Wie man es noch sagen kann von Yosephia ([Romance OS-Sammlung/ Prompt-Liste]) ================================================================================ 27. “Try some.” (Zervis) ------------------------ Im großen Festsaal von Domus Flau summte es vor Gesprächen, untermalt von den zarten Violinentönen und Klavierklängen des Duetts auf einem kleinen Podium neben der Rednerbühne, die seit der Eröffnungsrede verwaist war. Gläser klirrten, Absätze klapperten auf dem kostbaren Marmor. In der Luft lagen die Düfte verschiedener Parfüms und Rasierwasser, vermischt mit dezentem Kerzenrauch von den unzähligen massiven Kerzenständern aus Messing, die in regelmäßigen Abständen an den Wänden standen, und den Gerüchen der warmen Speisen, die auf der einen Längsseite des Saals das Büffet vervollständigten, welches von beinahe schattenhaft unauffälligen, aber emsigen Dienern stets aufgefüllt wurde. Es war ein wilder und doch zugleich harmonischer Cocktail aus Geräuschen und Gerüchen, der Zeref schon seit einiger Zeit vertraut war. Seit er vor zwei Jahren seine Absicht erklärt hatte, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten und Jura zu studieren, hatte sein Vater ihn auch mit zu diesen Geschäftstreffen und Galen genommen, um ihn mit der Welt der Reichen und Mächtigen in Fiore vertraut zu machen. Wenn er eines Tages eine der einflussreichsten Kanzleien des Landes leiten wollte, brauchte er diese Kontakte, war ihm erklärt worden. Bis heute hatte Zeref jedoch nie besonderen Gefallen daran gefunden. Kaum dass es nicht mehr unschicklich gewesen war, hatte er sich lieber eine ruhige Ecke an einem der Tische unweit des Büffets gesucht und sich dort nieder gelassen, um das geschäftige Treiben aus sicherer Entfernung zu beobachten. Er verstand den Sinn hinter diesen Charity-Galen und wenn er den Worten seines Vaters Glauben durfte – einen zwar ernsten und energischen, aber auch sehr aufrichtigen Mann, der sich auch außerhalb dieser großen Events engagierte –, landete das Geld, das an diesen Abenden gesammelt wurde, auch tatsächlich dort, wo es sollte. Natürlich meinten es nicht alle der hier Anwesenden ehrlich damit. Oft genug trieben niedere Beweggründe wie Geschäftstreffen und das Einheimsen guter Publicity die Firmeninhaber, Politiker, Fernseh- und Musikstars und dergleichen mehr hierher. Aber Zerefs Einschätzung nach gab es unter zehn Anwesenden doch immer mindestens einen, der es tatsächlich ehrlich meinte, wenn er einen großzügig dotierten Scheck in die Sammelurne warf, während mal gerade nicht so viele Fotografen darum herum standen. Nicht alle Menschen waren gierige und geltungsbedürftige Speichellecker. Und letztendlich war es beinahe egal, mit welcher Absicht das Geld gespendet wurde, solange es einem guten Zweck diente. Für viele wohltätige Projekte waren diese Galen ein Rettungsseil. Aber all dies hieß nicht, dass Zeref Gefallen an der beständigen Reizüberflutung finden musste. Im Gegensatz zu seinem fünf Jahre jüngeren, stets quirligen Bruder war er einfach kein geselliger Typ, geschweige denn ein Partymensch. Er bevorzugte die gelehrige Gesellschaft von Büchern, hörte lieber das Rascheln von Papier, hatte lieber den Duft von frisch aufgebrühten Kaffee in der Nase. Wenn er denn Sozialkontakte pflegte, dann nur zu seiner Familie und zu seinen wenigen Freunden, die zumeist sein Bedürfnis nach Ruhe teilten. Große Menschenansammlungen schüchterten ihn zwar nicht ein, aber wohl fühlte er sich bei ihnen dennoch nicht. Im Gedanken war er heute eher bei dem Geschichtsaufsatz, der in seinem Hotelzimmer darauf wartete, fertig geschrieben zu werden. Das war die letzte große Hausaufgabe vor der finalen Prüfungsphase und Zeref wollte sich damit nicht den Durchschnitt vermasseln. Immerhin würde er sich mit diesen Noten in wenigen Monaten bei den besten Universitäten des Landes bewerben. Mit seinen hoffentlich zu erwartenden Bestnoten und den zusätzlichen Qualifikationen – diverse Praktika in verschiedenen Kanzleien und Gerichtshöfen, die Mitgliedschaft im Debattierclub und bei einer landesweit übergreifenden, politisch orientierten Schülerzeitung – würde er wohl die freie Auswahl haben und er schwankte noch zwischen seiner Heimatstadt Magnolia und der Hauptstadt Crocus. Sein Vater hatte seinen Abschluss in Crocus gemacht und sich seiner Frau wegen in der kleineren Stadt nieder gelassen. Die meisten namhaften Juristen kamen aus der Hauptstadt. Aber in Magnolia dozierte seit einigen Semestern Professor August, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Rechtswissenschaft… „Probier’ mal.“ Überrascht wandte Zeref den Blick von der Sammelurne ab und richtete ihn auf die Person, die sich ohne Vorwarnung an seinen kleinen Tisch gesetzt hatte. Es war ein Mädchen in seinem Alter von kleiner, zierlicher Statur, die Zeref an die Feen in den Märchenbüchern erinnerte, welche er seinem Bruder vor einigen Jahren noch hatte vorlesen müssen – eine Tatsache, die Natsu heute immer leugnete, um vor seinen Freunden seine Coolness zu bewahren. Die Haare des Mädchens waren von einem hellen Blond und schier unendlich lang. Ein Teil war zu einem komplizierten Kranz um den Kopf geflochten, doch größtenteils fielen sie offen über die schmalen Schultern und bis hinunter zum Gesäß. Am meisten wurde Zeref jedoch von den Augen gefesselt. Groß und von einem geheimnisvollen Grün, das an eine Lagune erinnerte. Aus ihnen sprachen eine Reife und Klugheit, die über das tatsächliche Alter des Mädchens – oder eher der jungen Frau, ermahnte Zeref sich selbst – hinaus gingen, aber gleichzeitig funkelten sie lebendig und abenteuerlustig. Ein scharfer Kontrast zu den ernsthaften Mienen, die hier vorherrschten. Das war Mavis Vermillion. Zeref kannte sie bereits von einigen anderen Galen, zu denen sie ihren Vater Jude Vermillion begleitet hatte, dessen designierte Nachfolgerin sie seit letztem Jahr offiziell war. Sie würde einen der reichsten und fortschrittlichsten Auto-Konzerne erben, der auch weit über Fiores Grenzen hinaus hoch geschätzt wurde. Und auch wenn es noch nicht offiziell war, Zeref ging davon aus, dass Mavis früher oder später auch in den Vorstand von Zodiac Circle eintreten würde, der Wohltätigkeitsorganisation ihrer Mutter Layla Vermillion-Heartfilia. Zumindest hatte Zeref sie bei verschiedenen Veranstaltungen auch schon an der Seite ihrer Mutter gesehen. Obwohl sie Beide aus derselben Stadt kamen, hatte Zeref bisher noch nichts weiter mit Mavis zu tun gehabt. Sie gingen auf unterschiedliche Schulen und so waren sie einander nur bei den Galen begegnet. Mehr als höfliche Grüße hatten sie nicht miteinander ausgetauscht. Deshalb verwirrte es Zeref umso mehr, als er auf den Teller hinunter blickte, welchen Mavis auf den Tisch gestellt hatte. Darauf befanden sich mehrere kleine Törtchen in verschiedenen Farben, allesamt mit Creme garniert, gekrönt von Fruchtstücken oder Beeren, teilweise mit Puderzucker oder mit Streuseln abgerundet. Für einen fiesen Moment zog Zeref in Erwägung, ein Handyfoto zu machen und es seinem Bruder zu schicken. Eine kleine Rache dafür, dass dieser ihn vorletzte Nacht wach gehalten hatte, als er viel zu laut irgendein neues Spiel gezockt hatte. „Danke, aber ich stehe nicht so auf Süßigkeiten“, erklärte er höflich und richtete den Blick wieder auf seine unerwartete Gesprächspartnerin. Wieder überraschte sie ihn, indem sie ihn den Teller näher heran schob. „Hast du die hier denn überhaupt schon mal probiert?“, fragte Mavis mit einem herausfordernden Grinsen. „Wenn du schon auf so einer langweiligen Veranstaltung bist, solltest du zumindest auch einen Vorteil daraus ziehen. Die Konditorei von Domus Flau ist im ganzen Land berühmt. Ich muss meinen Geschwistern jedes Mal etwas mitbringen, sonst reden sie ewig nicht mit mir. Ganz zu schweigen von meinen Freunden. Yuri und Zeira sind regelrecht süchtig nach solchen Törtchen!“ Es fiel Zeref schwer, aus diesem Redeschwall die für ihn relevanten Informationen heraus zu filtern – sehr ungewöhnlich für ihn, dem normalerweise eine rasche Auffassungsgabe nachgesagt wurde. Etwas langsamer als vorher setzte er zu einer weiteren Absage an: „Danke, aber-“ „Probier’ mal“, wiederholte Mavis ungerührt, hob eines der Törtchen hoch und hielt es ihm direkt unter die Nase. Ein Schokotörtchen mit Schokocreme und –streuseln und einer Himbeere. Natsu würde dafür über Leichen gehen. „Das wird dir gut tun, dann kannst du diesen Affentanz hier viel besser ertragen, versprochen.“ Für einen Moment zögerte Zeref noch und blickte von dieser süßen Versuchung zu der jungen Frau, die ihm ein breites, ehrliches Lächeln schenkte. Er konnte es sich nicht erklären, aber irgendwie war ihre aufrichtige Freude an etwas so Simplen wie diesen Törtchen entwaffnend. „Danke“, murmelte er und nahm das Törtchen an sich. Als er hinein biss, zerging der luftige Teig regelrecht auf seiner Zunge und ganz unwillkürlich hoben sich seine Mundwinkel zu einem Halblächeln. Um es zu verbergen, biss er gleich noch mal ab, aber als er wieder in Mavis’ Augen sah, hatte er dennoch das Gefühl, ertappt worden zu sein… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)