Not enough von abgemeldet ================================================================================ Prolog: -------- „Hast du schon von dem Mordfall hier in der Nähe gehört…?“, sprach ein Mädchen mit heiserer Stimme. „Ja, mein Vater arbeitet doch bei der Polizei, es sollen wieder… Ghoule gewesen sein“, antwortete ihre Freundin. Der Tisch der beiden befand sich an einem Fenster, aus dem man das verregnete Tokyo beobachten konnte. „Bäh! Mir wird schon schlecht, wenn ich nur an diese Dinger denke! Widerlich…“ Es war ein Tag wie jeder andere. Sora Sashimi zupfte an der schwarzen Uniform, die sie als Kellnerin des Café Antik trug. Es war Nachmittag und von den Gästen her waren genauso viele Ghoule wie normale Menschen da. Ihre beiden Kollegen und Freunde Toka und Ken lächelten ihr zu, Sora erwiderte die Geste kurz und polierte weiter das Glas hinter dem Tresen. Die Weste, die sie trug, war um ihren üppigen Busen zu eng. Der vorderste Knopf stand unter hoher Spannung, während der letzte um ihre Hüfte lockerer lag. Es schien, als ob nun auch die Studenten Schluss hatten. Viele von ihnen saßen zusammen und tranken sorglos Kaffee, während sie sich über banale Sachen unterhielten. „Müssen ziemlich glücklich sein“, dachte Sora und schob sich einer ihrer roten Locken hinter das Ohr. „Ich mach jetzt Schluss und gehe schlafen. Übernimmst du meine Tische?“ Die junge Frau sah auf und blickte in Tokas Gesicht, welches etwas erschöpft wirkte. „Klar, klar mach ich das.“ „Da an dem kleinen Tisch kam gerade ein Mädel dazu.“ „Alles klar.“ „Bis morgen!“, rief Ken im Vorbeilaufen und arbeitete schnell weiter. Der Kleine war ziemlich fleißig und bemühte sich immer so, als sei das gesamte Haus besetzt. "Nun, wenn er mir dadurch die Arbeit abnimmt", dachte Sora, während sie das letzte Glas polierte und dann elegant um die Theke herum ging. Die beiden Mädchen, die sich über den Mordfall unterhalten hatten, wollten zahlen. Sora setzte eine freundliche Miene auf. Ironisch, gerade noch davon geredet, was für eine Abscheu sie gegenüber Ghoulen hatten und nun wurden sie von genauso einem bedient. Sora lächelte und nahm das Trinkgeld dankend an, dann wandte sie sich an den Tisch, den Toka erwähnt hatte. Eine brünette Highschoolschülerin war tief über ein Buch gebeugt. Auf dem ganzen Tisch verteilt lagen weitere Hefte, wie Blöcke und überall waren Stifte zerstreut. Sora räusperte sich, doch sie das Mädchen sah nicht auf, schien viel zu vertieft in dieser Materie zu sein. „Willkommen, kann ich Ihnen etwas bringen?“, fragte sie daher ungeduldig. Endlich sah das Mädchen auf. Brünettes Haar lag ihr als Pony auf der Stirn und umrandete bis zum Kinn ihr Gesicht, die übrigen langen Haare waren zu zwei geflochtenen Zöpfen nach vorne gelegt. Auf ihren dünnen Lippen lag ein Lächeln, hinter ihrer runden Sickelbrille blickten strahlend graue Augen in die von Sora Kapitel 1: Schicksalhaftes Geständnis ------------------------------------- Jonin Marry kritzelte gedankenverloren auf ihrem karierten Blatt herum. Die Stühle in dem Klassenraum waren unbequem, die Fenster so dreckig, das kaum ein Lichtstrahl zu den verzweifelten Schülern durchdringen konnte. Die Luft war stickig und doch ließ man keine neue herein, aus Angst vor der kalten Wintertemperatur. Die Overknees der siebzehnjährigen rutschten ihr immer wieder runter und die Haare in ihren beiden geflochtenen Zöpfen verloren ihre gewünschte Position. Es gab wirklich schon Momente, in denen sie sich besser gefühlt hatte. „Jonin-san ist die einzige Schülerin, die mitschreibt!“ Sie sah sofort auf und starrte den Sensei, der seine Mathestunde wie immer ohne Erbarmen auf Schwächere durchzog, an und fragte sich was er meinte, als er andere Schüler dazu aufforderte, ihrem Beispiel zu folgen. „Sehr fleißig.“, grinste das Mädchen neben Marry sie an. „Wenn er wissen würde was du hier eigentlich machst, würde das sicher Ärger geben.“ „Luna-chan.“, ein strenger Blick lag auf ihr. „Wage es nicht, ein Wort zu verlieren!“ „Schon gut, schon gut!“ So als ob sie niemals auch nur eine Sekunde daran gedachte hatte, ihre Sitznachbarin zu verpetzen, schrieb sie etwas auf und strich sich die Haare hinter das Ohr. Luna war ein ungewöhnlicher Name in Japan und dass sie ihn dennoch trug, lag daran, dass sie aus Europa kam. Die Ausländerin, deren Eltern aus beruflichen Gründen vor einigen Jahren in das Land der aufgehenden Sonne eingereist waren, viel in allem auf. Ihrem Namen, ihrer ungewöhnlich hellen Haarfarbe, den strahlenden Augen, den strengen Gesichtszügen, dem trällernden Lachen, ihrer und jeder anderen Japanerinnen übertreffende Größe… Sie war das komplette Gegenteil von Marry selber, die durch und durch reinblütig japanisch war. Das einzige, dass sie etwas in ihrer hellblauen Sailorschuluniform von den anderen abhob, war die Tatsache, dass ihre Haare von Natur aus hellbraun waren. Marry seufzte leise und sah dann wieder auf ihr Heft und auf das, was ihr Lehrer für eine Mitschrift gehalten hatte. Die Mangafigur, welche sie gezeichnet hatte, war keineswegs ein einfaches Bild ihrer Fantasie. Sie hatte wie die letzten Tag anhaltend, nur ein Gesicht, eine Person vor Augen. Die Kellnerin, die sie vor einer Woche in dem alten Café mit dem Namen „Das Antik“ bedient hatte. Weinrote, lange lockige Haare… leuchtende, geschminkte Augen und geschwungene schöne Lippen und ihr atemberaubender Körper. Das Mädchen wurde nur bei dem Gedanken rot. Wie konnte es überhaupt möglich sein, eine Frau attraktiv zu finden? In so einem Ausmaß? „Mit dieser Überlegung entlasse ich sie von dieser Stunde, passen Sie auf sich auf…“ Das erste Mal seit dieser Stunde sah Marry, ihre Tasche sich über die Schultern hängend, den Mann aufmerksam an. „Wie meinen Sie das, Sensei?“, auch ihre Mitschüler wurden hellhörig. „Sie wissen doch… die schlimmen Dinge, die momentan hier in Tokyo geschehen.“, er suchte auf seinem Pult Blätter zusammen und sah keinen der Jugendlichen direkt an. „Die Ghoulvorkomnisse, meine ich…“ Diese Aussage ließ alle Schüler in ein Geschnatter ausbrechen und Marry bekam die verschiedensten Gerüchte zu hören und auch der Name ihrer seit zwei Wochen verschollenen Klassenkameradin Sagami-san blieb dabei nicht aus. Wann hatte das alles angefangen? Die Schülerin drückte ihre Tasche fest an sich und lief an den vielen anderen Jugendlichen vorbei, hinaus aus dem Gebäude. Wenn es Ghoule wirklich gab, dann hatten sie sich sicher nicht von heute auf morgen dazu entschieden, in Tokyo zu Leben. Aber weshalb fiel denn noch vor zwei Jahren niemanden ein “von Ghoulen ausgeführter Mord“ auf? „Wo gehst du denn alleine hin, Marry-chan???“, Luna kam neben sie gesprungen. „Wir haben doch den gleichen Heimweg!" "Ja, ich weiß...", sie strich sich durch den Pony und verbannte all ihr Gedanken über die Wesen, die man als größte Bedrohung der gesamten Menschheit ansah und kicherte. "Aber ich gehe nicht nach Hause!" "Das erklärt schon mal, warum du in die komplett andere Richtung läufst.", sie bleib stehen und Marry tat es ihr gleich. "Wo gehst du denn hin?", wurde sie gefragt. "Nur in ein altes Café, nichts besonderes." Die Augen der Europäerin funkelten. "Hat Marry-chan etwa ein Date?!" "Nein!", sie wurde etwas rot, dann ließ sie ihre Stimme herunterfahren. "Nein, Marry-chan hat kein Date!" "Na gut, dann glaube ich dir das mal.", das Mädchen zwinkerte und winkte ihr, während sie zurück lief. "Aber nur, weil man nicht in einer Schuluniform zu einem Date erscheint!!" Marry kicherte und winkte ihr auch eilig, dann fiel ihr auf, dass sie recht hatte... Andererseits hatten solche Schulunifromen besondere Wirkungen. Sie ließen einen sowohl ordentlich und anständig, als auch süß und manchmal sexy aussehen.. Marry beschloss, es sei in Ordnung sie für heute anzulassen. Fröhlich hopste sie voran und erinnerte sich selber traurig daran, dass es nicht einmal sicher war, dass sie die junge Frau heute überhaupt sehen würde. Ihre Hand zitterte und das Herz schlug ihr beinah bis zum Hals hoch, als sie dann die Tür des Café´s öffnete. Nach Schulschluss, hatte sie erwartet, hier ein Durcheinander und möglicherweise kein Einzelplatz für sich selber zu finden, aber anscheinend war sie vor Aufregung so schnell gelaufen, dass sie sich darum keine Gedanken machen musste. Sie war schneller als die anderen gewesen. Den Schal, den sie sich bis zu der Nase um das Gesicht und den Hals gewickelt hatte, nahm sie ab und legte ihn über einen freien Stuhl, die Tasche ließ sie daneben auf den Boden fallen und während sie sich setzte, sah sie ganz wachsam hin und her - Dann sah Marry sie. Die junge Frau wischte gerade eilig über die Theke und wechselte danach den Kaffeeaufsatz, als wolle sie sich schon mal auf die Studenten, die bald eintreffen würden, vorbereiten. Heute hatte sie ihre Haare hochgebunden, ansonsten sah sie genauso aus wie letztes Mal. "Kihihihi!", eilig nahm sie die Karte und versteckte ihr Gesicht dahinter, um sich zu beruhigen und sich selber dazu zu bringen, dieses Glück ohne große Auffälligkeiten hinzunehmen. Was würde sie denn sonst von ihr denken?! Sie musste mit ihr sprechen und dabei ganz ruhig bleiben. Einfach sie selbst sein. Süß, liebenswert und vor allem kawaii. Die röte ließ langsam von ihrem Gesicht ab und sie ließ die Karte sinken, tat so als würde sie lesen, doch eigentlich folgten ihre Augen nur dieser einen Person. Diese lief etwas in dem Laden umher, dann bewegte sie sich ganz plötzlich auf ihre Beobachterin zu. „Willkommen in unserem Café Antik. Kann ich dir etwas bringen?“ „Hihi!“, laut quietschte Marry auf und schlug sich danach die Hände vor den Mund, ihre Wangen färbten sich sich erneut puterrot. Die Kellnerin schenkte ihr einen fragenden Blick, dann räusperte sich die Schülerin. Das Herz pochte so laut in ihren Ohren, dass sie ihre Stimme keiner genauen Lautstärke zuteilen konnte. Wie hätte sie denn sonst auf so ein plötzliches Ansprechen von … … ihr reagieren sollen?!?! „H-hi.“, brach sie heraus und lächelte verängstigt. Der Rotschopf stemmte eine Hand an ihrer Hüfte und hielt in der anderen ihren Notizblock fest. „Ja, hallo…“, ihr Gesicht war nicht das einer freundlichen Bedienung, wie man es sonst kannte. Selbst mit diesem Blick war sie unbeschreiblich schön. Es fühlte sich an wie eine Sekunde aber Marry nutzte jeden Herzschlag, jeden Atemzug und jeden Moment den die unbestimmten Gottheiten dieser Welt hergeben würden, um sie anzusehen. Ihren Engel. Sie tat es jedoch anscheinend etwas zu lange. „Hör mal Kleine, das hier-“, sie zeigte um sich herum. „Ist ein Café!“ „Eh, ah, j-j-“ „“Hier,“, sie beugte sich vor. „Isst und trinkt man was.“ „D-das-“, versuchte Marry zu antworten, aber sie kam nicht gegen sie an. „Zum Beispiel…“, machte sie weiter und präsentierte die Maschine im Hintergrund. „...Kaffee.“ Marry nickte und konnte sie einfach nicht unterbrechen, mag sie noch so dämlich belehrt werden… „Kaffee trinkt man aus Tassen, weißt du?“ „J-ja!“ „Hm, Moment mal.“, sie sah sich ihren Gast genauer an. „Du warst doch schon mal hier!“ „Ja, ich war schon mal hier.“, wiederholte Marry die Worte wie in Trance und sah auf. „Dann weißt du doch wie das läuft! Was soll ich dir bringen?“, schlecht gelaunt seufzte sie weiter und sah dann auf als weitere Leute in das Lokal eintraten. „Einen Tee bitte!“, plötzlich konnte Marry neuen Mut fassen und lächelte. Als die andere wieder zu ihr sah, neigte sie sogar den Kopf etwas zur Seite und lächelte sogar. „Ja, einen grünen!“, fügte sie dann noch hinzu. „Na geht doch, kommt gleich.“, sie kritzelte eilig etwas auf ihren Block und ging zurück an den Tresen. Im Laufe ihrer Bestellung waren einige Schüler in den Laden gekommen und ein weiterer junger Mitarbeiter kochte bereits fleißig Kaffee. „Was hast du da denn so lange gemacht? Machst du schon wieder unsere Gäste doof an, Sora-san?“ „Pfft!“, antwortete die junge Frau und schob sich das Haar hinter die Schulter. „Das mach ich nie.“ Marry sah schlagartig auf und konnte ihren Ohren kaum trauen. Sora. Er hatte gerade Sora gesagt. Ihr Name war Sora. Sora… Marry senkte den Blick und lächelte. Eine Woge von Glück überflutete sie und gab ihr das Gefühl gen Himmel steigen zu können. Sora. Was für ein schöner Name! Die Freude jagte ihr sogar Tränen in die Augen, sodass sie ihre runde Brille abnehmen musste um sich die Augen auszuwischen und sich langsam zu beruhigen. Wenn sie wirklich anfing zu heulen, würde das nur ihr dezentes Make-up verschmieren, danach würde es sicher nicht mehr so unscheinbar in ihrem Gesicht liegen. Mittlerweile war sie schon so oft hier gewesen, dass sie das Bedienungsverfahren des Cafés verstanden hatte. Meist war es der alte Mann, der die bestellten Getränke zubereitete und auf die Theke stellte, währenddessen rauschten die Kellner von allen Seiten vorbei und schnappten sich willkürlich eine Tasse und brachten sie zu dem richtigen Gast. So geschah es auch mit Marrys Grüntee. Der Junge, der ungefähr in ihrer Stufe sein müsste, nahm ihre Bestellung auf und begrüßte sie mit einem bandagierten Auge und einem Lächeln. „Hier, Ihr Tee.“ „Vielen Dank aber…“, Marry legte die Zeigefinger an ihre Lippe und kicherte, während sie den Kopf neigte. „Könntest du den bitte einfach wieder auf die Theke stellen, ich möchte noch etwas warten.“ „Eh??“, er sah sie verwirrt an und sah unsicher zurück. „Stimmt etwas nicht?“ „Nein, nein, stell ihn bitte einfach zurück.“ Es schien beinah so, als ob ihr herzliches Lächeln ihn dazu drängte. Er gehorchte dem verwirrenden Befehl einfach und fuhr, sie immer wieder seltsam musternd, mit der Arbeit fort. Marrys Plan ging auf, Sora… Marry musste kurz beim Denken innehalten und schnell ein und ausatmen, nachdem sie vor Aufregung wegen des neuerfahrenen Namens die Luft angehalten hatte. Sora war kurz abwesend gewesen und hatte so von dem Gespräch nichts mitbekommen. Sie nahm den vorne stehenden Tee und brachte ihn zu der Highschoolschülerin. Es war ein kleiner Moment, aber jeder Moment ihrer Beachtung waren es Wert dafür zu morden. Marry konnte sich kaum auf das Lernen konzentrieren, da sie einfach nicht zur Ruhe kam, während Sora andauernd an ihr vorbeirauschte. Einige Zeit später bestellte sie sich noch einen Tee und harrte die Stunden aus, bis Sora plötzlich in einem Hinterraum verschwand und danach nicht mehr die schicke Uniform des Antiks trug. Lediglich ein weißes Hemd und eine enge dunkle Hose trug sie nun an sich, griff nach einer Tasche und verabschiedete sich von den beiden Männern. Eilig erhob Marry sich, rauschte an dem Kellner vorbei und ließ Geld auf seine Hand fallen, dann folgte sie Sora unauffällig. Die junge Frau stolzierte selbstsicher in die Abenddämmerung und hatte eine schön federnde Gangart. Den Rücken hielt sie gerade und das Kinn war stolz erhoben, sodass sie immer ihr Gegenüber ansah und diesen zugleich noch einschüchtert. Verträumt schlich Marry ihr hinterher ohne so richtig zu realisieren was sie da überhaupt tat. Da drehte sich die Bedienung plötzlich so schnell herum, dass ihre Haare mit ihr in die Bewegung flogen. „Gibt’s n Problem?“ Als hätte man ihr vor die Füße geschossen, erstarrte Marry und blieb schlitternd stehen. „Hey, du bist doch die von vorhin?“, einige Schritte ging Sora zurück und musterte die Schülerin. „Bist du mir gefolgt?.“ Ihre Stimme war wie Eis und ihr Gesichtsausdruck wie eine Waffe. „J-ja.“, stotterte Marry und begann nun wieder sich zu rühren. Mit einer Hand krallte sie sich in den weißen Stoff ihre Oberteils, mit der anderen spielte sie unsicher mit den Haaren. Plötzlich konnte sie ihre Quelle der Begierde nicht mehr ansehen. Schämte sie sich? Das wäre schön, dann wüsste sie wenigstens was ihr fehlte. „Eh?!?“, Sora sah sie groß an und stemmte die Hände in der wohlgeformten Hüfte. „Das gibst du auch noch so einfach zu?!“ Nun war es ganz Marry vorbei, welche nur noch bibbernd da stand und mit ihren Fingern spielte. „Scheint so…“ „Mädchen, was willst du von mir? Wer bist du überhaupt?“ „Ich bin Marry-chan.“ „Marry…. Chan?“, sie sprach das Anhängsel beinah abwertend aus. Die kleinere atmete tief ein und aus, dann nickte sie und trat eilig einige Schritte zu ihrem Gegenüber, dass sie zu ihr aufsehen musste und lächelte sie sanft und liebevoll an. „Ja, aber mein Name ist recht egal… Ich wollte dich fragen… dich fragen, ob du mit mir auf ein Date gehst!“ „Was? Bist du dumm oder s-“ „Sora-chan, ich glaube ich liebe dich!“ „Eh?!“, vor Wut stellten sich beinahe schon ihre Locken auf, aber Marry ließ den entschlossenen Blick nicht ab und sah sie weiter fest an. Ob es wirklich Liebe war, die sie da empfand wusste sie nicht, aber es war das einzige, das ihre Gefühle am besten beschrieb. Liebe auf den ersten Blick, dieses Phänomen gab es doch? Auch wenn sie nicht wusste, ob sie sich beim ersten Mal schon sofort verliebt hatte. Es war wie ein Schleier aus Begeisterung und Faszination, den man ihr auferlegt hatte und seitdem das geschehen war, konnte die Schülern einfach an nichts anderes denken, als an Sora. Diese trat einen Schritt zurück und sah sie aus verengten Augen an. Nun wo einige Sekunden vergangen waren, bereute Marry auch schon sofort was sie gesagt hatte. Das war zu aufdringlich, zu direkt, zu früh. Aber nun konnte sie es nicht mehr zurück nehmen. „Entschuldige bitte, ich wollte nur…“ „Woher kennst du meinen Namen überhaupt?.“ „Ist doch egal…“, sie räusperte sich und lächelte sie an. „Gehst du mit mir aus?“ Erzürnt sah Sora sie an und drehte sich dann eilig um, ihr Schritt war schnell, die Stimme genervt. „Lass bloß von mir ab, du Freak!“ „Sora-chan!“, Marry stellte sich auf die Zehenspitzen und rief so laut sie konnte. „Sora-chan, warte! Das ist ernst gemeint!“ Doch ihre schöne Gestalt war schon um eine Ecke gebogen und dem Mädchen aus der Mittelstufe war sehr wohl bewusst, dass sie niemals schnell genug sein könnte ihr zu folgen. Einen Moment blieb sie regellos stehen, dann schluckte sie und wand sich um. Sie musste nach Hause gehen, schließlich war es schon dunkel und in Tokyo sollte man nicht mehr davon ausgehen, dass man alleine war, wenn es auch so schien. Sora-chan, dein Name wird nicht das letzte sein, dass ich von dir in Erfahrung bringen werde. Sie kicherte und schwor sich diesen Satz, dann lief sie schnellen Schrittes nach Hause. Kapitel 2: Unglück ------------------ Sora seufzte auf und neigte den Kopf, als zwei anzugtragende Männer in das Café eintraten und spülte dann eilig weiter. Es war zwar kaum etwas los, aber trotzdem war der Rotschopf extrem unmotiviert. Die dumme Seife, die ihr nach all dem häufigen und regelmäßigen Gebrauch langsam anfing ihre gereizte Haut aufzureißen. Die bescheuerte Weste, die ihre Brüste zusammendrückte und ihr das Atmen erschwerte. Aus irgendeinem Grund nervte sie heute alles. „Kannst du mal bitte mit deinem scheiß Gepfeife aufhören?“, knurrte sie mit zusammengebissenen Zähnen. Ihr Kollege Ken neben ihr sah von dem Kaffeefilter, den er gerade auswechselte, auf. „Oh, entschuldige bitte! Ich habe das gar nicht bemerkt!“, er grinste und kratzte sich am Kopf, dann machte er einfach weiter. „Oh man ey…“, Sora fragte sich einen Moment wie der Kleine so gut drauf sein konnte, dann wurde die Eingangstür aufgerissen. Gelangweilt sah sie auf und wollte zur Begrüßung ansetzten, als sie in  Sekundenschnelle reagierte und sich duckend hinter dem Tresen versteckte. Das Wasser, in dem sie Sekunden zuvor nach die schmutzigen Tassen abgespült hatte, plätscherte noch und sie wischte sich eilig die nassen Hände an ihrer Arbeitskleidung ab. Was machte die schon wieder hier?! Ein kurzer Moment, indem sie einfach nur eine zierliche Gestalt entdeckt hatte, die eine sich im Licht spiegelnde Sickelbrille trug, reichte aus um sie in diese Lage zu bringen. „Eh?“, Ken sah verwirrt zu ihr und öffnete den Mund, als Sora den Zeigefinger an ihre Lippen legte und ihn eindringlich ansah. Er erwiderte den Blick, dann ertönte hinter Sora eine fröhliche Stimme. „Hallo, guten Morgen!“ „Oh, eh, guten Morgen!“, Ken trat näher an den Tresen, so dass seine unten kauernde Freundin ihn berühren könnte. „Ist denn keine Schule?“, fragte er höflich und lächelte verschwitzt. Marry wiegte ihren Kopf erst auf die eine dann auf die andere Seite und erwiderte den Gesichtsausdruck mit rosa geschminkten Lippen. „Natürlich ist Schule, keine Sorge, ich bin brav und gehe hin.“, sie kicherte hinter vorgehaltener Hand. „Es ist nur Freistunde.“ „Oh, na dann ein Kaffee zum mitnehmen, hm?“, er neigte den Kopf. „Hmmm, eher wollte ich fragen ob Sora da ist?“ „Sora?“, fragte er verwirrt nach, dann sah er einmal kurz nach unten. Vielleicht sogar etwas zu auffällig, das dachte die Ghoula in dem Moment und schlug ihm mit der flachen Hand gegen das Bein und schüttelte den Kopf. „Eh die…“, aufgrund des Schlags stockte er. „Ja?“, Marry musterte ihn aufmerksam, als er die Lippen aufeinander drückte. „Sora ist heute nicht da, tut mir sehr leid.“ Die Schülerin gab ein schweres Seufzen von sich und schaute traurig drein.  In diesem Moment fühlte Ken ein großes Schuldgefühl gelogen zu haben und musste den Blick abwenden. „Soll ich dir trotzdem einen Kaffee machen?“ „Ich trinke eigentlich nur Tee…“ „Oh, soll ich dir dann einen Tee machen?“ „Nein, danke…“, Marry strich sich durchs Haar und wandte sich ab. „Ich möchte nur Tee von Sora haben.“ Bevor der Junge etwas antworten konnte, hob sie kurz die Hand und ging wieder hinaus. „Scheiße, zum Glück hat´s geklappt.“, seufzte Sora und rappelte sich wieder auf, richtete ihre Kleidung und atmete tief ein. „Was war das denn bitte?“, wollte der Jüngere sofort wissen und verschränkte die Arme. Einer der beiden anzugtragenden Männer, die vor Marrys Besuch in das Kaffee gekommen waren, räusperte sich ungeduldig und die Kellnerin nickte ihnen zu. „Ich habe mich vor dem Gör versteckt.“, sie nahm ihren Notizblock auf. „Wie wäre es mir einem “Danke“? Ich habe für dich gelogen.“ „Danke.“, sagte Sora halbherzig und rauschte an ihm vorbei um die Kunden zu bedienen. Am Nachmittag schlenderte Sora ihren Weg nach Hause und machte sich Gedanken darüber, was sie den Tag über noch tun könnte. Es kam selten vor, dass sie in der Frühschicht eingetragen war, weswegen sie den Vormittag über schlief und dann einfach den Rest des Tages arbeitete. „Oh, Entschuldigung!“, quietschte ein junges Mädchen, in das Sora soeben hereingelaufen war. Auch wenn es ihre eigene Schuld gewesen war, strafte sie die Schülerin mit einem bösen Blick und lief weiter. Diese türkise Sailorschuluniform kannte sie doch…? Als sie den Blick hob, bemerkte sie die vielen Jugendlichen, die denselben Anzug trugen. Na toll, diese Schule hatte sie immer erst nach Unterrichtszeit passieren müssen. Mit einem Augenrollen schlich sie leichtfüßig an dem Großteil vorbei, als nur noch vereinzelte Schüler und Schülerinnen ihren Weg säumten. Die wollten schließlich auch nur nach Hause kommen, also konnte Sora sich schlecht darüber aufregen. „Hast du gestern auch die neue Asuka Ciel gekauft?!“ Sora schreckte auf und sah vor sich ein Mädchen in der Schuluniform einer Mittelschülerin. Auch wenn es nur von hinten war, Marry erkannte sie schon alleine von der Stimme her. Einen Moment fragte sich die Ghoula, ob das Mädchen, das ihr von jetzt auf gleich die Liebe gestanden hatte, mit sich selber sprach, doch dann entdeckte sie, das Handy, das sie sich an ihr Ohr hielt. Noch immer hatte sie Sora nicht bemerkt, deren ganze Körper plötzlich angespannt war. Weshalb musste sie diese Irre gleich zweimal an einem Tag treffen? Warum lag ihre Schule ausgerechnet auf Soras Heimweg? „Ja?! Ja du auch?!“, Marry quietschte ganz aufgeregt in ihr Telefon. „Das neue Kapitel von Sekaiichi Hatsukoi ist einfach…!! Einfach…! Mir fehlen die Worte!“ Fast hätte Sora über diesen Satz lachen können. Ihrer Erfahrung nach hielt das Mädchen keine drei Minuten ihren Mund, es sei denn sie war über ihre Bücher gebeugt. „Ja, ich hätte nie gedacht, dass die beiden mal sowas machen würden! Aber Takano-san sieht ja so hübsch aus, hach…“ Ohne Vorwarnung schwärmte Marry weiter und ging plötzlich scharf nach links auf die vielbefahrene Straße. „Eh?!“, Soras Körper reagiert schneller als ihr Verstand und bewegte sich ruckartig in dieselbe Richtung. Die naive Schülerin bemerkte erst jetzt ihren Fehler und riss die Augen auf, ließ ihr Handy fallen und schrie auf, als sie ein Auto auf sich zugerast kommen sah. „Idiotin!“, schrie Sora auf und zerrte sie zurück, so schnell, dass sie nach hinten auf den Bürgersteig fiel und die Brünette gleich auf sich drauf riss. Beide sahen noch in der gleichen Sekunde, wie das Telefon überrollt wurde und zu mehreren Splittern bearbeitet wurde. „Kyaaaaah?!“, Marry heulte auf und schlug die die Hände in das Gesicht, Sora schubste sie nur sofort von sich runter und sah sie aus verengten Augen an. „Was sollte denn diese Scheiße?!“ „Sora-chan?!“, völlig geschockt sah die Kleinere auf und ließ Tränen ihre Wange herunter prasseln. „I-ich weiß auch nicht!!“ „Rennst einfach auf die behinderte Straße und dann?!“, einige Leute sahen schon herüber. Die Schüler, die in der Nähe gestanden hatten, versammelten sich nun in einer Gruppe und tuschelten miteinander. Sora hörte es bis zu ihr hin. Das einzige, das lauter war, waren die vorbeirauschenden Autos und Marrys noch lauteres Geweine. Das Mädchen musste sich wirklich erschrocken haben. „Steh auf!“, befahl Sora und erhob sich zeitgleich. Doch Marry blieb völlig verloren sitzen und schlang langsam die Arme um die Beine. „Hallo?“, fauchte der Rotschopf und fixierte sie böse, als sie bemerkte, dass das Mädchen nicht aufstehen würde. „I-ich bin da gerade f-fast…“ „Verreckt? Ja.“ Marry zuckte kurz zusammen, als Hände unter ihre Arme gelegt wurden und sie mit einem Ruck hoch zogen. Dann stand die Schülerin wieder. „Du solltest heimgehen.“, riet sie ihr, aber die Brünette schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe Angst.“ „Ich bitte dich...das ist doch nicht dein Ern-“ „Sora-chan! Bitte, du musst mich begleiten!“ „Okay.“, sie war einen Moment von dieser Dummheit paralysiert. „Jetzt verarscht du mich aber.“ Marry schüttelte den Kopf und blinzelte die Tränen aus ihren großen Augen. Anhaltend presste Sora ihre Lippen fest aufeinander und fragte sich was das sollte. Weshalb sie das tat. Mitleid? Ganz sicher. Jedenfalls nicht, weil sie ein guter Mensch oder so etwas war. „Danke, Sora…chan.“ „Halt lieber deine Klappe, sonst drehe ich mich um und verschwinde wieder.“ Von der Seite sah sie die Schülerin lächeln. „Das glaube ich nicht.“ „Woher willst du das wissen? Vorlaute Göre…“ „Weil du lieb bist.“ Wie als wäre sie soeben beleidigt worden, drehte Sora sich zu ihr und sah sie bitterböse an. „Hör auf damit.“ Marry kicherte sie an. „Na gut, ich mache alles was du willst!“ „Außer mal den Mund halten…“ „Wir müssen jetzt hier rein!“, bevor Sora reagieren konnte packte die Jüngere sie beim Arm und zog sie in den Vorhof eines Wohnhauses. „Okay okay, jetzt kannst du ja auch alleine bleiben, ja? Ich verschwinde endlich.“ „Warte Sora-chan! Nur noch ein ganz kleines Stück! Dann weißt du ja auch wo ich wohne!“ „Das will ich gar nicht wissen.“ Marry sah zu ihr auf und grinste. „Ich habe nicht gedacht, dass du schüchtern bist, Sora-chan!“ Gerade wollte die Ghoula etwas erwidern, da krachte die nicht nach vorne sehende Brünette mit einem lauten Aufschlag gegen eine Tür und kippte nach hinten um. Es geschah so plötzlich, dass Sora erst stehen blieb und einige Male blinzelte, sich dann hinunter beugte und die Kleinere ansah. „Aua! Aua aua aua!“, sie drückte die Hände an den Kopf und sah mit Tränen auf. Heulte sie schon wieder… Soras Miene rührte sich nicht und kurz fragte sie sich, ob Marry das extra machte. Ein kurzer Blick zu der heulenden Gestalt machte ihr jedoch klar, dass dem so nicht war. „Komm jetzt, du bist doch schon fast da…“ Sie streckte ihr beide Hände entgegen und nach einem Zögern nahm Sora sie entgegen und zog Marry auf, die sich dann an sie klammerte und den Weg zu der Haustür eines Apartments ging. Sora wunderte sich etwas und sah zu, wie die Kleine aus ihrer Schultasche einen Schlüssel zog und ihn vergeblich unter starkem Zittern versuchte, in das Schloss einzuführen. Sie seufzte, riss ihr den Bund aus den Händen und schloss selber auf. Marry drückte den Türknauf herunter und stolperte herein, neugierig sah Sora an dem Mädchen vorbei in eine aufgeräumte, bunt dekorierte Wohnung. „Mach die Tür bitte zu, Sora-chan… Sonst wird es hier ja noch kälter als draußen!“ Die Ghoula gehorchte und beschimpfte sich innerlich dafür, hereingekommen zu sein. Weshalb hatte sie das getan? Marry setzte sich auf den Boden und zog sich im Eingangsbereich die Schuhe aus, als sie sich mit der Hand über den Pony strich, sah man, dass ihre Stirn von dem Aufprall noch rot war. Sora zog sich nicht die Schuhe aus und ging an Marry vorbei in den winzigen Wohnraum, indem sowohl Wohn- und Esszimmer, als auch Küche vertreten waren. Von hier aus führten zwei Schiebetüren in andere Zimmer und Sora bezweifelte, dass noch welche folgen würden. „Wohnst du alleine hier?“ Die Brünette hinter ihr erhob sich und lief in ihren Overknees leichtfüßig über das Tatami. „Ja, ich mach uns einen grünen Tee, in Ordnung?“ „Ich möchte keinen.“ „Aber Sora-chan, ich mach doch schon einen für uns beide.“ Die Ghoula beobachtete sie dabei, wie sie die Kanne gerade erst herausholte, dann sah sie sich etwas in der Wohnung um. Von der Familie fand sie kein Bild aber ganz viel bunten, kindischen Quatsch, wie Kissen, wie zum Beispiel ein durch große Augen und kleinen Mund verniedlichten Toast darstellten. Zeug bei dem Lolitas den Kopf zur Seite neigen und “kawaiii!!“, klatschen würden. War Marry möglicherweise eine von dene ? In der Schule herrschten strenge Regeln für die Bekleidung und das Verhalten, also würde man das niemals in ihrem Schulalltag erkennen. „Ich freue mich wirklich total, dass du hier bist, Sora-chan.“ Marry drehte sich zu ihr herum und lächelte, der Schreck war anscheinend ganz verschwunden und man vernahm etwas anderes in ihrem Gesicht, das leicht gerötet war, wobei ihre blasse Haut eher rosa als rote Wangen zeigte. Sie musterte die Schülerin noch einmal genauer, sah hinter die runde Brille mit dem hellbraunen Gestell, zu den dicht getuschten Wimpern und den geschickt gezogenem Lidstrich. Eine Sekunde tat sie dies zu lange und plötzlich stand die Schülerin direkt vor Sora und strahlte sie an. „Das ist ja fast wie eine Verabredung, oder?“ „Vergiss es.“, sie wich keinen Schritt von der näher kommenden Marry weg. „Ich bin ja so aufgeregt, ich sage das sonst wirklich nicht so schnell, aber… aber Sora-chan, ich mag dich wirklich sehr gerne… … so gerne, dass ich manchmal am Abend…“, sie sah kurz weg. „Unanständige Gedanken habe.“ Sora sah sie einen Moment entgeistert an, dann fing sie sich schnell und verschränkte die Arme voreinander. „Wie lange braucht grüner Tee zum Ziehen? 60 Sekunden? 120?“ „Oh ja, ich vergaß!“, sofort eilte sie zurück an den Herd und in dem Moment, als sie die Teekanne von der Platte nahm, fiel die Tür ihrer Wohnung  zu. Sora flüchtete beinah aus dem Wohnhaus und die Straße entlang. Warum war sie überhaupt mit rein gegangen? Am nächsten Tag trat Sora, ihre Kopfhörer einwickelnd, zu ihrer Arbeit durch die Tür des Antiks, als plötzlich Marry gegen sie krachte. Noch bevor sie irgendwie reagieren konnte flackerten die Augen der Schülerin aufgeregt zu ihr rauf, dann rannte sie an ihr vorbei weiter. „Haltet sie!“, schrie Ken aufgeregt und sprintete etwas langsamer hinterher.  Die Ghoula konnte nur verwirrt sehen bleiben, alle Gäste sahen auf und keine zwei Minuten später trat ihr hechelnder Kollege herein. „Ich konnte sie nicht mehr fangen…“ „Was war das denn?“ „Irgendwie ist sie in unser Hinterraum eingebrochen und hat unsere Arbeitspläne und Daten geklaut.“ Mehr als eine ausdruckslose Miene konnte sie nicht zeigen. Dafür würde Marry noch büßen, das nahm sie sich fest vor. Kapitel 3: Erwachen ------------------- Ihre langen Haare waren mit einer großen Schleife zusammengebunden und ihr Outfit war perfekt aufeinander abgestimmt. Sie trug eine verspielte Bluse, die sie in ihren pompösen Rock gesteckt hatte. Schicke Stulpen verdeckten den Großteil ihres Armes und nur ihre rosa lackierten Nägel blitzen hervor, während sie trotz ihrer hohen Absatzschuhe gekonnt einen Tee zubereitete. Fröhlich pfiff sie den Openingthemesong ihres Lieblings Anime´s und tanzte auf der Stelle hin und her, dann nahm sie die gefüllte Tasse auf und schlenderte in das Wohnzimmer. „Sora-chaaan.“, lächelte sie. Die eben Gerufene saß auf dem Sofa und sah von einem Buch auf, die grünen Augen nur auf die jüngere gerichtet. „Ja, Marry-chan?“ „Hier, ein Tee.“, wie eine Dienerin reichte die Schülerin ihr das Geschirr. Der Rotschopf setzte ihre dunkel angemalten Lippen an den Rand der Tasse, dann nahm sie einen Schluck und stellte ihn dann auf den Tisch vor ihr ab. „War Marry-chan etwa unachtsam?“, fragte sie mit tiefer Stimme und beugte sich zu ihr vor. Marry schluckte und ihre Haut prickelte angenehm als Sora sanft über ihre Hand strich. „W-wie meinen?“ „Der Tee, er war bitter.“ „Tatsächlich?“ „Ja.“, Sora lehnte sich zurück. „Als hätte man ihn… zu lange ziehen lassen.“ Die Brünette sah kurz weg und spielte mit ihren Fingerspitzen. „Vielleicht habe ich wirklich nicht sooo aufgepasst…“ Missbilligend schnalzte sie mit der Zunge. „So ein ungezogenes Mädchen.“, mit kalten Händen ergriff sie Marrys Arm und zerrte sie neben sich auf die Coach. „Da muss ich ihr wohl eine Lektion erteilen.“ „S-sora-chan!“, keuchend sah sie zu wie die Ältere sich über sie beugte und damit begann ihre Bluse aufzuknöpfen. Überall wo ihre Haut berührt wurde, kribbelte es. Der Atem kam nur noch stoßweise. Ihr Oberkörper war beinah komplett entblößt, als Sora ihre Hüfte entlang strich und unter ihren Rock glitt. Die Lippen legte sie an ihren Hals, den Marry reckte und die Lippen aufeinander presste, dennoch entkam ihr ein gepeinigtes Stöhnen, das den Rotschopf zum Grinsen brachte. Sie richtete sich kurz auf und ließ sich auf Marrys Schoß nieder, die Beine drückte sie dabei an ihr Becken und ihren heißen Atem hauchte sie auf ihr Dekolleté. „Sora-chan!“ Marry zuckte zusammen und keuchte auf. Ihre kleine Gestalt stand vor einem Spiegel, in den sie schaute und sich die Augen rieb, sich dann noch einmal betrachtete. War es die aufreizende Unterwäsche, welche sie dazu brachte in so einen Tagtraum zu geraten? Sie war so vertieft gewesen, dass sie noch immer schnell ein und ausatmete, die Stellen, die Sora niemals wirklich berührt hatten, kribbelten und waren ganz heiß. Marry sah sich die schwarzen langen Strapse an, dann drehte sie sich etwas um das Höschen von hinten betrachten zu können. Die Dessous gefielen ihr. Was Sora wohl dazu sagen würde? Weshalb tat sie das hier überhaupt? Schlagartig fragte sie sich das und setzte sich auf ihr Sofa zurück, lehnte sich nach hinten und nahm ihr Handy, um ihre Nightcorelieder zu öffnen. Fröhlich schlugen ihr die hellen Stimmen entgegen, so dass sie direkt wieder neuen Mut fasste. Ein Lächeln sah doch viel schöner aus als jeder andere Gesichtsausdruck nur sein könnte. Immer noch nur leicht bekleidet lag sie auf dem Rücken und streckte ihre Beine nach oben, sodass sie ihre dunklen hochhackigen Schuhe ansah und darüber schmunzelte, wie gut sie ihr doch gefielen. Die Unbeschwertheit behielt sie eine kurze Zeit lang, dann schlich sich wieder Sora in ihre Gedanken. Von dem geklauten Arbeitsplan, den sie sich aufgehangen hatte, wusste sie, dass der Rotschopf gerade arbeitete, da machte sie sich eigentlich kaum Gedanken, dass ihr irgendetwas passieren könnte. „Hach, da kann man nichts machen…“, Marry kicherte und setzte sich auf, dann beschloss sie ihre Geliebte bei der Arbeit zu besuchen. Aufgeregt huschte sie in ihre Küche und bereitete mit viel Liebe ein paar Kekse zu. Das Rezept hatte sie schon so oft angewandt, dass sie es auswendig kannte und das Gebäck durch ihre Erfahrung eigentlich nur gut werden konnte. Während der Teig seine Zeit im Ofen verbrachte, war Marry mit ihrem riesigen Kleiderschrank beschäftigt. Schließlich konnte sie ihrer Sora-chan nicht einfach in irgendwelchen beliebigen Klamotten begegnen, sie musste perfekt sein. Die Kekse verpackte sie mit einem rosafarbenen Schleifchen und machte sich fröhlich auf den Weg zum Antik, den sie nun schon mit verschlossenen Augen gehen könnte, da sie Sora nun schon so oft besucht hatte, ob sie das wusste oder nicht. „Willkommen im Cafe Antik.“, hörte sie auch die Stimme der Kellnerin, als sie eintrat und die Tür daher durch eine angehangene Glocke ein Geräusch machte. Marry lächelte und trat näher, erst da sah Sora auf, ihre Miene veränderte sich augenblicklich von gleichgültig auf zerknirscht. „Oh, du bist es.“ „Hallo Sora-chan.“ „Nenn mich nicht so.“ Die Schülerin lächelte erneut und ignorierte das. „Du bist sicher erschöpft, weil du schon seit 8 Stunden arbeitest, aber bald hast du es ja geschafft.“, als sie das sagte, bemerkte sie aber erst so richtig, dass sie recht hatte mit dem was sie sagte. Die Größere war noch blasser im Gesicht als sonst, die Augen irgendwie leer, ihre ganze Präsenz war weniger standfest als sonst. Sora wirkte plötzlich wütender, als sei ihr gerade wieder eingefallen, dass der Dienstplan von ihrem Gegenüber gestohlen wurde, deswegen sagte sie kein Wort. „Ich habe jedenfalls an dich gedacht und dir Cookies gemacht, sieh mal!“, fröhlich stellte Marry ihr Mitbringsel vor ihr auf die Theke, wobei ihre Augen vor Liebe strahlten. „Mühe habe ich mir gegeben, das glaubst du nicht.“ Die Kellnerin wandte sich ab und fing an, die Kaffeemaschine zu reinigen. „Nimm diesen Mist mit und verschwinde am besten gleich dazu.“ „H-huh??“, Marry schaute erschrocken und hielt sich am Rand der Theke fest. „Was meinst du, Sora-chan?“ Der Rotschopf wirbelte herum und schrie sie plötzlich an. „Dass du dahin verschwinden sollst, wo du herausgekrochen bist! Ich habe keine Nerv für dich, du…“, sie stockte und rang nach einer Beleidigung, während sie ungerührt in die aufgerissenen Augen des anderen Mädchens blickte. „Du Nervensäge! Also echt mal, ich kann dich nicht mehr sehen!“ „S-sora-chan…“ Der Hintergrund was gänzlich verstummt, alle Anwesenden sahen nur zu der Szene herüber. Noch war Marry nicht in Tränen ausgebrochen, trotzdem war ihr Atem unregelmäßig und sie zitterte am ganzen Körper. „Und diese beschissenen Kekse.“, wütend packte die Ghoula die Packung und warf sie gut sichtbar in den Müll. „Ich muss schon kotzen, wenn ich die sehe!“ „Sora-chan!“, kreischte Marry auf und schlug sich die Hände vor den Mund. „Wag es jetzt nicht zu heulen! Nimm deine dumme “Liebe“ und geh jetzt. Jetzt sofort.“ Es war weniger der Befehl, der die schluchzende Marry dazu brachte, aus dem Laden zu rennen, sondern eher, dass sie nicht wusste, wie sie reagieren sollte. Was war das gerade nur gewesen? Kapitel 4: Wahrheit ------------------- Es war grausam wie der Schmerz ihren Körper sich verkrümmen und zittern ließ, sodass sie nichts dagegen tun konnte. Sie lag einfach da, die Haare wie verrückt über das ganze Bett ausgebreitet, die geröteten Augen noch tränennass und aufgerissen, die Fäuste in die Bettdecke gekrallt. Hunger. Sora Sachimi hatte einen Hunger, wie sie ihn niemals zuvor in ihrem Leben gespürt hatte. Immer war sie versorgt gewesen und niemals hätte sie in einer Situation landen können, in der sie dieses Gefühl verspüren musste. Auch jetzt nicht. Weshalb sie trotzdem so nah an der Grenze zum Durchdrehen stand? Die Tatsache, dass sie ihr Essen nur noch hochwürgte, statt es zu verdauen. Biss sie in das Fleisch rein, verwehrte ihr Körper es sofort, noch wenn es auch nur im Hals war, war es schon wieder auf dem Weg nach draußen. Das zarte Fleisch, das von Menschen stammte, die ihr Leben auf eigenen Wunsch hin beendet hatten. „Ich… Ich werde sterben…“, keuchte sie und setzte sich langsam auf. Unweigerlich taumelte sie dann nach vorne, als sie versuchte aufzustehen. Hätte sie sich nicht an dem Tisch in unweigerlicher Nähe abstützen können, so wäre sie auf die Knie gesackt. Es war nie so gewesen. Jemand ganz besonderes hatte daran Schuld. Denn auch jedes Mal wenn Sora ihr Essen ansah, so kam ihr die Stimme in den Kopf.   „Sora-chan! Ich liebe dich!“   Die Ghoula kniff die Augen zusammen und taumelte zu ihren Schuhen. Langsam war genug und ihr Überlebensinstinkt ließ nicht zu, dass sie ihretwegen zu Grunde gehen würde. Dann stopfte sie es sich halt rein, sie wollte überleben.   Um zu essen, musste man erst mal dahin gelangen, wo es etwas gab und das war ausgesprochen schwierig in Soras schwachem und müdem Zustand. Der Weg zu ihrer Arbeitsstelle erschien so unendlich weit und weil es schon mindestens eine Stunde nach Mitternacht war, fuhren in Tokio keine Bahnen mehr, was bedeutete, dass sie laufen musste. Ab und an kamen ihr einige junge Leute entgegen, die gefeiert hatten oder gerade noch dabei waren, jedoch waren es viel weniger als früher einmal. Die Nachrichten und Älteren hatten es also langsam komplett geschafft den Kindern aufgrund der Existenz von Ghoulen die Lust am Leben zu nehmen. Sora konnte nur schnauben und hielt kurz an, um ihre Kraft für die nächsten dutzend Schritte zu sammeln. Manchmal, da fühlte sich die Kellnerin ganz philosophisch, wenn sie über die Ungerechtigkeit nachdachte, die jedes Leben begleitete. Hatte sie sich etwa aussuchen können, dass sie als Ghoul geboren wurde? Oder konnte ein Mensch wählen, bevor er in die Welt eintrat? Sie hatte sich ihre Rasse nicht ausgesucht und musste trotzdem wie in einem Käfig eingesperrt als Mensch verkleidet leben. Nun war jedoch diese interessante Zeit angebrochen, in der sich die Menschen aus Angst anfingen selber einzusperren. „Wie dumm.“, schnaubte Sora und machte sich wieder auf den Weg und dachte weiter nach. Mit ihrer Äußerung benannte sie nicht nur das Versteckspiel der beiden Rassen, sondern in diesem Moment alles. Die Stadt Tokio; die anderen Ghoule, die die Regeln aufstellten; die Schwalben, die Gestalten wie Sora jagten und dies mit im wahrsten Sinne des Wortes “Unmenschlichen“ Waffen benutzten. Ich muss unbedingt etwas essen. Von diesem Gedanken angetrieben versuchte sie ihr Tempo zu erhöhen und schneller an ihr Ziel anzukommen, als sie das Café Haus dann schließlich sah, war sie erleichtert über das brennende Licht und setzte dazu an die Tür zu öffnen, als das verriegelte Schloss sie hinderte. „Wer da?“, hörte sie eine bekannte, sanfte Stimme und lächelte. „Uta, ich bin´s.“, nach kurzem Zögern hing sie noch ihren Namen an. „Sachimi Sora.“ „Sora-san!“, eilig wurde die Tür aufgeschlossen und der dunkelhaarige, tätowierte Ghoul zeigte sich mit einem breiten Lächeln. „Sora-san, rein mit dir, na los!“ Das ließ die Kellnerin sich  nicht zwei Mal sagen und ging eilig  an ihm vorbei in das Café, wo sie noch einige andere Gesichter zu sehen bekam. „Oh, wurde etwa ein Treffen einberufen?“, wurde gefragt und leicht lächelnd begrüßte Sora die anderen Anwesenden. Yomo beispielsweise, ein gutaussehender junger Mann, der selten lächelte. Der Caféinhaber Herr Yashimura stand wie zu oft hinter dem Tresen und wusch die letzten paar Gläser ab, dabei schaute er überrascht zu seiner Angestellten. „Sora, was kann ich für dich tun?“       „H-hunger.“, sagte sie nur und setzte sich seufzend. „Uta, bitte bring ihr was.“ Der  Tätowierte nickte und begab sich in den geheimen Hinterraum, während die anderen sich weiter unterhielten. „Jedenfalls…“, setzte Yomo fort und strich sich seine Haare aus dem Gesicht. „Ist momentan einfach alles angespannt… Seit der Sache mit Hinamis Eltern ist alles noch viel schlimmer.“    „Diese beschissenen Schwalben.“ „Kannst du laut sagen.“, warf Uta ein. „Ein Ghoul zu sein ist auch nicht mehr das, was es früher mal war.“ Gerade wollte Sora etwas erwidern, da vernahm sie eine zittrige Stimme hinter sich.   „I-ihr seid…. G-ghoule…?“   Alle Anwesenden wirbelten herum und starrten den neuen Besuch an, Soras Augen verzogen sich wütend. Jonin Marry stand vor der geschlossenen Eingangstür und sah erschrocken zu der rothaarigen, die anderen Personen interessierten sie nicht auch nur einen Moment lang. Die grauen Augen wirkten riesig und verunsichert, das Gesicht erschrocken und ihre Hände zitterten. „Was tust du hier?!“´ „Ich eh… Ich habe gesehen, dass du so spät aus dem Haus gegangen bist, da habe ich mir schrecklich Sorgen gemacht und bin hinterher…“, es schien als ob die Schülerin so eine Angst hatte, dass sie immer kleiner zu werden schien. „Wieso machst du so einen Scheiß!? Woher weißt du überhaupt wo ich wohne…?!“  „Sora-chan, ich weiß alles über dich weil ich dich lie-“ „Nein!“, schrie die Ghoula auf und ließ so die jüngere wie ein verängstigtes Tier zusammenzucken. Sora erhob sich von ihren Platz und strich sich die verwuschelten Haare aus dem Gesicht, ihr Ausdruck kam dem eines Racheengels nahe. „Ich hätte dich schon umbringen sollen, als du angefangen hast so zu nerven.“ „Sora-chan!“, keuchte Marry auf, plötzlich war ihre Körperhaltung offener und ohne Scham zeigte sie die Tränen in ihren geschminkten Augen. „Es tut mir leid, i-ich wollte nicht, dass…“  Sobald sie bemerkt hatte, dass die andere ihr, während sie unsicher Wörter vor sich her stammelte, ihr näher kam, holte Sora aus und kickte dem verliebten Mädchen mit ihrer dreckigen Schuhsole ins Gesicht von sich weg. Mit einem aufheulen stürzte Marry nach hinten auf den Boden, über ihrer Wange und Nase zeigten sich eine rote Stelle von Soras Schuhabdruck, doch weinte sie nicht aus Schmerz. Man sah in ihrem Weinen ganz deutlich, dass es inneren seinen Ursprung hat. „Immer sagst du nur so gemeine Sachen zu mir!“, schrie sie plötzlich. Im Hintergrund erhob sich auch Yomo und schaute verwirrt. Sora drückte ihre Lippen aufeinander und beobachtete ihr Gegenüber irritiert. „Ach ja?“ „Immer nur sagst du mir, ich sollte lieber tot sein! Dass ich mich von dir fern halten sollte…“, sie hatte beim Sprechen gespuckt und diese lief ihr nun langsam ihren Mundwinkel hinunter. Zitternd begab sie sich auf ihre Knie, graue verletzte Augen starrten zu den Ghoulen hinauf. „Mir ist egal wer du bist oder gar was du bist! Mir ist es egal, ob du meine Liebe jemals erwidern solltest oder mich je akzeptierst…“, Marry schluckte. „Aber meine Liebe bleibt. Ich liebe dich, Sachimi Sora.“ Schweigen. Uta räusperte sich. „Sollen wir sie… weg bringen?“  „Nein, ihr fasst sie nicht an.“, halbherzig griff die Rothaarige, Marrys Arm und zerrte sie hoch. „Hör auf zu heulen, du Spuckweib.“ „Sora-chan…“ „Ich bringe sie nach Hause.“, teilte sie den anderen Ghoulen mit und schubste die kleinere gegen die Eingangstür des Cafés. Marry quietschte mitleiderregend auf und keuchte. „Was ist mit deinem Hunger?“, fragte Herr Yashimura in Sorge, man konnte nicht wissen, ob diese seiner Angestellten galt oder nicht eher dem weinenden Mädchen. „Geht so.“, meinte Sora und schubste ihre Verehrerin heraus.   Schweigend liefen die beiden Mädchen in den wenig befahrenen Straßen Tokios nach Hause. Passanten trafen sie noch viel weniger als wie auf dem Hinweg und während Marry versuchte mit aller Kraft mit dem Weinen aufzuhören, musste Sora mit etwas ganz anderem kämpfen. Natürlich, ihr Hunger war nicht einfach so verschwunden und der Mensch, der eng neben ihr lief verbesserte die Situation nicht. „Sora-chan.. Vielen Dank …“ „Halt lieber deine Schnauze oder ich trete dich gleich nochmal.“ Als neben ihr ein kichern ertönte, schaute Sora verwundert zur Seite. „Glaubst du mir nicht?“ „Nein, das tue ich nicht.“, Marry lächelte. „Weshalb solltest du mich denn sonst nach Hause bringen?“, das Mädchen kramte gerade ihren Schlüssel für die Wohnung auf, da packte Sora sie an den Schultern und drückte ihren Rücken gegen das kalte Holz der Tür. Laut keuchte Marry auf und sah ihrem Gegenüber ins Gesicht. In ihren Augen sah man noch die letzten Spuren ihrer vergossenen Tränen, aber auch das übliche Lächeln fehlte. Die Ghoula bleckte ihre Zähne und kam ihrem Gegenüber so nah, dass sie nur flüstern musste um mehr als deutlich verstanden zu werden.  „Wie dumm kann ein einziges Mädchen sein?“    Marry hielt die Luft an und antwortete nicht. „Soll ich dir hier und jetzt die Kehle rausreißen? Du hast doch wohl verstanden, was ein Ghoul ist?“ Ernst sah die Schülerin zu ihr auf. „Ich bin nicht dumm.“, sanft legte sie ihre Hand an Soras blasse Wange, dabei lächelte sie. „Sondern verliebt.“ Beinah sprühten Soras Augen Funken und noch mehr, zeigte sie ihre ungewöhnlich spitzen Zähne. Weshalb nur machte sie dem schutzlosen Mädchen keine Angst? Was sollte sie denn noch tun? Marry kicherte wieder und behielt ihre Hand einen längeren Moment an Ort und Stelle. Zärtlich strich sie mir ihren Fingern über die Haut, dann bückte sie sich und hob den Schlüssel auf, den sie bei ihrem plötzlichen Angriff hatte fallen lassen. Als sei nie etwas geschehen, schloss sie ruhig ihre Tür auf und trat in den Genkan ein, dem kleinen Eingangsbereich einer jeder Wohnung. Ruhig setzte sie sich auf die Stufe zum Wohnbereich und schnürte ihre halbhohen Schuhe auf. Sora blieb währenddessen einfach stehen und betrat die Wohnung wie beim ersten Mal, ohne die Schuhe auszuziehen. „Du solltest schlafen gehen.“ Die Schülerin nickte und streckte sich, dann zog sie sich plötzlich in der Tür zu ihrem Schlafzimmer den Rock aus. Soras Miene blieb unberührt, dann beobachtete sie wie Marry sich auf ihr Bett setzte und anfing ihre Bluse aufzuknöpfen. „Mir war gar nicht klar, wie müde ich bin.“ „Ja, in die Fresse zu bekommen, kann anstrengend sein.“, kommentierte die Rothaarige und blieb in der Tür stehen. Marry legte ihr Oberteil behutsam zusammen, dann schaute sie länger zu ihrem Gast, als erhoffte sie sich irgendeine Reaktion auf ihre pastellrosane Unterwäsche zu finden. Sora gönnte ihr nicht diese Blöße, dachte für sich aber, dass sie wie ein kleines Kind wirkte. Dies lag nicht nur an ihrem Benehmen oder der Farbe ihrer Wäsche, ihr Körper schien sich einfach nicht weiterentwickelt zu haben. „Jetzt leg dich hin und bedeck deine peinlichen A-Körbchen.“ Marry schmollte, hörte jedoch und legte ihre Decke über sich. „Gute Nacht, Sora-chan!“ „Nacht.“ Nochmal lächelte sie, dann schloss sie die Augen, und keine zehn Minuten später sabberte sie auch schon vor sich hin. Es war, wie sie schon in der Bar gesagt hatte, einfacher, wenn sie Marry einfach umbringen würde. Natürlich wäre der Tod reines Unglück, wie durch ein zu schnell fahrendes Auto oder besoffenen jugendlichen Jungs, die von dem lächerlichem Lolitaaussehen verführt wurden. Vielleicht waren es auch schon etwas ältere Männer, die zufälliger Weise mit Sora befreundet waren…? Sora seufzte und ging leise einige Schritte vor und betrachtete noch einmal ihre Stalkerin. Dass sie ein schönes Gesicht hatte, konnte man nicht leugnen, so sehr sie auch nervte und quietschte, schön war sie.  Von dem Gedanken, den sie soeben hatte angeekelt, verzog Sora ihr Gesicht und beschloss so schnell sie konnte, die Wohnung zu verlassen. Das einzige was sie dachte war, dass sie nun hoffentlich essen konnte.     Kapitel 5: Liebe und Frieden ---------------------------- Was ist es, wovor Sie sich am meisten fürchten?   Im ersten Moment wirkt diese Frage auf mich recht simpel, denn wir Menschen fürchten uns vor so vielem, dass man unser ganzes Leben als eine Angst bezeichnen kann. Doch was ist es, das mich am meisten erschreckt? Ich dachte erst mal es sei ganz klar, dass es auf die Lebenssituation ankommt: In der letzten Klasse der Mittelstufe war meine größte Furcht wohl, dass meine Noten nicht gut genug sein würden- heute mache ich mir über schulische Leistungen wenig Gedanken. Viele Antworten sicher „Ich habe Angst meine Lieben zu verlieren“ aber meine Eltern sind schon lange tot und ich lebe alleine. Es gibt jemanden ganz besonderen, den ich sehr liebe. Aber von dieser Person weiß ich ganz sicher, dass sie für sich selber sorgen kann, also muss ich mir um andere Menschen keine Gedanken machen. Nachdem ich mich länger mit der Frage beschäftigt habe, kam ich schließlich zu einer nicht ganz so ehrenhaften (aber dafür ehrlichen!) Antwort- Mein eigenes Leben ist das, um das ich am meisten bange. Vermuten tue ich, dass dies etwas ganz normales ist, da ich von mir selber weiß, dass ich schwächlich bin und ein leichtes Opfer bin. Ob nun bei einem Autounfall (erst letztens wäre ich beinahe überrollt worden!) oder doch bei einem Angriff- ich habe keinen Einfluss darauf wie sich mein Leben gestaltet und muss mich dem Schicksal hingeben, genau davor habe ich am meisten Angst.   Jonin Marry     „So ist das in Ordnung…“, müde seufzte Marry und schlug ihr Schulheft zu. Wofür es auch immer nötig gewesen war, diesen Aufsatz als Aufgabe zu machen, ihr Lehrer hatte sicher einen Grund dafür. Genau deswegen hatte die Schülerin sich lange Gedanken gemacht und mehrere Versuche des Textes zu Papier gebracht, bevor sie ganz zufrieden sein konnte. Durch die Entlastung des Fertigstellens fühlte sie sich viel leichter und befreiter. Mit einem Lächeln legte sie sich ins Bett und streifte ihre Absatzschuhe ab. Sie schloss ihre Augen und versuchte zu schlafen, doch ihre Gedanken kreisten sich viel zu schnell, viel zu kompliziert, um ihr diese Ruhe zu gönnen. „Hör auf damit…“, murmelte sie zu sich selber und legte sich die Handflächen auf die geschlossenen Lider, aber es war unmöglich. Das was sie in ihrem Aufsatz geschrieben hatte war wahr. Sie hatte Angst zu sterben, aber es gab da etwas, dass sie so sehr zum Zittern brachte, dass sie es nicht hatte aufschreiben können, selbst daran zu denken widerstrebte ihr. Ghoule. Es gab viele grausame Möglichkeiten zu sterben, aber keine stellte sie sich schlimmer vor, wie bei lebendigem Leib aufgefressen zu werden. Schon als kleines Kind hatte sie bei den Geschichten von menschenfressenden Dämonen angefangen zu schreien und ihre Mutter mit einem Kissen geschlagen. Seitdem sie jedoch wusste, dass solche Wesen wie Ghoule wirklich real waren, brachte es nichts mehr wie früher mit dem erzählen aufzuhören. Ob sie ihre Augen nun vor dieser Tatsache verschloss oder nicht; umgebracht und gefressen werden konnte sie nun so oder so. Eilig machte Marry die Lampe auf ihrem Nachttisch an und schaute mit Erleichterung in die Glühbirne. Mit Licht verschwanden die in Dunkelheit entstandenen Bilder aus ihrem Kopf- zumindest halbwegs. Ihre nackten Füße setzte sie nacheinander auf dem Boden auf und tapste in die Küche, um sich einen Tee zu kochen. Müde setzte sie sich mit der Tasse an ihren kleinen Tisch und beobachtete, wie das heiße Wasser sich langsam in die Farbe des Blutes färbte. Sora war auch ein Ghoul, das wusste sie nun. Wahrscheinlich würde man ihr sagen, dass es nun die höchste Zeit war, um sich von Sora fernzuhalten, wenn sie denn mit jemanden darüber sprechen würde. Aber sie hatte niemanden, dem sie soweit vertrauen würde, geschweige denn jemanden, der ihr glauben würde. Ja, nach außen hin wirkte die Rothaarige sehr unterkühlt, vielleicht sogar gemein, wenn nicht sogar bösartig. Leute wie Luna, die in der Schule neben Marry saß würden sagen, dass man sich über die wahre Gestalt der Kellnerin nicht wundern bräuchte. Aber so war es nicht. Sora war kein Monster und auch nicht bösartig, selbst Marry selber, die solch eine Angst empfand, dachte mittlerweile daran, dass man die Ghoule falsch darstellte. Vielleicht war alles anders als es schien und die unnatürlichen Wesen  mussten sich aus falschem Grund vor der Menschheit verstecken. Vielleicht, so Marrys Überzeugung nach, hatten sie sich schon so an die Ablehnung gewöhnt, dass sie dachten, sie wären wirklich solch schreckliche Gestalten. Vielleicht musste sie Sora einfach nur zeigen, dass sie eine ganz besondere Person war. Denn das war sie ja auch, sie war der Mensch, in den Marry verliebt war und den sie schützen wollte. Dem Mädchen war es nicht möglich dies körperlich zu tun, daher würde sie das auf ihre eigene Weise tun. Soras Natur war ohne Frage lieb, denn sonst hätte sie Marry nicht schon mehrmals nach Hause gebracht, geschweige denn ihr geholfen. Ihr Verhalten in der Außenwelt war nur eine Maske, einer Rolle, die sie sich selber aufgezwungen hatte und Marry würde diejenige sein, die sie aus dem Schauspiel erlösen würde.   Am nächsten Tag lief Marry zügig den Weg zwischen Schulgelände und dem Café Antik, denn sie wollte unbedingt vor den Studenten erscheinen und sich einen guten Platz mit Blick auf die Arbeitertheke sichern. Mittlerweile war die Hanami und damit der schöne Frühling zu Ende, stattdessen ließen die wenigen Bäume Tokyos ihre bunten Blätter zu Boden fallen und säumten damit den Boden. Wenn Marry darüber hinwegschritt, knisterte das Laub etwas und brachte sie damit zum Lächeln. Das Glöckchen sang, als sie die Tür des Cafés aufschlug. Genau in dem Moment blickte Marry nach vorne direkt in die dunklen Augen der Kellnerin, auf die sie nur zu gehofft hatte. Sora schaute sie noch einen Moment lang an, dann  seufzte sie und nahm zwei Tassen auf. „Willkommen.“, nuschelte sie und lief mit dem Geschirr an ihr vorbei, zu zwei kichernden Mädchen. Marry beobachtete sie dabei und belegte ihren Lieblingsplatz. Da nahm sie ihre Jacke ab und packte ihre Schulsachen aus der Umhängetasche. Kurze Zeit später kam Sora zu ihr und lehnte ein leeres Tablett gegen ihre Hüfte. „Für dich wieder n Tee?“ Glücklich grinste Marry auf. „Ja ganz genau.“ „Den grünen?“ „Hihihi ja. Du musst mich gern haben, wenn du schon auswendig weißt, was ich bestelle.“, strahlte Marry. Sie andere seufzte und kritzelte seufzend etwas in ihren Block. „Wenn du meinst.“ „Oder weißt du es etwa bei anderen Gästen auch?“ Einen Moment lang legten sich Soras dunkle Augen plötzlich in die der Schülerin und bohrten sich nur nahezu hinein, als blickten sie direkt in ihre Seele. „Nein weiß ich nicht.“, antwortete der Rotschopf dann und wandte sich schnell ab. Marry keuchte auf und atmete schnell angehaltene Luft aus. So rot wie sie wurde, konnte dies von keinem Make up der Welt versteckt werden. Was war nur gerade geschehen? Sora war weder freundlich noch abweisend gewesen und dies verwirrte sie sehr. Verzweifelt versuchte sie dieses Verhaltensmuster irgendwohin einzuordnen, dann gab sie den Versuch auf und beobachtete ihre Angebetete dabei, wie sie durch das ganze Café rauschte und verschiedene Leute mit einem grimmigen Blick bediente. Nach einem weiteren Moment nahm sie sich zusammen und schlug  ihr Mathebuch auf, darüber legte sie ihr Heft und studierte die Mitschrift der letzten Stunde. Einige Zeit später stellte Sora die Tasse Tee an den Tisch und warf ebenfalls einen Blick auf die beschmierten Blätter. „Physik?“ „Mathematik.“, antwortete Marry und lächelte über ihre Schulter zu ihr. „Aber ich bin grottenschlecht. Im Unterricht zeichne ich die meiste Zeit…“, dann kam es ihr wieder und eilig blätterte sie einige Seiten zurück. „Schau mal, das bist du!“ Kurz wurde Soras Miene erschüttert, dann holte sie mit dem Tablett aus und schlug es der kleineren an den Kopf. „Wie kannst du es dich wagen, deine perversen Fantasien mit mir in dein Schulheft zu zeichnen?!“ „Aua aua! Aber Sora-chan, ich musste dich in Unterwäsche zeichnen!“   „Und wieso?“, der Ghoul stemmte seine Hände in der Hüfte. Auf diese Ausrede war sie nun wirklich gespannt. „Anders konnte man deinen üppigen Busen doch nicht so in Szene setzen!“  „MARRYYY!“   Während ihres Aufenthalts im Antik war es nicht möglich, auch nur mit einer mathematischen Formel zu arbeiten. Immer wieder rauschte Sora an Marry vorbei und verführte sie zu Tagträumen, die sie strahlen ließ. So lange bis die Kellnerin in den Hinterraum des Cafés verschwand und dann ohne Uniform wieder heraus kam. Augenblicklich sprang die verliebte Lolita auf und nahm ihre Sachen schnell zusammen. Das Geld legte sie dem alten Inhaber hin und lächelte ihn an, dann spurtete sie sich Sora auf ihren Heimweg zu folgen. Als hätte es ihre Angebetete schon geahnt verzog sie keine Miene als Marry von hinten angerannt kam und dann keuchend neben ihr lief. „Heute war es aber ziemlich leer oder?“  „Mhm.“, antwortet sie monoton und ließ die Schülerin weiter plappern. Marry redete ohne Unterbrechung über ihren Alltag in der Schule und davon, wie sie immerzu an Sora denken musste und ständig alles mit ihr in Verbindung brachte. Dann hielt sie die Luft an als sie an einer Kreuzung ankam, die den Heimweg der beiden voneinander trennten. „Du musst mich nicht nach Hause bringen!“, verkündete Marry fröhlich und Sora mahlte kurz genervt mit ihrem Kiefer. „Keine Sorge, hatte ich nie vor.“, stieß sie zwischen den gefletschten Zähnen hervor, dann keuchte sie auf, als die kleinere die Arme um ihre Hüfte schlang  und sich an sie drückte. Überrascht spürte Marry, dass Sora ihre Umarmung nicht abwies und einfach gar nicht reagierte. Augenblicklich errötete sie und lächelte überglücklich und versuchte den Moment zu verinnerlichen. Ihren bereits eingeprägten Geruch, ihre Körperwärme. Die weiche Jacke an ihrem Körper. Im Glückstaumel schmiegte Marry ihren neben Sora schwächlich erscheinenden Gestalt an den ihrer Geliebten und legte den Kopf an ihren üppigen Busen ab und für ein paar Sekunden schien alles perfekt zu sein. Marry war es egal wo sie sich befand oder wie lange schon. Ob ihr kalt war oder sie Hunger hatte. Alle Bedürfnisse schienen nicht mehr zu existieren und das einzige, dass es auf der Welt gab, waren sie und Sora. Dann wurde sie grob von der Kellnerin weg geschubst und Marry taumelte zwei Schritte nach hinten, noch immer lächelnd sah sie zu ihrem Gegenüber auf. Sora erschien so, als würde sie etwas sagen wollen, doch sie ließ. Für einige Sekunden starrte sie das Mädchen nur mit einem undeutbaren Blick an und überquerte dann die Straße ohne sich ein weiteres Mal umzudrehen. Marry blieb einfach stehen und war nicht mehr als der glücklichste Mensch der Welt.   Kapitel 6: Zu viel ------------------ Ihre langen Haare waren zu zwei hohen Zöpfen gebunden, die dann auch noch jeweils mit zwei blau gemusterten Schleifen versehen waren. In den dünnen Fingern lag ein glitzernder Kuli, mit dem sie schnell über ihr Heft kritzelte. Da die Augen nur auf dem Papier gerichtet waren, waren die Lider gesenkt und präsentierten glitzernden Lidschatten und einen sauber gezogenen Lidstrich. Die rot angemalten Lippen bewegten sich leicht, als würde sie die geschriebenen Wörter leise mitsprechen. Ein violettes Rüschenkleid ließ sie niedlich aussehen und gab einen Blick auf das kleine Dekolleté frei. Und plötzlich schüttete Sora sich und betrachtete entgeistert die Kanne Kaffee die sie hielt, dann fiel ihr auf, was sie da eigentlich tat. Marry beobachten. Sie beobachtete ihre Stalkerin, die normalerweise sie beobachtete. So wie es halt normal war, ein  Stalker beobachtete und wurde nicht selber beschattet. Mit zerknirschter Miene trat Sora zu einem Kunden und goss ihm etwas von dem frischen Kaffee in seine leere Tasse ein, dann ging sie wieder hinter den Tresen und schaute nochmal zu ihrem aufdringlichsten Kunden. Marry lernte weiter Englisch, dann hob sich plötzlich ihr Blick und die strahlenden grauen Augen sahen zu Sora hinüber, wo ihr Lächeln auf den Lippen sofort zunahm. Die Kellnerin wollte es sich nicht eingestehen, doch war es wirklich Liebe in der anderen, die sie so zum Strahlen brachte. Natürlich war es nicht zu verneinen, dass noch irgendeine psychische Störung hinter all den kranken Taten des Mädchens steckten, aber diese Gefühle von denen sie andauernd sprach, die waren anscheinend wirklich da und präsent. Irgendwie widerte dies Sora an und während sie Marry´s sanften Blick mit harter Miene erwiderte, hatte sie nur einen Gedanken. Sie lässt einfach nicht ab. „Soraa?“ Die Ghoula schaute ihren jüngeren Kollegen Ken ausdruckslos an. „Hum?“ „Dieses Mädchen da…“, sein Blick glitt zu Marry, die gerade vor sich her kicherte und dann wieder in ihre Schulbücher schaute. „Was soll mit der Brillenschlange sein?“ „Eh… N-nun Uta hat mir von… dem Abend neulich erzählt…“ Natürlich wusste Sora sofort wovon er redete und die Erinnerung an diese Nacht wurden durch die permanenten Schmerzen, die ihr Körper aussendete um ihr zu zeigen, dass es höchste Zeit war etwas zu essen, durchgehend in ihre Gedanken geprügelt. Wenn Marry nicht dazwischen gekommen wäre, hatte die Ghoula etwas von dem Fleisch essen können…? Diese Frage stellte sie sich andauernd. Denn nun, eine Woche später, hatte sie sich nicht dazu überwinden können. Immer war es Marry in ihrem Kopf, die sie davon abhielt zu essen und dies schon seit Monaten- Sora würde es nicht wundern, wenn sie bald tot wäre. Nun räusperte Sora sich und schaute ihren Gesprächspartner ernst an. „Die wird dicht halten, du brauchst sie keine Sekunde länger anzusehen.“ Ken nickte und so gab sie sich wieder ihrem Hunger hin, bis er wieder anfing zu sprechen. „Die Blumen da auf dem Tresen, woher kommen die?“ Soras Blick wanderte auf die in einer Vase steckenden Rosen an ihrem Arbeitsplatz und ihre Miene verfinsterte sich. „Die hat der Chef dorthin gestellt.“, Details verschwieg sie, denn eigentlich gehörte das Gewächs zu ihr. Die Karte mit der Aufschrift „Von der verliebten Marry für die liebe Sora!“, hatte sie eilig weggeschmissen, bevor Herr Yashimura auch nur etwas ahnen konnte. Der alte Mann freute sich über die Aufmerksamkeit eines zufriedenen Kundens und Sora wollte ihm diesen Glauben nicht nehmen. Zwei Stunden später trank Marry an ihrer fünften Tasse Tee und Sora beendete ihre Schicht. Ihre Schürze hing sie in dem Hinterraum in den für die bestimmten Spind. Die Weste öffnete sie und strich sich einige Male über die schmerzende Brust, die durch das zu enge Kleidungsstück aneinander nach hinten gedrückt wurden, dann zog sie sich ihre Jacke über und verschwand nach einer knappen Verabschiedung über den Hintereingang. Lange blieb sie nicht alleine, Marry hatte ihr Verschwinden natürlich sehr schnell bemerkt. „Du läufst ja so schnell!“, keuchte die Schülerin außer Atem, als sie neben dem Rotschopf ankam. Als würde ich das nicht nur wegen dir tun… Gereizt fletschte sie ihre Zähne, verbiss sich jedoch etwas zu sagen. „Duuu, Sora-chan?“, fragte Marry unschuldig und trat noch enger an die andere heran. Erst jetzt fiel ihr auf, dass dünne kleine Regentropfen vom Himmel fielen und die ganze Stadt von dem Nieseln erfüllt war. „Oh.“, auch Marry schien erst jetzt von dem Wetterumschwung Notiz zu nehmen, dann suchte sie panisch in ihrer Tasche herum, ehe sie einen kleinen rosa Regenschirm herausnahm. Natürlich rosa, jede andere Farbe hätte doch nicht zu ihrem Nagellack gepasst, spottete Sora für sich alleine, dann knurrte sie leise als Marry ihr so nahe kam, dass die beiden Arme der Mädchen sich beim Laufen berührten. Bevor die Ghoula zu einem Schlag ausholen konnte, bemerkte sie dann, wie der Schirm über ihren Kopf gehalten wurde und der Regen aufhörte sie zu nerven. Von unten lächelte Marry sie liebevoll an. „Wenn wir eng beieinander laufen, muss keiner von uns beiden nass werden.“ Zu gerne hätte Sora sofort eine Erwiderung gegeben, von wegen sie hätte das gar nicht nötig oder lieber würde sie nass werden, statt sich auf dieses Niveau zu begeben, doch sie blieb ruhig. Irgendwie konnte sie die Stimme gar nicht erheben. „Wirklich hinreißend von dir… aber unser Weg wird sich sowieso gleich trennen.“ Neugierig wurde sie angeblickt. „Ich muss einkaufen und du musst für deinen Nachhauseweg jetzt rüber.“ „Nimm mich doch bitte mit!“, bat das Mädchen. „Never.“ „Biiiitte!! Ich bin auch super brav!“ Ungeduldig blieb Sora stehen und zerrte Marry an einem ihrer Zöpfe nah an sich ran. Bedrohlich bleckte sie ihre Zähne und zischte. „Nein habe ich gesagt.“ Marry´s Augen wirkten riesig, dann lächelte sie leichtgläubig und legte besänftigend eine Hand auf Sora´s Arm. „Na gut, vielleicht ein anderes Mal.“ Das dachte Sora kaum, doch statt etwas zu sagen, schüttelte sie eilig die Finger der andern von sich und ließ sie los. „Na dann, verpiss dich jetzt bitte.“ Das Mädchen zog eine Schnute. „Etwas höflicher bitte“, dann lachte sie und reichte ihr den Schirm. „Hier, nimm du ihn. Dein Weg ist etwas länger und du hast den ganzen Tag schon gearbeitet.“ Einen Moment hielt Sora inne und nickte dann, den angebotenen Regenschutz nahm sie an. „Ich frag mich warum du so dumm bist. Denk doch lieber daran, dass du krank wirst.“ „Das hatten wir doch schon mal! Ich bin nicht dumm, sonder ver-“ „Jajaja.“, Sora wollte das bloß nicht wieder hören. Die dumme, peinliche Liebeserklärung. „Pass gut auf dich auf, Sora-chan.“, auf den Zehenspitzen beugte Marry sich vor. Obwohl die Ghoula kommen sah, was kommen würde, bewegte sie sich nicht und ließ es zu. Wie erstarrt beobachtete sie ihr Gegenüber und spürte den Kuss auf ihrer Wange. Weder fühlte es sich besonders gut an, noch besonders schlecht. Wenn man so darüber nach dachte war so ein Kuss nichts besonderes. Man drückte einfach die Lippen auf die Haut einer anderen Person. Nur die Menschen machten immer so ein großes Drama darum und hatten diese Art von Berührung zu einem Symbol von Liebe gemacht. Marry strahlte wie ein kleines Kind und weinte fast vor Freude. Wer weiß wie lange sie es sich schon gewünschte hatte Sora mit ihren Lippen so nah zu sein… „Denk bloß nicht, dass das irgendeine Bedeutung hat.“, warnte der Rotschopf, dann drehte sie sich weg und schritt ihren Weg voran. Das Nieseln war mittlerweile zu einem richtigen Regenfall geworden und Sora war froh, den Regenschirm zu haben. Da sie ja sowieso weiterhin am Verhungern war, konnte sie es sich nicht leisten noch krank zu werden, vermutlich würde sie in diesem Fall wirklich sterben müssen. Wo ihr der Gedanke vom Essen gekommen war, spürte sie die Schmerzen noch viel deutlicher. Bevor sie überhaupt wusste was sie da tat, bemerkte sie, dass sie Marry´s Gestalt hinterher sah, die sich beeilte und zusah, dass sie so schnell wie möglich vor dem Wasser sicher war. Ihre Gedanken überschlugen sich und sie musste etwas lächeln. Diese Sache würde zwei Probleme auf einmal lösen. Dann schüttelte sie sich, plötzlich brannte die Stelle, die vor wenigen Sekunden noch geküsst wurde etwas.   Am nächsten Morgen saß Marry an dem Tresen des Antik und beobachtete ihre Liebste dabei, wie sie den Filter der Kaffeemaschine wechselte. Sora bleckte ihre Zähne, als es nicht so funktionierte. Sie wünschte, sie könne so das Gerät einschüchtern. Der besorgte Blick ihrer Stalkerin half ihr nicht viel dabei, das Problem zu lösen, dann entkam dem Inneren ein Klicken und die Sache war erledigt. Erleichtert seufzte Sora und nahm dann ihre eigene Tasse Kaffee; diesen kippte sie nur so herunter. Am Anfang hatte es ja noch geholfen, den Hunger einzudämmen, doch mittlerweile war selbst dieses Wundermittel beinahe wirkungslos. „Du siehst überhaupt nicht gut aus, Sora-chan…“ Mit kalten Augen sah der Ghoul zu ihr auf, selber war sie schon ganz entkräftet. Du bist der Grund allen Übels. Ich weiß zwar nicht wieso, aber seitdem du aufgetaucht bist hat alles angefangen. Deine Existenz zerstört mein ganzes Leben. Hass trat in ihren Blick. „Wieso bist du nicht einfach verschwunden?.“, murmelte sie schließlich, ohne eine Antwort zu erwarten. Marry verstand diese Frage anscheinend ganz anders. Vorsichtig sah sie nach rechts und links, doch niemand war in Hörweite. Trotzdem beugte sie sich ein Stück vor. „Mir ist egal ob du ein Ghoul oder ein Mensch bist, das ändert nichts an meinen Gefühlen.“ Na toll… Die Schülerin lächelte sanft. „Dich umgibt etwas Dunkles, vielleicht denkst du ja, dass du immer so grimmig sein musst, weil das alle von einem Ghoul erwarten… Aber ich weiß, dass noch etwas in dir steckt. Und ich denke, dass ich diese gute Seite in dir zum Vorschein bringen kann.“ Sora erwiderte den Blick. Irgendwie hatte dieses Mädchen recht, seitdem sie andauernd an ihr klebte, hatte sie sich wirklich verändert, auf eine Art und Weise, die ihr überhaupt nicht gefiel. „So, dankeschön für den Kakao!“, Marry klatschte und legte eilig einige Yen auf den Tresen. „Nun muss ich leider los, um nicht zu spät in den Unterricht zu kommen.“ Ein Glück, wer weiß, wie lange sie dieses Mädchen noch ertragen hätte.   Nachdem ihre Schicht beendet war, schlürfte Sora erschöpft nach Hause. Im Hinterzimmer hatte sie soeben noch einmal probiert etwas zu essen, doch es war ihr nicht gelungen. Da war einfach kein Licht im Tunnel, das ein Ende zeigen könnte. Bald würde sie deswegen sterben. Akzeptieren wollte und konnte sie das natürlich nicht, doch egal was sie tat, sie konnte einfach nicht dagegen wirken. Zuhause angekommen schmiss sie sich in ihr Bett, dessen Decke so einladend aufgeschlagen war, wie sie es am Morgen hinterlassen hatte. Warum auch das Bett zurecht machen, wenn man es doch eh wieder unordentlich machen würde? Schon bald wurde sie aus unruhigen Träume gerissen, als es an der Tür klingelte. Genervt fluchte sie und schlug sich das Kissen um die Ohren, ihr war klar, dass sie nicht aufmachen würde, egal wie oft der Idiot noch klingeln würde. Kein Geräusch folgte. Misstrauen wurde sofort geweckt. Es war nicht gerade typisch, wenn man jemanden besuchen wollte, klingelte und niemand auf machte, sofort zu gehen. Müde erhob sie sich und schlürfte zur Tür. Durch den Spion konnte sie keine Person ausmachen, trotzdem machte sie auf und trat dann fast in einen Korb, den man vor ihrer Tür platziert hatte. Böse Vorahnung überkam sie, während sie sich bückte und sich den Inhalt ansah. Rosa Erdbeermuffins. Natürlich wusste sie sofort von wem sie waren. Ihr Geschenk stellte sie auf den Tisch ab und setzte sich auf den Stuhl davor. Nach der Schule war Marry höchstwahrscheinlich nach Hause gerannt und hatte diese Dinger gemacht. Nur für sie, man konnte die Liebe in dem Gebäck beinah spüren. Missmutig nahm sie eins in die Hand und betrachtete es von allen Seiten, dann riss sie sich ein Stück ab und schob es sich in den Mund. Sofort würgte sie. Für einen Ghoul wie sie absolut widerlich, dazu noch auf komplett nüchternen Magen. Sora keuchte und biss dann ein größeres Stück ab. Bevor sie es wieder hoch bekommen würde, aß sie schnell weiter. Durch den Luftmangel hatte sie angefangen zu weinen, die Tränen rannen ihre blasse Wange herunter. Wieso zwang sie sich, das zu essen? Wieso warf sie das Zeug nicht einfach weg? Obwohl sie diese Fragen stellte, wusste sie die Antwort doch bereits. Marry. Das alles lag an Marry. Und sie musste weg, das hatte Sora gerade fest entschlossen.   Kapitel 7: Zu wenig ------------------- Sonnenstrahlen tanzten auf ihrer blassen Haut, die geflochtenen Zöpfe wirbelten bei jedem Sprung hin und her, der kurze Rock rutschte noch ein Stück weiter hoch, sodass es ein leichtes wäre einen Blick auf ihre helle Unterwäsche zu erhaschen. Fröhlich hopste Marry den Weg von ihrer Schule zum Café Antik. Durch das schöne Wetter und dem Ende des Schulunterrichtes war ihre Laune gehoben- ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sie Sora gleich wieder sehen würde, die sie gestern den ganzen Tag nicht zu Gesicht bekommen hatte. Wie gewohnt ertönte ein sanftes Klingeln, als sie die Tür des Ladens aufstieß und ihr täglicher Besuch hatte sich mittlerweile so sehr in ihr Leben gespielt, dass der alte Kaffeegeruch, der hier in der Luft lag etwas durchaus beruhigendes hatte. Die Einrichtung war dunkel gehalten, auch wurde eher zurückhaltend Licht durch die Fenster gelassen, aber dadurch strahlte Sora in diesem Raum noch mehr, als sie es ohnehin schon tat. Ein sanftes Lächeln legte sich auf die Lippen der Schülerin, als sie ihre Liebste erblickte, die gerade dabei war Gläser zu trocknen.   Was für ein unglaublich schönes und beruhigendes Gefühl sie zu sehen. Es könnte genau so der schlimmste Tag in dem Leben von Marry gewesen sein - solange sie wusste, dass es nie lange dauern würde bis sie wieder bei Sora war, war alles tragbar. „Hallo, Sora-chan!“, quietschte sie sofort fröhlich und lehnte sich an den Tresen, wobei sie sich gleichzeitig die Haare ihres Ponys hinter das Ohr schob. In der nächsten Sekunde klappte ihr der Mund auf und sie stellte sich sofort aufrecht. „Sora-chan… du siehst ja schrecklich…“ „Halt deinen Mund.“, finster blickte der Ghoul auf ihr Gegenüber herab. Die roten Locken hatte sie sich ausnahmsweise nicht in einen Zopf gebunden, sondern ließ sie widerspenstig ihren Rücken herunter fallen. Dunkle Augenringe lagen unter ihren leeren, geröteten Augen; wobei ihre Haut besonders im Gesicht weiß vor Blässe wirkte. „N-nein, das wollte ich nicht sagen!“, versuchte sich Marry schnell zu wehren, wobei sie die Hand vor den Mund drückte. „Oh Gott, du siehst schrecklich krank aus!“ Diese Erklärung schien nicht zu helfen, nach wie vor wirkte die Größere erzürnt. „Hast du mich nicht richtig verstanden?! Halt deine verdammte Klappe!“ Durch den lauten Tonfall der Kellnerin sahen einige Kunden auf, doch das Mädchen ignorierte ihr gesamtes Umfeld, während sie versuchte gegen aufkommende Tränen zu kämpfen. Sie wollte nicht angeschrien werden. „S-Sora-chan…“, entkam ihr ein Stottern, dann hörte sie etwas, was ihr zuvor noch nie zu Ohren gekommen war. „Entschuldige bitte… Ich wollte nicht…“, der Rotschopf brach ab und sah eilig zur Seite. „Sora-chan!“, keuchte Marry überrascht, unfähig etwas anderes zu sagen als ihren Namen. Wieder blickte ihre Liebste sie an und seufzte schwer. „Setz dich hin, ich bin dann gleich für dich da.“ Stumm nickte Marry und ging dieser Aufforderung nach. In der Ecke des Ladens, an einer ihrer Lieblingsplätze, hatte sie glücklicherweise noch einen Tisch ergattern können. Ruhig zog sie ihre Schulsachen aus der Tasche auf ihrem Schoß und konnte nicht aufhören zu Lächeln. Auch wenn Marry schrecklich besorgt um die Ghoula war, so freute sie sich riesig über das was gerade geschehen war. Sora hatte eingesehen, dass sie zu grob gesprochen hatte, noch dazu hatte sie sich sogar dafür entschuldigt. Auch wenn das schon mehr war, als Marry erwartetet hatte, kam es sogar noch dazu, dass sie ihren Ton nochmal geändert hatte. Marry hatte von Anfang an gewusst, dass ihre Mühen nicht vergebens waren. Wenn sie einfach so weiter machen würde wie bisher, würde sie genug sein um aus Sora einen besseren Menschen zu machen.   Glücklicherweise war diese auch bald an ihrer Seite, um die Schülerin aus ihren sehnsüchtigen Gedanken zu reißen. Nachdem Marry sich ihren üblichen grünen Tee bestellt hatte, machte sie sich dran die Aufgaben für die Schule zu erledigen. Pünktlich zu Soras Schichtwechsel wurde sie fertig, sodass sie anfing ihre Sachen wieder einzupacken, als ihr die Kellnerin die Rechnung hinlegte. Anstatt auf die Bezahlung zu warten, drehte sich Sora sofort wieder um und marschierte in den Hinterraum um ihre Uniform abzulegen. Mehr als verwundert beäugte Marry das Papier, das sie soeben erhalten hatte, dann entdeckte sie die feine Handschrift.       Der Tee geht auf mich. Bitte komm heute Abend zu der Anhöhe, deren Adresse ich dir auf der Rückseite notiert habe. Ich muss dir etwas sagen Bitte komm.   Sachimi Sora   Bevor Marry es auch nur bemerkt hatte, wurden ihre Augen nass. Dicke Tränen kullerten ihre roten Wangen entlang und ließen die Welt verschwommen wirken. Eilig wischte sie sich mit den Handrücken über die Lider und verteilte ihren glitzerten Lidschatten im Gesicht- nicht dass sie das in dem  Moment interessiert hätte. Als sie den Kopf hob, verschwand Sora gerade zur Tür, da drehte sie den Kopf kurz zur Schülerin und lächelte sie an. Beinah erstickte Marry; vor Aufregung hatte sie vergessen zu Atmen und sog auch erst wieder frische Luft ein, als Soras Gestalt nicht mehr zu sehen war.   Zuhause angekommen rannte Marry zu ihrem Laptop und ließ ihn hochfahren. Automatisch öffnete sich ihre helle Nightcoremusik und bevor sie den schrillen Stimmen Beachtung schenken konnte, war sie schon dabei die Adresse auf der Rückseite der Rechnung einzutippen. Einige Klicks später war ihr klar, wo ihre Liebste sie erwarten würde und aufgeregt ließ sie sich nach hinten auf das Sofa fallen. Erst jetzt, wo sie kurz zur Ruhe gekommen war, wurde ihr klar, was dies alles bedeutet. Sora würde ihr ein Geständnis machen. Endlich würde sie ein „Ich liebe dich“ aus ihrem Mund hören. Es war ja nicht so, als hätte Marry niemals daran gezweifelt- ganz im Gegenteil, eigentlich hatte sie nur zu darauf gewartet, doch hatte sie nicht gedacht, dass sie schon so bald in ihr verdientes Glück strömen würde. Warum Sora ihr ausgerechnet diese Adresse für einen Treffpunkt am Abend gesagt hatte, war ihr ebenso klar, von da oben aus konnte man die Sterne wunderbar beobachten und für einen kurzen Moment lang musste sie daran denken, wie sie in ihrer Vergangenheit als Kind haufenweise der Sommerabende dafür genutzt hatte, sich die funkelnden schönen Punkte anzusehen. Doch bevor sie sich weiter in Vergangenem verlor, raufte sie sich schnell auf und rannte durch ihr Zimmer. Schon lange hatte sie nicht so ein Adrenalin gespürt wie in diesem Moment. Natürlich musste sie heute ein ganz besonders schönes Kleid tragen.   Nach Stunden der intensiven Vorbereitung war Marry soweit mit der U-Bahn gefahren, wie es ging und war danach eine halbe Stunde eine Straße zu einem Hang hochgelaufen. Mittlerweile war die Sonne schon untergegangen, weiter hinten strahlten noch orangene Lichter. Tokyo sah einfach wunderschön aus, wenn man es von dieser Perspektive beobachtete. Beinah genauso atemberaubend sah jedoch Marry aus, wie sie sich die Haare etwas noch oben gesteckt hatte und das zartrosane Kleid perfekt zu ihrer hellen Haut wirkte. Durch ihr Äußeres und die dazu passenden Bewegungen, sah sie beinahe königlich aus und genau darauf hatte sie es abgesehen. Für Sora musste sie hübsch aussehen, wie sie es noch nie für jemand anderen zuvor gewesen war. Nach einiger Zeit war Marry an dem gemeinsamen Treffpunkt angekommen und die Füße, die in hohen Schühchen steckten, taten ihr weh. Dann erblickte sie die rothaarige Kellnerin, die nahe am Rande der Klippe stand und die weit entfernt scheinende Weltstadt ansah. „Sora-chan!“, rief Marry fröhlich und lachte wie ein kleines Kind, als die Gerufene ihr Gesicht etwas zu ihr drehte und dann die Hand nach ihr ausstreckte. Kichernd kam die Schülerin dem nur zu gerne nach, als würde man ihr ein Eis hinhalten rannte sie los, mit strahlend grauen Augen, immer weiter voran. Die Zeit schien still zu stehen und alles war perfekt, alles war vergessen. Die Vergangenheit, die sie immer von sich weg geschoben hatte war das erste Mal ganz verschwunden und das einzige, das sie vor sich sah war die strahlend Zukunft, die sie zusammen mit Sora verbringen wurde. Endlich traf sie mit den Fingerspitzen auf Soras geöffnete Hand, die sie dann eilig zu schloss. Binnen weniger Sekunden zerrte sie Marry, deren Herz vor Aufregung und Glück beinah zersprang, nah zu sich heran, dann drehte sie ihr das erste Mal an diesem Abend das ganze Gesicht zu. Laut keuchte Marry auf. Absolut unnatürlich und schrecklich verzerrt lagen komplett schwarze Augen in Soras Gesicht, statt ihrer sonst üblich schwarzen Pupillen starrte nun blutrote zu der Schülerin. Sora sah aus, wie die Monster die man in ganz Japan Ghoule nannte, auf irgendeine Weise so grauenvoll anders, trotzdem jedoch so unglaublich vertraut. Ja, natürlich war es noch Sora die vor ihr stand, mit der schneeweißen Haut und den furchtbaren Augen. Die wunderschöne junge Frau in ihrer wahren Gestalt, die so furchterregend war aber trotzdem noch so unglaublich schön. „Sora…“, flüsterte Marry ruhig, die eine Hand der Ghoula spürte sie noch ihre eigenen Finger umklammern, die andere war an ihrem Arm festgekrallt. Ohne irgendeinen Gedanken im Kopf zu haben starrte sie ihrem Gegenüber in die Augen. „Sora, ich liebe dich.“ In der nächsten Sekunde wurde die Kleinere weg gestumpft, bevor sie sich irgendwie halten konnte war sie schon über die Schlucht gefallen. Mit dem letzten verzweifelten Blick streckte sie ihre zitternde Hand nach Sora aus, ihre Augen vor Schreck geweitet.    Epilog: Not enough ------------------  Zu wenig. Nicht genug. Nicht genug…. Ich war einfach nicht genug… Mit aufgerissenen Augen starrte Marry zu der Gestalt am Rande des Abhangs herauf. Soras Gesicht war ausdruckslos und nichtssagend. Das rote Haar wehte verspielt nach hinten, doch ihre grausamen schwarzen Augen fixierten das fallende Mädchen mit so einer Hingabe, über die Marry sich nur so gefreut hätte - wenn es andere Umstände gewesen wären. Nicht genug… Ich war nicht genug, um sie zu ändern. Um ihr zu zeigen, wie gut sie ist. Traurig lächelte Marry etwas. Die Hand, die sie ausgestreckt hatte, schloss sie zu einer Faust, dann senkte sie das letzte Mal die Augenlider. Es tut mir leid. Das letzte woran sie dachte waren Soras strahlende, einzigartige Augen.       Marry lächelte noch immer. Still stand Sora neben dem toten Mädchen und stupste deren Schulter mit ihrer Schuhspitze an, als wollte sie überprüfen, ob der Körper noch darauf reagieren würde. Durch die Bewegung schwenkte der Kopf der Kleineren etwas zur Seite, die Tränen glitzerten noch auf ihren roten Wangen. Ruhe. Die Ghoula kniete sich hin und betrachtete weiter das, was sie getan hatte. Ihr Plan war aufgegangen, ganz ohne irgendein Problem oder Zwischenfall - Doch sie war einfach zufrieden. Noch nicht, dachte sie. Erst musste sie ihren Hunger stillen. Sanfter als jemals zuvor ergriff sie Marrys Hand und zog sie etwas hoch, den Mund senkte sie so weit, bis ihre Lippen den Arm berührten. Sora aß ohne zu würgen, es war so wie jedes Mal zuvor, bevor das alles geschehen war, doch sie konnte nicht genießen, sie schmeckte nicht mal irgendetwas. Plötzlich und schnell sprang sie auf und wischte sich das Blut aus dem Mundwinkel. Ungläubig packte sie an ihre Wangen und starrte dann ihre tränennassen Finger an. Ihre Lippen zitterten, ein Schluchzen brach ihr heraus und schwach viel sie auf die Knie. Einen Moment lang tat sie nichts anderes als zu weinen, dann schluckt sie und schüttelte schnell den Kopf. Was hatte sie da überhaupt getan? Ob Ghoul oder nicht, einen Menschen hatte sie niemals zuvor mit ihren eigenen Händen umgebracht. Was sollte sie nur tun? Wenn jemand das erfahren würde, würden die anderen Ghoule sie aufgrund ihres Verstoßes ebenso tot machen wie es Marry vor ihr war. Wenn jemand das erfahren würde, würde die Polizei nach ihr suchen. Sie konnte nirgendwo hingehen, niemand würde sie vor diesen Konsequenzen schützen. Niemand außer Marry. Langsam griff sie nach ihr, dann zog sie den leblosen Körper an sich und drückte ihn weiter schluchzend an sich. Sie konnte einfach nicht glauben, dass sie die Einzige verloren hatte, die sie in ihrem Leben geliebt hatte. Jedes Mal ab diesem Moment, wenn Sora ihre Augen schloss, hatte sie das Gefühl Marrys Stimme wispern zu hören.   „Ich wünschte ich wäre gut genug gewesen um dich vor diesem Weg zu beschützen“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)