Digimon 00001100 von UrrSharrador (Samsara Madness [Video-Opening online]) ================================================================================ Prolog: … und der Drache schläft erneut --------------------------------------- Der Himmel lag in Trümmern. Die funkelnden Datenreste vernichteter Digimon wirbelten wie gefallene Sterne über das samtene Schwarz und erweckten den Eindruck, dass der Nachthimmel selbst es war, der sich auflöste. Das verschneite Feld war übersät von Brandflecken und Kratern und geschmolzenen Steinbrocken. Über die Schneewehen trieben ebenfalls Datenfragmente, stiegen in den Himmel und entschwanden ins Nichts. Die Federn zweier tintenschwarzer, großer Rabenflügel streiften den Schnee, als ihr Besitzer niederkniete. „Die Zahnräder des Schicksals drehen sich schnell“, murmelte die Stimme aus dem Rabenschnabel. „Lasst uns die Gefallenen ehren.“ Das Digimon zog zwei Katanas und rammte sie in den gefrorenen Boden. „Ist das wieder eins von deinen sinnlosen Ritualen?“, quietschte ein spöttisches Stimmchen. Das Pumpkinmon schüttelte mit einem geistlosen Grinsen seinen Kürbisschädel. „Das waren unsere Feinde, Schwachkopf!“ „Jeder von uns durchläuft einen ewigen Kreis“, erwiderte das geflügelte Digimon ruhig. „Sie dienten ihren Herren wie wir unseren, doch unser Kreis ist noch nicht vollendet.“ Ein Augenpaar glühte durch die Dunkelheit. „Genug davon. Die Welt, in die sie wiedergeboren werden, wird sie wünschen lassen, tot geblieben zu sein.“ Sein Umhang bauschte sich, als das Vampirdigimon mit knarzenden Schritten durch den Schnee stapfte, um dem Schauspiel beizuwohnen, das sich ihnen bot. Seine Zähne blitzten im Licht der Glut, die den Schnee tränkte wie frisches Blut. Es sah aus wie ein Myotismon, doch seine Augen waren pupillenlos und spiegelglatt, grausam und glühend. Die anderen folgten ihm bis zu ihrem Anführer. Ein riesenhafter Schemen glitt schlangengleich von Westen her, während im Osten krallenbewehrte Pfoten den Schnee zerwühlten. Die Aufmerksamkeit aller galt dem gigantischen Digimon, das einen Teil des Himmels in unwirkliches Blau tauchte. Schwere Ketten banden den überlangen, schwebenden Körper. Das Digimon, das zuvorderst stand, breitete seine vier Arme aus. „Du hast den Niedergang deiner Diener gesehen, Götterdrache“, erklang eine dreifache Stimme, gleichzeitig dröhnend voll, schmerzend schrill und herrisch grollend. „Deine Macht ist gebrochen, Azulongmon.“ „Das wolltest du schon lange mal sagen, oder?“, feixte Pumpkinmon, verstummte aber, als das Vampirdigimon ihm wie beiläufig die Hand mit den langen Fingernägeln auf den Kopf legte. „Digimon, die ihr euch der Dunkelheit verschrieben habt“, erfüllte Azulongmons Stimme den Himmel, hallte von fernen Bergspitzen wider, ohne dass das gewaltige Drachendigimon das Maul bewegen musste. „Ich weiß, wer ihr seid, und ich weiß, wem ihr dient. Doch vergesst nicht, dass eure Herren ein unrühmliches Ende gefunden haben.“ „Oh ja, das war wirklich schade, nicht wahr?“ Die weibliche Stimme klang amüsiert, während samtene Pfoten durch den Schnee schlichen. „Ein schwerer Verlust für die Dunklen Mächte.“ Das Rabendigimon griff sich theatralisch an die Brust. „Die Schlange durchbohrt, das Eisen gespalten, der Puppenspieler entmachtet und der Zauberer auf ewig verbannt.“ „Du vergisst eines“, dröhnte der Anführer dreistimmig. „Es warst weder du, Azulongmon, noch einer der anderen Heiligen Wächter, noch eure Schoßhunde, die unsere Herren besiegt haben.“ „Die DigiRitter werden auch euch vernichten, ganz gleich, wie zahlreich ihr seid“, erwiderte Azulongmon. Kein Funken von Furcht war in seiner Stimme zu hören, doch das hatten die Digimon auch nicht erwartet. „Welche DigiRitter?“ Der Anführer brach in dröhnendes, grollendes und schrilles Gelächter aus. „Glaub nicht, dass wir euch wieder Menschen auswählen lassen!“ Einige der anderen stimmten in sein Lachen ein. „Sieh her“, rief das Vampirdigimon und riss die Arme hoch. Schimmernde Gebilde wurden in der Nacht sichtbar, schwebende Fenster, die weit entfernte Orte zeigten, die Oberfläche kräuselnd wie ein See, in den man einen Stein geworfen hat. Eine der Scheiben zeigte eine finstere Unterwasserlandschaft, eine andere eine alte Ruine, wieder eine andere ein Tal mit steilen Felsklippen; insgesamt fünf Orte schimmerten hinter den Fenstern, und sie alle hatten etwas gemeinsam: Einen strahlenden, flackernden Lichtfunken, der tapfer der Nacht von außen trotzte. Doch von innen heraus befleckte dicke Schwärze das Licht, verschlang nach und nach die hellen Strahlen und wucherte wie ein Ausschlag über die reinweiße, substanzlose Oberfläche der Lichter. „Licht hast du gesät, Dunkelheit wirst du ernten“, rief das Vampirdigimon triumphierend. „Endlich, nach all den Jahren, sind wir wieder erwacht, und weder deine Lichter noch der letzte Heilige Stein werden uns aufhalten.“ Es machte wieder eine Handbewegung und ein großer Spiegel erschien. Auch in dessen Oberfläche liefen Wellen zusammen und formten ein verschwommenes Bild. „Noch deine DigiRitter“, fügte es finster hinzu. Dieses Bild erfüllte Azulongmon mehr mit Sorge als die Besudelung seiner Lichter, die es anstelle der Heiligen Steine vor vier Jahren erschaffen hatte. Es zeigte ein unterirdisches Labor mit grauschimmeligen Wänden, in dem altmodische Geräte standen; riesige Röhrenbildschirme, Rechner, so hoch wie die Decke, mit armdicken Kabelsträngen, und primitive Schaltpulte. Inmitten der Gerätschaften lagen in einem gläsernen Brutkasten sechs DigiEier, an die neuartige DigiVices angeschlossen waren. Ein anderer Kasten beherbergte weitere Eier, doch sahen diese völlig anders aus: die DigiArmorEier, jene vergessene Macht, die die DigiWelt vor ihrer letzten Bedrohung geschützt hatte. Das Bild flackerte kurz, dann sah man ein bleiches, muskulöses Wesen in das Labor treten. Überlange, dicke Krallen entsprangen seinen Händen und Füßen, ein kleiner Insektenkopf ruckte suchend hin und her, während sich große Schwingen spannten. Es war kein Laut durch das Fenster zu hören, aber ein Mann in einem cremefarbenen Kapuzenmantel, der bisher noch an den Geräten gewerkt hatte, trat dem Digimon mit erhobenem Schwert entgegen und sagte etwas. „Siehst du, Azulongmon?“, grollte das Vampirdigimon. „Wir werden vollbringen, woran Meister Piedmon einst gescheitert ist. Und Gennai wird sterben.“ „Dieses Digimon …“, murmelte Azulongmon, selbst sein Murmeln war noch dröhnend. „Erkennst du es?“ Der Vampir lachte. „Es sollte gar nicht existieren, geschweige denn in der DigiWelt sein“, sagte der Götterdrache unwohl. „Du würdest dich wundern, was man auf dem Grund des Strudels der Finsternis so alles findet, Lichtkreatur“, ließ der Anführer vernehmen. „Sieh gut zu, werde Zeuge der Macht von Arkadimon, dem Verbotenen!“ Als hätte es die Worte gehört, machte das abstruse Digimon einen Satz nach vorn. Gennai stieß mit seinem Schwert nach ihm, doch die Klinge konnte Arkadimons Panzer nicht durchdringen. Ein einziger Hieb von ihm, und seine Krallen durchbohrten Gennai – dessen Gestalt zu flackern und zucken begann und verschwand wie das Bild in einem Fernseher, den man ausgeknipst hatte. „Was?“, zischte das Vampirdigimon. „Eine wertlose Kopie?“ „Das macht nichts. Die DigiEier werden uns nicht entkommen“, sagte der Anführer.  Azulongmon schwieg. Arkadimon klackerte mit seinen Klauen und bäumte sich wie zu einem lauten Schrei auf. Obwohl es weiter nichts tat, begann die Luft vor dem Glaskasten zu flimmern – und dann löste sich das Glas auf. Datenteilchen glühten auf, verschwanden einfach, dann die nächste Reihe Daten, das Glas zersprang nicht, es war, als würde es verdampfen. Das Podest, auf dem die Eier und DigiVices lagen, wackelte bedrohlich und verlor ebenfalls an Substanz, und schließlich griff das Flimmern auch auf die Eier über. „Na, Azulongmon?“, höhnte das Vampirdigimon. „Wie fühlt es sich an, wenn sich alle Hoffnung in Rauch auflöst?“ In dem Moment begann aus allen Ecken des Raumes ein unwirkliches Licht zu glühen. Armdicke Lichtstrahlen, so hell und undurchdringlich, dass sie wie Stangen aus weißem Metall wirkten, bohrten sich wie die Fasern eines Spinnennetzes quer durch den Raum, verzweigten sich und trafen schließlich den Panzer von Arkadimon. Das Digimon begann wie unter Schmerzen zu zucken, das Flimmern in der Luft verschwand. Arkadimon warf sich hin und her, als kämpfe es gegen einen unsichtbaren Gegner. „Was ist da los?“, rief der Vampir alarmiert. „Es war eine Falle!“ Pumpkinmon hüpfte entsetzt hin und her. „Eine Falle! Eine Falle!“ „Auch wir lernen aus unseren Fehlern“, sagte Azulongmon ruhig. Das Vampirdigimon funkelte ihn böse an. Durch das Fenster sahen sie, wie Arkadimon vom Licht fast vollständig eingehüllt wurde. Ein Teil der Wand glitt herab und man konnte den echten Gennai erkennen, nun ohne Kapuze, der durch den Raum lief. Er sprang auf das Podest, das löchrig war wie ein Schweizer Käse, und mühte sich ab, die DigiEier auf seinen Armen zu stapeln. Die DigiVices baumelten davon herab. In dem Moment schien sich Arkadimon beinahe aus dem Lichtkäfig befreien zu können. Seine Pranke durchschnitt die Luft, und obwohl es Gennai nicht erreichte, sah man, wie eine Druckwelle auf ihn zurollte und gegen die DigiEier prallte, die er vor seiner Brust hielt. Gennai wurde von der Wucht zu Boden geschleudert, aber er ließ keines der Eier fallen. Er rappelte sich auf und rannte davon, verschwand aus dem Bild; die DigiArmorEier blieben zurück. Arkadimon wütete unbeirrbar weiter. Seine Krallenschläge zertrümmerten den Boden und die Wände, während der Lichtkäfig es weiterhin gefangen hielt. Und als das Gestein immer mehr zerbröckelte, sah man den Ursprung des fesselnden Lichtes: Direkt unter Arkadimons Füßen lag ein kugelrunder, brauner Stein, der von einem Ring mit heiligen Schriftzeigen umgeben war. Aus seiner Oberfläche kamen die Strahlen, die sich in den Ecken des Raumes sammelten und Arkadimons Kräfte banden. Der Stein pulsierte in einem immer grelleren Licht, bis er sich in einen gleißenden Blitz auflöste, der Arkadimon in die Brust traf und es rauchen und schrumpfen ließ, bis das Licht erlosch und ein kleines, rosafarbenes Digimon zu Boden fiel. Wütend wischte das Vampirdigimon das Fenster fort, das sich in weißen Staub auflöste. „Das Verbotene ist entmachtet“, stellte das Rabendigimon düster fest. „Damit habt ihr gar nichts erreicht“, behauptete der Anführer, und diesmal überwog seine schrille Stimme. „Ihr habt den letzten Heiligen Stein geopfert, um die DigiEier zu retten. Das war ebenso gewagt wie töricht. Wenn deine Heiligen Lichter vollständig mit Dunkelheit befleckt sind, gehört eure Welt uns, und kein DigiRitter kann das verhindern!“ „Unsere Hoffnung ruht in den Händen der Menschen“, sagte Azulongmon ruhig. „Sie werden euch aufhalten und die Macht der Dunkelheit erneut bannen, wie es drei Generationen vor ihnen getan haben.“ „Und für dich ist es jetzt wieder an der Zeit zu schlafen, Götterdrache“, knurrte der Anführer. Die versammelten Digimon machten jedes eine bestimmte Geste. Der Himmel blitzte blau und rot auf und Azulongmons Ketten glühten wie Feuer in der Esse. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)