The Weight Of The World von Puppenspieler ================================================================================ II. And Thus Fate Becomes Cruel ------------------------------- Morisuke spürte, wenn er in der Nähe war.   Es war keine romantische Verbundenheit ihrer Seelen, kein freudiges Herzklopfen – kein lächerlicher Kitsch, wie Mädchen ihn zu Hauf erfanden. Es war Herzrasen, aufsteigender Ärger, der dringende Wunsch, irgendetwas kurz und klein zu schlagen.   Morisuke hasste es.   Morisuke hasste, dass Lev einfach ignorierte, dass er es hasste, und allein deshalb hätte er gern die Tür eingetreten, die ihn, draußen auf dem Schuldach, gerade von Lev trennte, der zweifelsohne davor stand. Es hätte natürlich auch einer von Levs dummen Freunden sein können, aber niemand, der nicht Haiba Lev hieß, war so gnadenlos dumm.   Und das Schlimmste war eigentlich, dass sie es alle bemerkten.   „Dein Freund ist da“, informierte Kuroo überflüssigerweise. Sein Handy schwebte ungefähr zehn Zentimeter über seinem ausgestreckten Zeigefinger und drehte sich träge um die eigene Achse; es war nicht, als ob er auf Nachrichten warten würde, oder es wegen irgendetwas brauchte – er war einfach nur ein Angeber. Noch so eine Sache, auf die Morisuke gern verzichtet hätte. Kuroos Angeberei, Levs Levheit, Daishous verdammte Psychospielchen machten auch nichts besser – und das waren nur die Fälle, mit denen er sich öfter abgeben musste! Und das alles nur wegen– „Keine Sorge, er geht auch gleich wieder.“ Kenmas Kommentar riss Morisuke aus seinen Gedanken. Er warf einen feindseligen Blick in Richtung der Tür, und wieder einmal kam ihm der Gedanke, wie einfach es wäre, sie einzutreten und samt Lev die verdammte Treppe hinunterzubefördern.   Er hasste es.   „Er kommt nicht raus?“ – „Nein.“ Immerhin etwas. Mit einem Seufzen lehnte Morisuke sich zurück, sah hinauf in den Himmel. Einen Moment lang war es einfach still, dann hörte er etwas über den Boden scharren. Als er hinsah, lugte unter dem Türspalt ein weißer Umschlag hervor. Wieder einmal.   Die letzten fünf hatte er ungelesen in den Müll geworfen.   „Wo ist Yamamoto, wenn man ihn mal braucht? Ich hab was zum Verbrennen“, brummte er unzufrieden. Kuroo lachte dreckig. Morisuke knurrte. Etwas knackte, und erst nach einem langen Moment bemerkte er, dass er vor Wut gerade versehentlich seine Essstäbchen zerdrückt hatte. So viel zu dem Plan, extra stabile zu benutzen…   Immer noch besser als das Schülerpult, das er versehentlich aus dem Fenster getreten hatte.   „Du solltest nicht immer so herzlos sein, Yakkun.“ Kuroos Grinsen war unerträglich, fast so unerträglich wie das dumme Handy, das jetzt fröhlich in der Luft schwebend hin und her eierte. Morisuke warf ein Stück seiner zerbrochenen Essstäbchen nach dem Ding – sehr zu seinem Unmut fiel es in Kuroos wartende Hand, bevor sein Wurfgeschoss treffen konnte. Hmpf. „Ich bin nicht herzlos. Herzlos wäre, ihm das Genick zu brechen.“ „Nein, das wäre triebgesteuert, mein Freund. Man sollte meinen, du hättest mehr Selbstbeherrschung als das. Bei Suguru und mir klappt es doch auch~“ „Ihr wolltet euch aber schon immer gegenseitig umbringen? Es macht überhaupt keinen Unterschied, wie es ist.“ Kuroo lachte. Morisuke warf noch ein Stück Essstäbchen nach ihm, und bei der Wucht, mit der es vom Dach abprallte, war er glatt froh, dass es sein Ziel verfehlte.   Den Brief stopfte er in seine Hosentasche – maßgeblich deshalb, weil gerade einfach kein Mülleimer in der Nähe war.     ***     Der Brief war immer noch da, als er am Nachmittag nach Hause kam. Der Brief war immer noch da, als er sich irgendwann an seine Hausaufgaben setzte. Nur den Weg in den Mülleimer fand er nicht. Es war dumm, und Morisuke wusste, er würde sich in wenigen Minuten für den Anfall von Sentimentalität hassen, aber gerade brachte er es nicht über sich, das nutzlose Stück Papier so herzlos wegzuwerfen, wie er es geplant hatte. Stattdessen riss er nach einigem Hadern das zerknitterte Kuvert lieblos auf und zog einen ebenso zerknitterten, ohnehin schlampig gefalteten Zettel daraus hervor. Es war nicht einmal eine lange Nachricht. Nichts Tiefsinniges. Nichts Vernünftiges. Nur ein paar Worte, die ihm längst viel zu vertraut waren:   Yaku-San! Geh mit mir aus!   Sechs Monate hatte es gedauert, bis Morisuke der Forderung das erste Mal nachgekommen war. Sechs Monate, die Lev ihn beinahe jeden Tag genervt hatte, mit seinem breiten Grinsen, seinem viel zu großen Ego, und seiner viel zu nervigen Beharrlichkeit. Irgendwie hatte Morisuke diesen Idioten trotzdem liebgewonnen.   Zwei Monate war es her, dass sie das letzte Mal ausgegangen waren. Ihre ganze Beziehung hatte bahnbrechende drei Wochen gehalten – und das nicht, weil Morisuke genug von dem nervigen Wolkenkratzer hatte. Je länger er sich mit Lev abgab, desto erträglicher war er geworden.     Das Problem war, was Kuroo im Nachhinein die Leichenfledderer-Affäre getauft hatte.     Morisuke würde es nie vergessen können. Ein ganz normaler Schultag. Er wusste noch, dass er kurz vorm Heimgehen wieder einmal mit Kuroo über irgendeine Belanglosigkeit gestritten hatte. Kenma hatte an seinem Handy geklebt, vermutlich im Gespräch mit dem Chibi, zumindest hatte Morisuke das anhand der Satzzeichenrudel vermutet, die sich immer wieder auf dem Display meldeten.   Und dann ein Blackout.   Es hatte überhaupt keinen Sinn ergeben. Ein leerer Klassenraum. Letztes Tageslicht, das durch die Fenster fiel. Eine blutiger, unförmiger Haufen am Boden, der sich bei näherem Hinsehen als Mensch herausstellte – oder eher als menschlicher Überrest. Kuroo war da gewesen. Kenma. Yamamoto. Keiner von ihnen hatte gewusst, was los war. Yamamoto hatte sich übergeben. Kuroo hatte seine eigene Panik hinter losen Sprüchen und dummen Witzen versteckt, Morisuke hatte geschrien. Kenma hatte sie irgendwann darauf hingewiesen, dass sie verschwinden sollten, wenn sie nicht allesamt ein paar sehr unangenehme Fragen beantworten wollten. Sie waren schließlich unschuldig, nicht wahr?   (Inzwischen war sich Morisuke da nicht mehr so sicher. Inzwischen war er sich über fast gar nichts mehr sicher.)   Es war auch Kenma gewesen, bei dem die Veränderung zuerst aufgefallen war. Er begann, auf Dinge zu reagieren, die niemand gesagt hatte. Gedanken. Nachdem wenige Minuten später Kuroo festgestellt hatte, dass er einen Kugelschreiber recht unselig durch die Luft torkeln lassen konnte, ohne ihn zu berühren, kamen sie zu dem Schluss, dass jeder von ihnen fragwürdige Kräfte erhalten haben musste. Morisuke fand seine unnatürlich hohe Kraft, als er verärgert eine Tür zuschlug und damit den ganzen Raum zum Erzittern brachte. Yamamoto stellte fest, dass er spontan Dinge in Flammen setzen konnte, als er vor Schreck einen dicken Käfer abbrannte, der ihm ins Gesicht geflogen war.   Sie waren nicht die Einzigen. Der Chibi. Daishou. Ushiwaka, zumindest hörte Morisuke davon, selbst gesehen hatte er es nie. Es gab sicherlich noch mehr, die er überhaupt nicht kannte. Lev.   Und da fingen seine Probleme an.   Zuerst merkten sie es nicht. Zuerst begriff er nicht, wieso er sich jedes Mal so wütend fühlte, wenn er Lev sah. Oder Inuoka. Wieso er plötzlich den Drang verspürte, etwas zu zerstören und Knochen zu brechen. Er verstand es nicht, aber Kenma sei Dank lernte er schnell, dass es nicht nur ihm so ging – sondern jedem, der mit der ganzen Sache zu tun hatte.   Es dauerte mehrere Tage und unzählige Stunden von Verschwörungstheorien, Diskussionen bis mitten in die Nacht und ungesunden Snacks, bis Kuroo auffiel, dass es eigentlich überhaupt keinen Sinn ergab, dass Lev und Inuoka ebenfalls solche Kräfte hatten, aber nicht mit ihnen im Klassenraum gewesen waren. Wie sich herausstellte, hatten die Beiden ihre eigene Leiche gefunden. Warum auch immer. Eine Erklärung fanden sie nie, aber trotzdem schien es Erklärung genug zu sein: Sie gehörten nicht zusammen. Und ganz gleich, was für eine merkwürdige höhere Macht es war, die ihnen ihre abgedrehten Kräfte hingeworfen hatte, diese höhere Macht mochte die Konkurrenz nicht besonders.   Also hatte Morisuke begonnen, der Konkurrenz aus dem Weg zu gehen. Im Gegensatz zu Kuroo, der seine neuen Mordgelüste lässig weglachen konnte und völlig ignorierte, dass er seinem Typen gern den Hals umdrehen würde, hatte Morisuke nicht die nötige Selbstkontrolle, um sich vor Lev hinzustellen und nicht zu fürchten, dass er dem Kerl versehentlich alle Knochen brach. Lev fragte es sich aber. Morisuke hatte vorher schon Probleme gehabt, sich mit Tritten zurückzuhalten – wie sollte das jetzt noch klappen?!   Es hätte so einfach sein können.   So einfach, wenn Levs verdammte neue Kraft nicht wäre, dass er jeden anderen Betroffenen mit einer perversen Zielsicherheit orten konnte, solange er nur ungefähr in der gleichen Stadt war.     ***     Morisukes Nacken kribbelte. Sein Magen krampfte, und sein ganzer Körper war so angespannt, als würde der kleinste Impuls ausreichen, dass er explodierte. Wahrscheinlich würde es wirklich reichen. Aber es passierte nichts. Seit dieser schreckliche Instinkt sich zu melden begonnen hatte, hatte sich nichts verändert. Morisuke saß immer noch an der Bahnhaltestelle. Mitten in der Stadt. Kein guter Platz, um einen Mord zu begehen. Er stieß gequält die Luft aus und ließ den Kopf in den Nacken fallen, schloss einen Moment die Augen. Er müsste sich nur zur Seite drehen, um den Übeltäter zu entdecken. Weit entfernt konnte er nicht sein. Vier, fünf Meter maximal. Weiter reichten ihre dummen Triebe zum Glück gar nicht.   Es war nicht, als müsste er zur Seite sehen.   Das Kribbeln wurde stärker. Sein Herz raste, Blut rauschte in seinen Ohren. Kam er näher? Wollte er es überhaupt wissen? Er hörte, dass sich gar nicht weit von ihm etwas regte. Jemand hatte sich hingesetzt. „Was willst du?“ „Das weißt du ganz genau, Yaku-San.“   Er wusste es, und er wollte nichts davon hören. Morisuke schnaubte, stand schwungvoll auf. Er würde nicht zum gefühlt tausendsten Mal die gleiche dumme Diskussion mit Lev führen, wenn er genauso gut sinnvollere Dinge tun konnte – abhauen zum Beispiel. Im Zweifelsfall zu Fuß nach Hause laufen, auch wenn er dann ganz schön lange unterwegs wäre. Alles besser, als hier zu bleiben.   Es half nur nicht. Lev schien es als solchen Erfolg zu verbuchen, dass Morisuke überhaupt mit ihm gesprochen hatte, dass er ihm konsequent folgte. Morisuke spürte es, ohne sich auch nur einmal nach ihm umdrehen zu müssen. Er hasste es. Lev war sowas von selbst schuld, wenn–   Bevor er den Gedanken zu Ende denken konnte, wirbelte er mit einem wütenden Knurren herum, fixierte Lev voller Ärger. Das allgegenwärtige, penetrante Grinsen war verschwunden, und der ernste Ausdruck auf dem Gesicht des Anderen sah im diesigen Licht der schmalen Nebenstraße – niemand hier, der sie stören könnte… – beinahe unheimlich aus. „Yaku-San.“   Allein, dass das Grinsen fehlte, machte Morisuke so sprachlos, dass er gar nichts zu antworten wusste.   „Warum gehst du mir aus dem Weg?“ „Das hab ich dir gesagt. Mehr als einmal.“ Und mehr als einmal hatte Lev es ignoriert. Kleingeredet. Gegenargumentiert. Es ging doch. Man konnte sich ja beherrschen. Konnte sogar er. Er hatte noch niemanden gesehen, der wirklich jemanden umgebracht hatte wegen dieser Sache.   (Morisuke war sich sicher, dass das eine Lüge war. Garantiert waren einige der letzten ungeklärten Mordfälle genau darauf zu begründen, und Lev wusste das genauso gut wie er. Man konnte es gar nicht übersehen, wenn man gelegentlich in eine Zeitung oder die Nachrichten sah. Selbst einem Idioten fiel auf, dass es plötzlich bedenklich viele jugendliche Opfer gab.)   „Aber Yaku-San–“ – „KEIN ABER!“   Ein Blumenkübel zerbarst dumpf klirrend unter Morisukes Tritt. Er presste die Lippen zusammen, zwang sich, ruhig durchzuatmen, während er auf das unruhige Durcheinander von Tonscherben, Blumenerde und blühenden Pflanzen blickte, das sich auf den Boden ergoss. Lev war still. Morisuke wusste nicht, ob er tatsächlich mal genug Verstand gefunden hatte, zu begreifen, dass Morisuke seine Bedenken völlig ernst gemeint hatte, oder ob er einfach nichts Klügeres zu sagen wusste als „Der war bestimmt teuer, Yaku-San“. Was es auch war, Levs Schweigen gab Morisuke die Möglichkeit, sich wieder so weit zu fangen, dass er nicht mehr ganz fürchtete, sich selbst zu vergessen. Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar, schob die Hände dann beide ruckartig in die Hosentaschen. Er war es so dermaßen leid…   „Gib doch einfach auf“, murmelte er, mehr resigniert als genervt. Sechs Monate Nerverei dafür, dass Morisuke sich drei Wochen mit ihm abgegeben hatte, danach wieder Ablehnung – und Lev lief ihm trotzdem noch hinterher. Wozu denn bitte?   „Ich kann nicht aufgeben, Yaku-San.“ Die Ernsthaftigkeit, mit der Lev antwortete, war beinahe grotesk. An dem Kerl wirkte irgendwie alles grotesk, was nicht theatralisch nerviges Grinsen war. „Kannst du. Ist ganz einfach. Lass mich einfach in Frieden und such dir jemanden, den du nerven kannst, bis er sich freiwillig auf ein Date mit dir einlässt.“ „Aber ich will nur Dates mit dir.“ „Und ich will kein Date mit dir.“ „Aber du magst mich.“ Morisuke schnaubte. Er wusste nicht, ob er lachen oder gleich noch einmal irgendetwas zertreten sollte.   Dass er seine Hosentaschen zerriss, weil er die Hände zu tief hineinbohrte, ließ ihn zu dem Schluss kommen, dass etwas zertreten gerade eher seinen Bedürfnissen entsprach. Er tat es trotzdem nicht, trat nur einen großen, wütenden Schritt auf Lev zu. „Du spinnst wohl! Sieh dich mal an! Du bist riesig, du bist nervig, du hast ein lächerlich großes Ego, das sich durch überhaupt nichts rechtfertigt, das du kannst! Du bildest dir ein, du wärest der Beste und Tollste, und in Wahrheit kann man doch froh sein, dass du immerhin deine Schuhe selbst binden kannst. Du wärest nicht einmal liebenswert, wärest du der letzte Mensch auf Erden!“ „Aber du magst mich.“ Und Lev klang so widerlich zufrieden dabei, dass Morisuke–   Er schlug kein Loch in die nächste Wand. Er konnte sich aber auch nur gerade so davon abhalten.   „Es macht eh keinen Unterschied. Wenn du nicht krepieren willst, dann verschwindest du. Ende der Geschichte.“   Lev verschwand nicht. Lev, so Lev wie er war, fand stattdessen noch eine Möglichkeit, Morisuke für die nächste Zeit sämtlichen Seelenfrieden zu rauben:   „Aber ich liebe dich, Yaku-San.“     ***     „Und, wie läuft’s mit deinem Liebchen?“   Kuroo lachte, während er Morisuke eine Kaffeetasse hinstellte – natürlich, ohne auch nur einen Finger dafür krumm zu machen. Er sah nicht einmal hin. Angeber. Eigentlich sollte er sich langsam daran gewöhnt haben, dass Kuroo mit fortschreitendem Alter einfach immer unerträglicher wurde, aber irgendwie schaffte Morisuke es immer wieder, zu verdrängen, dass sein bester Freund ein ätzender Kotzbrocken war. Und obendrein wahnsinnig. Neben dem Studium eine eigene Wohnung? Tat auch kein klardenkender Mensch.   Aber es zog auch kein klardenkender Mensch mit einem Typen zusammen, den er insgeheim umbringen wollte.   „Nichts läuft. Und das weißt du.“   Mit einem Grinsen wandte Kuroo sich um, kam zusammen mit seiner eigenen schwebenden Kaffeetasse zum kleinen Küchentisch hinüber und setzte sich rittlings auf den zweiten Stuhl. „Sei nicht so. Mir kannst du doch alles erzählen.“ Er hob die Augenbrauen und lächelte sein vertrauenerweckenstes Lächeln, das in Morisuke aber nur den Drang auslöste, ganz schnell ganz weit weg zu flüchten. Kuroo war der Letzte, dem er irgendwelche Geheimnisse anvertrauen wollte. Aber dummerweise auch so ziemlich der Einzige, der in Reichweite war.   „Es gibt nichts. Wir telefonieren ab und zu.“ „Na, Telefonsex hat doch auch seinen Reiz…“ „KUROO!!!“ „Whoops! Yakkun, Vorsicht mit dem Tisch, der ist neu!“   Der Tisch überlebte. Knapp. Morisukes Würde fühlte sich weit weniger lebendig.   „Auch wenn ich zugeben muss, ein wenig erstaunt es mich ja, dass du dich echt darauf eingelassen hast. Hätten wir gewettet, ich hätte zur Abwechslung mal verloren.“ Morisuke schnaubte, warf einen bösen Blick über die Kaffeetasse hinweg. Irgendwo tickte eine Uhr.   Er wusste auch nicht, was ihn da geritten hatte. Es war keine gute Idee gewesen. Es war immer noch keine gute Idee. Was war das auch für eine Beziehung, die aus Telefonaten und Chats bestand? Eine Fernbeziehung, obwohl man zur gleichen Schule ging. Jetzt, wo er seinen Abschluss hatte und die Universität besuchte, war es glatt vertretbarer, aber immer noch albern genug, immerhin war Tokyo nicht gerade das gigantischste Stück Erde. Es war von vorn bis hinten albern.   Aber es funktionierte.   Es war ja nicht für immer, zumindest sagten sie sich das alle. Die Nebenwirkungen gingen sicherlich verloren. Irgendwann. Vielleicht auch die Kräfte, auch wenn das tatsächlich ein Verlust wäre – in einigen Fällen. Yamamoto könnte gern sofort wieder aufhören, spontan Zeug abzufackeln.   Es war ja sogar besser geworden! Ein wenig. Morisuke ertrug zumindest einige Minuten im gleichen Raum mit der Konkurrenz, bevor er vorsorglich das Feld räumte, ehe er sich strafbar machte.   Es war zermürbend.   (Trotzdem war er glücklich.)   Ehe er noch in die Verlegenheit kam, Kuroo antworten zu müssen, spürte er, wie sich seine Nackenhärchen aufstellten und mit einem unzufriedenen Seufzen stellte er seine Kaffeetasse ab. „Dein Typ kommt heim“, informierte er Kuroo, just in dem Moment, in dem das Türschloss klickte. Kuroo lachte, er klang für Kuroo-Verhältnisse sogar fast nicht gehässig und unverschämt dabei. „Sei nicht neidisch, Yakkun.“ Er klang wirklich sanft. Gruselig. Morisuke hob die Augenbrauen, doch er bekam keine Antwort, nur eine Hand, die ihm durchs Haar wuschelte – er würde Kuroo umbringen –, dann war der Typ an ihm vorbei in den Flur gelaufen. Gedämpfte Stimmen drangen bis zur Küche hinein, die Tür fiel wieder zu. Morisuke stützte das Kinn in die Hände. Kuroo lachte. Der Laut klang schon etwas näher.   Morisuke konnte sich nicht vorstellen, eine Wohnung mit irgendwem zu teilen. Also, außer dafür, einen persönlichen Koch zuhause zu haben, aber sonst? Würde er, wenn er auszog, definitiv allein wohnen wollen. Und ganz sicher nicht mit Lev zusammen! Und das lag maßgeblich einfach nur daran, dass Lev ein unerträglicher, nervtötender Mensch war, nicht daran, dass Morisuke ihn umbringen wollte. Das konnte er sogar irgendwie ignorieren in dem Bezug. Vielleicht in zehn Jahren. Oder zwanzig. Oder hundert.   „–lieber, Suguru. Pottschnitt und Charme gegen gutes Aussehen, Piercings und einen miesen Charakter einzutauschen war kein guter Handel~“   Morisuke schnaubte erheitert, schloss die Augen.   In zehn Jahren, huh…? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)