Not enough von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Schicksalhaftes Geständnis ------------------------------------- Jonin Marry kritzelte gedankenverloren auf ihrem karierten Blatt herum. Die Stühle in dem Klassenraum waren unbequem, die Fenster so dreckig, das kaum ein Lichtstrahl zu den verzweifelten Schülern durchdringen konnte. Die Luft war stickig und doch ließ man keine neue herein, aus Angst vor der kalten Wintertemperatur. Die Overknees der siebzehnjährigen rutschten ihr immer wieder runter und die Haare in ihren beiden geflochtenen Zöpfen verloren ihre gewünschte Position. Es gab wirklich schon Momente, in denen sie sich besser gefühlt hatte. „Jonin-san ist die einzige Schülerin, die mitschreibt!“ Sie sah sofort auf und starrte den Sensei, der seine Mathestunde wie immer ohne Erbarmen auf Schwächere durchzog, an und fragte sich was er meinte, als er andere Schüler dazu aufforderte, ihrem Beispiel zu folgen. „Sehr fleißig.“, grinste das Mädchen neben Marry sie an. „Wenn er wissen würde was du hier eigentlich machst, würde das sicher Ärger geben.“ „Luna-chan.“, ein strenger Blick lag auf ihr. „Wage es nicht, ein Wort zu verlieren!“ „Schon gut, schon gut!“ So als ob sie niemals auch nur eine Sekunde daran gedachte hatte, ihre Sitznachbarin zu verpetzen, schrieb sie etwas auf und strich sich die Haare hinter das Ohr. Luna war ein ungewöhnlicher Name in Japan und dass sie ihn dennoch trug, lag daran, dass sie aus Europa kam. Die Ausländerin, deren Eltern aus beruflichen Gründen vor einigen Jahren in das Land der aufgehenden Sonne eingereist waren, viel in allem auf. Ihrem Namen, ihrer ungewöhnlich hellen Haarfarbe, den strahlenden Augen, den strengen Gesichtszügen, dem trällernden Lachen, ihrer und jeder anderen Japanerinnen übertreffende Größe… Sie war das komplette Gegenteil von Marry selber, die durch und durch reinblütig japanisch war. Das einzige, dass sie etwas in ihrer hellblauen Sailorschuluniform von den anderen abhob, war die Tatsache, dass ihre Haare von Natur aus hellbraun waren. Marry seufzte leise und sah dann wieder auf ihr Heft und auf das, was ihr Lehrer für eine Mitschrift gehalten hatte. Die Mangafigur, welche sie gezeichnet hatte, war keineswegs ein einfaches Bild ihrer Fantasie. Sie hatte wie die letzten Tag anhaltend, nur ein Gesicht, eine Person vor Augen. Die Kellnerin, die sie vor einer Woche in dem alten Café mit dem Namen „Das Antik“ bedient hatte. Weinrote, lange lockige Haare… leuchtende, geschminkte Augen und geschwungene schöne Lippen und ihr atemberaubender Körper. Das Mädchen wurde nur bei dem Gedanken rot. Wie konnte es überhaupt möglich sein, eine Frau attraktiv zu finden? In so einem Ausmaß? „Mit dieser Überlegung entlasse ich sie von dieser Stunde, passen Sie auf sich auf…“ Das erste Mal seit dieser Stunde sah Marry, ihre Tasche sich über die Schultern hängend, den Mann aufmerksam an. „Wie meinen Sie das, Sensei?“, auch ihre Mitschüler wurden hellhörig. „Sie wissen doch… die schlimmen Dinge, die momentan hier in Tokyo geschehen.“, er suchte auf seinem Pult Blätter zusammen und sah keinen der Jugendlichen direkt an. „Die Ghoulvorkomnisse, meine ich…“ Diese Aussage ließ alle Schüler in ein Geschnatter ausbrechen und Marry bekam die verschiedensten Gerüchte zu hören und auch der Name ihrer seit zwei Wochen verschollenen Klassenkameradin Sagami-san blieb dabei nicht aus. Wann hatte das alles angefangen? Die Schülerin drückte ihre Tasche fest an sich und lief an den vielen anderen Jugendlichen vorbei, hinaus aus dem Gebäude. Wenn es Ghoule wirklich gab, dann hatten sie sich sicher nicht von heute auf morgen dazu entschieden, in Tokyo zu Leben. Aber weshalb fiel denn noch vor zwei Jahren niemanden ein “von Ghoulen ausgeführter Mord“ auf? „Wo gehst du denn alleine hin, Marry-chan???“, Luna kam neben sie gesprungen. „Wir haben doch den gleichen Heimweg!" "Ja, ich weiß...", sie strich sich durch den Pony und verbannte all ihr Gedanken über die Wesen, die man als größte Bedrohung der gesamten Menschheit ansah und kicherte. "Aber ich gehe nicht nach Hause!" "Das erklärt schon mal, warum du in die komplett andere Richtung läufst.", sie bleib stehen und Marry tat es ihr gleich. "Wo gehst du denn hin?", wurde sie gefragt. "Nur in ein altes Café, nichts besonderes." Die Augen der Europäerin funkelten. "Hat Marry-chan etwa ein Date?!" "Nein!", sie wurde etwas rot, dann ließ sie ihre Stimme herunterfahren. "Nein, Marry-chan hat kein Date!" "Na gut, dann glaube ich dir das mal.", das Mädchen zwinkerte und winkte ihr, während sie zurück lief. "Aber nur, weil man nicht in einer Schuluniform zu einem Date erscheint!!" Marry kicherte und winkte ihr auch eilig, dann fiel ihr auf, dass sie recht hatte... Andererseits hatten solche Schulunifromen besondere Wirkungen. Sie ließen einen sowohl ordentlich und anständig, als auch süß und manchmal sexy aussehen.. Marry beschloss, es sei in Ordnung sie für heute anzulassen. Fröhlich hopste sie voran und erinnerte sich selber traurig daran, dass es nicht einmal sicher war, dass sie die junge Frau heute überhaupt sehen würde. Ihre Hand zitterte und das Herz schlug ihr beinah bis zum Hals hoch, als sie dann die Tür des Café´s öffnete. Nach Schulschluss, hatte sie erwartet, hier ein Durcheinander und möglicherweise kein Einzelplatz für sich selber zu finden, aber anscheinend war sie vor Aufregung so schnell gelaufen, dass sie sich darum keine Gedanken machen musste. Sie war schneller als die anderen gewesen. Den Schal, den sie sich bis zu der Nase um das Gesicht und den Hals gewickelt hatte, nahm sie ab und legte ihn über einen freien Stuhl, die Tasche ließ sie daneben auf den Boden fallen und während sie sich setzte, sah sie ganz wachsam hin und her - Dann sah Marry sie. Die junge Frau wischte gerade eilig über die Theke und wechselte danach den Kaffeeaufsatz, als wolle sie sich schon mal auf die Studenten, die bald eintreffen würden, vorbereiten. Heute hatte sie ihre Haare hochgebunden, ansonsten sah sie genauso aus wie letztes Mal. "Kihihihi!", eilig nahm sie die Karte und versteckte ihr Gesicht dahinter, um sich zu beruhigen und sich selber dazu zu bringen, dieses Glück ohne große Auffälligkeiten hinzunehmen. Was würde sie denn sonst von ihr denken?! Sie musste mit ihr sprechen und dabei ganz ruhig bleiben. Einfach sie selbst sein. Süß, liebenswert und vor allem kawaii. Die röte ließ langsam von ihrem Gesicht ab und sie ließ die Karte sinken, tat so als würde sie lesen, doch eigentlich folgten ihre Augen nur dieser einen Person. Diese lief etwas in dem Laden umher, dann bewegte sie sich ganz plötzlich auf ihre Beobachterin zu. „Willkommen in unserem Café Antik. Kann ich dir etwas bringen?“ „Hihi!“, laut quietschte Marry auf und schlug sich danach die Hände vor den Mund, ihre Wangen färbten sich sich erneut puterrot. Die Kellnerin schenkte ihr einen fragenden Blick, dann räusperte sich die Schülerin. Das Herz pochte so laut in ihren Ohren, dass sie ihre Stimme keiner genauen Lautstärke zuteilen konnte. Wie hätte sie denn sonst auf so ein plötzliches Ansprechen von … … ihr reagieren sollen?!?! „H-hi.“, brach sie heraus und lächelte verängstigt. Der Rotschopf stemmte eine Hand an ihrer Hüfte und hielt in der anderen ihren Notizblock fest. „Ja, hallo…“, ihr Gesicht war nicht das einer freundlichen Bedienung, wie man es sonst kannte. Selbst mit diesem Blick war sie unbeschreiblich schön. Es fühlte sich an wie eine Sekunde aber Marry nutzte jeden Herzschlag, jeden Atemzug und jeden Moment den die unbestimmten Gottheiten dieser Welt hergeben würden, um sie anzusehen. Ihren Engel. Sie tat es jedoch anscheinend etwas zu lange. „Hör mal Kleine, das hier-“, sie zeigte um sich herum. „Ist ein Café!“ „Eh, ah, j-j-“ „“Hier,“, sie beugte sich vor. „Isst und trinkt man was.“ „D-das-“, versuchte Marry zu antworten, aber sie kam nicht gegen sie an. „Zum Beispiel…“, machte sie weiter und präsentierte die Maschine im Hintergrund. „...Kaffee.“ Marry nickte und konnte sie einfach nicht unterbrechen, mag sie noch so dämlich belehrt werden… „Kaffee trinkt man aus Tassen, weißt du?“ „J-ja!“ „Hm, Moment mal.“, sie sah sich ihren Gast genauer an. „Du warst doch schon mal hier!“ „Ja, ich war schon mal hier.“, wiederholte Marry die Worte wie in Trance und sah auf. „Dann weißt du doch wie das läuft! Was soll ich dir bringen?“, schlecht gelaunt seufzte sie weiter und sah dann auf als weitere Leute in das Lokal eintraten. „Einen Tee bitte!“, plötzlich konnte Marry neuen Mut fassen und lächelte. Als die andere wieder zu ihr sah, neigte sie sogar den Kopf etwas zur Seite und lächelte sogar. „Ja, einen grünen!“, fügte sie dann noch hinzu. „Na geht doch, kommt gleich.“, sie kritzelte eilig etwas auf ihren Block und ging zurück an den Tresen. Im Laufe ihrer Bestellung waren einige Schüler in den Laden gekommen und ein weiterer junger Mitarbeiter kochte bereits fleißig Kaffee. „Was hast du da denn so lange gemacht? Machst du schon wieder unsere Gäste doof an, Sora-san?“ „Pfft!“, antwortete die junge Frau und schob sich das Haar hinter die Schulter. „Das mach ich nie.“ Marry sah schlagartig auf und konnte ihren Ohren kaum trauen. Sora. Er hatte gerade Sora gesagt. Ihr Name war Sora. Sora… Marry senkte den Blick und lächelte. Eine Woge von Glück überflutete sie und gab ihr das Gefühl gen Himmel steigen zu können. Sora. Was für ein schöner Name! Die Freude jagte ihr sogar Tränen in die Augen, sodass sie ihre runde Brille abnehmen musste um sich die Augen auszuwischen und sich langsam zu beruhigen. Wenn sie wirklich anfing zu heulen, würde das nur ihr dezentes Make-up verschmieren, danach würde es sicher nicht mehr so unscheinbar in ihrem Gesicht liegen. Mittlerweile war sie schon so oft hier gewesen, dass sie das Bedienungsverfahren des Cafés verstanden hatte. Meist war es der alte Mann, der die bestellten Getränke zubereitete und auf die Theke stellte, währenddessen rauschten die Kellner von allen Seiten vorbei und schnappten sich willkürlich eine Tasse und brachten sie zu dem richtigen Gast. So geschah es auch mit Marrys Grüntee. Der Junge, der ungefähr in ihrer Stufe sein müsste, nahm ihre Bestellung auf und begrüßte sie mit einem bandagierten Auge und einem Lächeln. „Hier, Ihr Tee.“ „Vielen Dank aber…“, Marry legte die Zeigefinger an ihre Lippe und kicherte, während sie den Kopf neigte. „Könntest du den bitte einfach wieder auf die Theke stellen, ich möchte noch etwas warten.“ „Eh??“, er sah sie verwirrt an und sah unsicher zurück. „Stimmt etwas nicht?“ „Nein, nein, stell ihn bitte einfach zurück.“ Es schien beinah so, als ob ihr herzliches Lächeln ihn dazu drängte. Er gehorchte dem verwirrenden Befehl einfach und fuhr, sie immer wieder seltsam musternd, mit der Arbeit fort. Marrys Plan ging auf, Sora… Marry musste kurz beim Denken innehalten und schnell ein und ausatmen, nachdem sie vor Aufregung wegen des neuerfahrenen Namens die Luft angehalten hatte. Sora war kurz abwesend gewesen und hatte so von dem Gespräch nichts mitbekommen. Sie nahm den vorne stehenden Tee und brachte ihn zu der Highschoolschülerin. Es war ein kleiner Moment, aber jeder Moment ihrer Beachtung waren es Wert dafür zu morden. Marry konnte sich kaum auf das Lernen konzentrieren, da sie einfach nicht zur Ruhe kam, während Sora andauernd an ihr vorbeirauschte. Einige Zeit später bestellte sie sich noch einen Tee und harrte die Stunden aus, bis Sora plötzlich in einem Hinterraum verschwand und danach nicht mehr die schicke Uniform des Antiks trug. Lediglich ein weißes Hemd und eine enge dunkle Hose trug sie nun an sich, griff nach einer Tasche und verabschiedete sich von den beiden Männern. Eilig erhob Marry sich, rauschte an dem Kellner vorbei und ließ Geld auf seine Hand fallen, dann folgte sie Sora unauffällig. Die junge Frau stolzierte selbstsicher in die Abenddämmerung und hatte eine schön federnde Gangart. Den Rücken hielt sie gerade und das Kinn war stolz erhoben, sodass sie immer ihr Gegenüber ansah und diesen zugleich noch einschüchtert. Verträumt schlich Marry ihr hinterher ohne so richtig zu realisieren was sie da überhaupt tat. Da drehte sich die Bedienung plötzlich so schnell herum, dass ihre Haare mit ihr in die Bewegung flogen. „Gibt’s n Problem?“ Als hätte man ihr vor die Füße geschossen, erstarrte Marry und blieb schlitternd stehen. „Hey, du bist doch die von vorhin?“, einige Schritte ging Sora zurück und musterte die Schülerin. „Bist du mir gefolgt?.“ Ihre Stimme war wie Eis und ihr Gesichtsausdruck wie eine Waffe. „J-ja.“, stotterte Marry und begann nun wieder sich zu rühren. Mit einer Hand krallte sie sich in den weißen Stoff ihre Oberteils, mit der anderen spielte sie unsicher mit den Haaren. Plötzlich konnte sie ihre Quelle der Begierde nicht mehr ansehen. Schämte sie sich? Das wäre schön, dann wüsste sie wenigstens was ihr fehlte. „Eh?!?“, Sora sah sie groß an und stemmte die Hände in der wohlgeformten Hüfte. „Das gibst du auch noch so einfach zu?!“ Nun war es ganz Marry vorbei, welche nur noch bibbernd da stand und mit ihren Fingern spielte. „Scheint so…“ „Mädchen, was willst du von mir? Wer bist du überhaupt?“ „Ich bin Marry-chan.“ „Marry…. Chan?“, sie sprach das Anhängsel beinah abwertend aus. Die kleinere atmete tief ein und aus, dann nickte sie und trat eilig einige Schritte zu ihrem Gegenüber, dass sie zu ihr aufsehen musste und lächelte sie sanft und liebevoll an. „Ja, aber mein Name ist recht egal… Ich wollte dich fragen… dich fragen, ob du mit mir auf ein Date gehst!“ „Was? Bist du dumm oder s-“ „Sora-chan, ich glaube ich liebe dich!“ „Eh?!“, vor Wut stellten sich beinahe schon ihre Locken auf, aber Marry ließ den entschlossenen Blick nicht ab und sah sie weiter fest an. Ob es wirklich Liebe war, die sie da empfand wusste sie nicht, aber es war das einzige, das ihre Gefühle am besten beschrieb. Liebe auf den ersten Blick, dieses Phänomen gab es doch? Auch wenn sie nicht wusste, ob sie sich beim ersten Mal schon sofort verliebt hatte. Es war wie ein Schleier aus Begeisterung und Faszination, den man ihr auferlegt hatte und seitdem das geschehen war, konnte die Schülern einfach an nichts anderes denken, als an Sora. Diese trat einen Schritt zurück und sah sie aus verengten Augen an. Nun wo einige Sekunden vergangen waren, bereute Marry auch schon sofort was sie gesagt hatte. Das war zu aufdringlich, zu direkt, zu früh. Aber nun konnte sie es nicht mehr zurück nehmen. „Entschuldige bitte, ich wollte nur…“ „Woher kennst du meinen Namen überhaupt?.“ „Ist doch egal…“, sie räusperte sich und lächelte sie an. „Gehst du mit mir aus?“ Erzürnt sah Sora sie an und drehte sich dann eilig um, ihr Schritt war schnell, die Stimme genervt. „Lass bloß von mir ab, du Freak!“ „Sora-chan!“, Marry stellte sich auf die Zehenspitzen und rief so laut sie konnte. „Sora-chan, warte! Das ist ernst gemeint!“ Doch ihre schöne Gestalt war schon um eine Ecke gebogen und dem Mädchen aus der Mittelstufe war sehr wohl bewusst, dass sie niemals schnell genug sein könnte ihr zu folgen. Einen Moment blieb sie regellos stehen, dann schluckte sie und wand sich um. Sie musste nach Hause gehen, schließlich war es schon dunkel und in Tokyo sollte man nicht mehr davon ausgehen, dass man alleine war, wenn es auch so schien. Sora-chan, dein Name wird nicht das letzte sein, dass ich von dir in Erfahrung bringen werde. Sie kicherte und schwor sich diesen Satz, dann lief sie schnellen Schrittes nach Hause. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)