Humanity von hYdro_ ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Ruhig ließ er das blutbeschmierte Skalpell sinken, ehe er es wieder zum anderen Besteck legte. Er besah sich den leblosen Körper vor sich, der nun einen tiefen, senkrechten Y-förmigen Schnitt aufwies, der von den Schultern bis zum Brustbein und von dort bis zum Becken führte. Schön gerade Schnitte, präzise gesetzt, doch was sollte man auch anderes von ihm erwarten? Der Mann war schon etwas länger tot und man könnte den Gestank wohl als unerträglich empfinden. Doch er empfand es nicht als solches, hatte sich an den Geruch schon längst gewöhnt. Sein Geruchssinn war nicht mehr so sensibel, seine Nase war abgestumpft, sowohl im Bezug auf den Gestank von Verwesung, wie auch auf angenehme Düfte, wie der einer Blumenwiese. Mit Leichtigkeit stülpte er das aufgeschnittene Fleisch beiseite, so dass man nun einen guten Blick ins Innere werfen konnte. Er hob seinen Kopf, sah in das bleiche Gesicht der jungen Frau – oder eher Mädchen –, in diesem er bereits jetzt schon erkennen konnte, dass sie sich nicht wohl fühlte. Dabei hatte er eben erst angefangen. «Rippenschere», sagte er und deutete darauf. Nach kurzem Zögern wurde ihm besagtes Objekt gereicht. Gekonnt durchtrennte er die jeweiligen Rippen und klappte sie nach außen, was jedes mal ein Knacken verursachte und er bemerkte aus dem Augenwinkel, wie die junge Frau zusammen zuckte. Auf den ersten Blick fiel ihm nichts ungewöhnliches auf; keine Anzeichen auf irgendwelche Gewalteinwirkung wie Quetschungen und dergleichen. Doch um sicher zu gehen, dass dieser Mann eines natürlichen Todes gestorben war, musste er die Organe genauer untersuchen. «Keine Anzeichen auf Gewalteinwirkung. Beginne nun mit der Untersuchung der Organe. Das Herz zuerst.» Wiederholte er seine Gedanken für das Diktiergerät, welches neben ihm auf dem kleinen Bestecktisch lag. Jedes Organ wurde entnommen, gewaschen und gewogen, anschließend aufgeschnitten und sorgfältig untersucht. Es war eine zeitaufwendige Arbeit, zudem man sicher gehen musste, dass man nichts übersah. Vielleicht war der Beruf als Rechtsmediziner nicht so anspruchsvoll wie der eines Arztes, der noch lebende Menschen operierte. Theoretisch war es nicht so schlimm, wenn man einen Schnitt nicht so präzise setzte oder einem die Hand etwas abrutschte, denn seine ‹Patienten› waren bereits tot, da konnte er nichts mehr schlimmer machen. Dennoch verabscheute er stümperhafte Arbeit, deshalb achtete er immer darauf es perfekt zu machen. Was wohl auch seine Mitmenschen so sahen, andererseits wäre er wohl kaum einer der renommiertesten Rechtsmediziner des Landes. Seine Zielstrebigkeit und die Tatsache, dass er sehr sorgfältig und mit Bedacht an die Sache heranging, somit auch schon die schwierigsten Fälle gelöst hatte, bei denen man bis zuletzt nicht wusste, woran die Person gestorben war, trug wohl auch dazu bei. «Auch beim Magen keine Auffälligkeiten.» Jener legte er wieder zurück in die Leiche, ehe er die Hohlräume mit Papier ausstopfte und damit begann, die Schnitte zuzunähen. Die junge Frau – ihm war der Name bereits entfallen, bezweifelte er doch stark, dass er sie je wiedersehen würde – hatte bis eben stumm neben ihm gestanden und seiner Arbeit zugeschaut, doch nun, da sie wohl annahm, dass sie fertig wären, atmete sie hörbar erleichtert aus. Es war immer das selbe mit diesen jungen Dingern und er fragte sich, warum sie sich dazu entschieden einer Obduktion beizuwohnen, ohne sich vorher darüber zu informieren wie sowas abläuft. Nur weil man sich für Medizin interessierte und mehr über den menschlichen Körper erfahren wollte, heißt das noch lange nicht, dass man hier bei ihm an der richtigen Adresse war. Es war definitiv nicht für jeden was und es ärgerte ihn, dass die jungen Dinger immer wieder aufs Neue ohne Respekt vor diesem Beruf bei ihm antanzten. Am besten noch mit Kaugummi im Mund. Darüber konnte er bloß den Kopf schütteln. «Nun zum Gehirn», sagte er monoton, doch er konnte nicht verleugnen, dass es ihn amüsierte, als sich die Augen der Frau weiteten. Er fragte sich insgeheim wie lange es noch dauern würde, bis es ihr zu viel werden würde. «Oh Gott», entwich es ihr und ihre Gesichtsfarbe wurde zusehends blasser. Sie versuchte sich wieder zu fangen, ehe sie fragte: «Wie genau gehen Sie dabei vor, Akasuna-san?» «Zuerst werden wir die Kopfhaut und das Gesicht des Toten abziehen, danach legen wir den Schädel frei, welchen wir daraufhin aufsägen. Anschließend schneiden wir das Gehirn in ein Zentimeter dicke Scheiben um es besser untersuchen zu können.» Er sah zu, wie sich ihre Augen noch mehr weiteten, die Farbe nun vollkommen aus ihrem Gesicht wich und er befürchtete, dass sie sich gleich übergeben musste. Nicht, dass es ihn gekümmert hätte wie es ihr ging, nur hatte er keine Lust sich mit ihr noch länger herumzuschlagen. «Geht es Ihnen nicht gut?» Es war eine rein rhetorische Frage, sie beide wussten, dass sie es nicht packen würde. Nach ein paar Sekunden der Stille schien sie ihre Stimme wiedergefunden zu haben. «Wissen Sie, ich weiß nicht ob-» «Sind Sie sicher, dass das der richtige Beruf für Sie ist? Falls Sie bedenken haben – und ich glaube die haben Sie – sollten wir hier abbrechen. Informieren Sie sich das nächste mal besser, womit Sie es zu tun haben werden.» Obwohl er einen gleichgültigen Ton angeschlagen hatte, waren seine Worte nicht gerade freundlich, was der Frau aber wohl nichts ausmachte, denn sie erschien ihm geradezu dankbar. Sie nickte ihm kurz zu. «Vielen Dank, dass Sie Zeit für mich hatten.» Sie hatte den Raum schneller verlassen, als er sehen konnte. Es glich beinahe schon einer Flucht – wie man es sehen wollte. «Nun zum Gehirn», wiederholte er und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)