Vergissmeinnicht von dattelpalme11 ================================================================================ Kapitel 28: Unverhoffte Umstände -------------------------------- ♥ Mimi ♥ Sprachlos beobachtete Mimi die Band, die sich heute wieder zum Proben traf. Da sie Kaori versprochen hatte, die ersten Male mitzukommen und sie sowieso danach noch letzte Vorkehrungen für ihr Projekt treffen wollten, saß sie gespannt auf einem der Tische, die direkt neben der Tür zu finden waren. Sie war überrascht gewesen, wie gut die Jungs mit Kaori harmonierten und wie die Instrumente regelrecht miteinander verschmolzen, obwohl Kaoris Violine deutlich herauszuhören war. Je länger sie sie beobachtete, desto gelöster kam sie Mimi vor. Ein zartes Lächeln umspielte ihre Lippen, während sie gefühlvoll mit dem Bogen über die Saiten strich. Ryota und Matt begleiteten sie auf der Gitarre und dem Bass, während Juro erneut auf seinen Einsatz wartete. Voller Euphorie schlug er in die Becken, ehe das Spiel aller immer wilder wurde. Es herrschte eine gewisse Spannung im Raum, die Mimi sofort packte und fast vergessen ließ, dass sie gar nicht alleine auf dem Tisch Platz genommen hatte. Ein verstohlener Blick wanderte zu Taichi, der sich an den Tisch gelehnt hatte und mit verschränken Armen das Szenario verfolgte. Ihm war der Mund aufgeklappt, als Kaori und die Jungs mit vollster Hingabe umhertänzelten und ihre ganz eigene Magie im Raum verteilten. Belustig schielte sie zu ihm, als sie erkannte mit welcher Begeisterung er die Musik verfolgte. Sie rutschte etwas näher an ihn heran und spürte, dass ihr Herz nach seiner Nähe flehte. Seit Koushiros Geburtstag waren sie lediglich verblieben, es langsam angehen zu lassen, was aufgrund ihrer vollen Terminkalender kein Problem war. Während Mimi sich auf ihr Projekt konzentrierte, dass sie morgen bereits beim Schulfest präsentieren sollten, fand zeitgleich auch Taichis erstes Testspiel statt, weshalb er die Woche über viel Zeit auf dem Sportplatz verbracht hatte. Dennoch wollte sie nicht, dass sie in eine Art Schneckentempo verfielen, weshalb sie sich insgeheim sehr freute ihn heute nochmal kurz sehen zu können. Er war nach der Bandprobe mit Yamato verabredet, der ihn etwas von seinem wichtigen Spiel ablenken wollte, indem sie einen entspannten Männerabend miteinander verbrachten. Mimi hingegen hatte Kaori zum Abendessen eingeladen, um später noch an den Feinheiten für ihr Projekt zu Pfeilen. Ihre gemeinsame Zeit war also begrenzt, weshalb sie die Momente in seiner Nähe besonders genießen wollte. Der kleine Disput im Hinterhof war schon längst in den Hintergrund gerückt, da sie verstehen konnte, warum er so intensiv auf den harmlosen Kuss mit Izzy reagiert hatte. Er war eifersüchtig – so wie sie auf Sora, auch wenn es völlig blödsinnig war. In Izzy sah sie lediglich einen Bruder, der jedoch seit ihrem Kuss etwas komisch auf sie reagierte. Anscheinend war es ihm doch sehr unangenehm gewesen, weshalb er dieses Thema meist außen vorließ, wenn die beiden sich zum Lernen trafen. Doch das war okay für sie. Besonders weil ihre ganze Aufmerksamkeit mittlerweile Taichi galt, der sehr zurückhaltend auf sie wirkte. Es hatte sich ein seltsames Gefühl über sie gelegt, dass sich aus einer unbeschreiblichen Anspannung und einem wohligen Kribbeln in der Magengegend zusammensetzte. „Wirklich unglaublich“, hauchte Taichi beeindruckt und lehnte sich etwas näher zu Mimi, sodass sein typischer Duft in ihrer Nase kitzelte. „Ja und ich habe sie zusammengeführt! Eigentlich schuldet mir Yamato einen Dankesstrauß“, brüstete sie sich und rümpfte ihr feines Näschen. „Einen Dankesstrauß? Übertreib‘ mal nicht“, lachte Taichi, während sich Mimis Blick verfinsterte. „Hey, ohne mich wäre er sicher in einer musikalischen Depression versunken“, verteidigte sie sich beleidigt und wollte gerade Taichi gegen den Arm boxen, als er ihr Handgelenk geschwind festhielt und sie mahnend fixierte. „Na, na…also Gewalt ist aber keine Lösung!“, tadelte er sie verschmitzt und zog sie behutsam näher an sich heran, während Mimi einen zischenden Laut von sich gab. „Tse, wer so frech ist, bekommt halt keine Streicheleinheiten“, antwortete sie keck, ehe er in einem unbemerkten Augenblick den Arm um sie legte und sie schmollend ansah. „Du könntest ruhig mal etwas netter zu mir sein. Ich habe morgen mein Testspiel.“ „Und ich habe morgen meine Projektvorstellung! Ich denke, wenn dann haben wir beide etwas Liebe verdient“, erwiderte sie versöhnlich, wandte sich aber danach etwas von ihm ab, damit es die anderen nicht mitbekamen. Etwas enttäuscht sah Taichi zu ihr und nahm wieder seine Beobachtungshaltung ein, während Mimi durchaus seinen Blick mitbekommen hatte. Unauffällig wanderte sie mit ihrer Hand zu seiner und streichelte sanft darüber, bis er seine Finger zärtlich mit ihren verschränkte. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf seine Lippen, als er sie verstohlen anblickte. „Was machst du eigentlich am Sonntag?“, fragte er gerade heraus und musterte sie erwartungsvoll. Mimi presste die Lippen aufeinander, um sich ein Lächeln zu verkneifen. Endlich fragte er sie! Sie hatte schon die ganze Woche drauf gewartet gehabt! „Mhm, weiß noch nicht. Kommt drauf an, wer sich um meine Gunst bemüht“, trällerte sie freudig, als die Band gemeinsam den letzten Ton anstimmte. „Du bist ganz schön frech, Prinzessin“, kam es direkt von ihm, während er theatralisch mit den Augen rollte. „Tja, eine Prinzessin will eben, dass man ihr den Hof macht“, sagte sie überzeugend. „War mir irgendwie klar gewesen“, murrte er, als sie sich plötzlich näher an ihn heran lehnte und sanft über seinen Handrücken strich. „Aber ich glaube, Sonntag klingt soweit ganz gut“, erwiderte sie verträumt, bevor sie seine Hand losließ und es insgeheim gar nicht erwarten konnte, einige Stunden alleine mit ihm verbringen zu dürfen. _ Der nächste Tag kam schneller als ihr lieb war. Gemeinsam mit Kaori hatte sie alles vorbereitet und befand sich schon den halben Morgen in der Schule, um ihren Stand aufzubauen. Sie hatten sogar das Videomaterial der Universität ausgehändigt bekommen, um ihr Experiment vorführen zu können. Ihre Ergebnisse und die Vorgeschichte des Krisenexperiments hatten sie auf Plakaten festgehalten. Gemeinsam waren sie zu dem Entschluss gekommen, dass ein Normbruch zwar bei vielen Verunsicherung und teilweise auch Verachtung ausgelöst hatte, aber, dass es durchaus auch Menschen gab, die sich ihrer Leidenschaft hingaben. Die, die sie nicht kontrollieren konnten, weil sie aus einem starken inneren Impuls bestanden, der sich einfach jeglichen Regeln wiedersetzte. „Zum Glück haben wir das Video zum Laufen gebracht“, seufzte Kaori und ließ sich auf einem der Stühle nieder, der sich hinter ihrem Stand befand. Mimi lehnte sich gegen ihren Tisch und betrachtete ihr Klassenkammeraden, die hektisch umherwuselten. Mimi kannte noch nicht mal die Projekte der anderen und selbst Izzy hatte ein riesiges Geheimnis um Seins gemacht. Sie wusste nur, dass er irgendetwas programmiert hatte, was den Alltag erleichtern würde – mehr hatte sie aus ihm nicht rausgekriegt, was sie mehr als nur fuchste. „Im Moment ist wirklich wenig los“, meinte Mimi, während sie sich kurz umschaute und einen knappen Blick auf ihre Uhr wagte. Taichis Spiel hatte bereits begonnen und auch wenn sie wusste, dass der Rest ihrer Freunde ihn anfeuerte, wäre sie gerne dabei gewesen. Sie hatten sich tatsächlich für morgen verabredet, auch wenn sie noch nicht entschieden hatten, was sie gemeinsam unternehmen wollten. Es war ihr erstes offizielles Date und Mimi war schon ganz schön nervös. Es war nicht so, dass sie sich noch nie alleine mit ihm getroffen hatte, aber in der Vergangenheit geschah alles im Schleier der Heimlichtuerei. Okay, im Moment war es bisher auch noch nichts Offizielles, aber es war ja auch noch nichts zwischen ihnen passiert, dass in geringster Weise spruchreif wäre. „Schaust du in die andere Woche?“, fragte Kaori amüsiert, als Mimi kurz zusammenschrak. Sie war ganz in ihre Gedanken vertieft gewesen. „Was? Nein…aber…“, sie druckste herum und drehte nervös an ihren Haarspitzen. „Kann ich dich vielleicht mal zehn Minuten alleine lassen? Taichi hat sein Fußballspiel und ich wollte…“ Ihre Wangen wurden ganz warm, als Kaori sie mit einem erstaunten Blick anstarrte. „Oh, ähm ja klar“, druckste sie herum und wirkte auf einmal etwas verunsichert. „I-Ich wusste gar nicht, dass ihr euch so nahesteht.“ „Naja, ähm…es ist kompliziert“, gab Mimi kleinlaut zu und knabberte an ihrer Unterlippe. Anscheinend hatte es noch niemand mitbekommen, dass Taichi und sie sich langsam näherkamen. Sie hatten sich extra zurückgehalten, auch wenn es Mimi in seiner Gegenwart immer schwerer fiel. Wie gerne würde sie ihn einfach nur küssen? In seinen starken Armen liegen? Verträumt in seine warmen braunen Augen schauen? Okay, kein Wunder, dass sie allmählich den Blick für die Realität verlor. Taichi war pure Ablenkung für sie. „Ich hatte eigentlich gedacht, dass Koushiro und du…“, sie stockte und lief augenblicklich rot an, was Mimi amüsierte. Kaori war jemand, der sich sehr zurückhielt und gerade in Liebesdingen ein Buch mit sieben Siegeln für sie war. „Ach, das war doch nur ein kleiner Schmatzer gewesen“, winkte sie ab. „Also keine große Sache. Hätte ja auch dich treffen können.“ Mimi war bedacht leise zu sprechen, da sie nicht Gefahr laufen wollte, dass Izzy ihr Gespräch mitbekam. „Mich?“, antwortete Kaori schrill, sodass sie natürlich prompt die Aufmerksamkeit der anderen auf sich zog. „Ich glaube nicht, dass ich mich sowas vor allen getraut hätte“, antwortete sie diesmal mit gedämpfter Stimme. „Nächstes Mal überlasse ich dir gerne den Vortritt. Bestimmt würde sich Izzy über etwas weibliche Aufmerksamkeit sicher freuen. Interesse?“, meinte Mimi belustig, nachdem Kaori ihre knallroten Wangen mit den flachen Händen zu kühlen versuchte. „W-Was?“, stotterte sie und riss die Augen weit auf. Anscheinend schien sie das Angebot tatsächlich ernst aufgefasst zu haben, was Mimi nur noch mehr amüsierte. „Krieg‘ dich mal wieder ein. War nur Spaß gewesen. Und außerdem, habe ich nach Makoto erstmal die Schnauze von Männern voll“, lachte Mimi herzlich, auch wenn es nicht ganz der Wahrheit entsprach. Ihr Herz zeigte ihr nämlich einen eindeutigen Weg auf, den sie diesmal nicht ignorieren wollte. Kaori schnaubte nur und fuhr sich über ihre erhitzten Wangen, die zwei überreifen Tomaten glichen. „Wolltest du nicht zum Fußballspiel gehen?“, fragte sie behutsam, als Mimi bereits mit dem Absatz kehrtmachte und ein strahlendes Lächeln über ihre Schulter wandte. „Werde ich jetzt auch. Danke, dass du die Stellung hältst!“, bedankte sich Mimi überschwänglich, als sie sich auch schon auf den Weg zum Sportplatz machte. _ Obwohl sie sich beeilt hatte, erkannte Mimi bereits aus weiter Entfernung, dass die erste Spielhälfte bereits vorbei sein musste. Es herrschte aufgeregtes Gewusel auf dem Platz, während Mimi nach bekannten Gesichtern suchte. Sie steuerte auf den Spielfeldrand zu, als sie plötzlich über eine Unebenheit lief, die ihren Gang abrupt zum Stoppen brachte. Sie runzelte die Stirn und fürchtete schon in einen riesigen Matschklumpen gelaufen zu sein, da es die ganze Nacht über geregnet hatte. Aber dafür war es viel zu hart gewesen. Sie hob ihren Fuß an und entdeckte eine weiße Perle, die sie sofort stutzig werden ließ. Sowas Ähnliches hatte sie doch schon mal gesehen gehabt… Sie beugte sich hinunter und fischte vorsichtig danach, um ihre Finger nicht allzu dreckig zu machen. Mit den Fingerspitzen umfasste sie die weiße Perle und zog tatsächlich ein rotes Armband hervor, dass ihren Atem prompt zum Stocken brachte. Auch wenn der Matsch an dem Routenmuster klebte und es sicher schon einige Jahre auf dem Buckel haben musste, erkannte Mimi es sofort. Ihr klappte ungläubig der Mund auf, als sie es behutsam in ihrer Handfläche platzierte und nachdenklich betrachtete. Was hatte es nur hier zu suchen? „Mimi!“, hörte sie auf einmal schrill ihren Namen erklingen, als sie den Blick von ihrer Handfläche abwandte und nach vorne sah. Geschwind versteckte sie das Band in der Seitentasche ihres Rockes, während Yolei ihr beherzt zu winkte. Neben ihr standen Kari, Takeru und Davis, die immer noch ungläubig zum Spielfeld blickten. Yolei war also die erste, die sie entdeckt hatte. Langsam schritt sie auf ihre Freunde zu und suchte bereits nach dem Rest, da Yamato und Sora ebenfalls vorgehabt hatten, Taichi bei seinem Spiel anzufeuern, doch die beiden konnten Mimi nirgends entdecken. „Hey na, ist die erste Spielhälfte schon vorbei?“, fragte Mimi in die kleine Runde, obwohl es eigentlich offensichtlich war. „Vorbei? Ich glaube, es fängt jetzt gerade erst richtig an“, kommentierte Davis belustig und deutete auf die Spielfeldmitte. Mimis Blick wanderte weiter, als sie tatsächlich Taichi und einige seine Mannschaftskollegen auf dem matschigen Boden kniend vorfand. Yamato stand direkt daneben und redete auf Taichi ein, der jedoch erbost den Kopf anhob und wütend seinem besten Freund ins Gesicht brüllte. Yamato hob abwehrend die Hände und gestikulierte wild umher, bevor er sich von ihnen abwandte und wieder auf den Spielfeldrand zugeschritten kam. „Was machen die denn da? Rasenpflege?“, fragte Mimi irritiert, da sie sowas bei einem Fußballspiel noch nie gesehen hatte. Taichi rutschte auf seinen Knien vorwärts, während sein Trikot bereits einige Matschflecken besaß. Er war regelrecht darauf fixiert und hatte gar nicht mitbekommen, dass sie extra wegen ihm erschienen war. „Oh man, Mama wird sich sicher freuen, wenn sie sein Trikot waschen darf“, meldete sich nun auch Kari kopfschüttelnd zu Wort, als Yamato zeitgleich bei ihnen ankam. „Ich habe keinen Plan, was in ihn gefahren ist. Es ist ja fuchsteufelswild und völlig unkonzentriert“, fasste er zusammen und begab sich wieder auf die Zuschauerseite. „Unkonzentriert passt wirklich...sein Spiel ist wirklich grausam mitanzusehen. Und das kommt von mir“, erwiderte Davis bedenkend. „Ist es etwa so schlimm? Vielleicht ist er nervös, weil es das erste Testspiel ist“, warf Mimi nachdenklich ein. „Kann schon sein, aber wenn er so weitermacht, wird das nichts. Unser Basketballtrainer meinte mal, dass diese Gremien wirklich gnadenlos sind“, erklärte Takeru schulterzuckend. „Na, dann kann man nur hoffen, dass die zweite Halbzeit besser wird“, murmelte Mimi halblaut und beobachtete Taichi immer noch dabei, wie er auf allen vieren durch den Matsch wanderte. „Wo ist eigentlich Sora? Sie wollte Taichi doch auch anfeuern, oder nicht?“, fragte Mimi interessiert und blickte direkt zu Yamato, der meist ganz genau wusste, wo seine Freundin abgeblieben war. „Ähm, ach ja! Sie wollte mal zur Toilette und dann bei eurem Projekt vorbeischauen“, antwortete er sofort. „Darfst du überhaupt hier sein?“ „Kaori wollte die Stellung halten, aber wenn Sora vorbeikommt, werde ich auch mal wieder verschwinden“, informierte Mimi sie und verschwand mit ihren Händen in den Seitentaschen ihres Rockes. „Wünscht Taichi viel Glück von mir, falls er sich jemals wieder aus seinem Vierfüßlerstand erhebt“, verabschiedete sich Mimi leicht amüsiert von ihnen, auch wenn sie Taichis Verhalten skeptisch werden ließ. Suchte er etwa nach etwas Bestimmten? Ihre zitternden Finger legten sich um die raue Wolle des Freundschaftsbandes, dass sie in ihrer Rocktasche versteckt hielt… _ Nachdem sie wieder in ihre Hausschuhe geschlüpft war, machte sie sich zurück auf den Weg zu ihrem Stand. Sie hatte vor, zuvor nochmal kurz auf die Toilette zu verschwinden, um das Freundschaftsband von dem ganzen Schmutz zu befreien, da sie sich mittlerweile ziemlich sicher war, dass es jenes Band, dass sie Taichi zu seinem 15. Geburtstag geschenkt hatte. Gerade als sie auf die Toiletten verschwinden wollte, ertönte eine grelle Stimme, die nur einer Person gehören konnte. „Mimi, da bist du ja endlich!“, rief ihre Mutter, die bereits gestern schon groß getönt hatte, dass sie zum Herbstfest kommen wollte, um ihr Projekt zu bestaunen. Ein wenig wiederwillig, hielt Mimi in ihren Bewegungen inne und wandte sich ihrer Mutter zu, die erwartungsvoll neben Kaori stand. Leichtfüßig bewegte sich Mimi auf die beiden zu, wunderte sich aber, wo ihre Mutter ihren Vater gelassen hatte. Sie hoffte wirklich inständig, dass er nicht schon wieder Überstunden machte… „Hey, ich habe gedacht, du kommst erst später“, begrüßte Mimi sie herzlich. „Eigentlich hatten wir, dass auch vorgehabt. Aber ich hatte heute absolut keine Lust zum Kochen, weshalb wir hier eine Kleinigkeit essen wollten. Papa hat sich bei den Teriyaki-Spießen angestellt“, erzählte sie ihr überschwänglich und musterte die einzelnen Plakate genauestens. „So, dass ist also euer Projekt. Erzählt doch mal ein bisschen darüber, ich bin schon ganz gespannt.“ Die Euphorie war förmlich aus ihrer Stimme herauszuhören, was wohl zu den Talenten ihrer Mutter erzählte. Sie konnte sich für alles begeistern, selbst für ein ödes Schulprojekt, dessen Note sie erst Mitte nächster Woche erhalten würde. „Ähm okay, also wir haben die Reaktionen von Musikstudenten bezüglich eines Flashmopps auf dem Unigelände untersucht“, begann Mimi zurückhaltend. Irgendwie konnte sie das Projekt nicht so gut in Worte fassen, weshalb Kaori helfend einsprang. „Was man natürlich hier wissen muss, ist, dass das öffentliche musizieren auf dem Gelände strengstens untersagt ist und wir wollten testen, ob das musikalische Blut eben dicker ist, als die strengauferlegten Regeln.“ Kaori nickte bestätigend bei ihren Aussagen, während ihr Blick plötzlich an ihrer Mutter vorbei huschte und ihre Augen ungläubig aufblitzten. „Papa?“, fragte sie plötzlich, als sich ein Mann mittleren Alters zu ihnen drehte und direkt auf ihren Stand zugesteuert kam. „Du bist ja doch gekommen!“ Mimi sah wie sich Kaoris Miene abrupt erhellte und ein leichtes Lächeln ihre Lippen zierte. Sie wusste nur, dass Kaoris Vater oft nicht zu Hause war, da er im städtischen Krankenhaus als Arzt arbeitete und oftmals in Überstunden versank. Ähnlich wie ihr Vater, der sich jedoch heute auch ebenfalls für sie Zeit genommen hatte. Deswegen konnte sie Kaoris Freude darüber gut nachvollziehen. „Ja, ein Kollege konnte mich ablösen und ich muss erst heute Nachmittag wieder in die Klinik“, eröffnete er ihr freudig. „Wie cool, dann kann ich dir ja nachher mal die einzelnen Stände zeigen“, antwortete Kaori voller Vorfreude, während Mimi sich lächelnd von den beiden abwandte und zu ihrer Mutter blickte. Ihr Gesicht hatte sich urplötzlich verändert und war ganz steif geworden, während sie immer wieder einen zweifelnden Blick über ihre Schulter wandte. Mimi runzelte nur die Stirn, als auch sie unweigerlich zu Kaoris Vater blickte und zugeben musste, dass er ihr bekannt vorkam. Irgendwo hatte sie ihn doch schon mal gesehen gehabt. Allerdings war er nie zuhause gewesen, als sie Kaori besuchte hatte. Aber wo hatte sie ihn denn dann schon mal gesehen? „F- Fujitaka?!“, löste sich schwerfällig von Satoes Lippen, als der Mann, dessen Gesicht gerade noch ein Lächeln geziert hatte, sich zu ihrer Mutter herumdrehte. Sein Lächeln verschwand augenblicklich und wich einer ausdrucksleeren Miene, die Mimi nicht deuten konnte. „Satoe? Oh mein Gott, wir haben uns ja eine halbe Ewigkeit nicht mehr gesehen.“ „Ja…über zwanzig Jahre“, antwortete ihre Mutter unruhig und wich seinen Blicken kontinuierlich aus. „Ich habe nicht gewusst, dass unsere Töchter zusammen ein Projekt machen, geschweige denn das du wieder nach Odaiba gezogen bist.“ Ihr Ton klang leicht vorwurfsvoll, was nicht nur Mimi auffiel, sondern auch Kaori blickte sie äußerst verwirrt an. Keiner der beiden hatte erwartet gehabt, dass sich ihre Eltern bereits kannten. „Woher kennt ihr euch denn?“, fragte Mimi irritiert nach und betonte besonders das Wörtchen „Ihr“. Sie konnte sich keinen Reim darauf bilden, gerade auch, weil die Atmosphäre zwischen den beiden prompt umgeschlagen war. Eine unangenehme Anspannung hatte sich über sie gelegt, während ihre Mutter verhalten zu Boden sah und ihre Lippen fest aufeinandergepresst hatte. „Oh, wir waren zusammen in einer Klasse gewesen. Seit der Vorschule“, antwortete Kaoris Vater für sie, auch wenn Mimi ihrer Mutter das pure Unwohlsein ansehen konnte. „Ja, genau. Wir waren Klassenkammeraden“, stieg sie bestärkend mit ein, obwohl Mimi spürte, dass sie etwas zu verbergen schien. „Okay, die Welt ist ja wirklich klein“, meinte Kaori in dieser überaus unangenehmen Situation. „Ja und anscheinend wird sie wohl immer kleiner“, murmelte Mimi, als es ihr wie Schuppen von den Augen fiel. Sie biss sich augenblicklich auf die Zunge, als sie Kaoris Vater an jenen Mann identifizierte, den sie auf den alten Fotos ihrer Mutter gesehen hatte. Er war zwar damals um einiges jünger gewesen und hatte noch nicht diese markanten Gesichtszüge wie heute, aber dennoch konnte man die Ähnlichkeit nicht leugnen. Er war der Ex-Freund ihrer Mutter. _ „Voll seltsam, dass sich unsere Eltern kennen, findest du nicht?“, hinterfragte Kaori argwöhnisch und ließ sich wieder auf ihrem Stuhl nieder. „Ja, und voll komisch, dass meine Mutter fast schon fluchtartig verschwunden ist. Alles sehr merkwürdig“, erwiderte Mimi kopfschüttelnd, nachdem sich ihre Mutter zu ihrem Vater begeben hatte. Kaoris Vater durchforstete immer noch die einzelnen Projekte und wollte im Anschluss eine Kleinigkeit mit Kaori essen gehen, weshalb Mimi den Stand kurz alleine übernehmen sollte. Zuvor wollte sie allerdings noch die Gelegenheit nutzen, um das Freundschaftsband von dem Schmutz zu befreien, damit es sich nicht noch mehr in der weichen Wolle festsetzte. Dass Mimi Kaoris Vater wiedererkannt hatte, behielt sie vorerst für sich, da das Schulfest sicherlich nicht die passende Gelegenheit bot, in alten Karamellen herumzuwühlen, die sie zumal noch nicht mal etwas angingen. Sie wollte erstmal ihr eigenes Liebesleben auf die Kette bekommen, bevor sie ihre neugierige Nase irgendwo hineinsteckte. „Vielleicht fühle ich ihm später mal auf den Zahn“, brüstete sich Kaori, während Mimi endlich die Gelegenheit nutzen wollte, um auf die Toilette zu verschwinden. „Okay, mach das mal, aber ich gehe vorher lieber nochmal aufs Klo. Nicht das dieses Verhör stundenlang andauert“, sie zwinkerte ihr verschwörerisch zu, bekam aber nur ein tiefes Grummeln als Antwort, während sie sich lachend von ihr entfernte. Dieses unwohle Gefühl in ihrer Magengegend begleitete sie jedoch. Sie steuerte direkt auf die Mädchentoiletten auf dem Gang zu und drückte die Tür auf, hinter der sich im Vorraum direkt die Waschbecken befanden. Zielstrebig steuerte sie darauf zu und holte das verschmutzte Band hervor, um es mit klarem Wasser abzuspülen. Erst jetzt fiel ihr auf, dass eine Seite beschädigt war und dass auch eine weiße Kugel fehlte, weshalb sie sich dazu entschied es doch nochmal mit nach Hause zu nehmen, um es anständig reparieren zu können. Daher wickelte sie das nasse Bändchen in ein Papiertuch, die direkt neben dem Waschbecken zu finden waren. Gerade als sie wieder nach draußen verschwinden wollte, ertönte ein leises Schluchzen, dass jedoch laut genug war, dass es Mimi hören konnte. Zielstrebig drehte sie sich herum und steuerte auf die besagte Kabine zu. Sie verstaute das Bändchen wieder in ihrer Tasche und beugte sich etwas hinunter, sodass sie tatsächlich ein Paar Schuhe erkennen konnte. „Hallo? Wer ist denn da? Geht’s dir gut?“, fragte sie behutsam nach und wartete auf eine Antwort. Das Wimmern stellte sich augenblicklich ein und Mimi hörte wie jemand ungeniert ihre Nase hochzog. „Ja, alles gut“, versicherte ihr die Person, die nicht sonderlich überzeugend klang und dessen Stimme sie trotz des verheulten Untertons sofort erkannte. „Sora?“, hakte sie ungläubig nach und legte die Hand gegen die Kabine. „Was ist denn passiert?“ Sie verstummte abrupt, während Mimi sich bereits die wildesten Gedanken machte. Hatte sie sich etwa wieder mit Matt gestritten? Oder ging es etwa um ihre Entwürfe? „Hey, mach doch bitte auf! Ich bin für dich da“, versicherte sie ihr, als sie hörte, wie Sora sich vorsichtig aufrappelte, den Klodeckel schloss und die Tür entriegelte. Langsam öffnete sie die Klotür und Mimi atmete angespannt ein und wieder aus, als sie Sora auf dem Klodeckel sitzen saß. Sie hatte den Kopf gesenkt und knallte ihre Fingernägel und den festen Stoff ihres Rockes, während sie es scheute Mimi direkt ins Gesicht zu blicken. Behutsam ging sie ein paar Schritte auf sie zu und beugte sich zu ihr hinunter, während sie sanft über ihre Knie strich. „Was ist denn passiert? Gab es Streit, oder ist was mit deinen Entwürfen für deine Mappe?“, hakte sie direkt nach, was Sora jedoch durch ein Kopfschütteln direkt verneinte. „Was ist denn los? Rede doch bitte mit mir“, forderte sie sie auf, als Sora den Kopf anhob und einzelne Tränen über ihre Wangen rannen. „I-Ich…“, begann sie leise, ehe ihre Stimme abbrach und einem lauten Schluchzen wich. „Hey…beruhig dich doch! Es ist sicher alles nur halb so schlimm“, meinte Mimi zuversichtlich. „Doch! Es ist schlimm!“, brachte Sora brüllend hervor und versteckte ihr wutverzerrtes Gesicht hinter ihren Händen, bevor sie erneut im Tränenmeer versank. „D-Das ist alles meine Schuld…“ Ungläubig betrachtete Mimi ihre Freundin, da sie absolut nicht verstand, auf was sie hinauswollte. An was sollte sie denn bitte schön Schuld haben? Wieso sprach sie in Rätseln? „Sora, aber was ist denn nur…?“ Doch weiter kam sie nicht, als Sora sie mit einem dringlichen Blick fixierte und das aussprach, vor dem sie sich so gefürchtet hatte. „M-Mimi, ich bin überfällig.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)