Momente von Alaiya ([One-Shots und Drabbles]) ================================================================================ Ad insulam malorum ------------------ Alles war vorbereitet. Ihre Kleidung, ihre Kamera, ein wenig Schreibsachen und ihr Laptop lagen in dem großen alten Lederkoffer, den sie einmal von ihrem Vater bekommen hatte. Dieser war, zusammen mit ihren Fokusobjekten – einer einfachen Weltkarte, auf der New York markiert war, und ein paar Postkarten – in der Mitte des Ritualkreises platziert, während sie an dessen Rand saß. Gun hatte sich die Anleitung in ihrem Buch mehrfach durchgelesen und war zu einem deutlichen Ergebnis gekommen: Es war verdammt gefährlich, was sie vorhatte. Aber hey, wer liebte nicht so ein wenig Risiko? Davon abgesehen brauchte sie dringend einen Tapetenwechsel und hatte als einfache Studentin nicht das Geld ein Flugticket zu bezahlen. Selbst wenn sie um die Hotelkosten wohl kaum herumkam. Und einmal ganz ehrlich: Wozu hatte sie ihre Magie? Noch einmal ging sie durch die beschriebenen Blätter, die neben dem Kreis lagen. Es war einfaches Druckerpapier, auf dass sie ihre Notizen gemacht hatte. Sie hatte die Werte berechnet, die Energie und was als Gegengewicht nötig wäre. Die gute, alte Frau Lindberg, die sie damals im Magierinternat unterrichtet hatte, würde wahrscheinlich einen Anfall bekommen, wenn sie sie so gesehen hätte. Sie trug nicht einmal ihre Roben! Der Fakt war jedoch, dass sie ihre Roben nicht an sich gebunden hatte und nicht splitterfasernackt im Central Park auftauchen wollte. Ihre Augen wanderten um den magischen Kreis, den sie gezeichnet hatte. Die Himmelsrichtungen, die vor allem für diesen Zauber wichtig waren, waren am Rand in anliegenden Kreisen eingetragen. Gut. Die Kurzzeichen für Weg, Bewegung, Transport, Mensch und Magie waren innerhalb des Kreises, zusammen mit den vier Elementen eingetragen. Das Septagram war von einem Quadrat umgeben und natürlich endeten dessen Ecken auf den Himmelsrichtungen. Ja, es sollte stimmen. Auch die Kerzen, die sie in regelmäßigen Abständen auf dem äußeren Rand des Kreises aufgestellt hatten, brannten alle. Gut. Es musste alles gutgehen. Also zog sie einen kleinen Zettel, ein abgerissenes Stück von einem der Blätter, hervor. Darauf hatte sie mit Bleistift und einiger Arbeit einen kleinen Spruch vorbereitet. Sie räusperte sich und las den Spruch vor. Einmal. Zwei Mal. „Te invoco, magice vetus, ut trans flumen, ad insulam malorum me portes, ubi esse volo.“ Sie bemühte sich den Spruch in ihren Gedanken festzuhalten, als sie die Augen schloss, ihre Hände auf den Rand des Kreises legte und begann ihre Energie und die ihres Umfeldes in dem Kreis zu sammeln. „Te invoco, magice vetus, ut trans flumen, ad insulam malorum me portes, ubi esse volo.“, wiederholte sie leise und formte dabei ein Konzept in ihren Gedanken. Magie, für die Energie, die sie brauchen würde, Erde, da sie sich in Relation zu einem großen Fels, der durch das Weltall rotierte, bewegen wollte. „Te invoco, magice vetus, ut trans flumen … “ Dann die Idee der Bewegung, der raschen Bewegung. Die Vorstellung, wie die Energie einer Leyline, sie tragen würde. Mitten zum Reservoir im Central Park. „ … ad insulam malorum me portes, ubi esse volo.“ Immer deutlicher formte sie diesen Gedanken, sammelte immer mehr Energie, webte diese um ihre Fokusobjekte, konzentrierte sich auf die Aspekte des Zaubers und ließ es zu, dass ihr Geist in die übliche Trance verfiel. Ein bisschen Angst hatte sie schon. Doch was war das Leben ohne Risiko? Und dann, schließlich, ließ sie die Energie los und spürte im selben Moment ein sinkendes Gefühl in ihrer Magengegend. Sie fiel. Sie fiel. Sie fiel. Und schlug hart auf einem Grasboden auf, ehe etwas schweres auf ihren Beinen landete. Sie stöhnte auf und öffnete blinzelnd die Augen. Lichter. Das Geräusch einzelner Fahrender Autos. Steinformationen, die sie aus Filmen kannte. Sie strampelte sich von ihrem Koffer los, sprang auf und warf triumphierend ihre Hände in die Höhe. „Yes!“, jubelte sie. „Beste Hexe!“ Dann sah sie an sich hinab, nur um sicher zu gehen, doch es sah soweit danach aus, als wären alle Körperteile am Ziel angekommen. Es war Nacht in New York, ganz wie sie berechnet hatte. Also blieb ihr nur eins übrig: Eine Bleibe finden. Doch sie hatte sich bereits die Adresse der Jugendherberge in der 104th Street herausgesucht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)