sich vorher anzukündigen, wie der jungen Frau nicht entging – und betrat den Wohnbereich ihres Vaters. Wenn diese Dämonen hier Untergebene waren, dann benahmen sie sich nicht so. Sie führten sich auf, als würde das Haus ihnen gehören. Notgedrungen trat Aya mit ein, als Intetsu hinter ihr deutlich machte, daß er ebenfalls endlich hinein wollte und sie zu diesem Zweck auch mit etwas mehr Nachdruck durch die Tür schieben würde.

„Hashi, hallo. Was verschlägt dich denn her?“, grüßte Aya den Gast und ließ sich mit am Tisch nieder. Enttäuscht stellte sie fest, daß für sie keine Teetasse mehr da war. Sie hätte auch gern mit den Männern Tee getrunken.

„Gemma, was kann ich für dich tun?“, richtete ihr Vater einen respektvollen Gruß in die entgegengesetzte Richtung, als ihm natürlich nicht entging, wen seine Tochter noch im Schlepptau hatte.

„Du schickst Intetsu fort?“, rückversicherte sich der Yokai mit den gelben Haaren. Durch seine steinerne Mimik kam er ein wenig sauer rüber. Vielleicht lag es auch an seinen verschränkten Armen. Begeistert schien er jedenfalls nicht.

„Ja, meine Tochter wird auf Reisen gehen. Ich wünsche, daß Intetsu sie begleitet. Ich fühle mich wohler, wenn jemand auf sie aufpasst.“

Aya schaute fragend zwischen ihrem Vater, Gemma und Intetsu hin und her. Sie sollte einen dieser Kerle mitnehmen, wenn sie ging? Davon wusste sie ja selber noch nichts. Musste das sein?

„Das entscheidest nicht du!“, legte Gemma fest. „Über meine Männer bestimme ich immer noch selbst.“

Ayas Vater seufzte resignierend. Es klang, als hätte er schon viel zu oft mit Gemma solche Debatten führen müssen, wer hier wem was vorzuschreiben hatte.

„Es ist mir völlig egal, wo deine Tochter mit Intetsu hingeht, oder wie lange diese Reise dauern soll. Ich werde mitgehen.“, legte der Gelbhaarige fest.

„Willst du wegen Intetsu mitgehen, oder wegen meiner Tochter?“

Gemma legte ein Grinsen auf – so selbstgefällig es auch sein mochte – und wackelte tadelnd mit dem Zeigefinger. „Du bist ein kluger Mann, was?“, höhnte er. Dann zuckte er mit den Schultern. „Ich sehe hier keinen Diskussionsbedarf.“

„Du kannst auch gern mit meiner Tochter reisen und Intetsu bleibt hier.“, schlug Ayas Vater kompromissbereit vor. Er sah nicht ein, 2 seiner 3 Dämonen wegzuschicken.

„Nichts da! Wir gehen zu zweit. Ich weiß, wo deine Tochter hin will. Ich weiß, was sie vorfinden wird. Ich bin dort gewesen. Intetsu alleine kann da nichts ausrichten. Und ich werde ihn nicht in den Tod schicken, wegen eines Weibes.“, stellte Gemma mit einem überheblichen Unterton klar.

Ayas Vater starrte ihn einen Moment sauer an und überlegte sichtlich, ob er auf diese Beleidigung gegenüber seiner Tochter eingehen sollte.

„Hanya und Ponya wird hier bleiben und dir zu Diensten sein.“, fügte der Dämon noch an, dann wandte er sich um und verließ das Zimmer. Machte sich auch nicht die Mühe, die Schiebetür wieder zuzuschieben.

Aya schaute sprachlos zwischen ihrem Vater und der nun leeren Fläche hin und her, wo Gemma gerade noch gestanden hatte. „Wer sind Hanya und Ponya?“

„Der dritte Dämon, den ich in meinem Haus beherberge.“, gab ihr Vater zurück.

„Wieso hat er zwei Namen?“, klinkte sich auch Hashi wieder mit in die Unterhaltung ein. Als Samurai hatte er geglaubt, mit so ziemlich jeder Situation irgendwie umgehen zu können. Aber das alles hier war ihm doch zu viel.

„Das weiß ich auch nicht so genau. Er scheint die Fähigkeit zu besitzen, sich in zwei voneinander unabhängige Körper aufzuspalten, die getrennt voneinander handeln können wie eigenständige Wesen. ... sagt man jedenfalls. Gesehen habe ich das noch nicht. Ist vielleicht auch besser so.“, schmunzelte der Alte. Er wirkte recht gelassen. Offenbar war er das Benehmen der Dämonen bereits gewohnt. Dann seufzte er leise. „Ich hatte mich nicht grundlos entschieden, euch Intetsu mitzugeben. Der ist recht handzahm. Mit Gemma musst du vorsichtiger sein, wenn er wirklich mitgeht, hörst du?“

„Kannst du ihn nicht hier behalten?“, wollte auch Aya etwas wehleidig wissen.

„Gemma lässt sich von mir nicht festhalten.“



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