Not enough von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 4: Wahrheit ------------------- Es war grausam wie der Schmerz ihren Körper sich verkrümmen und zittern ließ, sodass sie nichts dagegen tun konnte. Sie lag einfach da, die Haare wie verrückt über das ganze Bett ausgebreitet, die geröteten Augen noch tränennass und aufgerissen, die Fäuste in die Bettdecke gekrallt. Hunger. Sora Sachimi hatte einen Hunger, wie sie ihn niemals zuvor in ihrem Leben gespürt hatte. Immer war sie versorgt gewesen und niemals hätte sie in einer Situation landen können, in der sie dieses Gefühl verspüren musste. Auch jetzt nicht. Weshalb sie trotzdem so nah an der Grenze zum Durchdrehen stand? Die Tatsache, dass sie ihr Essen nur noch hochwürgte, statt es zu verdauen. Biss sie in das Fleisch rein, verwehrte ihr Körper es sofort, noch wenn es auch nur im Hals war, war es schon wieder auf dem Weg nach draußen. Das zarte Fleisch, das von Menschen stammte, die ihr Leben auf eigenen Wunsch hin beendet hatten. „Ich… Ich werde sterben…“, keuchte sie und setzte sich langsam auf. Unweigerlich taumelte sie dann nach vorne, als sie versuchte aufzustehen. Hätte sie sich nicht an dem Tisch in unweigerlicher Nähe abstützen können, so wäre sie auf die Knie gesackt. Es war nie so gewesen. Jemand ganz besonderes hatte daran Schuld. Denn auch jedes Mal wenn Sora ihr Essen ansah, so kam ihr die Stimme in den Kopf.   „Sora-chan! Ich liebe dich!“   Die Ghoula kniff die Augen zusammen und taumelte zu ihren Schuhen. Langsam war genug und ihr Überlebensinstinkt ließ nicht zu, dass sie ihretwegen zu Grunde gehen würde. Dann stopfte sie es sich halt rein, sie wollte überleben.   Um zu essen, musste man erst mal dahin gelangen, wo es etwas gab und das war ausgesprochen schwierig in Soras schwachem und müdem Zustand. Der Weg zu ihrer Arbeitsstelle erschien so unendlich weit und weil es schon mindestens eine Stunde nach Mitternacht war, fuhren in Tokio keine Bahnen mehr, was bedeutete, dass sie laufen musste. Ab und an kamen ihr einige junge Leute entgegen, die gefeiert hatten oder gerade noch dabei waren, jedoch waren es viel weniger als früher einmal. Die Nachrichten und Älteren hatten es also langsam komplett geschafft den Kindern aufgrund der Existenz von Ghoulen die Lust am Leben zu nehmen. Sora konnte nur schnauben und hielt kurz an, um ihre Kraft für die nächsten dutzend Schritte zu sammeln. Manchmal, da fühlte sich die Kellnerin ganz philosophisch, wenn sie über die Ungerechtigkeit nachdachte, die jedes Leben begleitete. Hatte sie sich etwa aussuchen können, dass sie als Ghoul geboren wurde? Oder konnte ein Mensch wählen, bevor er in die Welt eintrat? Sie hatte sich ihre Rasse nicht ausgesucht und musste trotzdem wie in einem Käfig eingesperrt als Mensch verkleidet leben. Nun war jedoch diese interessante Zeit angebrochen, in der sich die Menschen aus Angst anfingen selber einzusperren. „Wie dumm.“, schnaubte Sora und machte sich wieder auf den Weg und dachte weiter nach. Mit ihrer Äußerung benannte sie nicht nur das Versteckspiel der beiden Rassen, sondern in diesem Moment alles. Die Stadt Tokio; die anderen Ghoule, die die Regeln aufstellten; die Schwalben, die Gestalten wie Sora jagten und dies mit im wahrsten Sinne des Wortes “Unmenschlichen“ Waffen benutzten. Ich muss unbedingt etwas essen. Von diesem Gedanken angetrieben versuchte sie ihr Tempo zu erhöhen und schneller an ihr Ziel anzukommen, als sie das Café Haus dann schließlich sah, war sie erleichtert über das brennende Licht und setzte dazu an die Tür zu öffnen, als das verriegelte Schloss sie hinderte. „Wer da?“, hörte sie eine bekannte, sanfte Stimme und lächelte. „Uta, ich bin´s.“, nach kurzem Zögern hing sie noch ihren Namen an. „Sachimi Sora.“ „Sora-san!“, eilig wurde die Tür aufgeschlossen und der dunkelhaarige, tätowierte Ghoul zeigte sich mit einem breiten Lächeln. „Sora-san, rein mit dir, na los!“ Das ließ die Kellnerin sich  nicht zwei Mal sagen und ging eilig  an ihm vorbei in das Café, wo sie noch einige andere Gesichter zu sehen bekam. „Oh, wurde etwa ein Treffen einberufen?“, wurde gefragt und leicht lächelnd begrüßte Sora die anderen Anwesenden. Yomo beispielsweise, ein gutaussehender junger Mann, der selten lächelte. Der Caféinhaber Herr Yashimura stand wie zu oft hinter dem Tresen und wusch die letzten paar Gläser ab, dabei schaute er überrascht zu seiner Angestellten. „Sora, was kann ich für dich tun?“       „H-hunger.“, sagte sie nur und setzte sich seufzend. „Uta, bitte bring ihr was.“ Der  Tätowierte nickte und begab sich in den geheimen Hinterraum, während die anderen sich weiter unterhielten. „Jedenfalls…“, setzte Yomo fort und strich sich seine Haare aus dem Gesicht. „Ist momentan einfach alles angespannt… Seit der Sache mit Hinamis Eltern ist alles noch viel schlimmer.“    „Diese beschissenen Schwalben.“ „Kannst du laut sagen.“, warf Uta ein. „Ein Ghoul zu sein ist auch nicht mehr das, was es früher mal war.“ Gerade wollte Sora etwas erwidern, da vernahm sie eine zittrige Stimme hinter sich.   „I-ihr seid…. G-ghoule…?“   Alle Anwesenden wirbelten herum und starrten den neuen Besuch an, Soras Augen verzogen sich wütend. Jonin Marry stand vor der geschlossenen Eingangstür und sah erschrocken zu der rothaarigen, die anderen Personen interessierten sie nicht auch nur einen Moment lang. Die grauen Augen wirkten riesig und verunsichert, das Gesicht erschrocken und ihre Hände zitterten. „Was tust du hier?!“´ „Ich eh… Ich habe gesehen, dass du so spät aus dem Haus gegangen bist, da habe ich mir schrecklich Sorgen gemacht und bin hinterher…“, es schien als ob die Schülerin so eine Angst hatte, dass sie immer kleiner zu werden schien. „Wieso machst du so einen Scheiß!? Woher weißt du überhaupt wo ich wohne…?!“  „Sora-chan, ich weiß alles über dich weil ich dich lie-“ „Nein!“, schrie die Ghoula auf und ließ so die jüngere wie ein verängstigtes Tier zusammenzucken. Sora erhob sich von ihren Platz und strich sich die verwuschelten Haare aus dem Gesicht, ihr Ausdruck kam dem eines Racheengels nahe. „Ich hätte dich schon umbringen sollen, als du angefangen hast so zu nerven.“ „Sora-chan!“, keuchte Marry auf, plötzlich war ihre Körperhaltung offener und ohne Scham zeigte sie die Tränen in ihren geschminkten Augen. „Es tut mir leid, i-ich wollte nicht, dass…“  Sobald sie bemerkt hatte, dass die andere ihr, während sie unsicher Wörter vor sich her stammelte, ihr näher kam, holte Sora aus und kickte dem verliebten Mädchen mit ihrer dreckigen Schuhsole ins Gesicht von sich weg. Mit einem aufheulen stürzte Marry nach hinten auf den Boden, über ihrer Wange und Nase zeigten sich eine rote Stelle von Soras Schuhabdruck, doch weinte sie nicht aus Schmerz. Man sah in ihrem Weinen ganz deutlich, dass es inneren seinen Ursprung hat. „Immer sagst du nur so gemeine Sachen zu mir!“, schrie sie plötzlich. Im Hintergrund erhob sich auch Yomo und schaute verwirrt. Sora drückte ihre Lippen aufeinander und beobachtete ihr Gegenüber irritiert. „Ach ja?“ „Immer nur sagst du mir, ich sollte lieber tot sein! Dass ich mich von dir fern halten sollte…“, sie hatte beim Sprechen gespuckt und diese lief ihr nun langsam ihren Mundwinkel hinunter. Zitternd begab sie sich auf ihre Knie, graue verletzte Augen starrten zu den Ghoulen hinauf. „Mir ist egal wer du bist oder gar was du bist! Mir ist es egal, ob du meine Liebe jemals erwidern solltest oder mich je akzeptierst…“, Marry schluckte. „Aber meine Liebe bleibt. Ich liebe dich, Sachimi Sora.“ Schweigen. Uta räusperte sich. „Sollen wir sie… weg bringen?“  „Nein, ihr fasst sie nicht an.“, halbherzig griff die Rothaarige, Marrys Arm und zerrte sie hoch. „Hör auf zu heulen, du Spuckweib.“ „Sora-chan…“ „Ich bringe sie nach Hause.“, teilte sie den anderen Ghoulen mit und schubste die kleinere gegen die Eingangstür des Cafés. Marry quietschte mitleiderregend auf und keuchte. „Was ist mit deinem Hunger?“, fragte Herr Yashimura in Sorge, man konnte nicht wissen, ob diese seiner Angestellten galt oder nicht eher dem weinenden Mädchen. „Geht so.“, meinte Sora und schubste ihre Verehrerin heraus.   Schweigend liefen die beiden Mädchen in den wenig befahrenen Straßen Tokios nach Hause. Passanten trafen sie noch viel weniger als wie auf dem Hinweg und während Marry versuchte mit aller Kraft mit dem Weinen aufzuhören, musste Sora mit etwas ganz anderem kämpfen. Natürlich, ihr Hunger war nicht einfach so verschwunden und der Mensch, der eng neben ihr lief verbesserte die Situation nicht. „Sora-chan.. Vielen Dank …“ „Halt lieber deine Schnauze oder ich trete dich gleich nochmal.“ Als neben ihr ein kichern ertönte, schaute Sora verwundert zur Seite. „Glaubst du mir nicht?“ „Nein, das tue ich nicht.“, Marry lächelte. „Weshalb solltest du mich denn sonst nach Hause bringen?“, das Mädchen kramte gerade ihren Schlüssel für die Wohnung auf, da packte Sora sie an den Schultern und drückte ihren Rücken gegen das kalte Holz der Tür. Laut keuchte Marry auf und sah ihrem Gegenüber ins Gesicht. In ihren Augen sah man noch die letzten Spuren ihrer vergossenen Tränen, aber auch das übliche Lächeln fehlte. Die Ghoula bleckte ihre Zähne und kam ihrem Gegenüber so nah, dass sie nur flüstern musste um mehr als deutlich verstanden zu werden.  „Wie dumm kann ein einziges Mädchen sein?“    Marry hielt die Luft an und antwortete nicht. „Soll ich dir hier und jetzt die Kehle rausreißen? Du hast doch wohl verstanden, was ein Ghoul ist?“ Ernst sah die Schülerin zu ihr auf. „Ich bin nicht dumm.“, sanft legte sie ihre Hand an Soras blasse Wange, dabei lächelte sie. „Sondern verliebt.“ Beinah sprühten Soras Augen Funken und noch mehr, zeigte sie ihre ungewöhnlich spitzen Zähne. Weshalb nur machte sie dem schutzlosen Mädchen keine Angst? Was sollte sie denn noch tun? Marry kicherte wieder und behielt ihre Hand einen längeren Moment an Ort und Stelle. Zärtlich strich sie mir ihren Fingern über die Haut, dann bückte sie sich und hob den Schlüssel auf, den sie bei ihrem plötzlichen Angriff hatte fallen lassen. Als sei nie etwas geschehen, schloss sie ruhig ihre Tür auf und trat in den Genkan ein, dem kleinen Eingangsbereich einer jeder Wohnung. Ruhig setzte sie sich auf die Stufe zum Wohnbereich und schnürte ihre halbhohen Schuhe auf. Sora blieb währenddessen einfach stehen und betrat die Wohnung wie beim ersten Mal, ohne die Schuhe auszuziehen. „Du solltest schlafen gehen.“ Die Schülerin nickte und streckte sich, dann zog sie sich plötzlich in der Tür zu ihrem Schlafzimmer den Rock aus. Soras Miene blieb unberührt, dann beobachtete sie wie Marry sich auf ihr Bett setzte und anfing ihre Bluse aufzuknöpfen. „Mir war gar nicht klar, wie müde ich bin.“ „Ja, in die Fresse zu bekommen, kann anstrengend sein.“, kommentierte die Rothaarige und blieb in der Tür stehen. Marry legte ihr Oberteil behutsam zusammen, dann schaute sie länger zu ihrem Gast, als erhoffte sie sich irgendeine Reaktion auf ihre pastellrosane Unterwäsche zu finden. Sora gönnte ihr nicht diese Blöße, dachte für sich aber, dass sie wie ein kleines Kind wirkte. Dies lag nicht nur an ihrem Benehmen oder der Farbe ihrer Wäsche, ihr Körper schien sich einfach nicht weiterentwickelt zu haben. „Jetzt leg dich hin und bedeck deine peinlichen A-Körbchen.“ Marry schmollte, hörte jedoch und legte ihre Decke über sich. „Gute Nacht, Sora-chan!“ „Nacht.“ Nochmal lächelte sie, dann schloss sie die Augen, und keine zehn Minuten später sabberte sie auch schon vor sich hin. Es war, wie sie schon in der Bar gesagt hatte, einfacher, wenn sie Marry einfach umbringen würde. Natürlich wäre der Tod reines Unglück, wie durch ein zu schnell fahrendes Auto oder besoffenen jugendlichen Jungs, die von dem lächerlichem Lolitaaussehen verführt wurden. Vielleicht waren es auch schon etwas ältere Männer, die zufälliger Weise mit Sora befreundet waren…? Sora seufzte und ging leise einige Schritte vor und betrachtete noch einmal ihre Stalkerin. Dass sie ein schönes Gesicht hatte, konnte man nicht leugnen, so sehr sie auch nervte und quietschte, schön war sie.  Von dem Gedanken, den sie soeben hatte angeekelt, verzog Sora ihr Gesicht und beschloss so schnell sie konnte, die Wohnung zu verlassen. Das einzige was sie dachte war, dass sie nun hoffentlich essen konnte.     Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)