Momente von Alaiya ([One-Shots und Drabbles]) ================================================================================ Der Zug von Neudehli -------------------- Sieben Stunden. Der Zug hatte sieben Stunden Verspätung, als er ihm Bahnhof von Neudehli einfuhr. Elaine zitterte, dabei war die Luft schwül und heiß. Unsicher und Angsterfüllt, sah sie sich in der Menge um. Doch niemand schien sie zu beachten. Sie wusste nicht, ob sie sich hier sicher fühlen konnte oder nicht. Hier waren so viele Menschen und so leicht konnte sie niemand angreifen. Doch gleichzeitig hatte sie, seit sie Indien erreicht hatte, so viele Geschichten über Mädchen und junge Frauen, die einfach verschwanden, gehört. Doch diese Sorgen waren nun vorbei. Der Zug war da. Endlich. Er würde sie nach Bhutan bringen. Ihr Plan, wenngleich nicht sonderlich detailliert, war, von dort aus irgendwie über die Grenze nach China zu kommen. Und dort … Sie wusste es nicht. Wahrscheinlich würde sie eine neue Zuflucht suchen. Eine neue Höhle, in der sie sich verstecken konnte. Fernab von Menschen. Es muss sein. Das wusste sie. Doch egal, wie oft Maor es wiederholte, sie kam nicht umher, es zu bedauern, es zu hassen. Sie wollte nicht länger fliehen. Sie wollte nicht länger allein sein. Sie wollte wieder eine Heimat haben, eine richtige Heimat. Du willst leben. Natürlich wollte sie das. Sie schulterte ihren Rucksack und ging zu dem Zug hinüber, der sich nun langsam geleert hatte. Noch zehn, zwanzig Minuten und er würde wieder Richtung Osten fahren. Früher gab es in China große Bibliotheken. Das war ihre einzige Hoffnung. Eine Lösung zu finden. Eine Lösung, in der sie in ihrem eigenen Körper weiter leben und Maor befreien konnte. Sei vorsichtig. Elaine sah sich im Wagon um. Alles wirkte alt und etwas herunter gekommen, obwohl dies eine der am besten ausgebauten Linien des Landes war. Doch sie hatte ein Ticket. Sie hatte ein Abteil. Einen Ort, wo sie sicher war. Bleib vorsichtig. Ihr Vater würde sie nicht während der Fahrt angreifen. Sie konnte sich ausruhen. Sie konnte sich der Illusion hingeben, zwischen Menschen zu sein. Auch wenn sie in Wahrheit weit, weit von ihnen entfernt war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)