Not enough von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 5: Liebe und Frieden ---------------------------- Was ist es, wovor Sie sich am meisten fürchten?   Im ersten Moment wirkt diese Frage auf mich recht simpel, denn wir Menschen fürchten uns vor so vielem, dass man unser ganzes Leben als eine Angst bezeichnen kann. Doch was ist es, das mich am meisten erschreckt? Ich dachte erst mal es sei ganz klar, dass es auf die Lebenssituation ankommt: In der letzten Klasse der Mittelstufe war meine größte Furcht wohl, dass meine Noten nicht gut genug sein würden- heute mache ich mir über schulische Leistungen wenig Gedanken. Viele Antworten sicher „Ich habe Angst meine Lieben zu verlieren“ aber meine Eltern sind schon lange tot und ich lebe alleine. Es gibt jemanden ganz besonderen, den ich sehr liebe. Aber von dieser Person weiß ich ganz sicher, dass sie für sich selber sorgen kann, also muss ich mir um andere Menschen keine Gedanken machen. Nachdem ich mich länger mit der Frage beschäftigt habe, kam ich schließlich zu einer nicht ganz so ehrenhaften (aber dafür ehrlichen!) Antwort- Mein eigenes Leben ist das, um das ich am meisten bange. Vermuten tue ich, dass dies etwas ganz normales ist, da ich von mir selber weiß, dass ich schwächlich bin und ein leichtes Opfer bin. Ob nun bei einem Autounfall (erst letztens wäre ich beinahe überrollt worden!) oder doch bei einem Angriff- ich habe keinen Einfluss darauf wie sich mein Leben gestaltet und muss mich dem Schicksal hingeben, genau davor habe ich am meisten Angst.   Jonin Marry     „So ist das in Ordnung…“, müde seufzte Marry und schlug ihr Schulheft zu. Wofür es auch immer nötig gewesen war, diesen Aufsatz als Aufgabe zu machen, ihr Lehrer hatte sicher einen Grund dafür. Genau deswegen hatte die Schülerin sich lange Gedanken gemacht und mehrere Versuche des Textes zu Papier gebracht, bevor sie ganz zufrieden sein konnte. Durch die Entlastung des Fertigstellens fühlte sie sich viel leichter und befreiter. Mit einem Lächeln legte sie sich ins Bett und streifte ihre Absatzschuhe ab. Sie schloss ihre Augen und versuchte zu schlafen, doch ihre Gedanken kreisten sich viel zu schnell, viel zu kompliziert, um ihr diese Ruhe zu gönnen. „Hör auf damit…“, murmelte sie zu sich selber und legte sich die Handflächen auf die geschlossenen Lider, aber es war unmöglich. Das was sie in ihrem Aufsatz geschrieben hatte war wahr. Sie hatte Angst zu sterben, aber es gab da etwas, dass sie so sehr zum Zittern brachte, dass sie es nicht hatte aufschreiben können, selbst daran zu denken widerstrebte ihr. Ghoule. Es gab viele grausame Möglichkeiten zu sterben, aber keine stellte sie sich schlimmer vor, wie bei lebendigem Leib aufgefressen zu werden. Schon als kleines Kind hatte sie bei den Geschichten von menschenfressenden Dämonen angefangen zu schreien und ihre Mutter mit einem Kissen geschlagen. Seitdem sie jedoch wusste, dass solche Wesen wie Ghoule wirklich real waren, brachte es nichts mehr wie früher mit dem erzählen aufzuhören. Ob sie ihre Augen nun vor dieser Tatsache verschloss oder nicht; umgebracht und gefressen werden konnte sie nun so oder so. Eilig machte Marry die Lampe auf ihrem Nachttisch an und schaute mit Erleichterung in die Glühbirne. Mit Licht verschwanden die in Dunkelheit entstandenen Bilder aus ihrem Kopf- zumindest halbwegs. Ihre nackten Füße setzte sie nacheinander auf dem Boden auf und tapste in die Küche, um sich einen Tee zu kochen. Müde setzte sie sich mit der Tasse an ihren kleinen Tisch und beobachtete, wie das heiße Wasser sich langsam in die Farbe des Blutes färbte. Sora war auch ein Ghoul, das wusste sie nun. Wahrscheinlich würde man ihr sagen, dass es nun die höchste Zeit war, um sich von Sora fernzuhalten, wenn sie denn mit jemanden darüber sprechen würde. Aber sie hatte niemanden, dem sie soweit vertrauen würde, geschweige denn jemanden, der ihr glauben würde. Ja, nach außen hin wirkte die Rothaarige sehr unterkühlt, vielleicht sogar gemein, wenn nicht sogar bösartig. Leute wie Luna, die in der Schule neben Marry saß würden sagen, dass man sich über die wahre Gestalt der Kellnerin nicht wundern bräuchte. Aber so war es nicht. Sora war kein Monster und auch nicht bösartig, selbst Marry selber, die solch eine Angst empfand, dachte mittlerweile daran, dass man die Ghoule falsch darstellte. Vielleicht war alles anders als es schien und die unnatürlichen Wesen  mussten sich aus falschem Grund vor der Menschheit verstecken. Vielleicht, so Marrys Überzeugung nach, hatten sie sich schon so an die Ablehnung gewöhnt, dass sie dachten, sie wären wirklich solch schreckliche Gestalten. Vielleicht musste sie Sora einfach nur zeigen, dass sie eine ganz besondere Person war. Denn das war sie ja auch, sie war der Mensch, in den Marry verliebt war und den sie schützen wollte. Dem Mädchen war es nicht möglich dies körperlich zu tun, daher würde sie das auf ihre eigene Weise tun. Soras Natur war ohne Frage lieb, denn sonst hätte sie Marry nicht schon mehrmals nach Hause gebracht, geschweige denn ihr geholfen. Ihr Verhalten in der Außenwelt war nur eine Maske, einer Rolle, die sie sich selber aufgezwungen hatte und Marry würde diejenige sein, die sie aus dem Schauspiel erlösen würde.   Am nächsten Tag lief Marry zügig den Weg zwischen Schulgelände und dem Café Antik, denn sie wollte unbedingt vor den Studenten erscheinen und sich einen guten Platz mit Blick auf die Arbeitertheke sichern. Mittlerweile war die Hanami und damit der schöne Frühling zu Ende, stattdessen ließen die wenigen Bäume Tokyos ihre bunten Blätter zu Boden fallen und säumten damit den Boden. Wenn Marry darüber hinwegschritt, knisterte das Laub etwas und brachte sie damit zum Lächeln. Das Glöckchen sang, als sie die Tür des Cafés aufschlug. Genau in dem Moment blickte Marry nach vorne direkt in die dunklen Augen der Kellnerin, auf die sie nur zu gehofft hatte. Sora schaute sie noch einen Moment lang an, dann  seufzte sie und nahm zwei Tassen auf. „Willkommen.“, nuschelte sie und lief mit dem Geschirr an ihr vorbei, zu zwei kichernden Mädchen. Marry beobachtete sie dabei und belegte ihren Lieblingsplatz. Da nahm sie ihre Jacke ab und packte ihre Schulsachen aus der Umhängetasche. Kurze Zeit später kam Sora zu ihr und lehnte ein leeres Tablett gegen ihre Hüfte. „Für dich wieder n Tee?“ Glücklich grinste Marry auf. „Ja ganz genau.“ „Den grünen?“ „Hihihi ja. Du musst mich gern haben, wenn du schon auswendig weißt, was ich bestelle.“, strahlte Marry. Sie andere seufzte und kritzelte seufzend etwas in ihren Block. „Wenn du meinst.“ „Oder weißt du es etwa bei anderen Gästen auch?“ Einen Moment lang legten sich Soras dunkle Augen plötzlich in die der Schülerin und bohrten sich nur nahezu hinein, als blickten sie direkt in ihre Seele. „Nein weiß ich nicht.“, antwortete der Rotschopf dann und wandte sich schnell ab. Marry keuchte auf und atmete schnell angehaltene Luft aus. So rot wie sie wurde, konnte dies von keinem Make up der Welt versteckt werden. Was war nur gerade geschehen? Sora war weder freundlich noch abweisend gewesen und dies verwirrte sie sehr. Verzweifelt versuchte sie dieses Verhaltensmuster irgendwohin einzuordnen, dann gab sie den Versuch auf und beobachtete ihre Angebetete dabei, wie sie durch das ganze Café rauschte und verschiedene Leute mit einem grimmigen Blick bediente. Nach einem weiteren Moment nahm sie sich zusammen und schlug  ihr Mathebuch auf, darüber legte sie ihr Heft und studierte die Mitschrift der letzten Stunde. Einige Zeit später stellte Sora die Tasse Tee an den Tisch und warf ebenfalls einen Blick auf die beschmierten Blätter. „Physik?“ „Mathematik.“, antwortete Marry und lächelte über ihre Schulter zu ihr. „Aber ich bin grottenschlecht. Im Unterricht zeichne ich die meiste Zeit…“, dann kam es ihr wieder und eilig blätterte sie einige Seiten zurück. „Schau mal, das bist du!“ Kurz wurde Soras Miene erschüttert, dann holte sie mit dem Tablett aus und schlug es der kleineren an den Kopf. „Wie kannst du es dich wagen, deine perversen Fantasien mit mir in dein Schulheft zu zeichnen?!“ „Aua aua! Aber Sora-chan, ich musste dich in Unterwäsche zeichnen!“   „Und wieso?“, der Ghoul stemmte seine Hände in der Hüfte. Auf diese Ausrede war sie nun wirklich gespannt. „Anders konnte man deinen üppigen Busen doch nicht so in Szene setzen!“  „MARRYYY!“   Während ihres Aufenthalts im Antik war es nicht möglich, auch nur mit einer mathematischen Formel zu arbeiten. Immer wieder rauschte Sora an Marry vorbei und verführte sie zu Tagträumen, die sie strahlen ließ. So lange bis die Kellnerin in den Hinterraum des Cafés verschwand und dann ohne Uniform wieder heraus kam. Augenblicklich sprang die verliebte Lolita auf und nahm ihre Sachen schnell zusammen. Das Geld legte sie dem alten Inhaber hin und lächelte ihn an, dann spurtete sie sich Sora auf ihren Heimweg zu folgen. Als hätte es ihre Angebetete schon geahnt verzog sie keine Miene als Marry von hinten angerannt kam und dann keuchend neben ihr lief. „Heute war es aber ziemlich leer oder?“  „Mhm.“, antwortet sie monoton und ließ die Schülerin weiter plappern. Marry redete ohne Unterbrechung über ihren Alltag in der Schule und davon, wie sie immerzu an Sora denken musste und ständig alles mit ihr in Verbindung brachte. Dann hielt sie die Luft an als sie an einer Kreuzung ankam, die den Heimweg der beiden voneinander trennten. „Du musst mich nicht nach Hause bringen!“, verkündete Marry fröhlich und Sora mahlte kurz genervt mit ihrem Kiefer. „Keine Sorge, hatte ich nie vor.“, stieß sie zwischen den gefletschten Zähnen hervor, dann keuchte sie auf, als die kleinere die Arme um ihre Hüfte schlang  und sich an sie drückte. Überrascht spürte Marry, dass Sora ihre Umarmung nicht abwies und einfach gar nicht reagierte. Augenblicklich errötete sie und lächelte überglücklich und versuchte den Moment zu verinnerlichen. Ihren bereits eingeprägten Geruch, ihre Körperwärme. Die weiche Jacke an ihrem Körper. Im Glückstaumel schmiegte Marry ihren neben Sora schwächlich erscheinenden Gestalt an den ihrer Geliebten und legte den Kopf an ihren üppigen Busen ab und für ein paar Sekunden schien alles perfekt zu sein. Marry war es egal wo sie sich befand oder wie lange schon. Ob ihr kalt war oder sie Hunger hatte. Alle Bedürfnisse schienen nicht mehr zu existieren und das einzige, dass es auf der Welt gab, waren sie und Sora. Dann wurde sie grob von der Kellnerin weg geschubst und Marry taumelte zwei Schritte nach hinten, noch immer lächelnd sah sie zu ihrem Gegenüber auf. Sora erschien so, als würde sie etwas sagen wollen, doch sie ließ. Für einige Sekunden starrte sie das Mädchen nur mit einem undeutbaren Blick an und überquerte dann die Straße ohne sich ein weiteres Mal umzudrehen. Marry blieb einfach stehen und war nicht mehr als der glücklichste Mensch der Welt.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)