Vergissmeinnicht von dattelpalme11 ================================================================================ Kapitel 32: Gute Freunde küsst man nicht ---------------------------------------- ♥ Mimi ♥ „Ich kann immer noch nicht glauben, dass du ein Baby bekommst“, sagte Mimi staunend und betrachtete das Ultraschallbild, dass Sora ihr mitgebracht hatte. „Ich finde es auch noch alles so unwirklich. Irgendwie fühle ich mich noch gar nicht schwanger“, sie lächelte und berührte sanft ihren Bauch, während sie sich zufrieden zurücklehnte. Seit sich Yamato und Sora ausgesprochen und sich für ihr gemeinsames Baby entschieden hatten, war die Lage deutlich entspannter geworden. Zwar überlegten sie noch, wie sie das Ganze ihren Eltern schonend beibringen könnten, doch beide blickten sehr optimistisch in ihre gemeinsame Zukunft, indem das Baby die Krönung ihrer Liebe darstellte. „Wisst ihr schon, wie ihr es euren Eltern sagen werdet? Takeru scheint es ja relativ positiv aufgenommen zu haben.“ „Takeru war mega geschockt gewesen“, berichtigte Sora lachend. „Er hat zweimal nachgefragt, ob wir ihn verarschen.“ „Naja, aber am Ende hat er sich doch für euch gefreut“, stellte Mimi eisern fest. „Ja, dass schon. Ich mein‘ was soll er auch groß sagen? Ich denke, die Reaktion unserer Eltern wird heftiger werden. Und Yamato hat schon richtig Angst vor meinem Vater…“ „Ach als ob er seinen zukünftigen Schwiegersohn zusammenschlagen würde“, Mimi winkte sofort ab und lockerte ihre Schultern. „Und Yamato steht ja voll und ganz hinter dir. Ich denke nicht, dass dein Vater ihn dann noch vergraulen möchte.“ „Wow, du machst mir echt Mut“, seufzte Sora resigniert. „Aber genau deswegen fahren wir nach Kyoto zu meinen Großeltern zum Jidai-Matsuri. Hat zwar einiges an Überzeugungskraft gebraucht, aber so wie es aussieht, werden alle mitfahren. Okay, mit Ausnahme von Takeru, aber den bringen wir dann bei Taichi und Hikari unter.“ Mimi zuckte bei seinem Namen augenblicklich zusammen und auch, wenn sie sich nichts anmerken lassen wollte, fiel es ihr schwer vor Sora ihre makellose Fassade aufrecht zu erhalten. Er hatte gesagt, dass sie Freunde seien? Freunde?! War dieser Kerl von allen guten Geistern verlassen? Knutschte er etwa mit allen seinen Freunden heimlich rum, ohne auf deren Gefühle zu achten? Und nicht nur das…sie hatte ernsthaft geglaubt gehabt, dass sich diese komplizierte Beziehung in etwas Magisches verwandeln würde. Dass sie endlich zueinander fanden und glücklich werden könnten. Doch von Glück waren sie weit entfernt gewesen. „Mimi? Ist alles in Ordnung?“ Geistesabwesend fasste sie an ihre Kette und berührte den Anhänger sachte. Mit ihrem Zeigefinger fuhr sie die Gravur nach und ignorierte Soras Frage völlig, da sie mal wieder ihren Gedanken nachhing. Wieso konnte es nicht einmal glatt laufen? Mussten sie es immer schwerer machen, als es eigentlich war? Es könnte so einfach sein, doch er machte mal wieder alles kaputt und hinterließ eine Spur der Verwüstung in ihrem schmerzenden Herzen. „Okay, was hat er diesmal angestellt?“, hakte Sora in einem bohrenden Unterton nach und riss Mimi unmittelbar aus ihren Gedanken. „Was? Wen meinst du?“ Sie ließ ihre Kette augenblicklich los, als sie erkannte, dass diese Geste sie verraten hatte. Sora legte den Kopf schräg und musterte sie eindringlich. „Komm schon, stell dich nicht blöd. Ich merke doch, dass da wieder was zwischen euch läuft. So wie er dich am Strand heimlich angestarrt hat…“ Er hatte sie angestarrt? Das war ihr gar nicht aufgefallen…doch spielte das überhaupt eine Rolle? Sie waren Freunde… „Na und? Ich kann eben nichts dafür. Er ist eben…“, Mimi blieb abrupt das Wort im Halse stecken, als sie an sein charmantes Lächeln dachte, dass ihre Hände zum Zittern brachte. Ihr Herz begann unkontrolliert gegen ihre Brust zu pochen, während sich ein zarter Rotschimmer über ihre Wangen legte. „Also ist wieder etwas zwischen euch gelaufen?“, schlussfolgerte Sora scharfsinnig und legte nachdenklich den Kopf in den Nacken. Mimis Körper bebte, als sich die Wortkotze plötzlich ihren eigenen Weg bahnte. Sie konnte es nicht aufhalten, sondern begann einfach zu erzählen. Sie erzählte sogar Dinge, die sie aussparen wollte, doch sie war einfach nur wütend, weshalb sie jemanden brauchte, der ihr zuhörte. „Warte? Was?“, brachte Sora nur noch hervor, als Mimi ihre Erzählungen beendet hatte. „Ihr habt auf Kazus Party bereits rumgeknutscht? Und du hast mir nichts davon erzählt? Die war doch bereits im Mai gewesen?! Das war noch vor der Sache mit Makoto“, stellte sie entrüstet fest und schnappte nach Luft. „Ich weiß“, jammerte Mimi wehleidig. „Aber er hat zu dem Kuss nichts mehr gesagt, weshalb ich es einfach abhaken wollte.“ „Indem du dich mit Makoto ablenkst?“, warf Sora in den Raum und beäugte Mimi kritisch, die auf ihrem Stuhl immer kleiner wurde. Zum Glück war ihre Mutter nicht zu Hause. Bestimmt hätte sie ihre neugierige Nase nicht aus diesem Gespräch raushalten können. „Mensch Mimi…ich fass es nicht. Du solltest wirklich mit Taichi mal Tacheles reden! Du bist doch schon seit Ewigkeiten in ihn verliebt“, führte Sora ihr vor Augen. „So lange ist das doch gar nicht“, redete sich Mimi sofort raus, obwohl sie genau wusste, dass es nicht stimmte. „Siehst du! Du machst es schon wieder! Immer redest du dich raus! Wenn du ehrlich zu dir selbst wärst, würdest du zugeben, dass du schon für Taichi schwärmst, seit wir in den Kindergarten gehen.“ „Was? Nein! Wie kommst du denn darauf?“, fragte Mimi erzürnt und runzelte die Stirn. Seit dem Kindergarten? Ging Sora damit nicht etwas zu weit? Sie waren doch noch viel zu jung dafür gewesen, um zu verstehen, was Liebe bedeutete. „Wie ich darauf komme? Erinnerst du dich nicht mehr daran, als Taichi meinte, dass er mich mal heiraten möchte?“ Mimis Herz setzte auf der Stelle aus, als Sora ihr etwas ins Gedächtnis rief, dass sie nach all den Jahren verdrängt hatte. Ihr Mund klappte auf, ehe sich ihr Herz schmerzvoll zusammenzog und sie sich blitzartig in ihre Vergangenheit zurückversetzt fühlte. „Wenn ich groß bin, werde ich Sora heiraten!“ Genau dieser Satz brachte ihr Herz schon als fünf-Jährige zum Stocken, auch wenn sie damals nicht mal verstand wieso. Es hatte sie so verletzt, dass er Sora ihr in diesem Moment vorgezogen hatte, dass sie sich am liebsten verkriechen wollte. „D-Du hast das damals mitbekommen?“, hakte sie unsicher nach. „Ich bin nicht blöd Mimi“, erwiderte Sora behutsam und lehnte sich zu ihr rüber. „Du hast so oft von ihm geschwärmt und warst am Boden zerstört, als er das gesagt hatte. Und dann schlägst du vor ihm ein Vergissmeinnicht ins Gesicht zu malen? Ich denke, das war eindeutig.“ „N-Nein…ich hatte es ihm nur ins Gesicht gemalt, weil er uns damals mit Schlamm beworfen hatte“, rechtfertigte sie sich und fühlte sich auf einmal wie ausgeliefert. Kalter Schweiß lief ihren Rücken hinunter und führte dazu, dass sie unregelmäßig zu Atmen begann, während Sora ein scharfsinniges Grinsen aufgelegt hatte. „Ich kenne die Geschichte von deinen Eltern“, flötete sie fröhlich. „Du hast immer davon geschwärmt und Vergissmeinnicht sind auch deswegen deine Lieblingsblumen. Sieh‘ es ein…du hast ihm damit indirekt deine Liebe gestanden.“ Vollkommen baff weiteten sich Mimis Augen. „Sora…was redest du denn da?“, quietschte sie schrill und wollte der Wahrheit immer noch nicht ins Auge blicken, auch wenn ihr Herz einen gewaltigen Hüpfer machte. „Also ich finde meine Überlegungen außerordentlich logisch und ich glaube nicht, dass du dich mit einer Schwangeren anlegen willst“, ermahnte sie sie, während Mimi wütend die Wangen aufblies. Wie schaffte es Sora nur immer sie so zu durchschauen? Da gab es sicherlich einen Trick. Einen Trick, den sie ihr ganz sicher nicht verraten würde. _ Nachdem Sora ihr den halben Tag in den Ohren gelegen hatte, nochmal mit Taichi zu sprechen, war Mimi froh, dass sie heute Abend etwas Ruhe genießen konnte. Da ihre Eltern ihren Hochzeitstag feierten, waren sie ausgegangen, um einen romantischen Abend zu zweit zu verbringen. Zum Glück war auch die Stimmung ihrer Mutter wieder ausgelassener, die das Treffen mit ihrem Ex-Freund jedoch ein wenig verdrängte. Doch Mimi wollte nicht näher nachfragen, auch wenn Kaori sich tatsächlich in den Kopf gesetzt hatte, herumzuschnüffeln. Ihre Recherchen verliefen jedoch praktisch im Sande, weshalb sie sich auch nicht länger damit beschäftigen wollte. Sie wollte einfach einen entspannten Abend genießen. Mimi hatte bereits frisch geduscht und war in ihren bequemen Schlafanzug gestiegen, während ihre Haare noch im Handtuch antrockneten. Derweil hatte sie beschlossen ihre Fußnägel in einem knalligen Rosaton zu lackieren, der ihre eigene Laune etwas anheben sollte. Sie schüttelte kurz die Flasche und schnappte sich ihren Zehentrenner, während sie sich ganz entspannt auf ihrem Bett niedergelassen hatte. Sie schraubte den Deckel der Nagellackflasche ab und begann mit gleichmäßigen Bewegungen die Farbe auf ihren Nägeln zu verteilen. Sie brauchte keine fünf Minuten dafür, bis der andere Fuß auch schon an der Reihe war – schließlich hatte sie darin schon mehrere Jahre Übung. Zufrieden betrachtete sie ihre Zehennägel, als sie fertig lackiert waren. Sie schraubte die Nagellackflasche wieder zu, stand behutsam auf und tippelte zartfüßig zu ihrem Schreibtisch, ehe sie den Lack in einer Box verstaute, die sie darauf drapiert hatte. Danach öffnete sie ein Fenster, um den beißenden Geruch des Nagellacks aus ihrem Zimmer zu vertreiben. Gerade als sie ihre Zimmertür öffnen wollte, um sich einen kleinen Abendsnack vorzubereiten, hörte sie auf einmal, wie etwas gegen ihre Fensterscheibe flog. Es klirrte leise und schien gleich von dem glatten Glas abzuprallen, was jedoch Mimis Aufmerksamkeit dennoch erhaschte. Argwöhnisch drehte sie sich wieder ihrem Fenster zu und hörte das Geräusch erneut. Neugierig beugte sie sich über ihren Schreibtisch hinweg und sah tatsächlich eine Person, die direkt unter ihrem Fenster stand und kleine Kieselsteine nach oben warf. Sie musste nicht zweimal hinsehen, ehe sie die Person ganz klar identifizieren konnte. Erbost öffnete sie ihr Fenster und lehnte sich hinaus. „Sag mal hast du sie noch alle? Was soll das?“ raunzte sie und konnte sich kaum zügeln, während er einfach seelenruhig davorstand. Er sagte keinen Ton, als er plötzlich in der Dunkelheit verschwand und Mimi völlig irritiert am Fenster zurückließ. Was sollte das nur? Bildete er sich ernsthaft ein, dass sie im Schlafanzug zu ihm rauskam? Das konnte er vergessen. So verzweifelt war sie wirklich nicht. Gerade als sie das Fenster wieder schließen wollte, hörte sie ein dumpfes Geräusch, das von der Feuerleiter kam, die direkt neben ihrem Fenster entlangführte. Sie sah nach unten und riss von Panik ergriffen die Augen auf. „Taichi, was zur Hölle machst du da? Bist du komplett verrückt geworden“, brüllte sie und sah wie er tatsächlich die Feuertreppe hochgeklettert kam. Er hielt sich nur mit einer Hand fest und balancierte in der anderen einen kleinen Korb, den er bereits an Hanami dabeihatte. Kaum hatte sie ihre Worte ausgesprochen, blickte sie auch schon in seine warmen braunen Augen, die ihr Herz zum Stocken brachten. Nervosität rann durch ihre Adern und vermischte sich mit Scham, da sie tatsächlich in einem kitschigen Schlafanzug vor ihm stand. Er war aus feinem Satin und war sehr enganliegend. Zumal zierten kleine rote Herzen den rosafarbenen Stoff. Peinlich berührt sah sie an sich hinunter und wollte augenblicklich im Erdboden versinken, als Taichi wagemutig etwas aus seinem kleinen Korb zog und ihr direkt vor die Nase hielt. Ungläubig betrachtete sie es und nahm es zaghaft entgegen, während ein keckes Grinsen seine Lippen zierte. „Und lässt du mich rein?“, fragte er auffordernd, als sich Mimi direkt mit seinem kleinen Präsent vom Fensterbrett entfernte und ihm somit den nötigen Platz gab, um in ihr Zimmer zu gelangen. Er stellte zuerst den Korb auf ihrem Schreibtisch ab, als er sich geschickt über das Fensterbrett schwang und kurz drauf sitzen blieb, bevor er wieder festen Boden unter seinen Füßen verspürte. „Das nenne ich mal eine Punktlandung“, kommentierte er belustig, während Mimi nur die Stirn runzelte. „Du weißt schon, dass du auch wie ein normaler Mensch an der Tür klingeln kannst“, führte sie ihm vor Augen. „Ja, ich weiß, aber ich glaube die hättest du mir direkt vor der Nase zugeknallt“, erwiderte er locker und schloss das Fenster hinter sich. „Und außerdem war so der Überraschungseffekt einfach größer.“ „Oh ja…toller Überraschungseffekt. Was wäre, wenn du runtergestützt wärst?“ „Ist da etwa jemand besorgt um mich?“, er grinste frech und lehnte sich gegen den Schreibtisch, während Mimi ihm am liebsten diesen selbstgefälligen Gesichtsausdruck austreiben wollte. „Was willst du hier, Taichi?“, stellte sie die Gegenfrage und hielt noch immer den Strauß Vergissmeinnicht in ihren zitternden Fingern. Tais Blick veränderte sich auf einmal und wirkte recht ernst auf sie. Unsicher fuhr er mit dem Finger den Korb entlang und druckste etwas herum, was Mimi wahnsinnig werden ließ. Konnte er nicht einmal den Mund aufbekommen? Er war extra über die Feuerleiter durch ihr Fenster geklettert…dass musste doch etwas zu bedeuten haben! Auf einmal wandte er ihr den Rücken zu und kramte aus dem Korb einige Sachen hervor. Er lächelte milde und hielt einige DVD in die Höhe – hauptsächlich waren es irgendwelche Liebesfilme, die Mimi sicherlich alle schon einmal geschaut hatte. „Ich wollte mich bei dir entschuldigen. Ich hätte das nicht sagen dürfen, weil es auch nicht so ist. Das wissen wir beide.“ „Und du denkst etwa, dass mit einem Strauß Blumen und ein paar kitschigen DVDs alles wieder in Ordnung ist? Vielleicht klappt das ja bei deinen anderen Freunden“, knurrte sie und senkte den Blick. „Ähm, ich habe natürlich auch noch ein paar Snacks mitgebracht. Kari hat mir sogar beim Zubereiten geholfen, sodass sie noch genießbar sind…“, seine Stimme wurde immer dünner und verhallte schließlich in Mimis Zimmer. Argwöhnisch betrachtete sie ihn und zog ihre linke Augenbraue in die Höhe. „Du hast gekocht? Für mich?“ „Also es sind nur ein paar Kleinigkeiten und ein paar Sachen habe ich auch gekauft“, sagte er und tätschelte sich unbeholfen den Hinterkopf, was bei Mimi prompt das Eis zum Schmelzen brachte. Noch nie hatte ein Junge für sie Essen gekocht, geschweige denn sie mit einem Strauß Blumen überrascht. Sie war gerührt von seiner Geste, auch wenn sie es vor ihm nicht zugeben wollte. So leicht wollte sie es ihm auch wieder nicht machen, weshalb sie relativ locker reagierte. „Okay…ich hole uns mal etwas zu trinken. Du kannst es dir gerne bequem machen“, erwiderte sie steif, während ihr Herz förmlich vor Anspannung explodierte. Mit wackeligen Knien verließ sie das Zimmer, unwissend, wie es weitergehen sollte. _ „Und das Dorayaki hast du wirklich selbst gemacht“, fragte sie verblüfft und lehnte sich gegen ihren Kleiderschrank. Sie betrachtete die traditionelle Süßspeise und leckte sich mit der Zunge über ihre Lippen, an denen immer noch die rote Bohnenpaste haftete, die die Dorayaki zusammenhielt. „Naja Kari hat mir ein bisschen geholfen. Gerade beim Abmessen…das ist wohl nicht so meine Stärke. Ich hätte sicher wieder viel zu viel Zucker reingemacht“, antwortete er fast schon ein wenig schüchtern, während er sich eine Tasse des grünen Tees genehmigte, den Mimi extra für sie aufgegossen hatte. Die Stimmung zwischen ihnen war nach wie vor sehr angespannt, was eine lockere Unterhaltung kaum möglich machte. Es verlief sehr schleppend, was Mimi doch sehr frustete. Doch wie sollte sie diesen Knoten, der sich um beide gelegt hatte, zum Platzen bringen? Sie wartete regelrecht darauf, dass einer von ihnen, den entscheidenden Schritt wagte und endlich das ansprach, was zwischen ihnen stand. Waren sie bereit endlich eine Beziehung einzugehen, oder fanden sie sich weiterhin in einem Spalt zwischen Freundschaft und Liebe wieder, der auf immer dieses leidige Spiel vorantreiben würde? Mimi wollte Klarheit. Es konnte doch nicht sein, dass sie sich heimlich küssten, sich nah waren und vor ihren Freunden so taten, als wäre nie etwas zwischen ihnen passiert. Sie wollte eine Entscheidung. Hier und jetzt. „Tai…“ „Mimi…“ Beide stoppten abrupt, als sie den Namen des jeweils anderen hörten. Ein leichtes Lächeln legte sich über ihre Lippen und zeigte ihnen die Unsicherheit, die sich wie eine zweite Haut über sie gelegt hatte. Genau genommen, waren sie diejenigen, die sich im Weg standen. „Ähm…du zuerst“, sagte Taichi hölzern und schaffte es kaum ihrem Blick Stand zu halten, was in ihr eine gewisse Unruhe auslöste. Was wenn sie das Gespräch völlig falsch begann? Was wenn er etwas sagte, was sie nicht hören wollte? „Nein, fang du an…“, bat sie ihn eindringlich und spürte wie ihre eignen Wangen auf einmal ganz warm wurden. Ihr Puls beschleunigte sich augenblicklich, während sich beide gegen ihren Schrank lehnten und Stille einkehrte. Mimi traute sich nicht hochzusehen und betrachtete ihre zitternden Finger, die sie zu einer Faust einzog. Sie blickte über die Leckereien, die er extra für sie mitgebracht hatte und sich auf ihrem Zimmerboden vor ihr erstreckten. Ihr Blick wanderte zu ihrem Schreibtisch, auf den sie eine Vase mit dem Vergissmeinnicht gestellt hatte. Das zarte Blau wurde vom Mondschein sanft umhüllt und ließ Mimi in Erinnerungen schwelgen. Hatte sie Taichi damals im Kindergarten wirklich ein Zeichen geben wollen? Wollte sie ihm bereits damals mitteilen, wie viel er ihr bedeutete? Hatte sie es etwa bereits so lange verdrängt gehabt? War es möglich, dass er ihr bereits in jener Sekunde das Herz gestohlen hatte? Plötzlich bemerkte sie, wie er ihre Hand zärtlich umschloss. Völlig perplex sah sie hoch und erkannte erst jetzt, dass er unbemerkt an sie herangerutscht war und sie flehend fixierte. Er wanderte von ihrer Hand hoch zu ihrem Arm und hinterließ eine zarte Gänsehaut, die sich unter ihrem seidigen Schlafanzug langsam ausbreitete. Er erreichte ihre Schulter und strich ihr weiches Haar beiseite, dass immer noch etwas klamm war. Dann vergrub er seine Hand hinter ihrem Nacken und zog sie näher an sich heran, sodass sie seinen warmen Atem auf ihren Lippen spürte. „W-Was tust du da?“, fragte sie unsicher und verkrampfte sich. Wollte er sie jetzt ernsthaft küssen? Einfach so? Ohne ihr eine Erklärung zu geben, die sie schon sehnsüchtig von ihm erwartete? Sie riss die Augen weit auf, als er tatsächlich immer näherkam und sich alles in ihr blockierte. „Gute Freunde küsst man nicht…“, löste sich schwerfällig von ihren Lippen, als er abrupt jegliche Handlung abbrach und den Griff um sie lockerte. Etwas enttäuscht blickte er sie an und wich zurück. „Ach Mimi…“, seufzte er resigniert und fuhr sich hektisch durch seine wilde Mähne. „Denkst du wirklich, dass ich mir so viel Mühe geben würde, wenn ich nur ein beschissener Freund sein will?“ Sein Ton war scharf und erschreckte sie fast schon ein wenig. Ungläubig sah sie ihn an, als sie die Wehmut in seinen Augen erkannte, die sich mit einem schmerzlichen Verlangen mischte. „Tut mir leid…ich wollte mich nicht so ätzend ausdrücken, aber wieso machst du es mir immer so schwer?“, fragte er fast schon ein wenig wehleidig. „Ich mache es dir schwer?“, hakte sie entrüstet nach. „Du sagst wir wären Freunde, obwohl wir uns geküsst haben. Und du kannst mir sagen, was du willst, aber Freunde hätten sicherlich auch nicht beinahe Sex gehabt.“ Sie hob die Hände an und setzte das Wort „Freunde“ mit dem Zeige-und dem Mittelfinger in Anführungszeichen. Sie war es so leid. Und warum wollte er ihr den schwarzen Peter zuschieben? Er hatte sich auch nicht sonderlich mit Ruhm bekleckert. Verdattert blickte er sie an und wurde etwas rot um die Nase, bevor er sich peinlich berührt von ihr abwandte. „Ich weiß…u-und das damals tut mir sehr leid. Ich wollte dich nicht verletzen, aber…“ „Warum hast du damals mit mir nicht geschlafen?“, fragte sie geradeheraus und spannte ihre Stirn an, sodass eine angestrengte Falte ihre Mitte zierte. „Wolltest du nicht? War ich damals nicht hübsch genug? Hattest du noch Gefühle für Sor…“ „Ich wollte, dass es besonders schön für dich wird“, fiel er ihr direkt ins Wort und rutschte wieder näher an sie heran. „Aber wir waren beide angetrunken, du hattest dich getrennt und warst noch so verletzt gewesen, dass ich deine Situation nicht ausnutzen wollte. Ich wollte es sehr gerne, aber ich wollte einfach, dass es unter anderen Umständen passiert.“ „Und was war mit dem Mädchen? Wieso…wieso hast du…?“, ihre Stimme brach ab, als sich qualvoll ein dicker Kloß ihren Rachen empor schob und ihr prompt die Tränen in die Augen trieb. Irgendwie fühlte sie sich plötzlich so nackt und durchschaubar, dass sie sich am liebsten unter ihrer Bettdecke verkrochen hätte. Doch Tai ließ nicht locker, brachte sie dazu ihn anzusehen, indem er behutsam ihr Kinn anhob und ihr tief in ihre traurigen Augen blickte. „Das war ein Fehler...aber nachdem du mir gesagt hast, dass du alles vergessen willst, wollte ich einfach nur meinen Schmerz betäuben. Wie war mir egal…ich wollte einfach etwas Anderes fühlen und dann war es auch schon passiert“, erklärte er ihr in einem ruhigen Ton. „Und streng genommen haben wir jetzt die gleichen Voraussetzungen.“ Auch wenn er es als Witz meinte, bemerkte Mimi, dass er immer noch nicht gut damit klarkam, dass sie mit Makoto geschlafen hatte. Er verzog angewidert das Gesicht, als Mimi zwangsläufig lächeln musste. „Die gleichen Voraussetzungen? Interessant…du hast wohl gleich wieder ganz versaute Gedanken“, zog sie ihn auf, als sich die Atmosphäre schlagartig veränderte. „Versauten Gedanken? Also hör mal…“, doch weiter kam er nicht, als Mimi bereits die Hand auf seinem Mund platziert hatte und ihn somit zum Schweigen brachte. „Mir tut es auch leid. Ich glaube, dass ich in vielen Dingen sehr verletzt war, ohne zu sehen, dass ich dich auch verletzt habe“, gestand sie sich ein und ließ ihre Hand in ihren Schoss sinken. „Ich weiß“, seufzte Tai, ging etwas auf Abstand und strich ihr liebevoll durchs Gesicht. „Aber ich möchte trotzdem, dass du weißt, dass es mir ernst ist. Ich will, dass es funktioniert, dass du glücklich bist und wir einen gemeinsamen Weg finden. Darauf warte ich schon so lange…“ Ihr Herz pochte unkontrolliert gegen ihre Brust, als sie endlich die Worte hörte, die sie sich sehnlichst gewünscht hatte. Die Worte, die endlich eine Veränderung bewirkten und ihr zeigten, dass er den gleichen Pfad begehen wollte, wie sie. „Ich auch“, raunte sie ihm entgegen und überwand die Distanz, die sie in den letzten Wochen nur schwer einhalten konnte. „Lass uns den Abend einfach genießen.“ _ „Ich kann nicht glauben, dass du diesen Film mitgebracht hast“, lachte sie und kuschelte sich dicht an seine harte Brust, während sie auf ihren Laptopbildschirm blickte, der auf Taichis Bauch ruhte. „Naja, ich war halt eben für ein bisschen Nostalgie-Feeling und ich denke, nur Liebesfilme wären ja langweilig gewesen“, erwiderte er keck und küsste sanft ihre Stirn, als sie leise vor sich hin kicherte. Sie konnte nicht glauben, dass er Poltergeist besorgt hatte. Er gehörte zu ihren Lieblingshorrorfilmen, auch wenn er bereits sehr alt war und die Effekte längst überholt waren. Dennoch liebte sie diesen Film über alles. Auch wenn Taichi wohl auch an dieser Tatsache nicht ganz unschuldig war. „Das war der erste Film, den wir zusammen übers Telefon geschaut haben“, erinnerte sie sich zurück. „Ja genau“, stimmte Taichi mit ein. „Bei mir war der Film immer zehn Sekunden schneller als bei dir und du hast immer geschimpft, wenn ich dir bereits etwas verraten hatte, was bei dir noch gar nicht drankam.“ „Das war ja auch gemein gewesen“, schmollte Mimi nachdrücklich. „Aber ich konnte das doch nicht wissen“, murrte Taichi beleidigt und presste seine Stirn gegen ihre. Verlegen schielte sie zu ihm hoch und fuhr behutsam über seine stramme Brust. „Hör auf so süß zu sein“, tadelte sie ihn streng und verzog das Gesicht. Sie achteten kaum noch auf den Film, obwohl im Hintergrund die kleine Carol Ann gerade den ersten Kontakt zu den Geistern aufnahm und ihren berühmt berüchtigten Satz erwähnte. Doch das interessierte Mimi nicht mehr. Verliebt sah sie ihm in die Augen, streichelte zärtlich über seinen Arm, als ihr plötzlich einfiel, dass sie ihm noch etwas Besonderes überreichen wollte. Sie wusste, dass er nächste Woche ein weiteres Testspiel hatte, dass über seine Zukunft entscheiden könnte. Ruckartig setzte sie sich auf, lehnte sich über Taichi hinweg und öffnete ihre Nachtischschublade. Ein wenig irritiert, beobachtete er sie dabei, wie sie energisch nach etwas kramte. „Was hat dich denn auf einmal gestochen?“, lachte er, als Mimi sich wieder auf ihr Bett setzte und ihre Hand geheimnisvoll zur Faust geballt hatte. „Ich wollte dir noch etwas geben“, gestand sie ihm leise, als auch er sich überrascht aufsetzte, den Film reflexartig stoppte und den Laptop von seinem Schoss schob, um ihn vorsichtig auf dem Bett zu platzieren. „Was denn?“, fragte er interessiert und schien sich keinen Reim darauf bilden zu können, was sie meinte. Mimi lächelte nur verschmitzt. „Mach die Augen zu“, forderte sie ihn auf. „Okay“, antwortete er langgezogen und tat, was sie von ihm verlangte. Mimi biss sich auf die Unterlippe, während sie seinen Arm zärtlich entlangfuhr und sein Handgelenk erreichte. Geschickt befestigte sie etwas daran. „Gut, du kannst die Augen wieder aufmachen“, meinte sie fröhlich. Natürlich öffnete er sie sofort wieder und richtete den Blick direkt zu seinem Handgelenk. Sprachlos starrte er sie an und ertastete, dass raune Garn, dass er um sein Handgelenk trug. „W-Wo hast du das denn her? Ich dachte, ich hätte es während dem letzten Spiel verloren“, stotterte er verdattert und wirkte auf Mimi völlig perplex. „Vielleicht ist es möglich, dass ich es gefunden und repariert habe“, gestand sie ihm. „Du…hast? Oh Gott, ich dachte ich hätte es wirklich verloren“, schnaubte er erleichtert und starrte auf das kunstvoll geflochtene Muster, dass in einem leuchtenden Rot erstrahlte. Mimi beobachtete ihn dabei, wie er mit zitternden Fingern sanft darüberfuhr und immer noch fassungslos, aber glücklich seinen Blick darauf fixiert hatte. „H-Hast du d-deins eigentlich auch noch?“, fragte er fast schon ein wenig verhalten. Verwundert über seine Frage sah Mimi ihn an. Er blickte immer noch unter sich und wirkte auf einmal ganz verunsichert auf sie, weshalb Mimi sich ein Herz nahm, ihre Hand hob und behutsam über seine Wange streichelte. Er sah sie sofort an und seine warmen braunen Augen erkundeten jeden Zentimeter ihres rosigen Gesichts. Ein warmes Lächeln legte sich auf ihre Lippen, als sie sich zu ihm beugte und ihm einen sanften Kuss auf den Mund hauchte. Sie schloss sofort ihre Lider und konzentrierte sich auf das wohlige Gefühl, dass sich in ihrer Magengegend breitmachte, wenn sie seine Lippen auf ihren spürte. Es fühlte sich so an, als würden tausend Schmetterlinge emporflattern. Als würde eine Horde Ameisen über ihre Haut wandern und ihre kleinen Fußabdrücke hinterlassen, die sie als Gänsehaut wahrnahm. Ihr Herz pochte zügellos gegen ihre Brust und drohte zu zerspringen. Sie fühlte sich wie eine Eisskulptur, die unter seiner Wärme einfach so dahinschmolz. Ihr Kuss dauerte nicht lange, aber dennoch spürte sie seine Intensität, die ihren ganzen Körper einnahm und die puren Glücksgefühle durch ihre Adern fließen ließ. Sie löste sich etwas von ihm, wanderte mit ihrer Hand hinter seinen Nacken und fuhr mit ihren schlanken Fingern durch seine wilde Haarmähne. „Warum sollte ich es denn wegwerfen?“, stellte sie ihm die Gegenfrage und rieb ihre Nasenspitze an seine. „E-Es bedeutet mir immer noch sehr viel…“ „Ja, mir auch, weshalb ich auch froh bin, dass ich es nicht verloren habe.“ Mimi gab ein zischendes Geräusch von sich. „Naja, theoretisch, hast du es schon verloren. Ich habe es nur gefunden“, verbesserte sie ihn keck, als Taichi ihre Taille erfasste und sich langsam mit ihr auf die weiche Matratze fallen ließ. „Das ist schön, vielleicht bringt es mir beim nächsten Spiel mehr Glück, obwohl es natürlich noch schöner wäre, wenn du mich anfeuern kämst. So als persönlicher Cheerleader“, erwiderte er trocken und grinste schief. „Als persönlicher Cheerleader? Ich glaube, dir ist wohl dein nichtvorhandener Ruhm zu Kopf gestiegen“, antwortete sie mit spitzer Zunge, verfestigte jedoch den Griff um seinen Hals, damit sie ihm noch näher sein konnte. Taichi fuhr ihre Taille entlang und wanderte nach oben zu ihrem Brustkorb, bis er den obersten Knopf ihres Schlafanzugs erreichte und verspielt mit seinen Fingern darüberfuhr. Er zupfte etwas daran, als er seine Stimme wiedererlangte und ihr erwartungsvoll in ihre hellbraunen Augen blickte. „Würdest du denn zu meinem nächsten Spiel kommen?“ In seiner Frage lag so viel Unsicherheit, dass er fast schon wie ein kleiner Schuljunge auf sie wirkte. Einem kleinen Schuljungen, dem sie keinem Gefallen je abschlagen konnte. Ein mildes Lächeln schlich sich auf ihr freudiges Gesicht. Ihre Augen begannen zu Funkeln, auch wenn er sie nichts Weltbewegendes gefragt hatte. Dennoch machte sie es unfassbar glücklich. Hier mit ihm zusammen zu sein, in seinen Armen zu liegen und seinem gleichmäßigen Herzschlag zu lauschen. Sie fühlte sich rundum geborgen und hatte zum ersten Mal das Gefühl, dass sie sich in die richtige Richtung bewegten, weshalb es nur eine Antwort für sie geben konnte. „Ich würde sehr gerne kommen“, antwortete sie ehrlich, als sie erneut seine Lippen mit ihren versiegelte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)