Digimon 00001100 von UrrSharrador (Samsara Madness [Video-Opening online]) ================================================================================ Kapitel 13: Befreiungskampf --------------------------- „Das ist doch wohl keine feindliche Handlung, dass ihr da so ein Monstrum durch den Wald marschieren lasst und die Mauern bewacht, oder?“, spottete eines der Ninjamon auf ihrer Seite. „Und wenn?“, fragte Renji provokativ. „Ganz schlechte Idee.“ Das Ninjamon zog drohend sein Schwert. „Nein, bitte, das ist ein Missverständnis“, kuschte schon das erste Bearmon bei dem Anblick blanken Stahls. „Wir wollen keinen Ärger, wie immer. Das sind nur Gäste.“ „Die ihr vorsichtshalber auf eure lächerliche Mauer stellt, oder was?“, frotzelte das kleine, dicke Digimon. „Aber schön, das zu hören.“ „Wirst aufmüpfig, ja?“, eckte Renji an. „Kleine Digimon sollten den Mund halten, nicht wahr, Meramon?“ „Ich hab ja solche Angst“, sagte das Ninjamon trocken. „Mach den ersten Schritt, und du bist tot.“ Renji besah sich das im Abendlicht funkelnde Schwert. Sein goldenes Glühen war unheilverkündend … Taneo sollte verdammt sein! Wo war er jetzt mit seinen Plänen? Im Dorf wimmelte es vor Ninjamon. Er war ja von Anfang an gegen diese Sache gewesen. Sie hätten längst wieder in der Menschenwelt sein können, aber nein! „Pfft“, machte er. „Ich hab keinen Bock, gegen so einen Kümmerling zu kämpfen. Hau einfach ab.“ Die Ninjamon in der Nähe grinsten. „Werden wir, sobald wir haben, was wir wollen.“   „Das ist ja ein herzlicher Empfang, oder nicht?“ Das Ninjamon, welches dem Bearmon, das mit den DigiRittern verhandelt hatte, kameradschaftlich den Arm um die Schulter legte, lachte mit sehr lauter, markanter Stimme. „Brüder, was meint ihr? Sogar eine Ehrengarde gibt es. Ein Tyrannomon! Nicht übel, alter Bär, gar nicht übel.“ Das Bearmon ließ sich mit unglücklicher Miene drücken. Kouki hatte genug gesehen. Der Plan war fehlgeschlagen, aber sei es drum. Die Ninjamon waren einfach aufgetaucht, wie hergezaubert. Wahrscheinlich waren sie Meister der Tarnung. Ihnen blieb aber immer noch der Kampf. „Verschwindet“, sagte er grimmig. „Oder es wird euch leid tun.“ Das Ninjamon lachte nur. Es schien der Anführer der Bande zu sein. Wie viele es insgesamt waren, konnte er nicht zählen, aber die Bearmon schienen eine Heidenangst zu haben, ihnen im Nahkampf zu begegnen. Der Bandit beachtete Kouki gar nicht weiter. „Ihr könnt euch glücklich schätzen, Bearmon, es gibt etwas zu feiern. Wir haben seit heute ein neuntes Mitglied in unserer Bruderschaft. Das wäre doch eine Extraportion von eurem feinen Honig wert, oder?“ Die Bearmon sahen nicht einmal so aus, als würden sie Widerstand leisten wollen. Kouki vermutete, dass die Ninjamon viel stärker waren als sie, und da sie sich in ihrer Mitte aufhielten, war es zu gefährlich für sie. „Vergesst es!“, hörte er Taneos Stimme. Er kam mit Tageko, Kokuwarmon und Mushroomon zwischen den Gebäuden hindurch auf das Dorfzentrum zu, misstrauisch beobachtet von zwei Ninjamon. Offenbar würden die Ninjas keinen Ärger machen, solange sie nicht provoziert wurden, und man durfte sich frei in dem Dorf bewegen. „Renji, Meramon, kommt her!“ „Was meinst du, vergesst es?“, fragte das Anführer-Ninjamon schief grinsend. „Ihr seid zu spät“, erklärte Taneo ruhig. „Das Dorf steht jetzt unter unserem Schutz. Wir sind die DigiRitter, und wir haben bereits zwei Asuras getötet. Wir haben hier gegessen und werden die Bearmon verteidigen. Ihr werdet nicht länger gebraucht.“ „Habt ihr das gehört?“ Ninjamon winkte auch seine Gefolgsleute heran, sodass sich alle im Dorfzentrum drängten. „Sie wollen uns drohen!“ „Das Dorf ist ab heute unser Revier“, beharrte Taneo. „Wir lassen euch hier nicht wildern.“ Gut gemacht, Taneo, dachte Kouki. Wenn er den Ninjamon vorspielte, dass auch sie nur eine Bande von Rabauken waren, die die Bearmon erpressen wollten, gab es für die Ninjamon keinen Grund, die Dorfbewohner mit hineinzuziehen. Er sah zu dem Haustitanen, der selbst aus der Ferne erschreckend groß war, aber vermutlich bemerkte Jagari gar nicht, was im Dorf los war. Ein Schweißtropfen lief Kouki übers Kinn. „Und du glaubst, ihr dahergelaufenes Pack seid uns gewachsen?“ Lachend zogen auch die letzten Ninjamon ihre Klingen. Die Spannung in der Luft war beinahe zu fühlen. Als Renji und Meramon, auch von zwei Ninjamon verfolgt, zum Dorfplatz schritten, sah Kouki, dass ein anderes der Ninjadigimon sich von ihm und Gatomon abwandte. Das war die erste Chance, die sich für einen wirksamen Angriff bot. „Gatomon“, flüsterte er. „Das da vorne.“ „Verstanden.“ Das Katzendigimon schnellte nach vorn. Es verursachte dabei kein Geräusch, die Krallen auf seinen Handschuhen blitzten im letzten Licht des Tages – aber das Attentat schlug fehl. Wie aus dem Nichts sauste ein Wurfstern heran und bohrte sich vor Gatomons Füßen in den Boden, das darüber hinwegsetzte, aber das Geräusch alarmierte sein Opfer. Das Ninjamon machte einen kunstvollen Satz rückwärts auf eines der Hausdächer, und der Tanz ging los. Die Ninjamon wurden jedes für sich zu einem rotbraunen Schemen, die zwischen den Hütten verschwanden und wieder auftauchten. Die Bearmon suchten schreiend ihr Heil in der Flucht. Als Erstes nahmen die Banditen Gatomon aufs Korn. Aus allen Richtungen hagelte es Wurfsterne, zwei davon parierte das Katzenwesen mit den bloßen Krallen, dann sprang es dem Ninjamon auf das Dach hinterher, das mit seinem Katana auf es einhackte. Kouki feuerte sein Digimon an, während Meramon ziel- und planlos Feuerbälle um sich warf. „Nein!“, rief Taneo. „Kein Feuer!“ „Halt den Rand, was sollen wir sonst machen?“, schrie Renji zurück, der sich plötzlich selbst von zwei Ninjamon umstellt sah. Zwei explosive Pilze flogen heran, zielten genau auf die Ninjamon, doch schnell wie der Wind verschwanden sie wieder. Man sah kaum, wie sie sich bewegten, so flink waren sie. „Verdammt, wie ich solche Biester hasste“, fluchte Ogremon, das in die Defensive gedrängt wurde. Es stand mit dem Rücken zur Wand und parierte mit seiner Knochenkeule Schwerthieb um Schwerthieb, ohne auch nur einen Angriff versuchen zu können. Tyrannomon stampfte wild durch das Dorf und brüllte, doch es spuckte kein Feuer und war wegen seiner Größe ein leichtes Ziel. Von vier Seiten bohrten sich Wurfsterne in seinen Körper, die es vor Schmerz aufröhren ließ. Als zwei der kugelförmigen Digimon heranschossen und ihm die Schwerter in den Hals stießen, glühte es gelblich auf und schrumpfte, bis es wieder Elecmon war, das am Boden zusammenbrach. Kouki schluckte. Gatomon lieferte sich einen hitzigen Kampf mit dem Ninjamon auf dem Dachgiebel der Hütte, doch das andere Digimon war zu schnell, selbst für seine raschen Pfoten. „Katzenauge!“, rief es und fixierte Ninjamon – das sich plötzlich in Luft auflöste. Das Katzendigimon erstarrte. „Hinter dir!“, rief Kouki. Das Nachbild war noch nicht ganz in der hereinbrechenden Dunkelheit verschwunden, als das echte Ninjamon Gatomon in den Rücken fiel. Sein Schwert glühte auf und fing Flammen und traf Koukis Digimon am Rücken. Schreiend fiel es zu Boden. Kouki wollte zu ihm laufen, aber das Ninjamon mit dem brennenden Schwert versperrte ihm grinsend den Weg. Gatomons Fell brannte weiter, bis es zu Salamon zurückdigitierte. Er knirschte mit den Zähnen. Die Ninjamon waren zu schnell für sie! Mushroomon schoss wie verrückt Pilze um sich, aber es traf kein einziges Mal. Zwei Ninjamon umkreisten es, so schnell, dass es aussah, als wären es zwanzig. Mushroomon versuchte sich mitzudrehen oder sich wenigstens zu verteidigen, als eines der beiden plötzlich direkt vor ihm stand und zum Schlag ausholte. Dem Pilzdigimon gelang es gerade noch, die Hand zu heben, und direkt vor seiner Kappe explodierte sein Geschoss und schleuderte es rückwärts gegen eine Hauswand. Das Ninjamon schlug einen Salto in der Luft und blieb unversehrt. „Wir verlieren!“, schrie Kouki panisch. „Meramon, tu was!“ Renji, der von zwei Ninjamon mit brennenden Schwertern über den Dorfplatz gejagt wurde – ihr Lachen verkündete eindeutig, dass sie das sehr amüsant fanden –, keuchte schwer. Sein Digimon-Partner blieb von den Waffen der kleinen Teufel unberührt, aber diese hatten das erkannt und warfen Rauchbomben nach ihm, um seine Sicht zu verschleiern. „Kokuwamon!“ Kouki fuhr herum. Da war Taneo, der auf sein Digimon zulief. Es hatte sich auf ein Ninjamon stürzen wollen, war aber mit einem rasanten Schwerthieb davon geschleudert worden. „Dreckskerl“, knurrte Taneo. Fünf Schritte trennten ihn noch von Kokuwamon, das sich mühsam und benommen aufrappelte. Wie aus heiterem Himmel landete ein Ninjamon direkt vor ihm. Sein Katana blitzte kurz auf, und dann sah Kouki, wie es Taneo damit den Kopf abschlug.   Jagari hatte schon die ganze Zeit so ein mieses Gefühl gehabt, und als er die Bearmon über die Mauer springen und in allen Richtungen aus dem Dorf stürmen sah, wie Ratten, die das sinkende Schiff verließen, wusste er, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Er lief zu der Programmwand und kommentierte die Notfallzeile des Codes ein. Das Haus hörte mit der Patrouille auf und stampfte direkt auf das Dorf zu, alle Kameras richteten sich darauf. „Sie kämpfen“, murmelte Fumiko, die in einem der Sessel saß und ihr Ei streichelte. Eine finstere Falte erschien auf ihrer Stirn, als sie die Bildschirme beobachtete. Über den Holzdächern blitzte immer wieder etwas auf. Jagari hatte sich schon gedacht, dass sein Überwachungsnetz zu grobmaschig war. „Das Haus wird wenig bringen“, murmelte das Mädchen. „Es sei denn, du willst das Dorf zu Kleinholz verarbeiten.“ „Vielleicht geht es eh nicht anders.“ Jagari hustete. „Wir könnten zumindest die anderen rausholen.“ Hoffentlich ging es Tyrannomon gut … Er sah es nicht, obwohl es die Hütten überragen müsste. Er kaute auf seiner Daumenkuppe. Hoffentlich hatte es sich nicht auch in so einen glitzernden Sturm aufgelöst …   Taneos Gesicht schien in Flammen zu stehen. Es fühlte sich an, als hätte der Hieb ihm den halben Schädel gespaltet. Er kauerte auf Händen und Knien auf dem Boden und brachte nur ein ersticktes Stöhnen über die Lippen. Er konnte nichts sehen, alles war schwarz, er war blind! Er spürte, wie etwas Warmes, Nasses über sein Gesicht lief. Es drang in seinen Mund und auf der Zunge schmeckte er einen metallischen Geschmack. Erst nach und nach klärte sich sein Blickfeld und er sah verschwommen den festgestampften Boden unter ihm. Blutstropfen fielen darauf, mehr und noch mehr, und wo sie versickerten, hinterließen sie dunkle Flecken. Er wollte die Hand auf sein Gesicht pressen, um den Schmerz und das Blut zurückzuhalten, wagte es aber nicht. Ein Gerangel entstand um ihn herum. Ninjamon hatten ihn eingekreist und hinderten seine Freunde daran, zu ihm zu laufen. Aus den Augenwinkeln sah er tränenverschleiert Meramon, das sich nicht bewegte. „Sehr brav!“, drang die Stimme des Ninjamon-Anführers an seine Ohren. Das kugelförmige Digimon schob sich in sein Sichtfeld. Es hatte ein recht kleines Bearmon gepackt und ihm das Schwert an die Kehle gelegt. „Du wirst dich nicht mehr einmischen, Großer. Du erwischst uns sowieso nicht. Treibt die anderen zusammen“, bellte es einen Befehl und Taneo sah durch einen Vorhang aus Schmerztränen, wie seine Gefährten Kouki und die anderen umkreisten. Das gefangene Bearmon wimmerte. „Abschaum“, presste Taneo hervor und stand langsam auf. Der Schmerz in seinem Kopf begann übelst zu pochen. Er straffte die Schultern und starrte den Ninjamon-Anführer finster an. „Hast du was gesagt?“, fragte dieser liebenswürdig. „Da hab ich ihn wohl nicht tief genug erwischt“, sinnierte das Ninjamon, das ihn geschlagen hatte. Sein Katana war sauber, aber seine Ninjamütze war mit Blutspritzern verziert. Taneo ballte die Fäuste. „Ihr seid Abschaum“, wiederholte er knurrend. „Ihr nehmt Geiseln und trampelt auf anderen herum, nur weil ihr glaubt, dass ihr stärker seid!“ „Hast du etwa was dagegen?“, lachte Ninjamon und nahm das Bearmon stärker in den Schwitzkasten. „Ob ich was dagegen habe?“ Taneo funkelte es an und zwang seinen Zorn nieder. In den Augen des Ninjamons sah er etwas funkeln, das bis jetzt noch nicht da gewesen war. Wahrscheinlich hatte der Schlag ihm die halbe Nase abgehackt und es war schockiert, weil er so hässlich aussah. Nicht, dass Ninjamon selbst Nasen hätten. „Oh ja, ich habe was dagegen“, sagte er ruhig. Sein Blut lief ihm übers Kinn, als er den Kopf hob. Er schmeckte es wieder auf seiner Zunge und spürte wieder den flammenden Schmerz, als er sprach. Jedes Wort, das über seine Lippen kam, schien die Wunde weiter aufzureißen. „Man kann jemanden mögen oder hassen oder ignorieren“, erklärte er. „Man kann freundlich zu ihm sein, wenn man ihn mag, oder ihn bekämpfen, wenn man ihn hasst. Jeder hat jemanden, den er nicht leiden kann und den er sich zum Feind gemacht hat, das ist normal. Und manchmal töten Feinde einander, weil sie sich nur mehr bekämpfen und keinen Ausweg mehr finden. Aber andere zu terrorisieren, sie zu demütigen, nur zum Spaß oder um das eigene Ego zu befriedigen, das ist unverzeihlich. Niemand kann einem etwas vorwerfen, wenn man seine Feinde bekämpft – aber was ihr macht, ist etwas völlig anderes! Ihr lasst die Bearmon und die anderen Dörfer in Furcht leben, und das ist schlimmer als zu sterben, und ihr verspottet sie und seid dabei noch so feige, Geiseln zu nehmen!“ „Taneo, lass es“, sagte Tageko beschwörend. Sie war ganz in der Nähe, aber er drehte sich nicht um. „Du redest sehr viel“, befand der Anführer. „Reden ist einfach. Das tun viele. Lass doch sehen, was du dagegen unternehmen kannst.“ „Das kannst du haben.“ Taneo ballte wieder die Fäuste und biss die Zähne zusammen. Der sengende Schmerz machte ihn rasend, benebelte seinen sonst so kühlen Verstand. „Ich bin ein DigiRitter, hat Gennai gesagt. Ich weiß nicht genau, warum, aber man hat mich auserwählt, diese Welt zu retten. Und wenn ich das angeblich kann, dann kann ich euch auch die Leviten lesen!“ Ein Licht drang aus Taneos Tasche, wo sein DigiVice war. Ninjamon grinste schief. „Dann wecke ich dich jetzt erst mal aus deiner Illusion auf, indem ich das Bearmon hier in zwei Teile schneide.“ Die Reflexion des Schwerts änderte sich, als es die Klinge am Hals des Digimons ansetzte. „Kokuwamon!“, brüllte Taneo und das helle Strahlen griff auf seinen Partner über.   Kouki konnte den Blick erst von Taneos verzerrtem Gesicht abwenden, dessen untere Hälfte eine blutige Maske geworden war, als Kokuwamon golden zu glühen begann. Er erwartete eine Digitation, aber als das Leuchten verrauchte – war das Digimon verschwunden. Im nächsten Moment flog das Schwert des Ninjamon-Anführers davon. Es wirbelte in der Luft herum wie ein Kreisel, und noch während der Bandit ihm mit ungläubiger Miene hinterhersah, wurde er zur Seite geschleudert und krachte hart gegen eine Hauswand. Das gefangene Bearmon taumelte davon und lief auf den nächsten Hütteneingang zu. Zwei weitere Ninjamon versperrten ihm den Weg, doch auch sie wurden wie von einer plötzlichen Bö umgeworfen. „Tötet sie!“, brüllte der Anführer, der sich aufrappelte. „Tötet sie alle!“ Gleich drei Ninjamon sprangen auf die Dächer und warfen ihre Shuriken auf Taneo, der nicht von der Stelle wich, die Fäuste immer noch geballt. Bevor die Wurfsterne ihn erreichten, prallten sie an etwas ab und fielen klimpernd zu Boden, einer bohrte sich in den hölzernen Türrahmen einer Hütte. Die Luft vor Taneo schien kurz zu flimmern, als wie aus dem Nichts ein Digimon vor ihm auftauchte. Kouki blinzelte. War das Kokuwamons nächste Form? Anders konnte er sich sein Auftauchen nicht erklären … aber während all ihre Digimon zumindest ein wenig größer wurden, wenn sie digitierten, schien es eher geschrumpft zu sein. Es sah aus wie ein Ball oder eine Kanonenkugel mit freundlichem Gesicht, das aber zu einer grimmigen Miene verzogen war. Kurze Arme und Beine ragten daraus hervor, und die Füße und Hände des Digimons steckten in Sportschuhen und nietenbesetzten Handschuhen. Auf seiner Stirn prangte ein großes, stilisiertes, goldenes Blitz-Symbol. Taneo flüsterte ihm etwas zu und das Digimon antwortete, aber Kouki konnte sie nicht verstehen, da die Ninjamon alle durcheinander riefen. „Macht schon!“, brüllte der Anführer und diesmal klang seine Stimme schrill. Mit gezückten Schwertern liefen die Banditen auf das Digimon zu, das sich abermals in Luft auflöste, und nur den Bruchteil einer Sekunde später alle Angreifer von den Füßen riss. Ein brennendes Katana segelte durch die Luft, Ninjamon schrien auf. „Ihr Stümper!“, knurrte der Anführer und warf sich selbst wieder in den Kampf. Es rannte um Taneo herum und erzeugte die Illusion, dass es mehr als nur ein Ninjamon wäre – und trotzdem pflückte ein heftiger Schlag genau das richtige aus dem Ring, kurz bevor es Taneo angreifen konnte. Kouki verstand. Die Ninjamon waren so schnell, dass sie kaum mit freiem Auge zu verfolgen waren, daher konnte sie kaum ein Angriff erwischen – aber Taneos Digimon war so schnell, dass es überhaupt nicht mehr zu sehen war. Und dagegen konnten sie sich nicht verteidigen. Während der Ninjamon-Anführer im hohen Bogen durch die Luft geschleudert wurde, warf er sich herum und hielt plötzlich ein halbes Dutzend Wurfsterne auf einmal in der Hand, mit denen er auf Taneo zielte. „Hör auf!“, schrillte eine Stimme durch das Dorf, und vor Ninjamon begann die Luft zu knistern. Im nächsten Augenblick traf ein blauer Blitz den Banditen mitten im Flug, und er schrie hässlich auf und zerstob zu einer Splitterwolke, während der Kugelblitz von einem Dach zum nächsten sprang und noch zwei Ninjamon vernichtete, die mit brennenden Schwertern auf Tageko und Kouki zuspringen wollten. Dann erschien das Digimon wieder direkt vor Taneo und ließ angriffslustig die Fäuste kreisen. „Meint ihr nicht, dass das reicht?“, rief Taneo mit klarer Stimme über das Schlachtfeld. Die restlichen Ninjamon verharrten. „Ihr habt keine Chance gegen uns. Haut ab und lasst diese Dörfer in Ruhe. Verzieht euch am besten irgendwo anders hin und werdet richtige Söldner oder so was. Vielleicht kommt ihr wirklich gut gegen die Asuras an.“ Er machte eine dramatische Pause und sagte dann düster: „Wenn es irgendjemandem von euch aber einfällt, nochmal harmlose Digimon zu terrorisieren, auch nur sie zu bedrohen, oder wenn ihr uns noch einmal angreift, dann werden Thunderboltmon und ich kurzen Prozess mit euch machen.“ Die Ninjamon sahen einander an, unschlüssig, nun, da ihr Anführer tot war, und Kouki hielt den Atem an. Schließlich warf das erste von ihnen demonstrativ sein Katana fort. Nach und nach taten es ihm die anderen gleich, als Geste der Unterwerfung. Neben dem Dorf krachte etwas und als Kouki aufsah, beugte sich gerade Jagaris Haustitan über das Dorf. Er winkte ihm zu und signalisierte ihm in der Tauchersprache, dass alles in Ordnung war.   Renji fand es lustig, dass Taneos Käfer sogar noch kleiner war, nachdem er digitiert war. Aber selbst er konnte nicht leugnen, dass diese Digitation in letzter Sekunde gekommen war. Taneo und sein Digimon – Thunderboltmon hatte er es genannt? – überwachten persönlich und mit Argusaugen den geordneten Abzug der Ninjamon, die feierlich schworen, keinen Fuß mehr in das Dorf und überhaupt den Wald der Vier Jahreszeiten zu setzen. Sie sagten, sie würden anerkennen, dass der Wald nun unter dem Schutz der DigiRitter stand, und der neue Anführer, den sie schnell gewählt hatten, bekräftigte, dass die DigiRitter ja eigentlich auch stets für ihr Wohl kämpften. Das hinderte sie aber nicht daran, ihre Schwerter aufzuklauben. Vermutlich machte es keinen Unterschied. Sie gaben aber viel zu schnell auf, fand Renji. „Jetzt habt ihr es also auch geschafft“, sagte Kouki kameradschaftlich zu Taneo und Thunderboltmon, während Fumiko und Jagari die Schäden im Dorf begutachteten und die Bearmon durchzählten, die sich wieder zurück ins Dorf wagten. „Gut gemacht.“ „Danke“, sagte Taneo, lächelte schwach und verzog das Gesicht. „So, die Ninjamon sind weg, Zeit, dich zu verarzten“, sagt Tageko und klatschte in die Hände, ehe sie Taneo am Handgelenk packte und resolut in eine der Hütten zerrte. Das Blut in seinem Gesicht war zum größten Teil getrocknet, aber er sah immer noch grauenvoll aus, und es musste höllisch wehtun. „Der Kleine ist echt zäh“, murmelte Renji. „Kriegst du’s mit der Angst zu tun?“, hänselte ihn Kouki grinsend. „Pah. Wenn Meramon ein wenig flinker wäre, hätten wir das auch so geschafft.“ Er bedachte Candlemon mit einem strafenden Blick, an dem wie immer jeder Vorwurf einfach abprallte. „Dann sieh zu, dass ich das nächste Mal zu was Schnellem digitiere“, grinste es. „Ogremon“, sagte Kouki, als das grünhäutige Digimon zu ihnen stieß. Renji mochte es nicht. „Ist mit dir alles in Ordnung?“ „Was soll denn nicht in Ordnung sein? Das waren doch nur Mücken“, grunzte Ogremon. „Ich kämpfe lieber gegen große Digimon, die sich auch zur Wehr setzen können. Wenn ich eines von denen mal erwischt hätte, wäre es flöten gegangen.“ „Aber du hast keines erwischt“, erinnerte Kouki es. Ogremon grummelte nur etwas und verzog sich. Das Bearmon, das ihnen den ganzen Schlamassel eingebrockt hatte, kam zu ihnen und dankte ihnen überschwänglich. „Bedank dich lieber bei Taneo“, sagte Kouki. „Ach, lass es, das tut’s doch auch“, grinste Renji. „Wir werden euch zu Ehren noch ein großes Fest geben. Wir werden die Nacht durchfeiern, wie wir es schon lange nicht mehr getan haben“, verkündete der Teddybär. „Äh, nein danke“, wehrte Kouki verlegen ab. „Wir wissen das schon zu schätzen und so … aber wir sollten wirklich wieder in unsere Welt zurückkehren.“ Damit hatte er recht. Sie hatten zwar am Nachmittag alle ein paar Stunden geschlafen, während sie auf die Ninjamon gewartet hatten, aber ihr Schlafrhythmus war wohl komplett im Eimer und wenn Renji erst im Morgengrauen heimkäme, müsste er sich auch noch eine Ausrede für die zweite Nacht in der DigiWelt überlegen. Bearmon war damit nicht glücklich. „Wenn ihr geht, wer wird uns dann beschützen?“ „Die Ninjamon werden schon nicht zurückkehren“, sagte Kouki zuversichtlich. „Aber wir müssen uns demnächst um die Asuras kümmern. Stimmt’s, Renji?“ „Äh, ja.“ Kouki hatte erzählt, dass er ein Asura in der Form eines Vampirs gesehen hatte und dass seine Handlanger versucht hatten, einen Weg zu finden, um selbst zu digitieren. Sie hatten ihm im Gegenzug von Gennai berichtet. Renji überließ es ihm, mit dem Bearmon zu diskutieren, und sah zu den Sternen hoch, die sich mittlerweile zeigten. Nach Elecmons und Kokuwamons Digitationen kam er sich irgendwie … überflüssig vor. Er seufzte. Fumiko hatte seit dem Kampf noch nicht mit ihm gesprochen, sondern sich nur für Taneos kleinen Kratzer interessiert. „Vielleicht brauche ich auch irgendeine männliche Narbe“, murmelte er. Candlemon hörte ihn. „Soll ich dir eine Brandnarbe verpassen?“ „Halt die Klappe.“   „Mach sowas nie wieder“, beschwor Tageko Taneo, als sie begann, ihn zu verarzten. Er saß auf der Kante eines der kurzen Bearmon-Betten und sie betrachtete stirnrunzelnd sein Gesicht. „Mir wäre fast das Herz stehen geblieben. Es hast so ausgesehen, als hätte es dich geköpft.“ „Und wie sieht es jetzt aus?“, fragte Taneo, als sie das getrocknete Blut mit einem feuchten Taschentuch abgetupft hatte. Er klang beklommen, aber das wäre Tageko wohl auch, wenn ein Schwertschnitt ihr Gesicht entstellt hätte. Sie saugte an ihrer Oberlippe und überlegte sich, was sie Taneo sagen konnte. „Hab schon Schlimmeres gesehen“, meinte sie dann. „Aber Schöneres auch.“ „Ja. Schöneres auch.“ Der Schnitt begann auf seinem Nasenrücken und zog sich schräg nach links über seine Wange, bis er knapp vor seinem Ohrläppchen endete. Er war ziemlich tief, so tief, das auch jetzt noch Blut und Wundflüssigkeit hervor sickerten, und man sah das Weiß seines Nasenbeins schimmern. „Wir müssen es auf jeden Fall ausspülen, damit es sich nicht entzündet“, sagte Tageko, als sie endlich den Blick davon abwenden konnte. „Wenn wir daheim sind, sieh zu, dass du die Wunde desinfizierst. Vielleicht gehört sie auch genäht. Wir sollten schleunigst wieder in unsere Welt zurück, ich hab hier nur das Allernötigste.“ Sie zog Verbandszeug aus ihrem Rucksack und tränkte ein Dreieckstuch mit Wasser. Damit und mit ihrer Wasserflasche versuchte sie, die Wunde zu säubern. Taneo zuckte. Es musste höllisch wehtun – zum Glück war das Mineralwasser nicht prickelnd. Tageko hatte stilles Wasser lieber, weil es nach dem Sport angenehmer zu trinken war. „Hast du auch einen Spiegel dabei?“, fragte er. „Nein“, log sie. „Warte damit, bis du zuhause bist. Ich verbinde es jetzt.“ Es war lange her, seit sie einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht hatte, den ihr ihre Mutter aufgezwungen hatte. Sie versuchte sich in Erinnerung zu rufen, wie man solche Wunden verbinden sollte. Letztendlich legte sie eine mit desinfizierender Salbe beschmierte sterile Auflage auf die Wunde und wickelte Taneos halben Kopf in die Mullbinden. Die Enden klebte sie mit Klebeband fest. „Fertig.“ Er betastete sein Gesicht. „Ich fühle mich wie eine Mumie“, sagte er trocken. Tageko packte alles zusammen „Lass auf jeden Fall noch einen Arzt drüber schauen, ja?“ „Und was erzähle ich ihm?“, fragte er mutlos. „Keine Ahnung.“ Sie zuckte mit den Schultern. Ihre Schuldigkeit war getan. „Erfinde einfach irgendwas.“   Es war fast elf Uhr, als sie den Monitor erreichten. Hier, bei dem Bächlein, verabschiedeten sie sich von Ogremon. Jagari hatte auch den Haustitan hergebracht. Sie konnten ihn schlecht in die Menschenwelt mitnehmen, also programmierte er ihn darauf, hier zu warten und jedes Digimon zu verscheuchen, das ihm zu nahe kam. Das würde auch die Asuras von ihm fernhalten. „Danke, dass du uns geholfen hast. Du warst echt eine Hilfe.“ Kouki ergriff Ogremons Arm fest und es drückte so heftig zurück, dass er zusammenzuckte. „Keine Ursache“, sagte das Digimon. „War zwar nicht so aufregend, wie ich es von Menschen gewohnt bin, aber ich hab was erlebt. Wenn ihr mal wieder eine starke Hand braucht, hört euch einfach um. Ich hinterlasse meistens eine Menge Gerüchte.“ Es lachte rau. Kouki nickte. „Tut mir leid, dass wir deinen Erzfeind nicht gefunden haben.“ „Ah, mach dir keinen Kopf. Ich hab ohnehin nicht damit gerechnet, dass Leomon so schnell wieder auftaucht. Das ist das Leben eines Kriegers, man trifft Kampfgefährten und trennt sich dann bald wieder von ihnen. Nichts Großartiges.“ Kouki fiel etwas ein. „Oh, das hätte ich fast vergessen!“ Er nahm das Bündel von seiner Schulter und schüttelte Ogremons Mantel aus. Klimpernd fielen die federleichten Skulpturen zu Boden. „Such dir vier davon aus. So war es abgemacht.“ „Ach, behalt diese Dinger. Damit kann ich ja sowieso nichts anfangen. Stell sie dir in deine Hütte und lass sie verstauben“, winkte Ogremon ab, nahm aber den Mantel entgegen. „Also, man sieht sich vielleicht.“ Es setzte seinen Hut auf und trottete, ohne zurückzublicken, von dannen und verschwand im Unterholz. „Es sieht grauenhaft aus“, sagte Fumiko, „aber es hat einen weichen Kern.“ „Ja“, sagte Kouki und betrachtete die Skulpturen zu seinen Füßen. „Sind eigentlich hübsche Dinger“, sagte Renji und hob eine davon auf. Das heißt, er versuchte es. Die rote, eiförmige Figur mit dem Sonnensymbol darauf, aus der eine Klinge ragte, bewegte sich nicht, so sehr er auch daran zerrte. Renji runzelte die Stirn. „Was zum …“ Er versuchte das blauschwarze, längliche Ding hochzuheben. „Verdammt, wie konntest du das tragen? Die sind ja sauschwer!“ Kouki starrte ihn verdutzt an und hob das rote Ei hoch. „Was denn? Die haben ja kaum ein Gewicht. Willst du mich veralbern?“ Jetzt gingen auch die anderen DigiRitter in die Hocke. „Das gibt’s ja nicht“, ächzte Fumiko und zerrte ergebnislos an der grünen Skulptur. Jagari gab ebenfalls schwer atmend auf und hustete. Als Taneo sich ebenfalls bücken wollte, verbot es ihm Tageko. „Du nicht. Du darfst jetzt erst mal nichts Schweres heben.“ Die Digimon hatten keine Probleme damit, die Skulpturen aufzuheben. Kouki wurde immer verwirrter. „Das bedeutet wohl, dass du auch ein Digimon bist“, feixte Renji. „Ha-ha“, machte er säuerlich. „Ihr wollt euch doch nur drücken. Dann trag ich sie eben alleine.“ Er lieh sich Tagekos Schlafsack aus, stopfte die Skulpturen hinein und warf ihn sich über die Schulter. Die Älteste hatte die Arme verschränkt und tippte ungeduldig mit dem Finger auf den Oberarm. „Können wir dann?“ „Klar. Zeigt her, wie das geht.“ „Ihr zuerst“, bestimmte Tageko. „Sonst bleibt mir am Ende wieder jemand zurück.“ „Alles klar, Mama.“ Renji bückte sich vor den Fernseher, drückte den Knopf und hielt sein DigiVice davor. Der Bildschirm erwachte zum Leben und saugte ihn ein. Während sie alle nacheinander wieder in ihre Welt wechselten, freute sich Kouki tierisch auf sein eigenes Bett.   „Es ist also wahr?“, fragte LordMyotismon. „So scheint es.“ Wisemons Gestalt war in dem Spiegel zu sehen, der in der Dunkelheit der Kammer bläulich schimmerte. „Puppetmons Haus scheint völlig außer Rand und Band, und Pumpkinmon ist nirgends zu finden. Die DigiRitter scheinen wieder in ihre eigene Welt zurückgekehrt zu sein.“ LordMyotismon führte den Kelch zu seinen Lippen. Ihr Anführer hatte es kontaktiert; er war das Einzige, das einen immer aktiven Ehrenspiegel in LordMyotismons Gemächern hatte. Er hatte den Tod eines der ihren gespürt. „Warum hat Pumpkinmon die DigiRitter auf Karatenmons Gebiet herausgefordert? Woher wusste es überhaupt, wo sie waren?“ „Eine berechtigte Frage“, schnurrte Persiamons Stimme aus einem anderen Spiegel. „Pumpkinmon war schon immer ein Luftkopf, der nur an Spiele denkt. Als ich es in seinem Versteck gesucht habe, war es nicht dort. Es war sogar so unverantwortlich, zuzulassen, dass jemand die DigiArmorEier stiehlt, wie ich herausgefunden habe.“ „Wenn Pumpkinmon tot ist, an wen ist das Mantra von Meister Puppetmons Haus dann gebunden?“, fragte LordMyotismon. Wenn sein Besitzer starb, fiel für gewöhnlich auch das Haus in sich zusammen, bis man es wieder beschwor. „Nach allem, was ich herausgefunden habe, nutzt es noch die Lebensenergie von dem, der es als Letztes gerufen hat. Pumpkinmon hat die Beschwörung unsauber durchgeführt, scheint mir“, berichtete Wisemon. „NeoDevimon“, murmelte LordMyotismon. „Ich werde dafür sorgen, dass es die Verbindung auflöst.“ Es stellte den Kelch auf seine Armlehne und faltete die Hände. „Wir dürfen keinen Fehler mehr machen“, sagte es sachlich. „Die DigiRitter werden seit jeher unterschätzt. Wir müssen gnadenlos zuschlagen und sie zermalmen, sobald sie das nächste Mal einen Fuß in unsere Welt setzen.“ „Ihr wollt also gleich schwere Geschütze auffahren, LordMyotismon?“ Persiamon kicherte. „Da wollt Ihr mich doch bestimmt nicht dabeihaben, oder?“ LordMyotismon ignorierte es. Es überlegte sich seinen nächsten Zug genau. Es brauchte Digimon, eine Menge starker Digimon auf dem Ultra-Level. Sofern Pumpkinmons Tod nur ein Glücksfall gewesen war – und es war immerhin das schwächste der Asura gewesen –, hätten die DigiRitter ihnen nichts entgegenzusetzen. „Wisemon, halte Ausschau nach unserem Jäger. Sag ihm, ich wüsste, wo sich die Beute zeigen wird.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)