Rutting Season von Ceydrael (Dante x Nero) ================================================================================ Kapitel 1: Akt 1 ---------------- »Kid!« Nero schnellte gewarnt herum und blockte ächzend den Angriff des widerlich schwärenden Dämons, der mit seinem scharfen Schweif geradewegs auf seinen Nacken gezielt hatte. Dumpf fing die Red Queen die giftige Schwanzspitze ein paar Millimeter vor ihrem Ziel ab. Nur eine Sekunde später und er wäre wohl als aufgespießtes Häppchen für diesen hässlichen Hurensohn geendet... Der Dämon zischte wütend, da seine so sicher geglaubte Beute plötzlich den Aufstand probte,- Nero riss seine Schulter zur Seite, um dem widerlichen Speichel dieses Mistviehs zu entgehen, der dampfend aus dem lippenlosen Maul spritzte. Angewidert rümpfte er die Nase, da der Dämon genauso stank wie er aussah – abscheulich. Mit einem knappen Nicken dankte er seinem zeitweiligen Partner für die Warnung. Dante schlug sich unweit von ihm mit Rebellion eine Schneise durch die hässlichen Cesspool Dämonen, die wie eine nicht enden wollende Flut aus stinkenden Eingeweiden und wirbelnden Extremitäten aus der Kanalisation schwappten. Prima, sie hatten offensichtlich ein Nest dieser Viecher gefunden und dabei waren sie eigentlich nur auf der Suche nach einem Artefakt für einen Kunden. Eigentlich ein ganz normaler, einfacher Job. Eigentlich... Nero hatte Dante noch davon abgeraten, einfach so unvorbereitet hier runter zu steigen! Hätte er sich bloß einmal auf sein ungutes Bauchgefühl verlassen und nicht darauf, dass der andere schon wissen würde, was er tat, immerhin war er ja um einiges älter und sollte Risiken vernünftig einschätzen können... Richtig, sollte! Tat er aber nie! In Dantes Wortschatz schien es so etwas wie Vorsicht oder Risiko gar nicht zu geben, wodurch er Nero natürlich ähnlicher war, als der sich eingestand. Nero ließ den integrierten Motor seiner Red Queen aufheulen, drehte das Handgelenk und säbelte dem Dämon sauber durch den Schweif. Kreischend taumelte der Cesspool zurück, verspritzte großzügig sein Blut, was noch schlimmer stank als der Dämon selbst und besudelte damit die Ränder von Neros blauen Mantel, was den jungen Hunter missmutig knurren ließ. Ganz toll, mit Sicherheit roch er jetzt wie eine Fäkaliengrube! Schöne Scheiße! Zu seinem Glück war er vorübergehend bei Dante im Devil May Cry einquartiert, wodurch er sich eine weitere, nervenaufreibende und langwierige Diskussionen mit Kyrie ersparte, die irgendwie so gar kein Verständnis für seine Leidenschaft, Dämonen zu töten und die damit verbundene Sauerei aufbringen konnte. Ihre Reinlichkeit war allumfassend, manchmal beinahe nervtötend und nicht selten waren sie in letzter Zeit in heftigen Streit über die Banalitäten des Alltages geraten, wie liegengelassene Klamotten oder sein vor Dämonenblut triefendes Schwert... Komisch, im Devil May Cry störte sich nie jemand an so was, der Laden war immerhin ein Hort für Dämonentöter, Waffen in allen Ausführungen, sowie zerrissene und besudelte Klamotten,- alles gehörte schlichtweg zum Inventar, fast wie Dantes heißgeliebte Pizza und das Sixpack Bier im Kühlschrank. Ehrlich angepisst, weil er seinen Mantel erst gestern aufwändig vom letzten Job gereinigt hatte, zückte Nero seine Blue Rose und jagte dem wankenden Dämon eine Kugel zwischen die Augen. Nun... zumindest dahin, wo er die Augen vermutete, denn so recht wusste man bei den Viechern eigentlich nicht, was oben oder unten war. Oberflächlich betrachtet waren sie nicht mehr als matschige, deformierte Körper mit peitschenden Gliedmaßen. Dann packte er den nächsten Mistkerl mit seinem Devil Bringer und benutzte den Dämon als Rammbock gegen seine herannahenden Kollegen, bevor er ihn mit befriedigender, gnadenloser Härte so oft auf den Boden hämmerte, bis der weiche Körper zerplatzte. Plötzlich spürte er vertraute Wärme hinter sich, stand nun Rücken an Rücken mit Dante, während der Ältere seine beiden Pistolen gezogen hatte und mit unmenschlicher Geschwindigkeit einen Kugelhagel auf die angreifenden Dämonen niederregnen ließ. Nero tat es ihm gleich und feuerte seine Blue Rose frenetisch in die Massen, doch die Reihen schienen sich nicht wirklich zu lichten. Unweigerlich wurden sie eingekreist und Nero kam nicht umhin langsam unruhig zu werden. Eigentlich hatte er sich den Tag gänzlich anders vorgestellt, als jetzt knöcheltief in stinkenden Dämonenkadavern zu stehen. Und warum?! Weil er Dante wieder einmal blind gefolgt war, begierig darauf, sich und vor allem dem älteren Hunter etwas beweisen zu müssen. »Ich hoffe, du hast einen Plan, wie wir hier wieder rauskommen, alter Mann«, knurrte er angespannt, während er seine Waffe mit einer geübten Bewegung nachlud, bevor er das Feuer wieder eröffnete. Er spürte Dantes raues Lachen an seinem Rücken und reagierte darauf mit fassungslosem Unverständnis. Wie konnte der Kerl eigentlich noch lachen, wo sie gerade bis zum Hals in der – wortwörtlichen – Scheiße steckten, wenn man die Massen an Cesspools um sie herum betrachtete!? Nero fragte sich nicht zum ersten Mal, wie er sich nur auf die Zusammenarbeit mit dem Devil Hunter hatte einlassen können. Der Kerl nahm überhaupt nichts ernst, war mit Sicherheit wahnsinnig... und noch dazu ein arrogantes Arschloch! »Du hast doch nicht etwa Schiss, Kid?«, zog ihn Dante feixend auf, der wie immer die gelassene Überheblichkeit in Person präsentierte. Er hämmerte Ebonys Griff auf den Schädel eines heranstürmenden Dämons und schüttelte dessen dampfendes Blut danach ungerührt von der Waffe. Nero knirschte mit den Zähnen und ließ seinen Stiefel auf den noch zuckenden Schweif eines Dämons niederkrachen, der sich gerade hatte selbstständig machen und davon kriechen wollen. »Ich für meinen Teil will einfach nur den Job erledigen und heute nicht als ein Haufen stinkende Dämonenscheiße enden! Mir ist schon klar, dass dich das kalt lässt, immerhin riecht es in deinem Laden ja fast genauso schlimm wie hier!« Das war zwar schlicht gelogen, doch das würde er Dante ja nicht auf die Nase binden müssen. »Hey, hey, jetzt werd' mal nicht persönlich«, wies ihn der Devil Hunter in gespieltem Ernst zurecht. »Lass das bloß Trish nicht hören, immerhin ist sie für's Putzen zuständig.« Naja, Nero vermutete eher, dass Trish lieber nicht hören sollte, dass Dante sie zur Putzfrau degradieren wollte, denn dann würde ihm die hübsche Blonde wohl gehörig den Arsch aufreißen. Unvermittelt vernahm Nero Dantes raue Stimme nah an seinem Ohr, da sich der Ältere umgedreht hatte und ihm zusichernd auf die Schulter klopfte. Der jüngere Hunter konnte ein kleines Schaudern nicht verhindern, welches Dantes warmer Atem auf der empfindlich dünnen Haut auslöste. »Keine Sorge, ich hab' alles im Griff. Cesspool Dämonen werden immer von einer Schwarmführerin, ihrer Königin, geleitet. Die müssen wir nur finden und... ein wenig mit ihr plaudern. Wahrscheinlich hat sie unser Amulett«, erläuterte Dante gelassen. »Nur?!«, krächzte Nero ungläubig und blickte auf die Massen an Dämonen um sie herum, aus denen sich unmöglich herausfiltern ließ, ob es sich um Männchen oder Weibchen handelte. »Wie willst du Eure Majestät denn hier bitte schön finden?!« »Null Problem, Kiddo«, meinte Dante noch lapidar, bevor Nero einen auffordernden Schubs gab. »Lenk' du sie ein bisschen ab, ich such' die Königin.« »Bitte was?! Spinnst du?!« Nero konnte gar nicht so schnell reagieren, wie Dantes Präsens in seinem Rücken verschwand und in dem jüngeren Hunter damit ein unbegreifliches, flüchtiges Gefühl von Verlust heraufbeschwor. »Du schaffst das schon! Bin gleich wieder da.« Nero bemerkte in einem Anflug von Unbehagen, dass er sich tatsächlich auf den älteren Devil Hunter und dessen Wort verließ, ihm vertraute und das passte ihm so gar nicht in den Kram, es löste recht widerstreitende Gefühle in ihm aus. Er hatte frühzeitig gelernt, allein klar zu kommen und obwohl Kyrie und Credo immer für ihn dagewesen waren, so hatte er sich doch nie wirklich heimisch in seiner Adoptivfamilie gefühlt, was sicherlich auch größtenteils daran lag, dass er ein Halbdämon war – ebenso wie Dante. Vielleicht war das auch der Grund, warum er in der Nähe des Älteren dieses bedingungslose Vertrauen, dieses irrationale Gefühl von Heimat verspürte. Ein Gefühl, was ihn beunruhigte und irgendwie unsäglich nervte... vor allem nervte! Denn solch einen positiven Einfluss auf sich selbst wollte er Dante ganz sicher nicht zugestehen. Es reichte schon, dass er oft genug anerkennen musste, dass er von dem talentierten Devil Hunter noch so einiges lernen konnte, was sich Nero nur zähneknirschend eingestand. Dante hatte seinen Devil Trigger aktiviert, die mächtigen Flügel entfaltet und sich an die Decke des zerfallenen, unterirdischen Gewölbes katapultiert, wo er die Klauen in den brüchigen Putz bohrte und sich jetzt so wie ein Insekt rasend schnell über die Horden der Cesspool Dämonen hinweg bewegte. »Bastard... «, grollte Nero ihm hinterher, allerdings weniger ärgerlich, als er bezweckt hatte. Er ignorierte starrköpfig den Hauch Bewunderung, welchen er stets im Beisein des gewandelten Devil Hunters verspürte. Dantes Dämonengestalt war imposant, mächtig und der Ältere wusste seine teuflischen Attribute zielgerichtet einzusetzen. Nero hingegen hatte immer noch Schwierigkeiten, seine erwachte dämonische Seite zu beherrschen, diese so kontrolliert einzusetzen, damit er sich in so manch heiklen Situation einen Vorteil verschaffen konnte. Wo bei Dante stets alles so leicht aussah, fast anmutig – so weit man eben bei zwei Meter geballter, animalischer, roher Gewalt von Anmut sprechen konnte – so fühlte sich Nero oft wie ein Baby, dass kaum seine eigenen Gliedmaßen koordinieren konnte. Im Moment nutzte er Yamato, das Schwert von Dantes Bruder, kaum im Kampf, einfach deshalb, weil er sich lieber auf altbekanntes verließ als auf eine Macht, die so überwältigend und schwer zu kontrollieren war. Ein weiterer Grund, warum er die Zusammenarbeit mit dem älteren Devil Hunter nicht ausgeschlagen hatte,- Dante bot eine Möglichkeit, seine dämonischen Besonderheiten besser zu verstehen, diese vor allem zu akzeptieren und zu disziplinieren. Kyrie hatte Nero dazu gedrängt, Dante zu helfen, als dieser nach Monaten erneut in Fortuna aufgetaucht war, um für einen Job einer Dämonenbedrohung auf den Grund zu gehen, deren Ursprung auf der Insel lag. Trish hatte ihm später erklärt, dass die verbliebenen Dämonenfürsten nach Mundus Tod nun um die Vorherrschaft in der Unterwelt stritten und ihre Fehde inzwischen weit bis in die Menschenwelt reichte, sodass vermehrt Höllenportale und frenetische Sekten auftauchten, die Dante trotz der Hilfe von Trish und Lady kaum noch alle allein zurückschlagen konnte. Nero hatte nie wirklich damit gerechnet, den Devil Hunter nach dem Sieg über Sanctus je wieder zu sehen,- er hatte es aus unerfindlichen Gründen zwar gehofft, nachdem Dante eher sang- und klanglos verschwunden war und Nero sich nie wirklich mit dem Umstand hatte abfinden können, dass er die Chance hatte verstreichen lassen, den einzigen ihm bekannten Halbdämonen zu begleiten, um mehr über sich selbst herauszufinden. Kyrie musste seine innere Unzufriedenheit gespürt haben, weswegen sie ihn wohl auch auf die erneute Anwesenheit des Devil Hunters in Fortuna hingewiesen hatte. Offenbar war nicht nur Nero nach einiger Zeit der Meinung gewesen, dass ihnen beiden etwas Abstand gut tun würde... Vor den schicksalshaften Ereignissen um Sanctus war Nero völlig überzeugt davon gewesen, die junge Frau, die ihm Schwester und Familie war, zu lieben, doch inzwischen hatte seine Überzeugung in dieser Sache zu wanken begonnen, genau, wie er selbst sich seitdem verändert hatte. Immer mehr hatten sich in den letzten Monaten dieser Beziehung ihre persönlichen Unterschiede herauskristallisiert, ihre teils völlig gegensätzlichen Ansichten über eigentlich total banale Dinge. Kyrie war einfach wie das Licht, strahlend, rein, kontrolliert und Nero hingegen... nun, ihn zog es zurück in die Schatten. Er war schon immer unangepasst, ironisch und provokativ gewesen, doch seitdem seine dämonische Seite vollständig erwacht war, hatte sich das Ganze nochmals gesteigert, zusätzlich zu seiner Leidenschaft, Dämonen den Arsch aufzureißen. Ein Punkt, der immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Kyrie und ihm geführt hatte, denn sie hatte stets ein Problem damit, wenn er sich – in ihren Augen – so grundlos in Gefahr brachte. Doch er liebte den Kampf einfach, das Adrenalin, die Gefahr, brauchte all das wie die Luft zum Atmen... mehr noch als er Kyrie brauchte. Er liebte sie noch immer, keine Frage, immerhin gehörte sie zu diesem winzigen Kreis an Menschen, die er am ehesten als Familie bezeichnete... doch eben nicht auf diese romantische Art und Weise, wie sie es sich wohl beide noch vor einiger Zeit erhofft und erträumt hatten. Aber Träume waren eben Träume. Und irgendwann musste man immer aufwachen... Was ein gutes Stichwort bildete, denn Nero wurde ohne Vorwarnung aus seinen Gedanken gerissen, als die Dämonen umher sich plötzlich wie auf einen lautlosen Befehl hin zu einer dichten Masse zusammenrotteten und einer undurchdringlichen Mauer gleich auf ihn zurollten. »Scheiße... « Warum müssen sich die Viecher gerade jetzt entschließen, Hirn zu besitzen und zielgerichtet vorzugehen?! Nero führte die Red Queen mit surrendem Motor, grub mit der Klinge tiefe Spuren in die weichen Leiber, doch am vorrücken hinderte er sie damit nicht. Er wich notgedrungen zurück, während er die stinkenden Dämonen mit gezielten Schüssen seiner Waffe auf Abstand hielt, bevor er die Blue Rose zwangsweise holsterte. Hinter ihm gab es nicht mehr viel Platz, wohin er sich flüchten konnte und Dante sah er auch nicht mehr, wie er eben bemerkte. Mit einem kräftigen Satz katapultierte sich Nero zu einem bröckelnden, halb eingestürzten Vorsprang über ihm und krallte sich mit seinem Devil Bringer daran fest, während er mit der anderen Hand sein Schwert schwang und die vereinzelten Tentakel zurückschlug, die nach seinen Stiefeln gegriffen hatten. Schweiß perlte ihm über die Schläfe, während er sich mit Hilfe seines dämonischen Armes in die Höhe zog. Komm schon, Dante, beeil dich, appellierte er gedanklich an seinen Mentor. Unweit von ihm, in den Schatten lauernd und so unbemerkt, hatte ein glühendes Augenpaar die gesamte Szenerie im Blick und studierte aufmerksam das Geschehen. Der stille Zuschauer hatte in dem langen Zeitraum seiner Existenz Geduld und Abwarten perfektioniert, war ein Meister darin geworden, zu beobachten und Wissen als Waffe zu nutzen. Er wusste inzwischen, jeder, ob Dämon oder Mensch, hatte eine Schwäche, irgendwo und sei jene noch so versteckt, vielleicht fast zu übersehen. Jeder besaß etwas, was er liebte, begehrte, beschützte, brauchte, was wichtig war und wenn man das gefunden hatte, hatte man sein Opfer sprichwörtlich bei den Eiern und das gänzlich ohne mühsame Kämpfe. Und der regungslose Beobachter hasste Kämpfe. Nichts war so geistlos und so langweilig, wie ein blutiger Kampf bis zum Tod, wo blieb da immerhin der Spaß an Intrigen, an List und Tücke? Xoxis lächelte schweigsam, ein unheilvolles Aufblitzen von Reihen scharfer, weißer Zähne in den Schatten. Sein Auftrag war deutlich, sein Ziel glasklar – es galt Ungeziefer auszumerzen. Ein für alle mal. Der Halbdämon Dante, der missratene Sohn des Verräters Sparta, war wohl der größte Dorn im Auge der brodelnden Unterwelt, darin waren sich alle einig, sogar jene, die eigentlich gegeneinander um Herrschaft stritten und kämpften. Das Devil May Cry war langsam zu einer Belastung geworden und Dante selbst zu einer Bedrohung, die niemand mehr ignorieren wollte und konnte. Der Devil Hunter musste ausgelöscht werden und das schnell, denn wer fähig war, jemanden wie Mundus zu vernichten, der würde auch den neuen Herrscher der Unterwelt aufhalten, wer auch immer das schlussendlich sein mochte. Allerdings konnten so einige – zu Staub zerfallene – Dämonen ein Lied davon singen, dass Dante offenbar einen Deal mit dem Tod abgeschlossen haben musste, denn er war einfach nicht tot zu kriegen und es glich reinem Selbstmord, den Halbdämon offen herauszufordern. Hier kam Xoxis ins Spiel. Er hatte Dante nun seit einer ganzen Weile schon im Visier. Er verfolgte den Halbdämon, egal, wohin dieser ging oder wo er sich aufhielt, studierte dessen Gewohnheiten, sein Leben, seine Kämpfe, die Menschen und Dämonen, mit denen er sich traf und mit denen er sich umgab. Und dabei war ihm Nero bald aufgefallen. Der weißhaarige junge Mann mit dem hitzigen Gemüt und dem bemerkenswerten Devil Bringer war etwas besonderes, dass war Xoxis sofort klar gewesen. Normalerweise agierte Dante allein, nur ab und an begleitet von einer blonden Schönheit oder einer dunkelhaarigen, jungen Frau mit wirklich übertrieben großen... Waffen. Doch den jungen Nero schleppte der Devil Hunter seit geraumer Zeit immer mit sich herum, der Kleine begleitete den älteren Halbdämonen bei beinahe jedem Auftrag und selbst in ihrer Freizeit hockten die beiden Männer nicht selten zusammen. Doch was wirklich außergewöhnlich war und Xoxis' ausgeprägtes Gespür für charakterliche Schwächen auf den Plan rief, war der Umgang, den die beiden Hunter miteinander pflegten. Einem außenstehenden, unbeteiligten und weniger aufmerksamen Beobachter mochten sie kaum auffallen, diese winzigen und doch so bedeutsamen Gesten - die nur ein klein wenig zu lang andauernden Blickduelle, die forcierten, spielerischen Wortgefechte, all diese Kleinigkeiten, die auf etwas ganz entscheidendes hindeuteten. Der Kleine, dieser hitzköpfige Frischling, war Dante wichtig. Er bedeutete Dante etwas, mehr, als dieser sich wahrscheinlich selbst eingestehen würde. Vielleicht sah der Devil Hunter in ihm seinen verlorenen Bruder. Vielleicht eine Art Sohn oder möglicherweise auch sich selbst, in früheren Jahren. Und vielleicht war es auch etwas gänzlich anderes... Egal, was es schlussendlich war, das spielte für Xoxis eh keine wirkliche Rolle. Das Einzige, was von Belang war, war Neros bloße Existenz. Nero inzwischen hatte sich halb auf den Vorsprung gezogen, als die porösen Steine unter den Klauen seines Devil Bringers nachgaben und sich urplötzlich lösten. Ungebremst schlug der junge Hunter mit dem Rücken auf dem Boden auf, sodass er jeden Knochen im Leib spüren konnte. Unglücklicherweise war der Boden ebenso instabil wie der Rest des unterirdischen Gewölbes, denn er gab unter Neros Aufprall einfach nach und fiel in sich zusammen, da sich offenbar durch Abwasser ein Hohlraum in den Stein darunter gegraben hatte. Nero verschwand in dem klaffenden Loch, zusammen mit einer ganzen Hand voll der Cesspool Dämonen, die sich um ihn gesammelt hatten. Der junge Hunter stützte erneut ein paar Meter in die Tiefe und landete hart und stöhnend in dem zerklüfteten Geröll, sein Schwert wurde ihm aus der Hand geschleudert, ebenso wie die Luft aus seinen Lungen gepresst wurde. »Fuck...!« Kurz schwammen schwarze Schlieren vor seinem Sichtfeld, ächzend und hustend versuchte er sich wieder aufzurichten und sich zu orientieren, da ihm der Staub die Sicht nahm. Das Problem waren die Dämonen, die plötzlich überall zu sein schienen, sie krochen wie eine Welle über den eben entstandenen Abgrund und stürzten sich geifernd in die Tiefe und damit auf Nero. Der rollte sich herum, sich dabei den schmerzenden, menschlichen Arm haltend, während er hektisch nach dem Griff seiner Red Queen tastete. Der erste Angriff kam schnell. Ein wenig zu schnell, selbst für einen Halbdämonen. Eine tentakelartige Gliedmaße bohrte sich in seine Wade, eine andere in seinen Oberschenkel. Es folgten weitere in seinen menschlichen Arm, seine Hüfte, die Schulter, der Schmerz biss wie tausend Nadeln in seine Nerven und ließ ihn gepeinigt stöhnen. Obwohl sich die Wunden dank seines dämonischen Erbes schnell wieder schließen würden, tat die ätzende Säure der Cesspool doch verflucht weh. Verbissen ertastete er seine Pistole und ballerte das ganze Magazin in die angreifenden Dämonen, während er endlich den Griff der Red Queen spürte und das Schwert ergriff, um mit der Klinge einen weiteren, hinterhältigen Angriff abzuwehren. Also wenn das jetzt nicht genug Ablenkung ist, dann weiß ich auch nicht...! »Dante... «, knurrte er rau und hoffte wirklich inständig, dass der Ältere endlich seinen Arsch bewegen und die verdammte Schwarmführerin finden würde. Er hatte sich wieder auf die Beine gekämpft und mit seinem Devil Bringer den Schädel eines Dämons gepackt, um mit dessen Körper die anderen zurückzuschleudern. »Komm schon, man...« Dante hatte gerade die Königin erspäht, die versteckt im Zentrum der aufgebrachten Cesspool Dämonen ausharrte und jene koordinierte. Er hing regungslos an dem Gewölbe über ihr, beobachtete sie mit glühenden Augen und wartete auf eine Gelegenheit, dass die Wächter um sie die Deckung fallen ließen. Entgegen der recht hirnlosen, männlichen Vertreter dieser Art war das Weibchen intelligent, sehr intelligent. Und Dante hätte sie wohl auch nicht gefunden, wenn er seine dämonische Seite nicht freigegeben hätte, denn nur so konnte er sie... riechen. Tatsächlich sandte die Cesspoolkönigin einen ganz angenehmen Duft aus, wohingegen ihre männlichen Artgenossen mit ihrem penetranten Gestank dafür sorgten, dass der Geruch der Königin überlagert wurde und sie damit geschützt und unentdeckt vor Feinden blieb. Eine einfache, aber effiziente Ablenkung. Ein anderer, unverwechselbarer Geruch schlug nur Augenblicke später in Dantes Dämonensinne ein wie ein Hammer - das Aroma von Neros Blut. Der junge Hunter war verwundet und diese Erkenntnis entfachte ein selten gekanntes, eisiges Feuer von Beklemmung und Wut in Dante. Verflucht, Kid! Er sah dorthin, wo er Nero gerade eben zurückgelassen hatte, erfasste mit einem Blick, dass der Kleine verschwunden war, dazu das Loch im Boden und die Cesspool, die sich in die Öffnung stürzten. Mit einem animalischen Knurren ließ er sich fallen und landete zwischen den Dämonen, ließ seine Klauen und Rebellion in Raserei durch die aufgereihten Leiber der Cesspool fahren. Er mähte sich wie eine Naturgewalt durch die kreischenden Viecher, rückte unaufhaltsam zur Königin vor, die sich unvermittelt einem schnaubenden, tobenden Halbdämon gegenüber sah, dessen riesige Hand grob ihren fleischigen Körper packte und sie so zu Dante heran zerrte. »Pfeif' deine Brut zurück. Sofort!«, grollte er ehrlich angepisst durch sein gewachsenes Gebiss. »Sonst schwöre ich, dass ich hier unten umdekoriere und zwar mit deinen Eingeweiden!« Er wusste, dass die Königin ihn verstehen würde... und wenn sie es nicht täte, würde er sie mit Gewalt dazu bringen, ihn zu verstehen! Er kräuselte die Oberlippe und fletschte die Fänge, verstärkte den Griff seiner Klauen um den Teil der Cesspool, welchen er für ihren Hals hielt, sodass die weiche Haut darunter aufplatzte und ihr Blut floss. Seine Flügel entfalteten sich wie dunkle Unheilsboten hinter ihm, zuckten angespannt durch die Luft. Normalerweise kam es selten vor, dass Dante die Kontrolle verlor, er war nie um einen coolen Spruch verlegen, hatte immer eine gewitzte Antwort parat und bewahrte sich seinen kühlen Kopf in jeder noch so heiklen Situation. Eigentlich passierte es ihm nie, dass er so unkontrolliert aus der Haut fuhr und doch hatte der Geruch von Neros Blut einen Schalter in seinem Kopf umgelegt – wieder einmal. Wenn es um den Kleinen ging, schien er sentimental zu werden. Verfluchte Scheiße, ich hoffe, dass wird nicht zur Gewohnheit! Dante fühlte sich für seinen jüngeren Partner verantwortlich, sah den Kleinen als seinen Schützling an und stand damit auch in der Pflicht, ein Auge auf ihn zu haben. Er wollte einfach nicht schuld daran sein, dass dem Kleinen etwas passierte! Xoxis beobachtete Dante mit überschwänglicher Freude, saugte dessen Anblick genießerisch in sich auf und registrierte jedes noch so winzige Detail - dieses glühende, kaum mehr verhohlene, unkontrollierte Flackern in den geschlitzten Pupillen des Halbdämons, die zittrige, unruhige Anspannung der gewaltigen Muskeln unter der dunklen, geschuppten Haut. Dieser unvergleichliche Ausdruck von Besorgnis auf Dantes kantigem, scharf geschnittenem Dämonengesicht ließ Xoxis beinahe genüsslich aufstöhnen. Das ist es, Dante. Damit habe ich dich bei deinen Eiern. Ein einziger, mentaler Befehl würde die Steine ins Rollen bringen und damit zog sich Xoxis zurück, nachdem er der Königin seine unmissverständliche Anweisung überbracht hatte. Die Cesspool Dämonen erstarrten im nächsten Moment wie ein Mann in ihrer Bewegung, bevor sie sich langsam in die Schatten zurückzogen und plötzlich sehr defensiv das Feld räumten, als hätten sie plötzlich jegliches Interesse an Angriff verloren. Doch erst als Dante Neros blau glimmenden Devil Bringer aus dem klaffenden Loch im Boden ragen sah und sich der Kleine halbwegs unversehrt daraus hervor kämpfte, lockerte Dante selbst seinen Griff um die Kehle der Cesspoolkönigin ein wenig. »Eure Majestät hat offensichtlich etwas, was Ihr nicht gehört...«, raunte er jetzt schon wieder auf seine spöttische Art. Die Dämonin spuckte ihm Gift und Galle entgegen, was Dante angewidert die Nase rümpfen und sie ein Stück von sich wegdrücken ließ. »Dante, Sohn einer Hure und des Verräters Sparta, du mieses Stück-...« »Och bitte, nicht schon wieder die alte Leier...« Dante verdrehte die Augen mit einem genervten Seufzen, immerhin begann fast jedes verdammte Gespräch mit einem Dämon mit diesen Worten. »Können wir uns bitte auf's Wesentliche konzentrieren? Wo ist das Amulett von Karveg?« »Du bist tot, Dante! Tot!« Und bevor der Devil Hunter reagieren konnte, hatte die Königin vier schlangengleiche, nadelspitze Tentakel aus ihrem Körper entfaltet und rammte zwei davon zielgerichtet in Dantes Halsseite, die beiden anderen in seine Oberarme. Etwas wie glühendes Feuer schoss in seine Venen, ließ ihn schmerzhaft zischen und den Griff um den Hals der Dämonin ruckartig verstärken, als ihm klar wurde, dass sie ihm irgendetwas injiziert hatte. »Du verdammtes Miststück...«, knurrte er aufgebracht und riss ihr in einer unkontrollierten Regung den Kopf von den Schultern. Gurgelnd ging die Dämonin zu Boden und verspritzte ihr dampfendes Blut in alle Richtungen. »Ups, scheiße...« Dante rieb sich beiläufig die juckenden, brennenden Einstichlöcher, während er seinen Devil Trigger deaktivierte und den Kadaver der Königin mit dem Stiefel beiseite schob. So war das irgendwie nicht geplant gewesen... »Hey, alles okay bei dir...?« Nero tauchte an seiner Seite auf, bedachte die tote Dämonin mit einem skeptischen Blick, bevor er seinen Mentor zweifelnd ansah. »Wolltest du nicht eigentlich mit ihr... reden?!« »Sie war nicht sonderlich gesprächig, eher etwas wortkarg. Weißt du, ich glaube, wir beide werden wohl doch keine Freunde«, tat Dante das Geschehen mit einem Achselzucken ab, dann wandte er sich Nero zu und griff vorsichtig nach dessen menschlichem Arm, den der Kleine in einer unbewussten Regung an der Brust barg. »Bist du verletzt...?« Dante kam nicht umhin, sich dafür die Schuld zu geben, hielt das aus seiner Stimme aber wohlweislich heraus. Nero hasste nichts mehr als wenn er ihn wie ein unfähiges Kind behandelte, auch, wenn er es am Ende nur gut meinte. »Jetzt werd' mal nicht dramatisch, alter Mann... das ist nur 'ne Prellung, das heilt schon wieder«, wiegelte Nero rasch ab, bevor er etwas entdeckte, an Dante vorbei ging und sich in die Hocke sinken ließ. Aus einem dampfenden Haufen von eher zweifelhafter Herkunft zog er ein blinkendes Medaillon hervor und hielt es dem Devil Hunter entgegen. »Ah, da ist es doch!« Dante schnappte das Amulett, wischte es an seinem Mantel sauber und betrachtete es prüfend von allen Seiten. »Damit hab' ich den Job wohl erledigt. Ich würde sagen, zwei Drittel der Bezahlung stehen damit mir zu«, meinte er überzeugt. Flink ließ er das Amulett in seiner Manteltasche verschwinden. »Hey, du tickst wohl nicht mehr richtig!?«, fuhr ihn Nero sofort an und stieß ihm den glühenden Zeigefinger seines Devil Bringers auf die Brust. »Es hieß fifty-fifty, schon vergessen?!« »Ach Kid...« Dante schwang Rebellion gelassen über seine Schulter und stolzierte gemächlich davon. »Fifty-fifty!? Wofür? Dafür, dass du die ganze Zeit da unten gelegen und ein Schläfchen gehalten hast, während ich hier Eure Majestät bei Laune halten musste?!« Beinahe anklagend deutete er auf das Loch, aus dem Nero gekrochen war. Im Vorbeigehen registrierte er mit stiller Bewunderung die unzähligen toten, zerfetzten Dämonen da unten, die ganz eindeutig die Handschrift von Neros Devil Bringer trugen. »Schläfchen?! Ich glaube, bei dir ist 'nen Rad ab, Alter!«, fauchte Nero jetzt wie eine angepisste Katze, der man auf den Schwanz getreten war, was Dante amüsiert grinsen ließ. »Du hast mich den Viechern zum Fraß vorgeworfen, damit du hier in Ruhe dein Date abhalten konntest! Die Hälfte gehört mir!« »Nope.« »Ich spuck' dir auf deine nächste Pizza! Ich schwöre es!« »Wenn du das tust, werde ich Trish dazu anhalten, dich das nächste Mal im Devil May Cry als Putzlappen zu benutzen!« »Sie hat da noch nie geputzt, du Idiot!« »Ja, umso schlimmer! Dann solltest du das vielleicht ab heute mal übernehmen, Kid.« »Sag mal, bist du eigentlich völlig bescheuert!?« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)