Wie man es noch sagen kann von Yosephia ([Romance OS-Sammlung/ Prompt-Liste]) ================================================================================ 56. “It brings out your eyes.” (Rerry) -------------------------------------- Auf dem Flohmarkt vor der Kardia Kathedrale herrschte trotz der hochsommerlichen Temperaturen ein dichter Menschenauflauf. Vielleicht war es die Folge eines kollektiven Hitzschlags, aber die Leute waren wie im Kaufrausch, drängten sich um die Stände und feilschten lautstark. Für Sherry und Jenny war es der reinste Glücksfall. Letzte Woche noch hatten sie angesichts der erbarmungslosen Wetterprognosen mit sich gehadert, ob sie die Standgebühren wieder rein kriegen würden. Lohnte es sich da wirklich, ihren einzigen freien Tag in der Woche damit auf den Kopf zu hauen, in der Sonne zu schmoren? Jetzt war Sherry froh, dass sie sich für das Wagnis entschieden hatten. Sie machten so ein gutes Geschäft mit dem Verkauf ihrer Sachen, dass Jenny sogar noch mal zu Laden hatte gehen müssen, um eine weitere Kiste aus dem Lager zu holen. Das hieß zwar, dass sie in der nächsten Woche viel in ihrer kleinen Werkstatt im Hinterzimmer des Ladens zu tun haben würden, aber das war es wert, wenn sie dadurch so gute Werbung machen konnten. Sie steckten mit ihrem Geschäft immer noch in den Kinderschuhen und schafften es zurzeit immer nur gerade so, schwarze Zahlen zu schreiben. Das war zu erwarten gewesen und sie hatten genug Rücklagen, sodass kein Grund zur Panik bestand, aber wenn Sherry an die Einnahmen von heute dachte, war sie doch sehr beruhigt. Immerhin hatte ihre Großmutter, die selbst genügend Erfahrung als Ladeninhaberin hatte, sie davor gewarnt, dass die meisten Leute heutzutage lieber nur die billigen Massenproduktionssets kauften als handgefertigte und daher sehr viel preisintensivere Töpferwaren. Solche Unikate kauften die Leute höchstens als Geschenk oder, um modische Akzente in der Inneneinrichtung zu setzen. Zum Glück schien es sehr viel mehr solcher Kunden zu geben, als Sherrys Großmutter prophezeit hatte. Mit einem erleichterten Seufzer ließ Sherry sich in einer kurzen Verschnaufpause auf ihren Campingstuhl fallen und klappte den Deckel des Kühlkoffers auf, den sie beim Standaufbau unter den Tisch gestellt hatte, damit sie und Jenny den Tag über kühle Getränke zur Verfügung hatten. Ihr Himbeerjoghurt und eine Tafel weißer Schokolade lächelten ihr auch noch aus dem Kühlkoffer entgegen, aber das würde sie sich erst gönnen, wenn Jenny mit den Sachen aus dem Lager zurück war. Fürs Erste begnügte sie sich mit mehreren großen Schlucken Pfirsicheistee. „So wie es aussieht, habt ihr heute ein richtig gutes Geschäft gemacht.“ In ihrer Eile, die Flasche wieder abzusetzen, verschluckte Sherry sich beinahe. Sie versuchte, möglichst würdevoll und damenhaft zu husten, ehe sie die Flasche zuschraubte und betont gelassen den Blick zu den beiden Männern anhob, die vor ihrem Tisch standen. Hibiki und Ren sahen aus, als wären sie einem Modemagazin entsprungen. Oder als befänden sie sich noch mitten in einem Fotoshooting. Es bestand wohl kein Zweifel daran, dass die Beiden sich der Aufmerksamkeit der vielen Frauen um sie herum sehr wohl bewusst waren. Dabei ließ sich weder bei Hibiki noch bei Ren sagen, dass sie aussahen, als hätten sie sich großartig heraus geputzt – wobei sie selbst dann nicht so aussahen, wenn sie es wirklich gemacht hatten. Wahrscheinlich hatte ihr Job als Gelegenheitsmodels bereits abgefärbt, mit dem sie sich das Startkapital für eine eigene Zeitung zusammen sparen wollten. „Hallo Sherry“, grüßte Ren mit diesem charmanten Lächeln, das die Pinkhaarige immer so aus der Fassung brachte. Eigentlich war sie gar nicht schüchtern oder zurückhaltend – wenn auch nicht so offensiv wie Jenny, die, auch wenn sie eher unromantisch veranlagt war, keinen Hehl daraus machte, was sie von Hibiki wollte. Allerdings hatte sie auch noch nie solch ein Herzflattern gehabt wie jetzt bei Ren. Außerdem kannte sie ihn auch erst seit den paar Monaten, seit sie mit Jenny in deren Heimatstadt gezogen war, um dort den Laden zu eröffnen. Er und Hibiki waren alte Schulfreunde der Blondine und während ihrer gemeinsamen Ausbildungszeit in Margaret hatte Sherry viel von Jenny über die Beiden gehört. Sie war vor dem ersten Treffen wirklich gespannt gewesen, wie die Beiden wohl so waren. Worauf sie nicht gefasst gewesen war, war, dass sie sich auf den ersten Blick in Ren verknallte. „Hallo“, hauchte sie atemlos und war unwillkürlich heilfroh, dass ihr alter Schulfreund Yuka nicht hier war. Während Tobys Leitung viel zu lang wäre, um zu begreifen, was hier vor sich ging, und Lyon sich höflich zurückhalten würde, könnte Yuka sich den einen oder anderen Kommentar wohl nicht verkneifen. Das hatte Sherry damals ja gesehen, als Lyon sich in eine Rucksacktouristin verguckt und tatsächlich mal seine Coolness eingebüßt hatte. In einem Versuch, ihr letztes Bisschen Würde zu bewahren, wandte Sherry sich an Hibiki. „J-ja, es läuft überraschend gut. Jenny ist noch mal zum Laden gegangen, um Nachschub aus dem Lager zu holen. Wir wollen unsere Glückssträhne voll ausnutzen.“ „Guter Plan“, stimmte Hibiki mit einem beifälligen Nicken zu. „Ich gehe Jenny entgegen und schaue, ob ich ihr beim Tragen helfen kann.“ Ohne Sherry Zeit für einen Protest zu geben – er konnte sie doch nicht mit Ren alleine lassen! –, machte Hibiki sich auf dem Weg. Dabei war Jenny absolut nicht der Typ Frau, der auf solche Kavaliersgesten stand, aber wahrscheinlich war das gerade ein Grund für Hibiki, es dennoch zu tun. So ganz verstand Sherry immer noch nicht, wie die Beziehung der Beiden funktionierte. Langsam drehte Sherry sich wieder Ren zu. Er blickte seinem Freund mit einem Stirnrunzeln hinterher, das sie nicht wirklich zu deuten wusste. Doch selbst das stand ihm und sein Profil hatte etwas sehr Edles. Auf einmal wurde Sherry sich überdeutlich bewusst, um wie vieles niedriger man mit so einem Campingstuhl saß als mit einem normalen Stuhl. Sie machte Anstalten, sich in die Höhe zu stemmen, aber Ren wandte sich ihr rasch zu und winkte lächelnd ab, ehe er um den Stand herum trat, um Jennys verlassenen Campingstuhl zu okkupieren. Irgendwie schaffte er es dabei, in diesem albernen Stuhl so elegant auszusehen, als säße er auf einem Thron. „Bleib’ ruhig sitzen. Du bist schon seit Stunden auf den Beinen und das bei dem Wetter. Gönn’ dir eine Pause.“ „O-okay“, murmelte Sherry und faltete ihre Hände in ihrem Schoß, um nicht nervös mit ihren Fingern herum zu spielen. Insgeheim ärgerte sie sich über ihre Hemmungen. Als sie damals für ein paar Monate mit Lyon ausgegangen war, war sie nicht so schüchtern gewesen. Und auch bei den Flirts mit diversen Touristen in Margaret hatte sie nie Probleme gehabt. Aber etwas an Ren brachte sie ständig aus der Fassung. Ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals und wenn sie mal in Rens braune Augen blickte, wurde ihr abwechselnd heiß und kalt. Als sie es endlich wagte, den Blick zu heben, bemerkte sie, dass Ren sie intensiv musterte. Irgendwie wirkte er seltsam auf sie. Als würde er mit sich selbst ringen. Seine sonstige Souveränität fehlte, aber irgendwie machte ihn das fast noch anziehender. „Deine Kette…“ Verwirrt hob Sherry den kleinen, tränenförmigen Lapislazuli an, der an einer feingliedrigen Silberkette an ihrem Hals hing. Es war kein besonders großer Stein, aber er war ein Erbstück ihrer Familie. Bevor sie umgezogen war, um mit Jenny ihren Laden zu eröffnen, hatte ihre Großmutter ihn ihr geschenkt – ihre Art, ihr Glück zu wünschen. „Was ist damit?“, fragte Sherry unsicher. Für einen Moment schien Ren schon wieder mit sich zu hadern. Er strich sich so durch die Haare, dass sie eben nicht durcheinander gerieten, eine Bewegung, die ihm wohl schon in Fleisch und Blut übergegangen war, die jetzt jedoch fast wie ein Verteidigungsreflex wirkte. Als er schließlich sprach, klang er fast ein wenig verlegen. „Der Stein bringt deine Augen gut zur Geltung.“ In Sherrys Ohren begann es zu rauschen. Ren hatte ihr schon viele Komplimente gemacht – um genau zu sein, hatte er sie beim Kennenlernen sogar mit einem Kompliment begrüßt –, aber irgendetwas war dieses Mal anders. Irgendetwas an diesem Kompliment brachte sie richtig aus der Fassung und ließ ihr Herz so heftig klopfen, dass es fast schon weh tat. Und sie wollte es Ren sagen, wollte fragen, was das zu bedeuten hatte, wollte- „Puh! Grässliches Wetter!“ Mit einem Ächzen stützte Jenny die Kiste auf einer freien Ecke des Tisches ab und schüttelte nacheinander beide Hände aus, ehe sie Ren bedeutete, Platz zu machen. Schnell sprang er vom Campingstuhl auf und zog ihn beiseite, damit Jenny die Kiste unter den Tisch stellen konnte, wo Sherry und Jenny schnell rein greifen konnten, wenn sie Nachschub brauchten, ohne dass sie im Weg herum stand. „W-wollte Hibiki dir nicht entgegen kommen?“, fragte Sherry, ernüchtert und enttäuscht darüber, dass die Stimmung verpufft war. „Ich war sowieso schon fast am Markt“, erwiderte Jenny und verdrehte die Augen, ehe sie frech grinste. „Ich habe ihn losgeschickt, um Eis für uns zu holen.“ „Gute Idee“, murmelte Sherry und bückte sich, um ein paar Schalen auszupacken und auf den Tisch zu stellen. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Ren sie beobachtete. Sie könnte es sich auch einbilden, aber es kam ihr so vor, als wäre er auch enttäuscht über die verpatzte Gelegenheit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)