Wie man es noch sagen kann von Yosephia ([Romance OS-Sammlung/ Prompt-Liste]) ================================================================================ 89. “I noticed.” (Future!Rogue/Sting) ------------------------------------- Rogue saß da, als würde ihm die Welt gehören. Die Beine in einer Pose überschlagen, die sowohl herrschaftlich als auch aufreizend wirkte, in einer Hand ein kleines Buch haltend, die andere auf dem Tisch abgelegt, um zuweilen nach der zierlichen Kaffeetasse zu greifen. Seine Mimik war vollkommen unbewegt – es war unmöglich zu sagen, ob ihn das, was er las, amüsierte oder ärgerte oder zum Nachdenken anregte. Seine Ausstrahlung, seine wie stets edle und doch schlichte Kleidung, seine langen, weißen Haare mit der schwarzen Strähne, die das rechte der glühend roten Augen verbarg, das schmale, scharf geschnittene Gesicht, die schlanken und doch muskulösen Glieder… einfach alles an ihm sah genauso aus, als würde er einfach hierher gehören in dieses exquisite Café mit den dunklen Holztischen, den Brokatvorhängen, den antiken Gemälden und Skulpturen, den riesigen Vasen und dem gewaltigen Deckenfresko. Letzteres war der Hauptgrund, warum Sting nie Einspruch erhob, wenn Rogue ihn hierher bat/beorderte. Es war ein Meisterwerk in kräftigen Farben und mit so liebevoll ausgearbeiteten Figuren, dass man meinen könnte, sie würden gleich aus der Decke steigen, um sich an der illustren Gesellschaft des Cafés zu beteiligen. Je nachdem wie Sting den Kopf bewegte, hatte er den Eindruck, als würden die Augen der Personen auf diesem Fresko ihn beobachten, und bei jedem seiner Besuche entdeckte er ein neues Detail. Letztendlich glitt Stings Blick doch wieder zu Rogue, der wie immer an einem Tisch in einer abgelegenen Nische saß und so wirkte, als hätte er alle Zeit der Welt. Was komisch war, wenn man bedachte, wie selten er Sting anrief und wie sehr er dann auf bestimmte Termine beharrte. Mal meldete er sich schon nach einigen Tagen wieder bei Sting, mal gingen Wochen ins Land, ehe er wieder ein Lebenszeichen von sich gab. Doch bei jedem Treffen nahm er sich die Zeit, zuerst hier mit Sting zu sitzen. Meistens redeten sie nicht einmal miteinander. Sting mümmelte den Kuchen des Tages – gut, von Kuchen verstanden sie in diesem Spießercafé wirklich etwas, das musste er zugeben – und Rogue las ein Buch. Nie eine Zeitung oder ein Börsenblatt oder so was. Dabei müsste er als Börsenmakler doch immer auf dem Laufenden bleiben, oder? Nicht dass Sting tatsächlich etwas davon verstehen würde. Er konnte zahllose Glanzgestalten der ishgarischen Kunstgeschichte aufzählen, konnte aus dem Kopf mehrere ihrer Meisterwerke skizzieren, konnte ganze Vorträge darüber halten, warum diese oder jene Pinsel besser für diese oder jene Farbe geeignet waren. Aber so was wie Aktien und Fonds und wie dieser ganze Quatsch nicht hieß – das waren für ihn unlösbare Rätsel. So gesehen könnten Sting und Rogue gar nicht unterschiedlicher sein. Und doch zog es Sting immer wieder zu dem Älteren. So oft schon hatte er sich eingeredet, dass er keine Lust mehr auf den Befehlston hätte, aber letztendlich war er doch jedes Mal pünktlich hier im Café und wehrte sich auch nicht, wenn sie danach ein Hotel für die Nacht suchten. Dabei hatte alles mit einer dummen Wette angefangen. Stings alte Kindheitsfreundin Minerva war Rogues Juniorpartnerin und irgendwie hatte sie es geschafft, Sting dazu anzustacheln, Rogue anzubaggern. Das alles lag schon so lange zurück, dass Sting nur noch vage in Erinnerung hatte, was für einen Müll er damals von sich gegeben hatte, aber irgendetwas musste bei Rogue doch Eindruck gemacht haben, denn er hatte sich auf Sting eingelassen. Verrückt, verrückt und nochmals verrückt! Langsam strebte Sting dem Tisch entgegen, an dem Rogue saß, und fragte sich, warum er sich heute eigentlich ein Hemd angezogen hatte. Ganz gewiss nicht deshalb, weil Minerva ihm vor ein paar Tagen verraten hatte, dass Rogue heute Geburtstag hatte. Rogue hatte seinen Geburtstag auch einfach ignoriert, warum also sollte Sting sich etwas aus Rogues Ehrentag machen? Dennoch trug er dieses brandneue, dunkelblaue Hemd und die schwarzen Jeans, von denen Minerva mal grinsend behauptet hatte, dass Sting damit nicht durch die Stadt laufen könnte, ohne danach ein Dutzend Verehrer am Hintern zu haben. Das war nicht Rogues wegen. Sting war einfach danach zumute gewesen. Und er hatte vor seinem Aufbruch auch nicht noch mal vorm Spiegel gestanden und seine Frisur gerichtet und sich auch nicht zehn Minuten mit der Frage beschäftigt, wie viele Hemdknöpfe er offen lassen sollte – letztendlich hatte er sich für drei entschieden, weil das bequemer war –, nur um Rogue zu gefallen. Der achtete doch sowieso nie darauf, also putzte Sting sich garantiert nicht für ihn heraus. Ihm war einfach nur danach zumute gewesen, weil… weil er dem Fresko seinen Respekt zollen wollte, genau! Er hatte den Tisch noch nicht ganz erreicht, als Rogue den Blick hob. Irgendwie hatte der Börsenmarkler so etwas wie einen zusätzlichen Sinn. Egal wie vertieft er vorher in seine Lektüre war, er blickte jedes Mal auf, bevor Sting ihn erreichte. Als gäbe es hier eine Lichtschranke oder so was. Wie jedes Mal glitt sein Blick prüfend über Sting, von den Sohlen bis zu den Haarspitzen und zurück, ohne irgendwo länger zu verweilen. Irgendwie kränkte es Sting jedes Mal aufs Neue, dass sein Gesicht und sein Schritt denselben Stellenwert wie seine Füße zu besitzen schienen. Er hätte sich gerne deswegen beschwert, aber allein in seinen Gedanken klang das furchtbar albern und außerdem ging es bei dieser Sache doch sowieso nur um das Eine, also konnte es ihm doch egal sein, was Rogue dachte! Ohne auf Rogues Aufforderung zu warten, ließ Sting sich ihm gegenüber am Tisch nieder und griff nach der Karte, die den Kuchen des Tages anpries, ein Gedicht aus Schokolade und Himbeeren mit einer dicken Schokoglasur und einem wahren Kunstwerk aus feinen Schokospiralen und weiteren Himbeeren, die halb in der Glasur versenkt waren. Allein das Bild ließ Sting das Wasser im Mund zusammen laufen. Nachdem die adrett gekleidete Kellnerin seine Bestellung aufgenommen hatte, verlegte Sting sich darauf, Rogue zu beobachten, der sich wieder seinem Buch zugewandt hatte. Er hatte sich wirklich nicht Rogues wegen in Schale geworfen. Es konnte ihm doch egal sein, dass der Ältere heute Geburtstag hatte. Wahrscheinlich interessierte es diesen nicht einmal selbst! Und doch ärgerte es ihn, dass sein Aufzug mit keinem Wort gewürdigt wurde. Denn er sah verdammt noch mal gut aus! Sting war nicht übermäßig eitel, aber er war auch nicht blind, wenn er in den Spiegel sah. Er wurde auch so oft genug von wildfremden Männern und Frauen angebaggert. Die Natur hatte es eindeutig gut mit ihm gemeint und heute betonte das Hemd seine Augen und die schwarze Jeans brachte gewisse delikate Partien gut zur Geltung. War das Rogue alles egal? Warum konnte der eigentlich nie eine Reaktion zeigen? Ein bisschen weniger freundlich als sonst bedankte Sting sich wenige Minuten später, als die Kellnerin ihm ein Stück Kuchen und einen Milchkaffee brachte, und widmete sich dann seinem Kuchen. Der war wie immer ein wahrer Gaumenschmaus. Fast so gut wie Minervas Schokoladenkuchen neulich, den sie an ihre Freunde verteilt hatte – es hatte etwas was für sich, mit jemandem befreundet zu sein, der zwar für sein Leben gerne buk, aber selbst gar nicht so gerne Kuchen aß. Nur heute war Stings Freude über den Kuchen irgendwie getrübt. Vielleicht lag es daran, dass er in seinem Freundeskreis mittlerweile der Einzige war, der Single war. Vielleicht hatte er sich doch mehr Reaktion zu seinem Outfit erhofft. Vielleicht war er diese unverbindlichen und doch so… so guten Sextreffen einfach Leid. Eine Zeit lang war es ein spannendes Abenteuer gewesen, aber Sting reichten die Treffen nicht mehr so, wie sie nun schon seit Monaten abliefen. Er wollte mehr und hatte doch keine Ahnung, was er eigentlich wollte. „Ich habe es bemerkt.“ Verwirrt hob Sting den Blick und begegnete dem seines Gegenübers. Das sichtbare Auge schien intensiver als sonst zu glühen, obwohl der Rest der Miene ausdruckslos blieb. Sting fühlte sich wie hypnotisiert davon. In diesem Auge schien ein Hunger zu liegen, an den Sting sich bisher gar nicht erinnern konnte. Nicht dass er jemals viel Blickkontakt mit Rogue gehabt hätte. Schade eigentlich, denn Rogues Blicke gingen wirklich unter die Haut. Da geriet der leckere Kuchen völlig in Vergessenheit. Zu Stings großem Bedauern löste Rogue den Blickkontakt wieder und sah noch einmal an Sting auf und ab, schien alles genau zu mustern. Sting erschauderte, als er bemerkte, wie der Blick am Ausschnitt des Hemdes hängen blieb, und er fühlte sich gut bei dem Gedanken, dass sich Rogues Finger ein wenig fester um den Henkel der Tasse schlangen, auch wenn er sich gleich wieder ermahnte, dass das nur Einbildung war. Rogue führte die Tasse zum Mund. Über den goldverzierten Hand blickte er Sting erneut in die Augen und über Stings Rücken lief ein wohliger Schauder, der zu einem beständigen Kribbeln wurde, als Rogue seine Worte mit tiefer, anregender Stimme wiederholte, bevor er an seinem Kaffee nippte. „Ich habe es bemerkt…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)