Vampire Kiss von Laito-Sakamaki ================================================================================ Kapitel 40: Alles oder Nichts ----------------------------- 40. Alles oder Nichts Yuri schaffte es gerade noch Haruka zum Bett zu hieven, bevor dieser die Knie nachgaben. Mit einem unverkennbaren Schmerzlaut sackte die Blondine auf die Matratze und ließ sich nach hinten fallen. Besorgt betrachtete Yuri die tiefe Fleischwunde in ihrer Brust. „Er hätte dich um ein Haar getötet…“, flüsterte sie fassungslos, „Nur wenige Zentimeter und es wäre aus gewesen!“ „Er wollte mich nicht töten“, presste Haruka zwischen den Zähnen hervor, „Jedenfalls nicht sofort. Er hat mit Absicht verfehlt, um mich zu quälen.“ Sie hustete, weil ihr eigenes Blut ihr die Kehle hinunter rann. Nachdem sie es mehrfach ausgespuckt hatte sprach sie knurrend weiter. „Selbst wenn er mein Herz getroffen hätte, hätte er mich so nicht töten können. Wissen diese verfluchten Mönche das etwa nicht oder ist das noch etwas, dass sie dir vorenthalten haben?“ Sie sah Yuri direkt an, dass sie nichts davon wusste. Selten hatte die Vampirin auch nur den geringsten Anflug von Unsicherheit bei ihrem Gegenüber entdeckt. Sie war berechnend und nicht aus der Fassung zu bringen – noch etwas das Haruka an ihr faszinierte. Nur einmal hatte sie einen solchen Ausdruck der Unsicherheit in Yuris Augen gesehen. Als diese erfahren hatte, dass vor 500 Jahren auch Haruka eine Ausbildung in diesem Kloster begonnen hatte. „Alle Vampire sterben, wenn man ihr Herz durchbohrt“, erwiderte Yuri schließlich, „Selbst die großen Alten!“ Trotz ihrer starken Schmerzen konnte die Vampirin sich ein Lachen nicht verkneifen, was sie aber sehr schnell schmerzlich zusammen zucken ließ. „Verdammt!“, fluchte sie und brauchte einen Moment, um sich wieder zu sammeln. „Ich bin nicht, wie andere Vampire“, raunte sie dann, „Das solltest du selbst am besten wissen. Nicht nur die jämmerlichen Versuche der großen Alten haben dazu beigetragen. Ist es nicht gerade meine Zigeunermagie, die dich so sehr an mir fasziniert hat, dass du freiwillig zu mir gekommen bist? Die dich hat alles verraten lassen, wofür du dein Leben lang trainiert und gekämpft hast?“ Ihre Stimme hatte sich verändert während dieser Worte, klang aber nicht bedrohlich sondern nur seltsam wissend. Yuri schluckte merklich und wieder sah Haruka diesen Ausdruck in ihren Augen. Den Ausdruck, der mehr als ein Genuss für die Vampirin war, denn er offenbarte ein verletzliches Wesen, sensibel und zerbrechlich und widerlegte die eiskalte Kämpferin, die Yuri immer vorgeben hatte zu sein. „Denkst du, mir ist deine Reaktion vor dem Kloster entgangen?“ grinste Haruka, „Du genießt diese schwarze Magie genauso sehr, wie ich es vom ersten Tag an getan habe, denn deine Seele ist ebenso schwarz wie meine es war. Wir beide waren zwar verdammt nah dran, doch tragen wir wohl zu viel Erbe unserer Väter in uns. Nur ein wenig mehr von unseren Müttern hätte schon ausgereicht, doch der Schatten des Bösen hat über uns geschwebt seit wir das Licht der Welt erblickten. Michiru hingegen ist ganz, wie ihre Mutter es war…“ „Du…weißt es also?“ vergaß Yuri nun jede Maskerade, „Du weißt, was sie so besonders macht? Seit wann? Und woher?“ Wieder lachte Haruka amüsiert. Sie schien sich etwas erholt zu haben. Obgleich noch immer eine tiefe Wunde in ihrer Brust klaffte, hatte sie scheinbar kaum noch Schmerzen und setzte sich nun sogar wieder auf. „Ich weiß, was sie so besonders gemacht hat und auch, welche Macht in ihr schlummert“, entgegnete die Vampirin, „Woher und seit wann ist vollkommen unwichtig!“ „Aber…“ Yuri vergaß wirklich alles und war einfach nur noch neugierig, doch Haruka würgte sie schon im Ansatz einer Frage ab. „Kein aber“, brachte sie hart hervor, „Hilf mir hoch zu unserem Gast. Als Druckmittel ist sie wertlos, aber als kleiner Heiltrank ist sie genau richtig.“ Sofort stahl sich ein gemeines Grinsen auf Yuris Lippen. So sehr es sie interessierte, was genau Haruka alles wusste, so sehr hasste sie diese arrogante Ziege Reijka. Dass nun deren Ende nahte gefiel ihr sichtlich. „Nun mach schon“, wurde die Vampirin etwas ungeduldig, „Du konntest ihr Ende doch von Anfang an nicht erwarten.“ „Eigentlich sind wir beide uns wirklich sehr ähnlich“, stützte Yuri Haruka soweit notwendig, „Wenn du mir nicht so sehr misstraut hättest, hättest du das schon längst bemerkt.“ „Wir mögen uns wirklich in einigen Dingen sehr ähnlich sein“, entgegnete die Blondine, ohne sie anzusehen, „Und wahrscheinlich ist genau das auch der Grund, warum ich dir misstraue!“ „Du misstraust mir noch immer?“ blieb Yuri stehen, „Aber warum? Habe ich nicht alles getan, was du verlangt hast? Sogar Kyosuke habe ich für dich getötet!“ Die Vampirin sah sie an und grinste überheblich. „Du hast es getan, weil er dir leid getan hat“, schnurrte sie wissend, „Und weil es dir vor Augen gehalten hat, was auch dich erwarten könnte.“ Sie nahm ihren Arm zurück unter welchem Yuri sie stützte und diese blinzelte sie überrascht an. „Wie kann es sein, dass du dich so schnell erholst?“ fasste sie ihre Überraschung auch in Worte, „Vor einer halben Stunde warst du noch fast tot!“ „Ich sagte dir bereits, selbst wenn er mein Herz getroffen hätte, hätte mich das nicht wirklich töten können“, grinste Haruka überheblich, „Und das ich so schnell wieder zu Kräften komme, liegt an ihrem wunderbaren Blut…“ Sie warf einen Blick auf die Tür hinter welcher Reijka noch immer ans Bett gefesselt war und setzte sich gleich darauf in Bewegung. Zwar war ihre Haltung noch immer angeschlagen, doch ihre Schritte waren sicher und zielstrebig. Sofort lief Yuri ihr nach und konnte ihre Schadenfreude kaum verbergen, als Haruka die Tür zum Gästezimmer öffnete. Schäbig grinsend blieb sie nahe der Tür stehen und sah genüsslich dem zu, was nun folgte. Reijka hatte bereits leise aufgeschrien, als Haruka den Raum betreten hatte und nun stieg ihre Angst ins Unermessliche. Auch für sie war die klaffende Wunde in Harukas Brust nicht zu übersehen und ihre, dadurch blutbesudelte, Kleidung tat den Rest. Reijkas Augen waren weit aufgerissen und sie wollte schreien, doch alles was sie hervorbrachte, war ein klägliches Wimmern. „Das kann doch alles nicht sein“, murmelte sie immer wieder, „Das kann nicht real sein!“ „Oh ich bin sehr real, mein schönes Kind“, wisperte Haruka und nahm lächelnd neben ihr auf dem Bett Platz, „Genauso real wie du und Michiru oder jeder andere Mensch auf dieser Welt. Ich bin sogar viel realer als ihr, denn ich besitze Fähigkeiten, von denen ihr alle nur träumen könnt…“ Grinsend zeigte sie ihre Zähne und streichelte Reijka durchs Haar. Diese warf den Kopf auf die Seite und versuchte, sich der Berührung zu entziehen, was jedoch nur sehr eingeschränkt gelang. „Alles was ich brauche, ist dein Blut und meine Wunde wird in Sekunden schnelle heilen“, wisperte die Vampirin weiter und strich dabei mit dem Finger leicht über Reijkas Hals und die Bisswunde, „Dein Leben gegen meines…“ Wieder entwich Reijka ein ängstlicher Aufschrei. Wehrlos musste sie mit ansehen, wie Haruka sich langsam über sie lehnte und brachte nur immer wieder ein weinerliches `bitte nicht´ hervor. „Du musst dich nicht fürchten“, flüsterte die Vampirin und strich ihr erneut durchs Haar, „Ich verspreche dir, du wirst es genießen…“ Ihre Augen begannen leicht aufzuleuchten und Reijkas Widerstand erlosch, mit dem ersten Blick in diese. „Das brauchen wir nicht mehr, meine Schöne“, hauchte Haruka und nach einer Handbewegung von ihr, lösten sich sämtliche Fesseln und gaben Reijka frei. Flucht jedoch kam dieser nicht mehr in den Sinn. Völlig verklärt sah sie der Vampirin in die Augen und schlang langsam einen Arm um deren Nacken. Ihr Atem beschleunigte sich und sie biss sich lasziv auf die Lippe. Ein kurzer Blick Harukas zu Yuri enttarnte jene mit exakt demselben Ausdruck und bestätigte die Vampirin, dass auch ihr kleiner Lakei nun für immer gebrochen und ihr verfallen war. „Bereit meine Schönheit?“ schnurrte sie dann verführerisch zu Reijka und die zog sie zur Antwort heran und küsste sie verlangend. Heißblütig erwiderte Haruka diesen Kuss einen Moment, was Yuri ein leises Aufstöhnen entweichen ließ. Dann wanderten ihre Lippen zielstrebig den schlanken Hals hinab und fanden schnell die Stelle, die bereits schon, mehr als einmal, Harukas Durst gestillt hatte. Kurz entfernte die Blondine sich ein kleines Stück, fing dann wieder an, die Stelle begehrlich zu küssen und entlockte Reijka wohlige Seufzer. In der nächsten Sekunde verkrampfte das Mädchen sich einen Moment komplett und krallte sich an Haruka fest. Völlig unverhofft und ohne jede Vorwarnung hatte die zugebissen und bereits als der erste Tropfen Blut ihre Kehle hinab rann, war Reijka wieder vollkommen entspannt und genoss Harukas Lippen an ihrem Hals und das außerweltliche Gefühl, welches dieses unsterbliche Wesen, ihr durch das Trinken ihres Blutes schenkte. Und die Vampirin genoss die Ergebenheit beider Mädchen in diesem Raum. Die eine vom ersten Moment auf der Flucht, da von Anfang an in der Opferrolle und die andere ein durchtriebenes, machthungriges Biest, im Bestreben sich niemals zu unterwerfen. Beide waren ihrer Macht hoffnungslos verfallen, ersehnten ihre Nähe und ihren Biss, wollten ein Teil von ihr werden und ihr Blutopfer sein. Und während Reijka langsam in ihren Händen starb, wuchs Yuris Ergebenheit weiter an. Haruka spürte das Band zwischen ihnen stärker werden mit jedem Schluck Blut und auch, dass Yuri einfach nur widerstandslos erlag. Reijka hatte längst ihren letzten Atemzug getan, als Haruka sich aufrichtete und langsam erhob. Genauso langsam drehte sie sich zu Yuri und lächelte diese wölfisch an. Die tiefe Wunde war vollständig verheilt und das zerschlissene Hemd gewährte einigen Einblick. Yuri schluckte hart, als Haruka langsam vor sie trat und leicht über ihre Wange streichelte. Sie lächelte und das Blut Reijkas tropfte von ihrem Kinn. „Ich will sein wie du Haruka…“, hauchte das etwas kleinere Mädchen bebend, „Bitte mach mich zu deinem Geschöpf…“ „Du bist bereits mein Geschöpf“, erklang die geflüsterte Antwort, „Und so wie es gerade ist, gefällt es mir sehr gut…“ „Aber ich will dir gehören“, widersprach Yuri fast schon flehend, „Ich will…“ „Du gehörst bereits mir, kleine Yuri“, unterbrach Haruka sie und hielt sie leicht am Kinn fest, „Dein Wille war sehr stark, doch ich habe ihn gebrochen. Du wirst nie wieder gegen mich handeln, so sehr wie du dich mittlerweile nach mir verzehrst und alles tun, was auch immer ich von dir verlange. Warum sollte ich dich zu einem Vampir machen und dich beteiligen an meiner Macht?“ Wieder bemächtigte sich dieser Ausdruck Yuris Blickes. „Ich mag es, wie du jetzt bist“, schnurrte Haruka, „Hilflos und…willig…“ Sie ließ Yuri los und entfernte sich von ihr. Als sie die Tür erreichte und sich zu ihr umsah, stand diese noch immer in derselben Haltung da. »Sehr gut. Wenn auch etwas erstaunlich, dass es plötzlich so schnell und einfach war«, dachte die Vampirin zufrieden, »Als hätte sich ihr Begehr von Michiru auf mich projekziert…« „Willst du dort Wurzeln schlagen?“ riss sie Yuri aus ihrer Starre, „Beseitige das und bring das Zimmer wieder in Ordnung!“ Dann verschwand sie und Yuri fand nur langsam in die Realität zurück. »Allein ihr so nahe zu sein, lässt mich alles andere vergessen«, wurde sie sich bewusst, »Ein viel unglaublicheres Gefühl, als ich es je für möglich gehalten habe.« Sie sah grinsend auf Reijkas leblosen Körper. „Tja meine Liebe. Hat all dein Reichtum dir am Ende rein gar nichts gebracht“, murmelte sie und machte sich daran, Ordnung zu schaffen. Michiru war gar nicht mehr ansprechbar gewesen, nachdem Bruder Takumi sie ins Gebäude gebracht hatte. Völlig aphatisch starrte sie ins Leere und bekam nichts von dem Aufruhr um sie mehr mit. Sie hatte nur dieses schreckliche Bild vor ihrem geistigen Auge und zitterte wie Espenlaub. Haruka lag am Boden, über ihr war Kyosuke und hatte ihr einen großen Holzpflock in die Brust gerammt. Sie blutete stark und war absolut wehrlos gegen ihren Angreifer. »Wäre ich doch nur mit ihr gegangen letzte Nacht«, hämmerte es in Michirus Kopf, »Dann wäre das nicht passiert.« Sie hatte Harukas Zuhause den Mönchen nicht nennen wollen, weil sie nicht gewollt hatte, dass diese stirbt und nun sah es so aus, als wäre sie doch ihretwegen gestorben. Was für einen Unterschied machte es, ob ein Jäger oder ein Werwolf sie tötete? Sie liebte Haruka doch und wollte nicht, dass sie starb. Nicht mit ihr zusammen sein zu können, das konnte Michiru irgendwie verkraften, zu wissen dass sie die Blondine nie wiedersehen würde, weil diese nicht mehr lebte, war unerträglich. Damit konnte sie nicht leben. »Was habe ich nur getan?« schrie es in ihr, »Ich war doch so glücklich bei ihr…« „Miss Michiru hören sie!“ Zuerst nahm sie diese Worte gar nicht wirklich wahr. Wie ein fernes Echo hallten sie irgendwo in ihrem Kopf, wurden jedoch immer deutlicher und immer lauter, bis sie sie irgendwann klar verstand und aufsah. Bruder Takumi stand bei ihr, ebenso ein paar andere Mönche ein wenig abseits. „Sind sie wieder in Ordnung?“ klang Takumi erleichtert, „Wollen sie einen Schluck Wasser trinken?“ Michiru sah ihm in die Augen und schwieg. Sie wollte etwas erwidern, doch dann wurde ihr klar, es war sowieso sinnlos. Alles war nun sinnlos – ohne Haruka. Wie sollte sie weiterleben mit dem Bewusstsein, dass die, die sie liebte, ihretwegen gestorben war? Ihre blauen Augen wurden glasig und füllten sich langsam mit Tränen. »Warum?« schienen sie Bruder Takumi anzuschreien. „Miss Michiru“, flüsterte dieser beruhigend, „Ich konnte sie nicht hinaus lassen. Verstehen sie das doch. Zwei unvorstellbar böse Kreaturen haben dort einen Kampf miteinander ausgetragen und der Sieger dieses Kampfes hätte sie als Preis bekommen.“ „Haruka würde mir nie etwas tun und wenn der Werwolf gesiegt hat, hätte ich mich gern von ihm töten lassen“, platzte es aus Michiru heraus und sie begann zu weinen, „Ich habe sie doch geliebt…!“ Takumi warf einen Blick in die Runde auf die anderen Ordensbrüder und bekam die unterschiedlichsten Reaktionen. Während einige nur mit den Köpfen schüttelten, einer ein hilfloses Schulterzucken zum Besten gab und einer nur nachdenklich Michiru betrachtete, lief ein weiterer aus dem Essenssaal, als hätte er es plötzlich sehr eilig fort zu kommen. Bruder Takumi seufzte und legte seine Hand auf Michirus Schulter. „Die Vampirin lebt“, sagte er, nach kurzem Zögern. „Haruka lebt?“ unterbrach Michiru ihn aufgebracht, „Aber…wie…?“ „Yuri hat sie weg gebracht.“ Man hörte die tiefe Enttäuschung in seiner Stimme und eine Traurigkeit, welche Michiru aufhorchen ließ. Ihre Tränen versiegten vollends und Erkenntnis schlich sich auf ihr Gesicht. „Sie war ihre Schülerin, nicht wahr?“ fragte sie, „Sie haben Yuri ausgebildet und sie hat sie verraten!“ Takumi lächelte bitter. „Wir alle haben sie unterrichtet“, antwortete er, „Aber sie haben Recht – mich trifft ihr Verrat besonders hart, weil ich es war, der sie wie sein eigenes Kind groß gezogen hat. Von mir erfuhr sie auch einige der Geheimnisse, die in keinem Buch hier zu finden sind.“ Er senkte den Blick und seine Stimme wurde leiser. „Wahrscheinlich konnte sie nur darum das Geheimnis ergründen und nun ist sie bei der, die sie bestimmt war, zu vernichten. Wenn Haruka sie in einen Vampir verwandelt, haben wir einen weiteren, beinahe unbesiegbaren Gegner. Zusammen werden sie dieses Kloster zu Fall bringen und sich diese Stadt zum Eigentum machen.“ „Das werden sie nicht“, rutschte es Michiru heraus, „Sie können es nicht nutzen, verstehen sie? Yuri kennt zwar das Geheimnis, aber obwohl sie es genau wie ich in sich trägt, kann es nicht, wie bei mir erwachen! Wäre sie nur ein wenig früher auf Haruka getroffen, dann wäre das wohl geschehen, aber sie kam zu spät. Sie…“ Alles weitere verschluckte Michiru. Erst jetzt fiel ihr auf, was sie da gerade alles gesagt hatte und wie interessiert und überrascht Bruder Takumi sie ansah. „Sprechen sie weiter“, forderte er sie auf, „Wieso kam Yuri zu spät? Was ist es, das diese Kraft in eurem Blut erweckt? Sie wissen es doch!“ Michiru schluckte. Sie fühlte sich ertappt und sah zur Seite. „Miss Michiru bitte“, schüttelte der Mönch sie leicht, „Sie müssen uns sagen, was sie wissen! Das Schicksal dieser Stadt hängt davon ab. Vielleicht das, der gesamten Menschheit. Was für eine Kraft ist das und wodurch wird sie aktiv?“ „Ich weiß es nicht“, schluchzte Michiru, „Yuri hat mir nicht gesagt, um welche Kraft es sich handelt. Sie hat mir doch nur das Nötigste erzählt, um mich für ihre Zwecke zu benutzen!“ „Sie wissen also nicht, um welche Kraft es sich handelt“, stellte Takumi nun wieder völlig ruhig fest, „Aber irgendetwas müssen sie doch wissen. Wieso ist Yuri zu spät gekommen? Was hat sich verändert?“ Wieder schluckte Michiru hart. Es kostete sie einige Überwindung, den Mönchen das alles anzuvertrauen. Nicht nur allein, weil sie Haruka noch immer schützen wollte. Ihre Haruka, die noch lebte und die, dank Yuris Hilfe, auch nicht an den Folgen des Kampfes sterben würde. „Ich bin ihr in die Quere gekommen“, gab Michiru schließlich zu. Alle Augen richteten sich neugierig auf sie, nicht nur die von Bruder Takumi. „Sie?“ fragte letzterer verblüfft, „Und was haben sie getan?“ „Ich sagte es ihnen doch bereits“, war die brüchige, leise Antwort, „Ich habe mich in sie verliebt…“ Keiner der Mönche schien zu begreifen. Einige schienen selbst diese Tatsache nicht gekannt zu haben, denn sie wirkten mehr als schockiert. Andere waren wohl eingeweiht, verstanden jedoch nicht, worauf Michiru damit jetzt hinaus wollte. Dann aber schien Bruder Takumi zu begreifen. „Sie verliebten sich in sie und bekamen ihre volle Aufmerksamkeit“, brachte er erschüttert hervor, „Sie hatten den Platz, den Yuri wollte, weil…“ „Weil sie wusste, nur Liebe würde die in ihr schlafende Kraft erwecken“, ließ Michiru ihn nicht ausreden, „Yuri liebt Haruka und aus dieser Liebe heraus wuchs wahrscheinlich auch ihr Plan, diese Kraft nicht nur zu erwecken, sondern auch gemeinsam mit Haruka zu nutzen.“ „Aber…wenn Yuri die Vampirin liebt, dann wird doch auch in ihr diese Kraft erwachen, wenn sie gebissen wird“, erschrak Takumi, „Dann hat ihr Plan Erfolg und Haruka die absolute Macht!“ Michiru schüttelte den Kopf. „Nein“, flüsterte sie kaum hörbar, „Denn Haruka liebt sie nicht! Haruka will mich und so wie es aussieht, ist es das Geheimnis von Allem. Nicht nur, vom Erwachen dieser Macht, sondern auch der Grund für ihre Existenz. Verstehen sie? Die vielen Todgeburten bei den Versuchen. Oder das einige irgendwann einfach Starben und am Ende nur wenige erwachsen geworden sind. Ich glaube, der einzige Grund, dass diese wenigen `gelungenen Experimente´ überlebten ist, dass ihre Eltern sich geliebt haben. Und Liebe ist es auch, die befreit mit welcher Gabe diese Menschen geboren wurden.“ Bruder Takumi starrte sie mit aufgerissenen Augen an. Man sah ihm deutlich an, dass er sich mit dem Gedanken, ein Vampir könnte tatsächlich Liebe empfinden, nicht anfreunden konnte. Alles was ein Blutsauger in einem Menschen sah, war ein Opfer. Mit diesem Wissen war er aufgewachsen und hatte es auch viel zu oft am eigenen Leib erfahren, als dass er etwas anderes glauben konnte. „Wenn sie wirklich Recht haben“, sagte er dann jedoch wider Erwarten, „Dann wird die Vampirin nicht eher ruhen, bis sie ihr Blut bekommen und sie ebenfalls in einen Vampir verwandelt hat!“ Michiru sah ihn an. Er sah kurz zu den anderen Mönchen, die daraufhin gleich los eilten, um seine stummen Befehle zu befolgen. Wahrscheinlich trafen sie jetzt Vorbereitungen für Harukas Rückkehr und einen Kampf gegen sie und Yuri. „Sie werden das Kloster nicht mehr verlassen“, klang Bruder Takumis Stimme plötzlich sehr ernst und mahnend, „Und damit meine ich das Klostergebäude! Wenn Haruka wirklich die Mauer überwunden hat, sind sie draußen nirgends mehr sicher. Diese Vampirin darf sie auf keinen Fall in die Hände bekommen, denn dann wäre alles verloren. Also gehen sie auf ihr Zimmer und bleiben sie dort!“ „Demnach bin ich jetzt eine Gefangene?“ stellte Michiru fest. „Sehen sie es als eine Art Schutzhaft“, erwiderte Takumi, „Sie sind die Lebens Versicherung, der gesamten Menschheit. Und wenn sie meinem Befehl nicht Folge leisten, dann muss ich sie leider in ihrem Zimmer einschließen.“ „Verstehe“, nickte Michiru leicht, „Ein Schloss ist unnötig. Ich werde auf mein Zimmer gehen und dort bleiben.“ Auf keinen Fall wollte sie sich einschließen lassen, also zog sie es vor, sich vorerst den Anweisungen des Mönches zu fügen. Außerdem hatte sie so auch die Möglichkeit, in Ruhe nachzudenken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)