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Das Teehaus am Ende der Straße: Der Weg zum Epilog

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo zusammen,
es ist noch Sonntag, ich schaff langsam wieder den Wochenrhythmus :>
Vielen dank für die Kommis und so vielen Favos! Frisch von Creamy beta gelesen das nächste Kapitel Komplett anzeigen

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Der Experte für Sankon Tessō

03 – Der Experte für Sankon Tessō
 

Es war bereits Abend, als Hanako die Stufen hinauf zum Higurashi-Schrein erklomm. Majestätisch ragte der Hügel über das Viertel und verströmte zusammen mit dem alten Tempel Erhabenheit und Weisheit. „Ich versteh nicht, was du in einem Tempel willst“, schnaufte Cat ein paar Schritte hinter ihr. „Ich dachte, du suchst Sesshoumaru.“ Das Panther-Mädchen hatte darauf bestanden ihre Freundin zu begleiten; zum einen aus ehrlicher Sorge, zum anderen aber auch aus purer Neugier. Die Vorfreude versetzte sie in helle Aufregung endlich etwas über den mysteriösen letzten Dämon zu erfahren. Außerdem schien ihr Hanako auch einiges zu verschweigen. Sie war zwar die Einzige, die Hanako ins Vertrauen gezogen hatte bezüglich ihrer Abstammung und Verbindung zu Sesshoumaru, doch hatten die spärlichen Erklärungen die unersättliche Neugier in Cat nicht auch nur ansatzweise befriedigen können.

Sesshoumaru hatte es vorgezogen auch nach seiner unfreiwilligen Enttarnung so wenig wie möglich über seine Person preis zu geben. Die wenigsten Youkai wussten von seiner Beziehung zu Kagome, in welchem Verhältnis er zu Hanako stand und wer er eigentlich war. Die Gerüchteküche brodelte ein paar Monate nach dem Vorfall mit den Panthern, doch irgendwann ebbte das Gerede ab, da er ihm keine neue Nahrung gab. Einzig der Fakt, dass er der letzte überlebende, echte Youkai war blieb übrig und damit konnte er leben. Wenn man bedachte, dass er sogar seine wahre Gestalt und die Macht seines Schwertes offenbart hatte, kam er eigentlich ziemlich billig aus der Geschichte heraus. Hanako hatte ihn zwar vorgewarnt, als sie ihre Herkunft gegenüber ihrer besten Freundin schließlich verriet, aber trotzdem war er nicht glücklich darüber, dass nun diese vorwitzige, neunmalkluge Göre darüber Bescheid wusste, die ihre Nase bevorzugt in Dinge steckte, die sie nichts angingen. Er nahm es schließlich murrend hin, es blieb ihm auch nichts anderes übrig, wenn er Hanako nicht verletzen wollte.

„Ich hab doch gesagt, dass du keine Fragen stellen darfst, wenn du mitkommen willst“, zischte Hanako ärgerlich über ihre Schulter. „Außerdem suche ich ihn gar nicht.“ „Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. Dieser Tag ist echt zu viel für mich. Erst rastest du vollkommen aus, Sesshoumaru wird komisch und verschwindet einfach und jetzt gehen wir in einen Menschentempel. Was kommt als nächstes?“ Cat war gerade dabei vollständig in ihrem theatralischen Selbstmitleid aufzugehen, als Hanako sich zu ihr umdrehte, sie an den Schultern packte und ihr mit schmalem Blick eindringlich in die Augen sah. „Du musst das alles nicht verstehen, zumindest jetzt nicht. Ich hab dich mitgenommen, weil du meine beste Freundin bist und ich wirklich etwas Unterstützung gebrauchen kann. Aber wenn du nicht aufhörst ständig Fragen zu stellen und deine Klappe nicht halten kannst, dann geh jetzt nachhause. Ich bin jetzt schon in Schwierigkeiten, weil ich dich mit hierher genommen habe, also mach es nicht schlimmer.“ Große, grüne Augen sahen Hanako nach diesem Appell ungläubig an. Es dauerte einen Moment, bis die Pantherhanyou ihre Sprache wiedergefunden hatte. „Ich wusste nicht…“ begann sie zu stammeln, wurde aber von Hanako unterbrochen. „Ja, konntest du auch nicht. Aber ich bitte dich als meine Freundin, reiß dich jetzt endlich zusammen! Das ist kein Spiel und auch nicht lustig.“ Cat war immer noch nicht in der Lage zu sprechen, nickte aber stumm. Sie schien die Ernsthaftigkeit der Situation endlich zu begreifen, dachte Hanako erleichtert.

Sie erreichten endlich den Platz am Ende der Treppe. Der Tempel hatte bereits für Besucher geschlossen, daher waren sie allein. Hanako zog ihre Freundin nun ein Stück mehr ins Vertrauen, die aber gerade staunend den Schrein betrachtete. „Wir sind hier, weil das das Zuhause von Sesshoumarus Gefährtin ist.“ „Waaaaas?! Der alte Griesgram hat eine Freundin?“, entfuhr es Cat sofort, doch geistesgegenwärtig hielt sie sich die Hände vor den Mund; sie hatte ihrer Freundin Zurückhaltung versprochen und wollte sie nicht enttäuschen. Hanako honorierte ihr Bemühen, indem sie den Kommentar einfach überhörte. „Ihr und ihrer Familie gehört dieser Schrein, sie ist eine Miko. Ich muss ihr Bescheid geben, was passiert ist und außerdem habe ich noch ein paar Fragen an sie.“ „Deswegen gibst du ihr Bescheid, dass er verschwunden ist“, führte Cat den Gedanken weiter. Sie machte ein seltsames Gesicht dabei, denn die ganze Situation verwirrte sie immer noch mehr, als für ihren blonden Lockenkopf gut war.
 

Kurz nachdem sie geklingelt hatten, öffnete sich die Tür. „Huch, Hanako, was willst du denn hier?“, sagte Kagome erstaunt. „Ist was passiert?“ „Dürfen wir reinkommen?“, fragte Hanako stattdessen. Sie bemerkte die unausgesprochene Frage in Kagomes Blick. „Das ist Cat, eine Freundin von mir.“ Diese besann sich augenblicklich auf ihre Manieren und verbeugte sich. „Es freut mich sehr.“ „Na dann kommt.“ Kagome verschwand in der Küche, um Tee aufzusetzen und rief den beiden Mädchen zu, dass sie im Wohnzimmer am Tisch warten sollten. Kurz darauf kehrte sie mit drei Tassen Tee zurück und setzte sich zu den beiden an den Tisch. „Dann beeilt euch mal, ich muss gleich weg, weil ich mit Yuka und den anderen wieder ein Restaurant ausprobieren muss.“ Hanako kicherte. „Das wievielte ist das? Das Fünfte?“ „Das Siebte. Du weißt doch, dass sie diese Hochzeit generalstabsmäßig planen. Es wird sicher nicht das Letzte sein“, antwortete Kagome resigniert und fuhr sich mit den Fingern niedergeschlagen durch den Pony. „Also, was ist passiert?“

Kurz schilderte Hanako, was Stunden zuvor passiert war; ihr Ausbruch, den Kampf und ihre neue Fertigkeit. Sie gab zu, dass sie ab diesem Punkt bewusstlos war und sich an nichts erinnern konnte und verwies auf ihre Freundin, die sie deshalb mitgebracht hatte. Doch Cat saß stocksteif auf ihrem Platz und hielt sich verzweifelt an ihrem Tee fest. Das war zu viel für sie. Da saß diese nette Frau und plauderte unbefangen mit Hanako. Diese Frau war Sesshoumarus Gefährtin? Kaum vorzustellen, sie war das genaue Gegenteil von ihm! Hanako hatte Recht. Wenn sie beide nicht aufpassten, würde Sesshoumaru furchtbar wütend werden. Er war heute Morgen schon wütend auf sie gewesen, Cat strich sich über den Kopf und ertastete die Wunde. Was würde er erst mit ihr tun, wenn er herausfand, dass sie nun Tee mit seiner Gefährtin trank und in seinem Leben rumschnüffelte? Langsam breitete sich Panik in ihr aus und ihre Finger umschlossen immer fester den heißen Becher vor ihr.

„Cat?“ Hanako sprach nun zum wiederholten Mal ihre Freundin an, aber ihre Stimme erreichte sie nicht. Sie saß starr da, war ganz blass und starrte auf den Tee in ihren Händen. Hanako war völlig verwirrt, so kannte sie ihre Freundin gar nicht. Rat suchend sah sie zu Kagome. „Du hast sie vor Sesshoumaru gewarnt, stimmt‘s?“, sagte die Miko schließlich. „Schau, sie hat Angst. Angst, dass sie etwas Falsches sagen könnte.“ „Sie hat sonst eine sehr große Klappe, da dachte ich, dass es besser wäre“, gab Hanako geknickt zu. Das wollte sie doch nicht, dass ihre Freundin Angst hatte. Sie sollte die Lage nur ernst nehmen.

Fürsorglich legte Kagome ihre Hand auf Cats Unterarm. „Hör zu, du musst keine Angst haben. Es ist alles in Ordnung.“ Doch das Mädchen zuckte sofort zusammen, kaum dass sie berührt wurde. Manchmal fragte sich Kagome wirklich, was Sesshoumaru alles tat um sein Leben geheim zu halten. Was hatte er für Drohungen ausgesprochen, dass diese Hanyou nun völlig panisch war, nur weil sie nun von Kagome wusste? „Sie ist heute Morgen mit ihm beim Training aneinander geraten. Ich glaube, sie realisiert gerade erst, wer er ist und was passieren kann, wenn sie ihn verärgert. Dann hab ich ihr gesagt, dass wir Ärger kriegen können, weil wir hier sind. Eben habe ich nochmal von heute Morgen erzählt, das war wohl dann alles zu viel.“

Kagome nahm schließlich beide Hände Cats in die ihren und versuchte etwas Trost zu spenden. „Es passiert dir wirklich nichts, du hast nichts Falsches gesagt oder getan. Ich werde auch nicht verraten, dass du hier gewesen bist, okay?“ Verschämt sah das Mädchen auf und suchte Augenkontakt zu der Miko. „Ich weiß, wie er sein kann. Glaub mir, ich verstehe gut, dass du Angst hast. Aber bitte erzähl mir, was heute passiert ist, nachdem Hanako ohnmächtig geworden ist. Das ist wirklich wichtig.“ Langsam begann Cat wieder zu atmen, aber ihr Blick klammerte sich immer noch an Kagomes braune Augen. „Sag einfach, ich hätte es erlaubt, wenn er böse wird“, fügte Kagome mit einem Zwinkern hinzu. „Hanako hat ihn mit dieser Technik angegriffen, Sankon Tessō. Dann hat er leise ‚Inuyasha‘ geflüstert, hat Hanako mit seiner Aura eingehüllt und ist verschwunden.“ Leise und monoton verließen die Worte den Mund der Pantherhanyou. „Seitdem ist er nicht mehr aufgetaucht“, fügte Hanako hinzu.

„Oh, verstehe.“ Kagome ließ sich zurück in ihren Stuhl fallen. „Ihr müsst euch keine Sorgen machen. Hanako hat unbeabsichtigt einige Erinnerungen in ihm an die Oberfläche geholt. Im Moment will er wahrscheinlich allein sein, was auch besser so ist, da er in solchen Momenten unausstehlich ist. Spätestens morgen wird er wieder auftauchen.“ Kagome versuchte gelassen zu wirken, um die beiden Mädchen nicht weiter zu verunsichern. Wie sie ihn kannte, würde er sich gerade in seinem Weltschmerz häuslich einrichten und sich bemühen jede Erinnerung zu ertränken, jedes Gefühl auszuräuchern. Sollte er morgen nicht wieder auftauchen, würde sie ihn suchen gehen, dann konnte mehr dahinter stecken als einer seiner üblichen depressiven Momente.

„Inuyasha war sein Bruder, nicht wahr?“, fragte Hanako nach einigen Augenblicken der Stille schließlich. „Halbbruder“, entgegnete Kagome reflexhaft mit einem Lächeln. Sie wusste, wie enorm wichtig ihrem Gefährten diese Differenzierung war. „Er war doch auch ein Hanyou. Kannst du mir bitte ein bisschen etwas von ihm erzählen? Bin ich ihm ähnlich, dass ich diese Erinnerungen in Sesshoumaru geweckt habe?“ Diese Frage beschäftigte Hanako schon den ganzen Tag. Vielleicht konnte sie etwas aus dem Leben Inuyashas lernen, der sich mit ihr das Schicksal teilte ein Halbdämon zu sein.

Kagome jedoch schaute auf die Uhr. „Ich muss eigentlich längst los. Wenn du etwas über Inuyasha wissen willst, kannst du aber auch Sota fragen. Mein Bruder kannte ihn auch und ist so eine Art Experte für Sankon Tessō.“ Sie musste kichern, als sie sich an diese Geschichte erinnerte. Es war die gerechte Strafe für Sota all das erzählen zu müssen, nachdem er ihren Süßigkeitenvorrat geplündert hatte. „Wartet kurz, ich hole ihn.“

Einige Minuten später saß ein schüchterner, junger Mann den beiden Hanyou gegenüber am Tisch. Sota besuchte inzwischen die Oberschule und trug seine schwarze Schuluniform. Sein Gesicht konnte nicht verleugnen, dass Kagome seine Schwester war, sie sahen sich ziemlich ähnlich. Auch das dicke schwarze Haar war das gleiche, nur trug Sota es kurz wie fast alle Jungs seines Alters. Gutgelaunt klopfte Kagome ihm aufmunternd auf den Rücken. „Das ist euer Experte für Sankon Tessō. Erzähl den beiden, was du über Inuyasha weißt. Lass nichts aus, Hanako weiß ja Bescheid. Viel Spaß euch allen!“ Damit war sie zur Tür hinaus verschwunden und hinterließ einen vor Scham knallroten Sota.
 

Sesshoumaru lag auf einer Wiese hoch oben in den Bergen und genoss die Ruhe. Er hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und beobachtete die Wolken, die vorüberzogen. Im Gras an seiner Seite lagen eine leere Flasche und ein Päckchen Zigaretten. Seit Stunden schon war er hier und langsam färbte die Ruhe dieses Ortes auf sein aufgewühltes Inneres ab. Er hatte heute seit Jahren wieder das erste Mal an seinen verdammten Halbbruder denken müssen. Hanako… das war das gleiche großmäulige Geschrei, das gleiche Betteln nach Anerkennung. Und dann dieser Angriff… Das heute war wie eine Zeitreise für ihn gewesen. Jetzt, wo sich der angenehme Dunst in seinem Geist ausgebreitet hatte, konnte er es sich eingestehen. Er vermisste die ständigen Kämpfe mit Inuyasha.

Er würde nicht so weit gehen, dass er den Hanyou ernsthaft vermissen würde. Nur weil sie nach der Zerstörung des Juwels aufgehört hatten zu versuchen sich gegenseitig umzubringen, bedeutete das nicht, dass sie sich als Brüder akzeptierten. Sie hatten eben den gleichen Vater, das war alles, was sie verband. Sesshoumaru sah Inuyasha immer als nerviges Großmaul und schwächlichen Emporkömmling. Irgendwann hatte er ihm Tessaiga zwar überlassen, aber er würde ihrem Vater niemals verzeihen, dass er Inuyasha das legendäre Schwert vermacht hatte. Immerhin hatte es der Schwachkopf irgendwann verstanden mit dem Schwert umzugehen. Sesshoumaru nahm einen tiefen Zug seiner Zigarette und blies den Rauch in den Wind.

Umgekehrt hatte Inuyasha Sesshoumaru immer als eiskalten und machtgierigen Tyrannen gesehen, womit dieser aber leben konnte. Der Bastard hatte nie verstanden, was es bedeutete ein Daiyoukai zu sein und Vaters Erbe anzutreten. Am Tag seiner Geburt starb der große Hundedämon und hinterließ dann seinem Erstgborenen plötzlich den gesamten Westen. Das vergaß Inuyasha gerne. Und dann, als er die Hilfe seines Halbbruders wirklich einmal gebrauchen konnte, hatte der nichts Besseres zu tun, als sich von dieser Priesterin an einen Baum bannen zu lassen. Erbärmlich, einfach erbärmlich. Ein Heer aus dem Osten stand an der Grenze, er hatte sogar extra Jaken geschickt, seinen Halbbruder zur Hilfe zu holen und dann fand sein krötiger Berater Inuyasha selig schlafend an einem Baum.

Inzwischen konnte er sogar die Gedanken nachvollziehen, die seinen Vater leiteten, als er seinen ungleichen Söhnen die beiden Fangzähne hinterließ. Tessaiga sollte Inuyasha beschützen, sowohl vor anderen Youkai als auch vor sich selbst. Tenseiga sollte ihm selbst Demut vor dem Leben und den Wert von Bindungen zu anderen lehren. Wahrscheinlich wusste der Alte auch, dass Sesshoumaru in der Lage sein würde sein eigenes, mächtiges Schwert zu erschaffen und nicht auf das Erbe seines Vaters angewiesen war. Aber nur weil er es verstand, bedeutete es nicht, dass er das guthieß. Auch wenn diese Entscheidung ihm im Laufe seines Lebens eine Ziehtochter und schließlich eine Gefährtin beschert hatte; er war nach wie vor wütend auf seinen Vater.

Er zündete sich eine neue Zigarette an und begann damit auch einen neuen Gedanken. Was würde er heute dafür geben, seinen Halbbruder mal wieder zusammenzuschlagen und ihm zu erklären, was er für ein unwürdiges Stück Abschaum war. Irgendwie fehlte ihm das in letzter Zeit. Auch war Inuyasha der Letzte gewesen, mit dem ein Kampf wirklich Spaß gemacht hatte, ihn ein bisschen gefordert hatte. Und dann war er irgendwann einfach tot gewesen, erschlagen vom Daiyoukai des Ostens. Der riesige Panther hatte ihn mit seinen Klauen völlig zerfetzt. Sesshoumaru erinnerte sich noch genau daran, wie der Hanyou im schlammigen Boden inmitten seines eigenen Blutes lag. Er war dabei, als er seinen letzten Atemzug tat, er hörte seine letzten Worte. „Jetzt gehört Tessaiga dir, du Idiot.“ Für diese letzte Frechheit wollte Sesshoumaru seinem Halbbruder bis heute die Hölle heiß machen. Der Gedanke, es nicht tun zu können, hinterließ ein seltsames Gefühl in ihm. Aber er vermisste Inuyasha nicht. Ganz sicher nicht.
 

Sota brachte keinen Ton heraus, sondern starrte nur auf die Tischplatte. Neugierig beobachteten sowohl Hanako als auch Cat die Farbwechsel in seinem Gesicht. „Ich wusste gar nicht, dass auch Menschen das lernen können. Man braucht doch eine ganze Menge Youki dafür“, dachte Hanako schließlich laut nach. „Können sie ja auch nicht!“, platzte es aus Sota heraus, „Meine Schwester will mich aufziehen mit einer Geschichte, als ich noch ein kleines Kind war. Das ist so peinlich.“ In der Zwischenzeit hatte Cat die Anspannung etwas verlassen und sie war nun wieder mehr sie selbst. „Woher kennst du Inuyasha überhaupt? Ich dachte, er wäre seit Jahrhunderten tot.“

Dankbar für den Themenwechsel atmete Sota tief durch und begann zu erzählen: „Inuyasha konnte auch durch den Brunnen reisen und war uns einige Male besuchen. Deswegen kannte ich ihn. Ich war damals noch ein Kind, ich fand ihn total cool und stark. Wenn meine Schwester nicht da war, weil sie noch in der Schule war, haben wir ab und zu zusammen gespielt.“ „Moment mal!“, ging Cat verwirrt dazwischen, „durch den Brunnen reisen? Was heißt das?“ Erstaunt sah Sota Hanako an. „Ich dachte, sie wüsste es? Meine Schwester hat doch gesagt, dass ihr Bescheid wüsstet.“ Verlegen kratzte die Angesprochene sich am Kopf und lachte unsicher. „Ehrlich gesagt, nur ich kenne die Geschichte. Ich hatte noch keine Gelegenheit Cat alles zu erzählen, sie hat Kagome heute zum ersten Mal getroffen.“ „Und du bist sicher, dass ich alles erzählen soll?“, hakte Sota nach. Hanako nickte. „Wirklich alles?“ Hanako nickte erneut. „Und das ist abgesprochen mit…?“ „Kagome hat es erlaubt!“, unterbrach ihn Hanako sofort. Sie wollte nicht, dass Cat eine erneute Panikattacke erlitt beim Gedanken daran, dass Sesshoumaru wahrscheinlich nicht damit einverstanden wäre sie einzuweihen.

Sota sah Cat an und setzte seine Erzählung fort: „Früher gab es hier einen Brunnen, mit dem konnte Kagome 500 Jahre in die Vergangenheit reisen. Sie ist die Wiedergeburt der Miko, die das Juwel der vier Seelen beschützt hat. Im Mittelalter wurde das Juwel zerstört, ein böser Youkai wollte alle Splitter haben… du siehst, es ist eine sehr lange Geschichte. Auf jeden Fall hat sie dort Inuyasha getroffen und zusammen haben sie die Splitter gesucht. Als das Juwel wieder komplett war, hat sie den richtigen Wunsch geäußert und das Juwel, das immer viel Ärger verursacht hatte, verschwand. Seitdem ist der Brunnen verschlossen.“ Cat sah Hanako ungläubig an. „Die Geschichte von dem Juwel hab ich als Kind von meiner Mutter vorgelesen bekommen. Ich dachte, das sei ein Märchen.“ Hanako zuckte mit den Schultern. „In jeder Legende steckt ein Körnchen Wahrheit.“

„Damals hat Sesshoumaru ja dann wohl auch schon gelebt“, überlegte Cat. „Also haben sich er und Kagome damals kennengelernt?“ Sowohl Hanako als auch Sota wussten nicht, was sie darauf antworten sollten. Verlegen lächelten beide und drucksten herum. Schließlich versuchte Sota sich diplomatisch auszudrücken: „Weißt du, der Sesshoumaru von damals war, glaube ich, ganz anders als der von heute. Ich weiß nur das, was mir Kagome und sein Bruder erzählt haben, aber da liegen Welten dazwischen.“ „Häh, wie meinst du das?“ Hanako wand sich um jedes Wort, als sie versuchte eine Erklärung zu finden: „Weißt du…. Im Vergleich zu damals…. Also heute…. Kagome wundert sich oft wie nett und geduldig er ist. Bei ihrer ersten Begegnung hatte er noch versucht sie umzubringen.“

„Ich glaube, wir kommen so nicht weiter“, sagte Sota schließlich, als die Stille drückend wurde. „Erklär deiner Freundin das alles mal in Ruhe, das ist sonst zu verwirrend. Du wolltest etwas über Inuyasha wissen?“ „Ja, wie war er? Wie sah er aus? Was hat es mit diesem Sankon Tessō auf sich?“, platze es ungeduldig aus Hanako heraus. „Inuyasha war der Halbbruder von Sesshoumaru. Die beiden sind Söhne des großen Hundedämons, der vor Sesshoumaru Herrscher der westlichen Ländereien war. Es ist nirgends überliefert, wie er hieß; Sesshoumaru ist der Einzige, der das weiß. Aber ich würde euch davon abraten ihn nach seinem Vater zu fragen.“ Fasziniert hingen die beiden Hanyou an seinen Lippen. „Woher weißt du das alles?“, fragte Hanako beeindruckt. „Großvater versucht die ganzen alten Geschichten zusammenzutragen und so etwas wie eine Chronik daraus zu machen. Ich helfe ihm oft dabei, das ist ziemlich spannend.“ „Und Sesshoumaru hilft euch?“, hakte Cat nach. „Naja, er redet nicht gerne über die Vergangenheit. Manchmal beantwortet er Großvater ein paar Detailfragen.“

Sota fuhr fort: „Inuyasha hatte eine menschliche Mutter, sein Vater starb am Tag seiner Geburt. Als Hanyou unter Menschen hatte er es damals auch nicht leicht und die anderen Youkai haben Mischlinge verachtet. Beide hatten jeweils ein Schwert von ihrem Vater vererbt bekommen.“ Nachdenklich sah Sota zur Decke. „Da gibt es so viel, was ich erzählen könnte, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Aber wartet kurz, ich habe ein Foto von ihm.“ Sota stand auf und kehrte kurze Zeit später mit einem Bilderrahmen zurück an den Tisch. „Die Bilder hatte ich bei einem seiner ersten Besuche gemacht.“ In dem Rahmen waren zwei Bilder. Auf dem einen sah man einen kleinen Jungen zusammen mit einem Hundehanyou, auf dem anderen den Hanyou allein mit einem monströsen Schwert. Hanakos Auge nahm begierig jedes Detail auf.

„Auf der einen Seite sieht er seinem Bruder sehr ähnlich, auf der anderen hat eine ganz andere Ausstrahlung“, fasste Hanako schließlich ihre Eindrücke zusammen. „Er hat so ähnliche Ohren wie du“, stellte Cat vergnügt fest, „Also da seid ihr euch schon mal ähnlich.“ „Inuyasha war wirklich das Gegenteil von Sesshoumaru“, bestätigte Sota lächelnd. Das waren schöne Erinnerungen, in denen er gerade grub. „Er war ziemlich vorlaut, hat oft gehandelt oder gesprochen ohne darüber nachzudenken. Das Herz hatte er am rechten Fleck, er hat immer versucht Kagome zu beschützen oder uns zu helfen. Auch wenn er das Leben in der Neuzeit nicht verstanden hat. Am Anfang hat er Autos für Dämonen gehalten und wollte gegen sie kämpfen. Bei ihm hat man auch gemerkt, dass er zur Hälfte ein Hundeyoukai ist.“ „Wie meinst du das?“, fragte Hanako. Dabei schaute sie erneut auf das Foto. Bis auf die Ohren konnte sie darauf nichts entdecken, das sie an einen Hund erinnert hätte. Sota lachte, als er es erklärte: „Wenn er irgendwo gesessen hat und sich am Kopf kratzen musste… das hat er immer mit seinem Fuß getan. Wie ein Hund, der sich kratzt. Wir hatten damals auch einen Kater, mit dem hat er auch gespielt.“

Hanako war fasziniert von Inuyasha. Er war wirklich ganz anders als sein Bruder und gerade fand sie es sehr schade, dass er schon so lange tot war. Zu gerne hätte sie ihn einmal getroffen. „War er stark?“ „Ja“, bestätigte Sota, „Das bringt mich auch gleich zu der anderen Frage von dir. Sankon Tessō war ein Angriff von ihm, damit konnte er ganze Bäume mit einem Schlag zerstören.“ „Und wieso bist du der Experte dafür?“, bohrte Cat gnadenlos nach. Sie hatte Kagomes Hinweis nicht vergessen. Sofort wurde Sota wieder rot. „Das ist so eine alberne Geschichte, da war ich nicht mal zehn“, stöhnte er. „Egal, wir wollen sie hören“, flötete Cat zuckersüß. „Ich war damals in ein Mädchen aus meiner Klasse verliebt, aber ich hab mich nicht getraut ihr das zu sagen.“ Sota ergab sich mannhaft der sich anbahnenden Schmach. „Inuyasha war für mich damals der coolste Typ überhaupt, also hab ich ihn um Rat gefragt. Damit ich selbstbewusster werden würde, hat er mir die Technik gezeigt und gesagt, dass ich fleißig trainieren soll. Dann würde das schon alles klappen. Als verzweifelter Zehnjähriger glaubst du sowas. Ich hab das fleißig trainiert und stand ewig vor einem Baum.“ Er schlug zur Anschauung mit gespreizten Fingern durch die Luft. „Seht ihr? Ich hab trainiert, aber ich kann es nicht. Immer noch nicht.“ „Hat es funktioniert?“, fragte Hanako mit einem Lächeln. „Du hast es doch gerade gesehen“, entgegnete Sota verlegen. „Nein, ich meinte, hat es dich mutiger gemacht? Hast du dem Mädchen deine Gefühle gestanden?“ „Ach so, ja, das hat irgendwie geklappt. Ich hab das später noch oft gemacht, immer wenn ich Angst hatte, habe ich Sankon Tessō geübt. Bis ich 14 war oder so.“ Cat lachte Tränen bei der Geschichte, aber Hanako fand sie gar nicht so albern. Inuyasha hatte, so gut er eben konnte, versucht einem Kind Mut zu machen.
 

Sie deutete auf das Schwert. „Was hat es damit auf sich?“ „Das ist Tessaiga, das Schwert, das er von seinem Vater geerbt hat. Ziemlich stark, er konnte damit die Windnarbe entfesseln und alles in Schutt und Asche legen.“ „Windnarbe?“, wiederholte Cat verwirrt. „Was ist das?“ „So hieß dieser Angriff. Kagome hatte mir erzählt, dass er mit der Zeit noch mehr entdeckte. Die Windnarbe ist aber die einzige seiner Techniken, die ich gesehen habe.“ Hanako starrte nachdenklich auf das Foto. Darauf war ein Hanyou zu sehen, der das riesige Schwert stolz auf die Schultern gelegt hatte und frech in die Kamera grinste. „Das Schwert sah aber nicht immer so aus, oder? Und wegen des Schwerts hatte er auch immer Streit mit seinem Bruder, hab ich recht?“ Sota konnte seine Verblüffung nicht verbergen. „Woher weißt du das alles? Du hast Recht, im Ruhezustand sieht das Schwert alt und schartig aus. Er hat oft mit Sesshoumaru darum gekämpft, der wollte es auch haben. Bei ihrem ersten Kampf hat Inuyasha ihm sogar den linken Arm abgeschlagen, das muss damals echt heftig gewesen sein zwischen den beiden.“ Fassungsloses Entsetzen spiegelte sich in den Augen der Mädchen. „Aber er hat doch jetzt wieder beide Arme?“, fragte Cat vorsichtig nach. „Das hat mir meine Schwester mal erklärt, aber ich hab es nie verstanden. Irgendwie weil er später sein eigenes Schwert bekommen hat, dabei kam auch der Arm wieder. Fragt Kagome danach, sie war sogar dabei, als das passierte.“

„Unglaublich, dass die beiden sich so gehasst haben“, kommentierte Cat traurig die Geschehnisse. „Sie waren doch Brüder und trotzdem haben sie sich versucht umzubringen.“ „Das beruhte auf Gegenseitigkeit“, versuchte Sota zu beschwichtigen, „Inuyasha hatte Sesshoumaru genauso verabscheut wie umgekehrt. Jedenfalls hat er es mir so erzählt. Kagome hatte später, als sie mir ihre Abenteuer berichtete, erwähnt, dass die beiden aufeinander los sind, kaum dass sie sich begegnet sind.“ „Wie ist das zwischen ihnen ausgegangen?“, erkundigte sich Cat. „Hat Sesshoumaru etwa seinen Bruder umgebracht?“ „Nein“, entgegnete Hanako noch vor Sota. „Irgendwann hatte er das Schwert aufgegeben. Sein Bruder ist viel später erst in einem Krieg gestorben, das hat er mir jedenfalls erzählt.“ „Kagome hat mir auch erzählt, dass er irgendwann das Schwert nicht mehr versucht hat zu erobern. Er konnte es ja nicht einmal halten, sagte sie, weil es sich gegen ihn gewehrt hat. Weil er ein richtiger Dämon ist, glaube ich.“ Hanako verschränkte die Arme und überlegte. Als sie sich in ihren Gedanken zu verheddern drohte, sprach sie sie schließlich aus. „Er hat das Schwert aber inzwischen, ich habe es gesehen. Es hängt neben seinen anderen Schwertern in seinem privaten Raum. Wie hat er das nur geschafft, wenn er es nicht anfassen kann?“
 

„Es hat mir das Fleisch von den Händen bis auf den Knochen verbrannt, als ich es nach seinem Tod an mich genommen habe.“ Aus dem Nichts stand plötzlich Sesshoumaru in der Tür und hatte noch immer den Schlüssel in der Hand. Mit kaltem, undurchdringlichem Blick sah er auf die drei jungen Leute am Tisch herab. Hanakos Herz klopfte wild vor Aufregung, Cat wurde sofort von ihrer Panik gelähmt und erstarrte mit weit aufgerissenen Augen. Wie viel hatte er von ihrem Gespräch gehört?

Kalte Wut glänzte im Gold seiner Augen, voller Verachtung ließ er noch einmal den Blick durch die Runde schweifen. Sein Schweigen war schlimmer als jeder Wutausbruch, dachte Hanako erschüttert. „Wo ist Kagome?“, fragte er schließlich emotionslos in den Raum hinein. „Mit ihren Freundinnen essen“, presste Sota heraus. Er hatte vergessen, wie furchteinflößend der Daiyoukai sein konnte. Ohne ein weiteres Wort drehte Sesshoumaru ihnen den Rücken zu und verließ das Haus der Familie Higurashi.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Aber Kagome hatte es doch erlaubt! :>
Kommis sind weiterhin sehr willkommen Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Salada
2017-08-07T18:05:20+00:00 07.08.2017 20:05
Ja das war ja jetzt klar, dass er da rein platzt xD
Mensch das war aber ne Schreibarbeit die du da geleistet hast! Respekt hier für!
Freue mich schon auf mehr :)
LG salada
Antwort von:  Seelenfinsternis
15.08.2017 23:30
Danke! :) Es wuchs und wuchs....
Ohne sein Reinplatzen wäre es ja langweilig gewesen :P
Von:  Kazu27
2017-08-07T17:34:18+00:00 07.08.2017 19:34
😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱😱
Ich glaube, das gibt sowas von ärger.
Sehr gut geschrieben, kleine tränen kamen hervor, wegen der Erinnerung an inuyasha, aber es ist nicht traurig geschrieben, bin in letzter zeit sehr emotional.
Mach weiter so
Ob er im Restaurant wütet🤔🤔
Antwort von:  Seelenfinsternis
15.08.2017 23:32
Ärger ist dezent untertrieben.
Solang er sich aufregt, ist eigentlich alles ok. Gefährlich ist es, wenn er still wird...


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