Vergissmeinnicht von dattelpalme11 ================================================================================ Kapitel 17: Unschöne Tatsachen ------------------------------ ♥ Taichi ♥ Ein angewiderter Ausdruck legte sich über sein Gesicht als er die beiden vor seinen Augen rumturteln sah. Er hatte seine Hand sanft auf ihrem Oberschenkel platziert, während sie ihm einem verliebten Blick schenkte und leise vor sich hin kicherte. Taichi musste sich zusammenreißen, sich nicht augenblicklich zu übergeben. Lustlos stocherte er in seinem Mittagessen herum, spürte wie die Eifersucht in seinem Magen brodelte und seinen Appetit zügelte. „Ist alles gut bei dir?“, fragte seine beste Freundin flüsternd, nachdem ihr aufgefallen war, dass er so gut wie nichts gegessen hatte. „Alles bestens“, log er und presste verbittert die Lippen aufeinander und versuchte doch noch etwas zu sich zu nehmen, auch wenn es ihm sichtlich schwerfiel. Mimi saß Tai direkt gegenüber, kuschelte sich an Makoto, während er sich wünschte, an seiner Stelle sein zu können. Doch das war er nicht. Vielleicht vor langer Zeit, doch die war bereits vergangen. Er konnte gar nicht beschreiben, wie er sich zurzeit fühlte. Schon nach dem zweiten Date mit Makoto hatte Taichi den Verdacht gehabt, dass zwischen den beiden wohl mehr gelaufen sein könnte, weil Mimi mit einem breiten Grinsen durch die Gegend lief und eine fröhliche Melodien vor sich hin summte. Als sie die darauffolgende Woche wieder mit ihm ausgegangen war, befürchtete Taichi bereits das Schlimmste, was sich tatsächlich Anfang der Woche bewahrheitete. Natürlich hatte sie ihm nicht erzählt gehabt. Noch nicht mal Sora wusste anfangs Bescheid, wie sie ihm später völlig entrüstet berichtet hatte. Doch die Tatsachen waren unmissverständlich, was ihm eine wilde Knutscherei nach Schulschluss bewiesen hatte. Er wusste, dass Mimi montags meist noch ihren Kochkurs hatte, während er sein hartes Training absolvierte. Mal wieder hatte er unter der Dusche getrödelt, um etwas Zeit zu schinden und noch nicht gleich nach Hause zu müssen. Mittlerweile war es eine Art Ritual geworden, um seinem Vater weiterhin aus dem Weg gehen zu können. Doch diesmal hatte sich ihm ein Bild geboten, dass er so schnell nicht aus seinen Gedankengängen streichen konnte. Das Mädchen, dass er nach all den Jahren immer noch liebte, lag in den Armen eines anderen Kerls. Begierig hatte sie ihre Lippen auf seine gepresst gehabt, während er mit einer Hand zärtlich über ihren wohlgeformten Po gestrichen war. Taichi war wie festgefroren stehen geblieben, realisierte erst nach mehrfachen hinsehen, dass es sich tatsächlich um seine Mimi handelte. SEINE Mimi, die einen anderen küsste. Sie hatte ihn an diesem Tag nicht bemerkt gehabt, doch kurz darauf hatte sie Sora in ihre Beziehung mit Makoto eingeweiht, die wohl wie er nur wenig begeistert war. Für Sora war Makoto immer noch auf der schwarzen Liste, während sich Yamato für die beiden freute oder es wenigstens versuchte. Koushiro schien dem Ganzen ebenfalls nur sehr wenig abgewinnen zu können, jedoch zeigte er es nicht offen, sondern hielt sich bedeckt. Auch Yolei schien das Ganze kritisch zu beäugen, auch wenn Taichi nicht ganz verstehen konnte warum. Normalerweise war die aufgedrehte Freundin seiner Schwester immer gleich Feuer und Flamme für wilde Liebesgeschichten, doch diesmal reagierte selbst sie sehr verhalten, was ihn wunderte. Dennoch schienen sich Mimi und Makoto aus den gemischten Reaktionen bezüglich ihres gewonnenen Liebesglücks kaum etwas zu machen. Sie zeigten ihre Zuneigung offen vor den anderen, sodass Tai schon das Gefühl hatte, dass Mimi ihn absichtlich damit quälen wollte. Er ertrug es nur selten in ihrer Nähe, hatte diese Woche mehrmals mit seinen Mannschaftskollegen gegessen und versuchte ihr auch so aus dem Weg gehen. Er konnte fast keinen klaren Gedanken mehr fassen und hatte das Bedürfnis laut zu schreien, um seinem Frust Ausdruck zu verleihen. Allerdings konnte er es nicht. Er verbarg seine Gefühle hinter dem Schleier der Lügen, da er sonst zugeben musste, dass Mimi ihm so viel mehr bedeutete als er lange Zeit eigentlich wahrhaben wollte. Tai war einfach nicht der Typ, der gerne über seine Gefühle sprach, da er doch sehr große Angst hatte, verletzt zu werden. _ Niedergeschlagen brachte er das halbvolle Tablett zurück und begab sich schleppend auf den Schulhof, um etwas Ruhe zu finden. Er steuerte eine freie Bank an, ließ sich darauf seufzend nieder und fuhr sich mit einer ausschweifenden Handbewegung durch seine wilde Mähne. Ein laues Lüftchen wehte als er sich gegen die Bank lehnte und nach oben schaute. Die Blätter der Ginkgobäume leuchteten in einem saftigen Grün und bewegten sich sanft mit dem Wind, der die Hitze des Junis erträglich machte. „Du hast ja kaum etwas gegessen“, hörte er eine besorgte Stimme zu ihm sagen. Er blinzelte leicht gegen die Sonne und erkannte die rötlichen schimmernden Haare und den nachdenklichen Blick seiner besten Freundin, der auf seine Haut brannte. Genervt verrollte er die Augen als sich Sora plötzlich neben ihm niederließ. „Ich bin von der Beziehung auch nicht begeistert, aber du kennst sie doch. Je mehr man dagegen sagt, desto sturer wird sie. In der Hinsicht seid ihr euch gar nicht mal so unähnlich“, stellte sie grinsend fest, doch Taichi war zum Lachen wirklich nicht zu Mute. Es war egal, wie viele Gemeinsamkeiten sie auch hatten. Sie hatte sich für diesen Idioten entschieden. „Vielleicht gewöhne ich mich ja daran“, antwortete er resigniert und konnte selbst nicht glauben, was er gerade gesagt hatte. Auch Sora runzelte nur die Stirn. „Natürlich, wie lange willst du dir denn noch etwas vormachen? Hättest du dir deine Gefühle eingestanden, wärst du vielleicht derjenige der heute neben ihr sitzen würde!“, untermauerte sie mit Nachdruck und schaute ihn ernst an. „Danke Sora! Bohr‘ ruhig noch weiter in der Wunde! Was hätte ich denn damals deiner Meinung nach machen sollen? Und seit wann bist du überhaupt Experte in Liebesangelegenheiten? Yamato und du habt doch genug Probleme“, sagte er unüberlegt und sah in Soras geschocktes Gesicht. Erst nach und nach realisierte er, was er zu ihr gesagt hatte, doch in ihren Augen hatten sich schon Tränen gebildet. „Sora…ich…es tut mir…“, er wollte gerade nach ihrem Arm greifen als sie sich ruckartig zurückzog und aufsprang. „Spar‘ dir deine Entschuldigung!“, antwortete sie verletzt und entfernte sich hastig von ihm. Na toll, jetzt hatte er auch noch Sora verletzt, ohne es zu wollen. Dabei wusste er doch, dass sie zurzeit Beziehungsprobleme hatte. Wieso hatte er ihr das auch noch unter die Nase gerieben? „Sora…warte“, rief er ihr plötzlich nach, da sie noch nicht ganz aus seinem Sichtfeld verschwunden war. Er sprang auf und holte sie relativ zügig wieder ein, was auch keine große Kunst war, da sie sich nicht beeilt hatte von ihm wegzukommen. „Was willst du denn noch?“, fragte sie gereizt und fuhr sich über ihre Augenpartie, blieb allerdings nicht stehen. „Es tut mir leid! Ich wollte das nicht sagen, aber im Moment bin ich einfach so...“, er suchte nach einem passenden Ausdruck für seine Empfindungen. Er war wütend, verletzt, und fühlte sich in seiner eigenen Hoffnungslosigkeit gefangen. „Ich…ich bin ein Arsch.“ Sora blickte ihn verwirrt an, blieb aber endlich stehen. „Wow, sehr direkte Aussage, der ich im Moment nur zustimmen kann“, erwiderte sie bestärkend als sich ihre Gesichtszüge auf einmal erweichten. „Aber ich versteh‘ dich ja. Es ist nicht schön, die Person, die man liebt mit einem anderen zu sehen. Und ich weiß ja, dass du wegen uns manchmal ganz schön zwischen den Stühlen stehst.“ „Das ich sie liebe, habe ich aber nicht gesagt“, kommentierte er mit einem hochroten Kopf, da er sich mal wieder von Sora komplett durchschaut fühlte. „Ach komm‘ schon! Ernsthaft? Wie lange willst du es noch verbergen? Steh‘ dazu!“ Sie funkelte ihn wütend an und gab ihm einen leichten Klaps gegen den Oberarm, der ihn wohl wachrütteln sollte. Doch bei Taichi bewirkte es nur das Gegenteil. Hatte sie nicht die ausweglose Situation erkannt? Was sollte er denn bitte schön machen? Zum Glück wusste Sora nichts von dem Kuss… Er konnte es sicherlich nicht auch noch ertragen, wenn seine beste Freundin, die mehr als nur hoffnungslos romantisch verlangt war, ihm deswegen ebenfalls in den Ohren lag und ihn bestärkte nicht aufzugeben. Manchmal hatte er das Gefühl, am Ende seiner Kräfte angelangt zu sein. „Und was soll ich machen? Sie sind doch jetzt zusammen…“, gestand er sich zähneknirschend ein. Sora kam einen Schritt auf ihn zu, berührte seinen Arm und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. „Gib‘ nicht auf! Ich kenne Mimi. Auch sie wird irgendwann erkennen, das ihr Herz eigentlich eine andere Richtung gewählt hat.“ _ Erschöpft trottete er zum Schulgebäude, da jede Faser seines Körpers schmerzte. Je kleine Bewegung fühlte sich beschwerlich an, sodass er einfach nur noch ins Bett fallen wollte. Doch wie das Schicksal es wollte, musste er tatsächlich nochmal das Schulgebäude betreten, da er sein Mathebuch in seinem Spint vergessen hatte. Ihm fiel es zurzeit einfach nur sehr schwer, seine Gedanken halbwegs zusammenzuhalten, was auch bereits seinem Trainer aufgefallen war. Heute hatte er ihn sogar vor der versammelten Mannschaft rund gemacht, was dem Ganzen noch das i-Tüpfelchen daraufsetzte. Zwar hatte er sich erfolgreich bei Sora entschuldigen können, doch das schlechte Gewissen gegenüber ihr blieb. Er war froh gewesen, dass sie nicht mehr sauer auf ihn war, da sie auch am Wochenende zu einem Tennisturnier nach Nagoya aufbrechen würde und er es ganz sicher nicht bis Montag ausgehalten hätte, sich nicht bei ihr entschuldigt zu haben. Denn gerade die Tatsache, dass sie ihm tatsächlich von einem weiteren Streit mit Yamato berichtet hatte, nagte weiterhin an ihm, diese hässlichen Worte überhaupt ausgesprochen zu haben. Anscheinend meinte er es mit dem Bandwettbewerb ernst, der Ende des Jahres stattfinden sollte. Es war bereits alles geregelt und sein bester Freund träumte schon vom großen internationalen Durchbruch, während seine Freundin voller Skepsis all dem gegenüberstand. Mittlerweile schien Taichi zu verstehen, wovor sich Sora fürchtete, da sie des Öfteren erwähnte, dass eine Auslandstour ihre Beziehung nicht überstehen würde. Er konnte sie in gewisser Weise sogar verstehen. Die Distanz konnte sogar die größte Liebe zerstören, gerade wenn man unterschiedliche Auffassungen von einer Beziehung hegte. Tai kannte seinen besten Freund, dass er für den Durchbruch erdenklich alles tun würde und mit dem Kopf durch die Wand wollte. Sora müsste es entweder akzeptieren oder ihre Konsequenzen ziehen. Doch er wollte sich wirklich nicht vorstellen, was passieren würde, wenn sich seine besten Freunde voneinander trennten… Würde er überhaupt noch mit beiden befreundet bleiben können? Er blieb kurz stehen und lockerte seine Sporttasche, die seine Schulter beanspruchte. Gedankenverloren strich er behutsam mit seinen Fingern darüber und wurde von einer unsagbaren Wehmut eingeholt, die sein Herz beschwerte. Genau genommen hatte er genug eigene Probleme, die sein Leben erschwerten. Immer versuchte er für seine Freunde da zu sein, um dem zu entfliehen, was ihn Zuhause erwartete. Der Scham, der ihn umhüllte, wenn er daran dachte, was sein Vater getan hatte. Der Schmerz, der ihn erfasste und ihn jedes Mal daran zurückdenken ließ, wie er ihn mit voller Wucht gegen den Schrank stieß… Er hatte nicht erwartet, dass ich irgendetwas bessern würde, aber dennoch hatte er es gehofft. Bei jedem Investor, der sich für die Firma interessierte, flammten winzige Hoffnungsschlimmer auf, dass sein Vater endlich wieder zu dem Mann wurde, zu dem er aufsehen konnte. Und obwohl mittlerweile ein Investor die Firma unterstützen wollte und seine Hilfe groß angepriesen hatte, änderte sich nichts an dem Trinkverhalten seines Vaters. Aus Frusttrinken, war Stresstrinken geworden, um seine Leistungsfähigkeit weiterhin zu garantieren, auch wenn das sicherlich ein Widerspruch in sich war. Doch der Alkohol war zu dem treuen Gefährten seines Vaters geworden. Er heftete sich wie ein Schatten an seine Fersen, ließ ihn nicht mehr los und öffneten die Pforten zu Tais persönlicher Hölle. Weder seine Mutter, noch seine Schwester schienen etwas mitzubekommen, schlossen einfach die Augen und unterstützen seine Sucht, indem sie ihm das Bier auf dem Silbertablett präsentierten, statt das Gift des Teufels weit weg zu schaffen. Tai ertrug es nicht mehr, ihn so zu sehen. Den Alkohol aus seinem Mund zu riechen und ihn lallend seinen Namen rufen zu hören. Vielleicht war es daher ganz gut, dass er doch noch nicht nach Hause ging. Schnurstracks steuerte er seinen Spint an, gab die Zahlenkombination ein und öffnete ihn sachte. Mit huschenden Augen suchte er nach seinem Mathebuch als er es entdeckte und danach griff. Gerade als er im Begriff war seinen Spint wieder zu schließen, hörte er mehrere Stimmen, die auf ihn zukamen. Er musste nicht zweimal hinsehen, um Makoto und seine komischen Freunde zu erkennen, die sich eine Spintreihe vor ihm aufhielten. Angespannt beobachtete er sie und krampfte die Finger zusammen als er begriff, dass sie über Mimi sprachen. „Na, wartest du noch auf deine Süße?“, fragte Shinji grinsend, während Yusuke Makoto einen zweideutigen Blick schenkte. „Sie hat noch Kochkurs“, seufzte Makoto leise und öffnete ebenfalls seinen Spint, um etwas darin zu verstauen. „Vielleicht bekommst du ja heute mal was Süßes“, meinte Yusuke nachdrücklich. „Das glaubst du doch selbst nicht“, antwortete Shinji bevor Makoto etwas sagen konnte. „Wir wissen doch wie Miss Unnahbar tickt. Bestimmt bist du noch nicht mal in Höschennähe gewesen“, stichelte er selbstsicher, was Makoto nur mit einem Kopfschütteln quittierte. „Ich gehe es eben langsam an“, rechtfertigte er sich mit spitzer Zunge. „Seit wann das denn? Wundert mich echt, dass sie noch nicht Bekanntschaft mit deiner schwingenden Liane der Lust gemacht hat“, erwiderte Shinji entrüstet. Schwingende Liane der Lust? War, dass sein Ernst? Manchmal fragte sich Taichi wirklich, was für Leute nur seine Schule besuchten. Dennoch beruhigte es ihn, dass Makoto nicht darauf einzugehen schien, auch wenn er es sich nehmen konnte, weiterhin zu lauschen. „Hörst du dir überhaupt selbst mal zu? Sie ist ein Mädchen und sie will halt nichts überstürzen.“, meinte Makoto nachdenklich. „Seit wann bist du so ein Frauenversteher? Du fängst doch nicht ernsthaft an, dich für sie zu interessieren?“, hakte Yusuke skeptisch nach. Taichis Blick wurde auf einmal ganz ernst, während die Anspannung durch seinen Körper fuhr. Sich ernsthaft für sie zu interessieren? Wovon redete dieser Yusuke nur? War Makoto in Wirklichkeit doch nur auf das Eine aus? Gespannt wartete er auf Makotos Antwort, die ihm Gewissheit geben sollte. „Naja ich…“ „So ein Quatsch. An Tanabata wird er sie bestimmt soweit haben oder?“, unterbrach Shinji ihn und fixierte Makoto mit einem anerkennenden Blick, dem er jedoch auswich. Es folgte eine kurze Pause als Makoto nickte und seine Lippen kräuselte. „Ja, ganz sicher…“, antwortete er unwirsch, doch für Taichi waren diese drei Worte definitiv zu viel. Wie konnte es dieser Typ nur wagen? Am liebsten hätte er ihm auf der Stelle eine reingeschlagen, doch sie befanden sich immer noch auf dem Schulgelände, was ihm sicherlich einen Haufen Ärger einbringen könnte. Er musste wieder runterkommen und einen klaren Kopf fassen, damit er diesen Scheißkerl aufhalten konnte. Er schloss leise seinen Spint und entfernte sich vorsichtig aus der Sichtweite von Makoto und seinen Freunden. Erst als er auf dem Schulhof war verlangsamte er seine Schritte und versuchte seine pulsierende Wut, die durch seinen Körper wanderte, zu kontrollieren. Er musste Mimi sprechen. Sowas durfte er diesem Kerl nicht durchgehen lassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)