Wie man es noch sagen kann von Yosephia ([Romance OS-Sammlung/ Prompt-Liste]) ================================================================================ 75. “I was just thinking about you.” (Yurita) --------------------------------------------- Mit einer Konzentration, als gelte es, die komplizierteste Operation der Welt zu bewältigen, ergriff Mavis einen Bauern und setzte ihn zwei Felder nach vorn. Das Klacken der Schachfigur auf dem Brett klang unnatürlich laut. Nicht minder konzentriert starrte Precht die Figur an. Die Arme vor der Brust verschränkt, leicht nach vorn gebeugt, saß er da und starrte. Und starrte. Und starrte… „Ihr macht mich fertig!“, stöhnte Yuri und raufte sich die Haare. Als hätten sie jetzt erst bemerkt, dass sie nicht alleine waren, blickten Mavis und Precht gleichzeitig von ihrem gerade erst begonnenen Schachspiel auf. Warrod, der sein Biologiebuch bereits aufgeschlagen hatte, kicherte leise. Zeira blickte lediglich kurz von ihrer Handheld-Konsole auf, um die Augen zu verdrehen. „Wie könnt ihr so ewig lange diese Figuren anstarren! Das Spiel hat gerade erst angefangen!“, beschwerte Yuri sich und deutete anklagend auf Precht und Mavis. „Der erste Zug entscheidet alles“, erwiderte Precht und beäugte Mavis von der Seite, als wäre sie eine Zeitbombe. „Ich muss heraus finden, was für eine Strategie Mavis verfolgt.“ „Nur eine?“, erwiderte Mavis schelmisch grinsend. Wieder raufte Yuri sich die Haare. Sein Großvater hatte mit geradezu menschenunmöglicher Geduld versucht, Yuri und seinen jüngeren Halbbruder in die Feinheiten des Strategiespiels einzuweihen, aber Yuri war dabei beinahe eingeschlafen und Laxus hatte nach ein paar Minuten gar nicht mehr zugehört und mit seinem Smartphone lieber nach einem Club fürs Kickboxen gesucht. Die Dreyar-Brüder waren einfach nicht für Strategiespiele geschaffen. „Ihr seid doch vollkommen gaga!“, entrüstete Yuri sich weiter. „Wie kann man jetzt schon eine Strategie entwickeln?!“ „Indem man mehr als zwei Gehirnzellen hat“, murmelte Zeira ihrer Konsole zu. Yuri zischte in ihre Richtung und dann in Prechts und Mavis’, weil ihm nicht entging, wie sie grinsten. „Spielt ihr doch euer blödes Spiel“, schnaufte er schließlich und sprang auf die Beine. „Ich weiß etwas Besseres mit meiner Freistunde anzufangen.“ „Was wird das wohl sein…“ Mavis kicherte hinter vorgehaltener Hand wegen des Kommentars ihrer Freundin. Zu gerne hätte Yuri ihnen einen wortgewandten Konter gegeben, aber vor lauter Hitze fiel ihm nichts sein. Warum noch mal war er mit diesen grässlichen Menschen befreundet…? Demonstrativ wandte er sich von ihnen ab und stapfte davon. Dass das dank seiner feuerroten Wangen nicht wirklich beeindruckend wirkte, wusste er selber, aber er hielt dennoch die Nase oben und schritt rasch voran, um außer Sichtweite seiner Freunde zu kommen. Die zogen ihn schon seit Wochen auf. Fieses Pack! Wenn die erst einmal in seine Situation kamen, würde er es ihnen heimzahlen! Als er sicher sein konnte, dass die Anderen ihn nicht mehr beobachten konnten, blieb er stehen und suchte den Schulhof ab. Er brauchte nicht lange, um die Person zu entdecken, die er insgeheim sowieso schon seit Beginn der Freistunde gesucht hatte. Sie saß unter einem der zahlreichen Bäume, die auf dem Schulhof Schatten spendeten. In der Hand hielt sie einen dicken Roman und die Strähne ihres hellbraunen, kurzen Haares, die nicht von ihrem Band zurück gehalten wurde, wehte leicht im Wind. Ihre großen, braunen Augen huschten hin und her und auf ihren Lippen lag ein leichtes Lächeln. Wie so oft haderte Yuri mit sich, zu ihr zu gehen. Einerseits wünschte er sich nichts sehnlicher, als mehr Zeit mit Rita zu verbringen, aber andererseits hatte er Schiss, sich wieder einmal zu blamieren. So wie letzte Woche, als sie ihn im Vorbeigehen gegrüßt hatte – und er war sich immer noch sicher, dass sie dabei besonders intensiv gelächelt hatte! – und er gegen eine Glastür gelaufen war. Oder vor drei Tagen, als ihm die Bücher, die er eigentlich für den Lehrer in den Klassenraum hatte tragen sollen, runter gefallen waren, weil er Ritas Winken hatte beantworten wollen. Aber wie könnte er auch nicht so reagieren? Rita war – in seinen Augen – das hübscheste Mädchen der Schule, sie war klug und höflich und immer freundlich zu jedermann. Und besonders freundlich war sie zu Yuri, dem sie Nachhilfe in Mathe gab. Wahrscheinlich war sie eine wirklich gute Nachhilfelehrerin, aber er hatte jedes Mal Mühe, ihren Worten zu folgen – und dennoch hatte sie weiterhin eine Engelsgeduld mit ihm. Als hätte sie seinen Blick gespürt, blickte Rita von ihrem Buch auf. Auf ihre Lippen zauberte sich ein besonders schönes Lächeln und sie ließ den Roman sinken, um ihm zuwinken zu können. Zaghaft winkte Yuri zurück und versuchte, so lässig wie möglich in Ritas Richtung zu schlendern und sich besonders cool neben ihr ins Gras sinken zu lassen. „Ich habe gerade an dich gedacht“, begrüßte Rita ihn immer noch mit diesem Lächeln, das Yuri das Gefühl gab, Fieber zu haben. „An mich?“, echote er und verfluchte sich im nächsten Moment selbst, als ihm klar wurde, wie dümmlich er klang. „Der Protagonist hat mich sehr an dich erinnert“, erklärte sie nur und tippte auf den Einband ihres Buches. Yuri versuchte, den Titel zu lesen, stellte jedoch fest, dass der Buchrücken von ihm abgewandt war und die Schwarte mit der Rückseite nach oben auf Ritas Schoß lag. Ob das Absicht von ihr war? „Ist das etwas Gutes?“, fragte Yuri und blickte wieder in Ritas Augen. Bildete er sich das ein oder waren ihre Wangen gerötet? Und wieso unterbrach sie jetzt den Blickkontakt? „Es ist ein gutes Buch“, erwiderte sie und drehte sich zur Seite, um das Buch in ihrer Tasche verschwinden zu lassen. Als sie sich wieder zu Yuri umwandte, lag das übliche Lächeln auf ihren Lippen – Grund genug für Yuris Eingeweide, Samba zu tanzen. „Hast du deine Mathehausaufgaben schon angefangen?“ Stöhnend ließ Yuri sich nach hinten fallen und streckte alle Viere von sich. „Erst langweilen Precht und Mavis mich zu Tode und jetzt fragst du mich an einem Freitagmittag nach den ollen Mathehausaufgaben. Ihr seid alle gemein zu mir!“ Neben ihm kicherte Rita leise. Yuri hätte eigentlich weiter schmollen sollen, aber stattdessen ertappte er sich bei einem verträumten Lächeln, während er verzückt lauschte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)