Vampire Kiss von Laito-Sakamaki ================================================================================ Kapitel 15: Dunkle Geheimnisse und finstere Vergangenheit --------------------------------------------------------- 15. Dunkle Geheimnisse und finstere Vergangenheit Haruka stand lächelnd direkt an der Couch. Michirus Augen waren geweitet vor Schreck. Sowohl über das plötzliche Auftauchen der Blondine, als auch darüber, dass diese ihre Worte gehört hatte. "Ich...ähm...Haruka!" stammelte sie und lachte verlegen, "Du warst ja schnell. Ich habe noch gar nichts gegessen." "Ich hab´s gesehen", entgegnete diese lächelnd und lehnte sich zu Michiru hinab, "Und wie war das mit...du liebst mich..?" Michiru schluckte. Was sollte sie jetzt sagen? Sie wusste nicht mal, was sie denken sollte. Die Schamesröte schoss ihr ins Gesicht, das konnte sie deutlich spüren. Harukas Blick war weich und ein sanftes Lächeln lag auf ihren Lippen. Das schmälerte Michirus unwohle Lage kein wenig, denn es ließ ihr Herz, zusätzlich, noch immer schneller klopfen. Ein dicker Kloß setzte sich in ihrem Hals fest und als ihr klar wurde, dass sie nun endlich antworten musste, da bekam sie keinen Ton mehr heraus. Haruka wollte es ihr nicht noch schwerer machen. Sie hatte was sie wollte und das sehr viel früher als erwartet. Kurz hauchte sie dem verunsichertem Mädchen einen Kuss auf die Lippen und lächelte sie dann an. "Ich spring unter die Dusche und zieh mich um", hauchte sie, "Du, meine Schöne, isst in der Zeit etwas!" Sie wartete Michirus Nicken ab und ließ diese dann allein. Es brauchte einige Minuten, bis Michiru sich wieder einigermaßen gefasst hatte. Als sie wieder normal atmen konnte und die Hitze ihren Körper verlassen hatte, ordneten sich auch ihre Gedanken wieder. »Sie hat es gehört...«, sofort wurde sie wieder rot, obwohl niemand sie sah, »Sie hat es wirklich gehört... So etwas kann man nicht einfach wieder zurück nehmen...« Verunsichert und in chaotische Gedanken vertieft, erhob sie sich, um eine Kleinigkeit zu sich zu nehmen. Trotz des Schrecks, der in ihren Gliedern saß, schrie ihr Magen eindeutig nach Nahrung. »Ob sie Hunger auf dieselbe Weise verspürt?« Sie biss einmal in ein Stück Brot und nahm sich einen Pfirsich. »Womit sich erneut die Frage stellt, ob sie überhaupt irgendetwas fühlt wie ein Mensch...« Ihre abwesenden Schritte brachten sie zurück ins Wohnzimmer, wo sie wieder auf die Couch sank. Während sie den Pfirsich aß, tanzten durch ihren Kopf Erinnerungen, sowohl, an diese wundervolle Nacht mit Haruka, als auch daran, wie kalt die Vamipirin, mehr als einmal, in ihrer Gegenwart getötet hatte. Die Angst selbst als solches Opfer zu enden, hatte Michiru nun nicht mehr. Selbst nach dem Biss vor zwei Nächten und den Zweifeln, die auch dieser noch zusätzlich brachte, fürchtete sie nicht mehr, einfach nur ein Opfer zu sein. Dazu gab Haruka sich viel zu viel Mühe ihr etwas Gutes zu tun. Schnell schlich sich ein Lächeln auf ihre Lippen und eine leichte Röte legte sich wieder auf ihre Wangen. Sie sah zum Türbogen, durch den Haruka verschwunden war und legte das restliche Stück Pfirsich auf den Tisch. »Ob ich mal nachsehe wo sie bleibt...?« Kurz verharrte sie noch in ihrer Position, dann erhob sie sich langsam. Schon der erste Schritt machte sie entschlossener und recht zielstrebig suchte sie Harukas Schlafzimmer auf. Vor der Tür zum Bad jedoch zögerte sie. Die Blondine war eindeutig hier, das war klar zu hören, aber scheinbar war sie bereits fertig geduscht und Michiru empfand es irgendwie als peinlich, jetzt einfach hinein zu gehen. "Bist du schon fertig?" fragte sie daher durch die geschlossene Tür. Sie bekam keine Antwort. Stattdessen wurde im nächsten Augenblick die Tür geöffnet und Haruka grinste sie an. "Ja bin fertig. Du kannst also rein, wenn du magst." Michiru stutzte kurz, dann nickte sie und betrat, an Haruka vorbei, das Bad. Diese verließ selbiges nun vollends. "Ich überleg mir mal, was wir gleich machen könnten", grinste sie kurz zurück, "Du weisst ja - nimm dir was du brauchst. Es ist alles da!" Michiru nickte und wieder war sie allein. »Zu langsam«, seufzte sie innerlich, »Sie ist einfach zu schnell.« Sie zog sich das Nachthemd über den Kopf und warf es in den Wäschekorb direkt auf Harukas Klamotten. Durch den dünnen Stoff von Michirus Nachtgarderobe war nicht zu übersehen, wie blutig die Kleidung der Vampirin war. Michiru ignorierte es. Den Ärmel jedoch, welcher unter dieser blutigen Wäsche heraus hing, konnte sie nicht ignorieren. Sie griff danach um ihn zurück in den Korb zu stopfen, als etwas sich davon löste und mit einem klackenden Geräusch auf dem Boden landete. Es war so blutverschmiert, dass Michiru nicht erkannte, worum es sich handelte und deshalb danach griff, um es genauer zu betrachten. Bereits während sie sich aufrichtete erkannte sie, dass es sich um ein Namensschild handelte. "Wo kommt das denn her...?", murmelte sie Gedankenversunken. Ihre Finger wischten das Blut weg und ein kurzes Zittern schoss durch ihren Körper. Es war tatsächlich dasselbe Schild wie auch sie es auf der Arbeit immer hatte tragen müssen. Der Name war ihr nicht wirklich bekannt, doch sie glaubte, es war jener, der vor kurzem mit dem Chef zusammen getöteten Kollegin. Scheinbar hatte es sich am Knopf von Harukas Hemdärmel verfangen. Nur wie war es dort hingekommen? »Sie war da!« schoss es durch Michirus Kopf, »Steht sie etwa in Verbindung mit den Werwölfen?« Sie schluckte. Was hatte sich an ihrer Arbeitsstelle zugetragen? Waren ihr Chef und die Kollegin dem Werwolf wirklich nicht durch Zufall zum Opfer gefallen? Hatte am Ende sogar Haruka etwas damit zu tun? Ihre Gedanken überschlugen sich, während sie beinahe wie ein eingestelltes Uhrwerk ihr Morgenritual abhielt. Doch nicht einmal das, angenehm warme, Wasser der Dusche wollte ihre Gedanken jetzt beruhigen. Was, wenn Haruka die Werwölfe nicht zufällig, durch ihre Rettungsaktion, auf sie aufmerksam gemacht hatte? Wenn eine Absicht dahinter gelegen hatte? Vielleicht war der Wolf sogar eine Art Späher von Haruka... »In alten Vampirgeschichten waren Wölfe immer so etwas wie Wachhunde für die Vampire«, sie trocknete sich ab und bemerkte dabei, daß die Wunde an ihrem Hals nicht mehr schmerzte, »Was, wenn sie es war, die ihn auf meine Spur gehetzt hat...?« Sie ging ins Schlafzimmer, um sich aus dem Schrank einige Kleider zu nehmen. Während sie sich anzog, verwarf sie diesen Gedanken jedoch mit aller Gewalt wieder. Was auch immer Haruka mit diesem Werwolf zu tun gehabt hatte - ganz sicher waren sie keine Verbündeten! Ein kurzer Blick in den Spiegel bekam ihr Einverständnis. So konnte sie sich Haruka zeigen. Bevor sie ging jedoch, kontrollierte sie die Bisswunde an ihrem Hals nochmals genauer. Nicht nur, dass sie nicht mehr schmerzte, sie war auch fast nicht mehr zu sehen. "Erstaunlich...", flüsterte Michiru, "Nach nur 2 Tagen und das bei einer solchen Wunde..." Sie schenkte dem keine weitere Beachtung und schob endgültig Fragen und Zweifel beiseite. Es hatte sowieso keinen Sinn, sich den Kopf zu zerbrechen. Am Ende würde sich alles von allein klären und die Zeit alle Fragen beantworten. Flinken Schrittes ging Michiru ins Wohnzimmer und fand den Raum nur von Kerzen erleuchtet vor. Auf dem Tisch gab es eine kleine Auswahl an Getränken und Knabbereien, es roch herrlich nach Kirschblüte und leise Musik untermalte alles, mit einer Note der Vollkommenheit. Sofort schlug Michirus Herz schneller und ein Lächeln legte sich auf ihre Lippen. Dieses Lächeln schenkte sie auch Haruka, die gerade die letzte Kerze angezündet hatte und sich zu ihr umdrehte. "Du bist fertig?" fragte sie, obwohl sie längst wusste das Michiru dastand, "Das nenn ich gutes Timing." "Was hast du vor?" grinste Michiru, als Haruka auf sie zu kam. "Wonach sieht es denn aus?" fragte diese und nahm Michirus Hand, "Wir machen es uns gemütlich und reden ein wenig. Unsere Lektionen sollten nicht zu kurz kommen. Es gibt noch sehr viele Dinge, die du nicht weisst oder von denen du eine falsche Vorstellung hast, durch sogenannte Fachliteratur." Sie führte Michiru zur Couch, um es sich dort mit ihr bequem zu machen. Nachdem sie zwei Gläser Wein gefüllt und eines Michiru gegeben hatte, lächelte sie dieser prostend zu. "Ich trinke auf uns und das es bald keine Geheimnisse mehr zwischen uns gibt", sagte sie und nahm einen Schluck. Michiru tat es ihr nach und sah sie erwartungsvoll an. "Soll ich?" schien Haruka etwas verunsichert, "Oder hättest du vorweg ein paar Fragen?" Jegliches Lächeln auf Michirus Lippen erfror. Da waren sie wieder - die Gedanken. Und auch die Tatsachen. "Da wäre tatsächlich etwas...", begann sie zögerlich. Es fiel ihr sichtlich schwer, die richtigen Worte zu finden oder gar nur das Thema anzusprechen, was Haruka äußerst aufmerksam machte. Wachsam studierte sie jede Mimik oder auch noch so kleine Geste ihres Gegenübers und gleich war ihr klar, sie musste einen Fehler gemacht haben. Michiru war misstrauisch und das so deutlich, dass sie sogar genauso deutlich Angst verströmte. Irgendetwas musste das ausgelöst haben und das vor sehr kurzer Zeit. »Sie darf mir jetzt nicht wieder entgleiten!« "Was...ist es denn?" wollte sie schließlich Michiru zum reden ermuntern. Auch weil sie wissen wollte, wo ihr Fehler lag und was sie würde tun müssen, ihn wieder auszubügeln. »Sie ist noch hier - so schlimm kann es also nicht sein!« "Nunja...", begann Michiru erneut zögerlich, "Wie soll ich sagen? Es ist..." Sie schluckte deutlich und suchte nach Worten. Haruka nahm ihre Hand und barg sie in den ihren. "Was lastet dir auf der Seele?" flüsterte sie, "Sag es einfach." Michiru sah ihr in die Augen und begann augenblicklich darin zu versinken. Bevor jedoch Harukas Charme wieder Macht über sie gewann, sprach sie es schnell aus. "Es war ein Namensschild zwischen deiner blutigen Kleidung", kam es fast wie aus der Pistole geschossen, "Eines aus der Bar, in der ich gearbeitet habe..." Jegliche Anziehung war in dieser Sekunde verschwunden und Harukas Blick völlig verändert. "Ein Namensschild?" wiederholte sie seltsam nachdenklich. »Verdammt!«, fluchte sie innerlich, »Wenn sie jetzt nur nicht Verdacht schöpft...« Michiru nickte und Haruka ließ sie nicht aus den Augen. "Ich glaube, es ist das Schildchen der Kollegin, die der Werwolf erwischt hat." Harukas Blick verfinsterte sich ein wenig. »Wenn ihr Vertrauen jetzt bricht, war alles umsonst!« "Warst du dort Haruka?" Nach dieser Frage schien einen Moment lang nicht nur völlige Stille zu herrschen, sondern auch die Zeit still zu stehen. »Jetzt ist es raus«, dachte Michiru halb angespannt, halb erleichtert. »Verdächtigt sie mich wirklich?«, schlich es durch Harukas Kopf, »Selbst wenn nicht, wird sie das sehr schnell tun, wenn ich jetzt nur den kleinsten Fehler mache.« "Bitte sag es mir Haruka", unterbrach Michiru die Stille, die sie einfach nicht mehr aushielt, "Warst du dort, um etwas heraus zu finden? Wenn ja, dann musst du es mir sagen, bitte. Waren es Werwölfe?" Harukas Gesicht hellte sich auf. Ihre angespannten Muskeln lockerten sich. »Sie ist wirklich unschuldig wie ein Kind...und macht es mir so wunderbar einfach!« "Du hast Recht", sagte sie, "Ich war kurz dort um nach brauchbaren Hinweisen zu suchen. Das Schild muss an meinen Klamotten hängen geblieben sein." Michiru nickte verständig. "Hast du denn etwas gefunden?" fragte sie danach. "Nicht wirklich", antwortete die Vampirin, "Die Leichen hatte die Polizei bereits weggeschafft. Bis auf kleine Reste, die überall klebten, gab es da nichts mehr. Einen riesigen Kampf gab es wohl, so zerlegt wie alles war, aber das weist nicht automatisch auf einen Werwolf hin." "Und die 'kleinen Reste' von denen du sprichst?", presste Michiru hervor. Sie war deutlich blass geworden und ihre Stimme ließ darauf schließen, dass ihr gleich schlecht würde oder es ihr schon übel war. "Die Reste?" wiederholte Haruka. Michiru nickte. "Was ist mit denen? Sprechen die nicht für einen Werwolf?" Michiru klang mehr als gequält. "Die schon", bestätigte die Blondine, "Kann aber auch ein völlig irrer Massenmörder gewesen sein. Was allerdings nicht sehr wahrscheinlich ist." »Bitte lass es sie glauben. Mehr als ein Problem wäre damit aus der Welt geschafft!« Haruka spürte, wie das Tier in ihr langsam wieder nach vorn drängte. Das Blut war zu wenig nach all der Verschwendung ihrer Energien, in der letzten Nacht und nach dem heutigen Abend, der sie zu oft Instinkt und Sinne dieses Tieres zu nutzen zwang. So oft, dass es schon sehr bald wieder schwer werden würde, sie zu ignorieren, oder gar zurück zu drängen. Es fiel ihr schon schwer, Michiru nichts spüren zu lassen. Die jedoch schien wirklich zufrieden mit Harukas Antworten. Sie hing noch kurz in ihren Gedanken, dann sah sie Haruka an und lächelte. "Dann lass uns jetzt die Nacht genießen, ja?", sagte sie leise, "Ich bin neugierig was für Lektionen es noch gibt." »Doch sollte ich diese heute besser mit Bedacht wählen«, war das einzige, was der Vampirin nun noch ein wenig Sorgen bereitete. "Ganz wie du wünscht", hauchte sie Michiru entgegen, "Dann will ich dir von den ganz Alten erzählen...", ihre Augen bekamen einen seltsamen Glanz und ihre Stimme sank ab, "...von den Ersten - lange vor Beginn der menschlichen Zeitrechnung." Michirus Augen weiteten sich. Das schien sie sehr zu interessieren, denn sie rückte etwas an die Blondine heran und sah sie gespannt an. "Der Älteste, den ich persönlich kannte, war einer der uralten Inkakolonien", fing Haruka darum an zu erzählen, "Er hatte also schon einige Jahrtausende hinter sich, aber es gab und gibt noch Ältere - sagt man." "Solltest du nicht besser die Dinge berichten, von denen du sicher bist, dass sie auch so waren?" wurde Haruka da unterbrochen. Doch es war nicht Michiru gewesen. Es war eine fremde Stimme, die durch den Raum hallte. Eine weibliche zwar, aber eine Fremde. Zumindest für Michiru. Haruka kannte sie ganz sicher, denn sie fuhr sekundenschnell herum und war sichtlich geschockt. Aus einem Schatten in der Ecke der Musikanlage trat eine junge Frau. Sie hatte feuerrote Locken, welche ihr bis weit über die Hüften reichten und war höchstens 5 Jahre älter als Michiru - wenn sie ein Mensch war. Das war sie offensichtlich nicht, wie ihre nächsten Worte sehr deutlich machten. "Warum erzählst du ihr nicht von Dingen, die du selbst erlebt hast?" fragte sie ein wenig lauernd, "Von den Dingen, die wir beide zusammen erlebt und getan haben? Drei Jahrhunderte sollten doch etwas bieten, das es dir wert ist, zu erzählen..." Michiru schluckte. Obwohl die fremde Vampirin sie nicht beachtete und sich völlig Haruka zuwand, fühlte sie sich plötzlich seltsam beklemmt. Es fiel ihr schwer zu atmen, sich zu konzentrieren oder zu kontrollieren. Angst stieg in ihr hoch. Angst die schnell schlimmer wurde und dann wusste sie auch warum. Es war Haruka! Die blonde Vampirin und ihre Reaktion auf die Andere. Sie schien nicht nur äußerst überrascht von deren Auftauchen, sondern mehr als unangenehm überrascht. Fast so, als würde sie lieber alles in Kauf nehmen - nur nicht die Gesellschaft dieser Vampirin. Jedes bisschen Selbstherrlichkeit und Hochmut war verschwunden. Die Blondine wirkte verunsichert und zwar nicht, als könne sie nicht glauben, was sie sah. Sie wirkte, als hätte sie genau gewusst, dass dieser Moment kommen würde und war nun doch davon überrumpelt worden. Michirus Blick heftete sich auf die Rothaarige. Die stand nun direkt bei ihnen an der Couch und grinste Haruka breit an. "Willst du mir deine kleine Freundin nicht vorstellen Haru-Darling?" säuselte sie und verschränkte die Arme vor der Brust, "Sie duftet ja noch verführerisch menschlich. Neu? Oder ein kläglicher Versuch, unser Scheitern zu widerlegen?" Haruka warf Michiru einen kurzen Blick zu und diese erkannte sofort, dass es gleich sehr unangenehm werden würde. Mehr als offensichtlich kannte die Rothaarige Dinge von Haruka, mit denen diese lieber nicht konfrontiert wurde und noch deutlicher zeigte sie, dass sie hier war, um genau diese auszusprechen. »Eine offene Rechnung?« fragte Michiru sich. Der Gedanke war wenig beruhigend, denn eine Auseinandersetzung zwischen Vampiren ging sicher nicht mit Worten einher. "Was willst du hier Ayame?" Michiru wurde aufmerksamer. Den Namen hatte sie nie zuvor gehört, doch allein Harukas Stimme zeigte mehr als deutlich, dass sie wachsam sein musste. Die Blondine war nicht nur wenig erfreut über Ayames Auftauchen, sie klang auch mehr als angriffslustig. Einem Kampf zwischen diesen beiden Kreaturen zu nahe zu kommen, war nicht ungefährlich und diesen Kampf befürchtete Michiru. Völlig egal, wie dieser Kampf verlaufen oder ausgehen würde - für sie hätte es nichts Gutes zur Folge. Die Rothaarige lachte hell. "Oh Haru du hast dich kein bisschen verändert", grinste sie danach, "Wer einmal dein Missfallen erregt, hat für immer verspielt, hm?" Sie sah zu Michiru, welche auf einen Sessel zurückgewichen war. "Ist sie bei dir auch so nachtragend? Oder sieht sie dir deine Schwächen nach, weil sie dich beeindrucken und erobern will?" "Lass Michiru aus dem Spiel!" sprang Haruka auf und versperrte Ayame den Blick auf diese. Und wieder lachte die Rothaarige hell. "Michiru heißt sie also?", sie drehte sich weg und machte ein paar kleine Schritte, "Weißt du Haru - vielleicht sollte ich Michiru mal erzählen, wer und was du wirklich bist!" "Ich weiß, dass sie ein Vampir ist", erhob Michiru sich und bekam dafür einen sehr bösen Blick von Haruka. Sofort sank sie eingeschüchtert zurück in den Sessel. Ayame lachte wieder. Sie sah Haruka fast mitleidig an und grinste: "Ich sehe, du hast ihr all die kaltblütigen Morde verschwiegen. Oder, dass nicht nur die Zigeuner dich als unberechenbare Bestie bezeichnet haben Jahrhunderte lang?" Michiru zuckte zusammen und sah sofort Haruka an. Die drehte ihr den Rücken zu, doch war deutlich zu sehen wie wenig ihr diese Offenbarung gefiel. »Unberechenbare Bestie? Kaltblütige Morde? Spricht sie vom töten des Blutes wegen oder wirklich von Mord?« Michiru schluckte und bevor weitere Fragen aufkamen, bekam sie Antworten. "Es ist besser du schweigst Ayame. Das gehört nicht hierher!" Harukas Stimme war eiskalt und drohend. So kalt, dass es Michiru Angst machte und so drohend, dass sie das Schlimmste befürchtete. Ayame jedoch ließ sich überhaupt nicht beeindrucken. Sie ging wieder langsam auf Haruka zu und grinste frech. "Nicht hierher?", ein kurzes Lachen, "Wohin sonst, wenn nicht hierher? Haben wir nicht gemeinsam eine ganze Familie, während einer Geburtstagsfeier, mit vielen Gästen ausgelöscht um dieses Haus hier für uns zu bekommen? Und du teilst es jetzt mit einem Menschen?" Michiru hatte kaum Zeit geschockt zu sein. Der nächste große Schreck folgte direkt darauf. Haruka sprang Ayame an. Wie ein Löwe auf der Jagd hechtete sie in deren Richtung, um sie von den Füßen zu reißen, doch sie verfehlte. Nicht nur Michiru war fassungslos, auch Haruka, als Ayame direkt hinter Michiru auftauchte, sie in den Haaren packte und ihren Kopf nach hinten riss. "Miststück!" zischte Haruka mit glühendem Blick, was von Michirus Schrei übertönt wurde. Ayame leckte demonstrativ ein Stück von Michirus Hals hinauf, über ihre Wange, riss dann den Mund auf und zeigte lachend, dass sie zubeißen würde. Doch als Haruka in der nächsten Sekunde bei ihnen stand, ließ sie sofort los und zog stattdessen ihre Krallen blitzschnell über deren Oberkörper. Die Blondine schrie schmerzvoll auf und Michiru bekam einige Blutspritzer ab. Fassungslos starrt sie Haruka an, welche sich an die Brust fasste. Unter ihrer Hand färbte ihr weißes Hemd sich in unglaublicher Geschwindigkeit tief rot. Ayame lachte belustigt. "Das war erst der Anfang Haruka!", ihre Stimme klang drohend und ließ keinerlei Zweifel aufkommen, "Ich hatte dich für klüger gehalten! Es ging mir gar nicht um deine kleine Freundin. Ich hätte ihr nichts getan. Noch nicht! Das heute ging nur um dich, meine Liebe. Jetzt weiß ich sicher, dass sie deine Schwachstelle ist!" Sie lachte triumphierend. "Du bist schlimmer, als ich es je war", zischte Haruka, was Ayame ein weiteres Lachen entlockte, "Und fragst dich noch immer, warum unsere Wege sich getrennt haben, blind wie du bist!" "Ich bin ganz und gar nicht blind Haruka", war die Rothaarige plötzlich ernst und ihre Stimme völlig ruhig, "Ich sah und sehe sehr viel mehr, als du je sehen wirst. Nicht die Angst vor mir hat dich fortgetrieben. Es war die Angst vor dir selbst!" Sie sahen sich einige Sekunden genau in die Augen ohne ein Wort zu sagen. Michiru konnte klar erkennen, dass sie mal ein eingespieltes Team gewesen sein mussten, perfekt aufeinander abgestimmt, sich immer ergänzend. Trotz der jetzt abwehrenden Haltung beider und der drohenden, kalten Worte - sie waren noch immer eine Einheit. Nach einigen Sekunden drehte Ayame sich einfach um und verschwand ohne ein weiteres Wort. Haruka regte sich weiterhin nicht und schließlich traute Michiru sich aufzustehen. In genau dem Moment ging die Blondine in die Knie. "Haruka!" rief Michiru besorgt und war sofort bei ihr, "Geht es dir gut?" "Sie hat mich härter erwischt als alles andere, seit vielen Jahrzehnten", presste diese angeschlagen hervor, "Das lässt sich leider nicht so ohne weiteres heilen und bereitet wirklich Schmerzen, muss ich zugeben." Michiru half ihr auf die Couch. "Wer war sie?" wollte sie dann von Haruka wissen. Ihr Blick wanderte auf die Stelle, an der Ayame verschwunden war. Sie schien sehr mächtig und sehr böse zu sein. So böse, dass nur der Gedanke an sie eine Gänsehaut über Michirus Rücken laufen ließ. "War sie deine Freundin?" "300 Jahre lang war sie meine Partnerin, ja", lachte Haruka leise, doch es klang abfällig und verbittert, "Obwohl sie viel mehr war, als eine Partnerin. Sie hat mich erschaffen!" Sie sah Michiru in die Augen und die erkannte sofort, dass die Vampirin Ayame bereute. Mehr, als sie je etwas bereut hatte, in ihrer gesamten Existenz. Und zwar nicht nur ihr erneutes Auftauchen, sondern jede Sekunde, welche diese Beiden sich kannten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)