Manus manum lavat von Dracos-Princess ================================================================================ Kapitel 9: Wer A sagt, der muss nicht B sagen --------------------------------------------- Wer Recht erkennen will, muss zuvor in richtiger Weise gezweifelt haben. - Aristoteles   ~*~   - Kapitel zehn -   Eine Woche war bereits vergangen, in der die saiyajinische Hoheit Bulmas Leben zur Hölle hatte werden lassen - herbeigeführt durch seine ständige Präsenz, sowie des dazugehörigen Spotts, den er immer noch nicht für sich behalten konnte. Ob sie jemals lernte, damit umzugehen? Das hoffte sie inständig, während sie mit geschlossenen Augen den Flur passierte und das Handtuch über ihre feuchten Haare rieb. Allerdings wurde dieses morgendliche Ritual – den Duft ihrer frisch gewaschenen Haare wie ein Schwamm aufzusaugen – unterbrochen, nachdem sie die Stimme ihres Vaters vernahm, der offenbar mit Vegeta vor dessen Zimmer stritt. Folglich presste sie ihren Körper eilig gegen die Wand, an der sie zur nächstgelegen Ecke schlich, bevor sie umsichtig herum lugte und ihre Mundwinkel nach unten sanken, als sie die knochig faltigen Hände ihres Vaters verzweifelt gegen das massive Holz schlagen sah. Ihr Vater stritt sich mit Vegeta durch die verschlossene Zimmertür und mit jedem Wortlaut des älteren Saiyajins, glühte der Glimmstängel in seinem Mund.  „Ich soll dir wirklich erklären, wieso du dieses Zimmer verlassen sollst? Weil du seit sieben Tagen hier bist und dich mittlerweile – wenn auch nur geringfügig – eingelebt haben müsstest.“   Verbissen kaute sie auf ihrer Unterlippe, während sie den Worten ihres Vaters gelauscht hatte, ehedem sie ihren Kopf zurückzog und niedergeschlagen gen Boden sah. Ihr Vater tat ihr unheimlich leid, weil er in Vegeta etwas finden wollte, was in diesem kämpferischen Körper gar nicht existierten konnte – und zwar einen guten Kern. Der Gedanke, dass ihr Vater daran festhielt, Vegeta ändern zu können, rieb ihr im wahrsten Sinne des Wortes einen Pflock durch den Körper, aufgrund der einkehrenden Enttäuschung, die ihr Vater – so liebenswert er war – erleben würde, wenn auch er erkannt hatte, dass Vegeta ein hinterhältiger, grobschlächtiger Saiyajin war.   Demgegenüber hatte Bulma sich aber daran erfreuen können, dass sie Vegeta nicht mehr permanent über den Weg gelaufen war, weswegen sie sich auch intensiver mit dem Dragonradar, sowie den fremden Koordinaten auseinandersetzen konnte. Doch führten ihre Recherchen nicht zu dem gewünschten Erfolg. Bulma konnte nicht herausfinden, um welchen Planeten es sich handelte, welcher auf dem Fadenkreuz ihres Radars erschienen war.   „Es interessiert mich einen Scheiß, wie lange ich schon in diesem Loch verkomme. Sehen Sie zu, dass Sie Land gewinnen.“   „Vegeta!“   Unverzüglich blickte die junge Saiyajin erneut um die Ecke. Die Stimme ihres Vaters hatte sich erhoben – die von Vegeta jedoch auch, was der Grund war, dass Bulma nochmals nachsah, denn Angst breitete sich in ihr aus. Sie fürchtete sich davor, dass Vegeta ihrem Vater in seiner Wut etwas antun würde.   „Ich denke“, fuhr der ältere Saiyajin ruhig fort, nachdem er seine Brille auf der Nase zurechtgerückt hatte, „dein Vater wäre, angesichts deiner zeitigen Rückkehr zum Palast nicht sonderlich erfreut. Oder was meinst du?“ Anschließend sog er den Rauch seiner Zigarette tief in seine aufgeblähten Lungenflügel. Gleichzeitig verschränkte er die Arme vor seiner Brust, woraufhin auch Bulma lächelte. Ja, ihr Vater war ein vernünftiger, duldsamer Saiyajin, den man so leicht nicht aus der Ruhe bringen konnte. Es dauerte durchaus, bis man ihn zur Weißglut treiben konnte. Allerdings stutzte Bulma, als sie ihn schmunzeln sah. Etwas, das er selten tat.   „Verzeih mir die Forschheit, Vegeta, aber ich glaube, das ist das Letzte, was du willst, oder?“   Der verdutzte Ausdruck im Gesicht der lauschenden, blauhaarigen Saiyajin breitete sich zusehends aus, angesichts der Sicherheit in der Stimme ihres Vaters. In keinster Weise konnte sie sich diese Tollkühnheit erklären, da Doktor Briefs ein Saiyajin war, der unnötigen Streit stets vermeiden wollte.   „Sie sind sich Ihrer haltlosen Drohungen wohl sehr sicher, was?“, kam es gedämpft durch die Tür zurück.   „Haltlos?“, erwiderte Doktor Briefs daraufhin vergnügt. Im Anschluss neigte er den Kopf zur Seite und grinste schelmisch. Und Bulma fiel es wie Schuppen von den Augen, nachdem sie verwundert beide Augenbrauen in die Höhe gehoben hatte. Unverzüglich waren ihr Son Gokus Worte in den Sinn gekommen, als er erwähnte, dass sowohl Radditz, als auch Vegeta etwas ausgefressen hatten...   Das war der Grund, weshalb ihr Vater selbstbewusst auftrat. Im Leben des saiyajinschen Prinzen gab es etwas, womit man Vegeta präsumtiv erpressen konnte und diesen Vorteil nutzte ihr Vater gewissenlos aus. Scheinbar, und es war ganz gewiss so, wusste ihr Vater, was Vegeta angestellt hatte... Der König verband Bulmas Verbrechen mit dem von Vegeta, weswegen er ihrem Vater Vegetas Anwesenheit aufbürgen konnte.   War Bulma demzufolge Schuld daran, dass der saiyajinische Prinz hier gelandet war?   Und was hatte Vegeta getan? Was war es? Es musste sehr gravierend sein. Andernfalls würde Vegeta es niemals dulden, dass ein niederes Wesen die Macht über ihn hatte.   „Ja, haltlos“, antwortete der Prinz murrend. „Wieso ködern Sie mich sonst mit meinem Vater? Ist es Verzweiflung -“   Bulma hörte die dumpfen Schritte in seinem Zimmer. Innerlich gewappnet, rechnete sie bereits mit einem Aussetzer, der nicht folgte. Stattdessen wurde seine Stimme so leise, dass Bulma ihre Augen schloss, um ihn klar und deutlich zu verstehen.   „ - oder ist es Angst, Doktor?“   „Vegeta, weder ködere ich dich, noch habe ich Angst. Ich erwähne lediglich Fakten und möchte dir nahe legen, das Zimmer zu verlassen“, kommentierte Bulmas Vater beflissen, als er sich nach unten beugte und die schwarze Katze, welche miauend um seine Beine schlängelte, auf seine Schulter zurücksetzte. „Du könntest zum Beispiel zum Fest gehen. Das wird dir gut tun. Die Gesellschaft wird dich ablenken.“   Tatsächlich. Heute feierten die unterklassigen Krieger die Eroberung ihres Planeten. Folglich entriegelte Vegeta die Zimmertür, um daraufhin dem Mann gegenüberzustehen, der – wenn es nach dem rachsüchtigen Saiyajin ging – längst zur Rechenschaft hätte gezogen werden müssen. „Und ich finde“, begann er anschließend, „dass Sie sich zu weit aus dem Fenster lehnen, anlässlich des zu voreiligen Agierens Ihrerseits.“ Um seinen Unmut noch mehr zur Geltung zu bringen, trat er aus dem Türrahmen – direkt auf den älteren Mann zu. Auch Doktor Briefs bemerkte die rapide Senkung der Stimme seines deutlich jüngeren und stärkeren Gesprächspartners, woraufhin er – noch selbstbewusst genug – den Finger hob und deutlich sprach: „Die Diskussion ist beendet, Vegeta. Du wirst zum Fest gehen und dich endlich in der Gesellschaft einfinden.“   Zischend drehte sich Vegeta zur Seite. Er suchte einen Punkt an der Wand, um sich beruhigen zu können. Doch je länger seine Augen die Wand abtasteten, umso weiter erkundeten sie den Flur – bis zum Ende, wo er im letzten Moment Bulmas blaue Haare, sowie ihre feingliedrigen Finger hinter der Ecke verschwinden sah. Fast wirkte er, als wäre er zu Eis erstarrt, aber er konnte sich – ohne von ihrem Vater bemerkt zu werden – rechtzeitig sammeln, sich zur Räson zwingen und teilnahmslos zu dem älteren Saiyajin zurückblicken, der abwartend an Ort und Stelle verweilte.   „Ich werde nicht zum Fest gehen, Doktor. Das ist mein letztes Wort.“   Währenddessen quälte sich Bulma selbst, indem sie ihren Rücken fest gegen die Wand drückte und ihre Augen so fest schloss, dass es starke Schmerzen in ihr hervorrief. Aber sie ertrug lieber Schmerzen, als in Vegetas abgeklärtes Gesicht zu blicken. Allerdings blieb er ihr fern... Gewiss, es kostete ihn bestimmt Überwindung, sie nicht aufzusuchen und zur Schnecke zu machen. Sollte sie daher nicht selbst die Initiative ergreifen und zum Vorschein kommen, ehe er ihr tatsächlich Voyeurismus zum Vorwurf machte?   Schließlich kam sie zufällig hier vorbei. Sie war eben nur vor der Gabelung des Flures stehen geblieben... Genau. Sie schlenderte bloß durch die Flure, nachdem sie aus der Dusche gestiegen war – völlig unverbindlich und neutral.   Was sollte sie tun? Stehen bleiben? Däumchen drehen? Oder sich abermals – hinsichtlich seiner Art – einschüchtern lassen? Es wäre besser, die Konfrontation zu suchen, bevor er sie unerwartet traf und Bulma wieder flüchtete, oder? Schließlich hatte sie genügend Zeit, sich für den jetzigen Moment zu wappnen. Jawohl. Außerdem wollte sie eine Eskalation vermeiden, da sie wusste, wie reizbar Vegeta werden konnte, wenn sein Gegenüber ihm nicht den nötigen Respekt zollte.   Und vielleicht könnte sie es zu ihrem Vorteil nutzen, wenn Vegeta mit zum Fest ging. Bulma könnte sich endlich der Schlange – welche sich um den Löwenkörper schlang – entziehen und Vegeta zeigen, dass sie durchaus in der Lage war, sich durchzusetzen. Denn wenn sie schon mit ihm hier gefangen war, dann sollte es zumindest für sie lustig werden. Nicht für ihn. Nein, nur für sie. Für Bulma, die sich aus seinen Zwängen befreien würde. Anschließend prüfte sie kurz mit ihren Fingern, ob ihre Mundwinkel weit genug nach oben gezogen waren, bevor sie mit fröhlicher Miene um die Ecke trat und sich den beiden Streithähnen unbeeindruckt näherte.   „Guten Morgen“, flötete sie gut gelaunt in die Richtung ihres Vaters und... in seine. Zeitgleich streifte sie das Handtuch von ihrem Schopf, um ihre blauen, noch feuchten Haare graziös nach hinten zu kämmen, während sie lächelnd auf ihren Vater zukam. „Morgen Paps“, fügte sie beherzt hinzu und küsste ihn auf die Wange.   „Morgen, mein Kind“, grüßte Doktor Briefs seine Tochter. Sofort hatte sich sein Gesicht erhellt, nachdem er sie bemerkt hatte.   „Und?“, fuhr Bulma ungeniert fort – bereit, ihren heimtückischen Plan in die Tat umzusetzen. „Kommst du mit zum Fest?“ Ihr Lächeln war übertrieben freundlich, aber es war Bulma gleichgültig, ob er die Lunte roch. Erfreut stellte sie auch während ihrer Worte fest, wie sich seine Hände zu Fäusten ballten, doch erwidern konnte er nichts, da ihr Vater ihm zuvor kam.   „Ja, eine gute Idee. Nimm ihn mit zum Fest“, stimmte er ihr nickend zu.   „Ich sagte doch“, knurrte Vegeta daraufhin erbost, „dass ich nicht zu diesem Fest will. Mein Interesse an diesem dummen, blöden Fest teilzunehmen hält sich in Grenzen und selbst deine nervtötende Anwesenheit ändert nichts daran.“   Ah... Ja, dieser hasserfüllte Ausdruck in seinem Gesicht war Bulma bekannt. Erschreckend, wie vertraut ihr diese Mimik bereits war.   „Du selbst“, fügte er betont hinzu, verschränkte die Arme und lehnte seine Schulter entspannt gegen den Türrahmen, „warst nicht begeistert davon, als Kakarott denselben Vorschlag äußerte.“ Sie war ein wirkliches Biest. Ein Miststück, das wusste, wie man sich gekonnt in Szene setzte, denn seit sie um die verfluchte Ecke gebogen war, hatte er sie nicht mehr aus den Augen lassen können, aufgrund ihrer grazilen Gangart. Alleine mit ihren Schritten hatte sie ihn gezwungen, sie anzusehen. Auch war ihm klar, dass sie eigennützig handelte, weshalb aufkeimender Argwohn die Selbstsicherheit aus seinem Gesicht blies, in Form seiner hochgezogenen Augenbraue.   „Dann möchtest du nicht mitkommen?“, wiederholte sie die Frage selbstsicher, weil die Anwesenheit ihres Vaters ihr Mut verlieh. Sie konnte es zwar nicht mit Bestimmtheit sagen, aber vor ihrem Vater würde er sie sicherlich angreifen. Nicht, nachdem ihr Vater ihn scheinbar mit etwas erpressen konnte.   „Ich verzichte auf die Albernheiten.“   „Wie schade.“ Triumphierend legte Bulma ihren Arm auf die Schulter ihres Vaters, während sie Vegetas Blick standhielt und keine Miene verzog. „Wir hätten uns köstlich amüsiert.“ Jedoch auf seine Kosten. Irgendwann musste man diesem verzogenen, unsäglich arroganten Prinzen Grenzen aufweisen. Grenzen, die er nicht überschreiten durfte. Andernfalls würde er sowohl ihrem Vater, als auch ihr ständig auf der Nase herumtanzen. „Aber wenn du nicht mitkommen möchtest, dann kann man deine Entscheidung wohl nicht mehr ändern.“ Indessen wagte sie immer wieder einen abschätzen Blick in seine Richtung, während er hingegen ununterbrochen, aber genauso ehrfurchtslos zurück sah.   „Richtig.“ Dieses Weib fühlte sich wohl ganz toll, wenn sie neben ihrem Vater stand. Doch sobald er mit ihr alleine war, verschwanden ihre Allüren. „Ich will nicht mit euch kommen.“   „Dann“, kam Doktor Briefs seiner Tochter zuvor, die offensichtlich etwas erwidern wollte, „hast du nichts dagegen, wenn du mir im Labor zur Hand gehst. Meine Schrauben sortieren sich schließlich nicht von alleine.“   „Schrauben sortieren?“ Aha... So geheim, wie das Erdlingsweib erwähnt hatte, konnte das Labor demzufolge nicht sein. Aber das wusste Vegeta. Ihm war sonnenklar, dass sie ihn bloß nicht hatte reinlassen wollen – aufgrund ihrer Angst. Allerdings wollte er auch nicht mit dem alten Saiyajin beisammen sitzen.   „So können wir beide uns auch endlich besser kennenlernen, Vegeta“, fügte er freundlich hinzu. Bulmas Vater war gewillt, dem störrischen Saiyajin-Prinzen einen Chance zu geben. Er wollte Vegeta zeigen, was Zusammenhalt bedeutete – etwas, das er im Palast scheinbar nie gelernt hatte. „Wir könnten auch an meinem Aufräum-Roboter basteln. Der hinterlässt mir nämlich in letzter Zeit sehr viel Chaos, statt das Durcheinander zu dezimieren.“   „Dann habt einen schönen Tag. Ich muss langsam los, Paps.“ Das Saiyajin-Mädchen wusste, dass sie in diesem Moment berechnend war. Sie wusste, dass Vegetas Retoure nicht lange auf sich warten lassen würde, doch gerade jetzt genoss sie die Überhand. In der Gegenwart ihres Vaters konnte sie sich frei und sicher fühlen, was sie gnadenlos ausnutzte. „Wir sehen uns später.“   „In Ordnung, Kind. Und pass auf dich auf.“   „Mach dir keine Sorgen. Ich werde aufpassen.“ Die Worte ihres Vaters klangen flehentlich. Bulma schätzte die Fürsorge, aber immerzu hier bleiben und das Leben an sich vorbeiziehen lassen wollte die blauhaarige Saiyajin auch nicht. Außerdem wusste ihr Vater, dass er ihr vollends vertrauen konnte. Demnach müsste er sich gar keine Sorgen machen, zumal Son Goku, Kuririn, Lunch und hoffentlich auch Turles an ihrer Seite wären.   Zum Abschied winkte sie den beiden Saiyajins zu, ehe sie um die Ecke verschwand.   „Na warte, Fräulein, dir werde -“   „Bitte?“, unterbrach Doktor Briefs die nuschelnden Worte seines Gegenübers, die er akustisch nicht vernehmen konnte. „Was sagtest du?“   „Gar nichts.“ Ohne ihren Vater weiter zu Wort kommen zu lassen, drehte sich Vegeta von ihm weg, bevor er in seinem Zimmer verschwand – in seinem Gefängnis, in dem er sich die wüstesten Szenarien ausmalte. Vor allem, wie er das sture Weibsbild vergessen und gleichzeitig in Rage versetzen konnte, da sie partout nicht aus seinen Gedanken verschwinden wollte.    ~*~ Seit zwei Stunden quälte sich Bulma durch ihren Kleiderschrank, posierte mit unzähligen Kleidungsstücken vor ihrem Spiegel und überlegte, was sie anziehen sollte. Des Weiteren hatte sie etliche Versuche unternommen, ihre Haare in einen anständigen Zopf zu binden, was wiederum nicht zu ihren Kleidern passte und sie überlegte – für einen Moment – tatsächlich, ob sie die Saiyajin-Kleidung tragen sollte, die seit ihrer Ankunft auf Vegeta-Sei unberührt in ihrem Schrank verrottete.   Ob das Turles gefallen würde? Schließlich schätzte er – wie jeder Saiyajin – die Traditionen, zu denen auch der Kleidungsstil gehörte.   Nachdem sie sich jedoch in die Panzerung gezwängt und darin begutachtet hatte, beschloss sie, sich nicht für jemanden zu verbiegen, dem sie gefallen wollte. Turles sollte sie so mögen, wie sie war. Zwar immer darauf bedacht perfekt auszusehen, aber eben in ihren Kleidern und nicht in diesen Sachen, mit denen sie sich nicht identifizieren konnte.   „Gratulation“, vernahm Bulma den höhnischen Klang, woraufhin sie im Spiegel den Verursacher ausmachen konnte – Vegeta, der feixend im Türrahmen stand und Bulmas Kehrseite musterte.   „Was willst du?“ Schluckend, allerdings mit fahrigen Fingern, hielt sie sich ein weiteres Shirt vor ihre Brust, um ungerührt ihr Spiegelbild zu betrachten. In ihr sah es jedoch anders aus.   „Nichts besonderes, aber du siehst recht albern aus. Oder ist das eine Kriegsbemalung, die mir fremd ist?“, begann er verächtlich, während er mit dem Finger – wie sie im Spiegel herauskristallisieren konnte – zu seinem Gesicht fuhr, um ihr zu zeigen, dass er die Schminke meinte, die ihr hübsches Gesicht verunstaltete.   Daraufhin sanken ihre Arme, die das Shirt hielten, im Zeitlupentempo nach unten, ehe Bulmas beschämter Blick gen Boden folgte, da sie ihn nicht ansehen wollte. Beim heiligen Shenlong, das wollte sie gerade unter keinen Umständen, weil er womöglich recht hatte. Und genau das war es, was sie störte: Dass es schon wieder Vegeta war, der ihr etwas vor Augen führte. „Kriegsbemalung nennst du das?“, erwiderte sie schließlich salopp, bevor sie nach oben sah und sein Antlitz im Spiegel erhaschte.   „Allerdings“, bejahte er. „Wobei unsere Vorfahren sich mit dem Blut ihrer Opfer bemalt haben.“   Behutsam strich Bulma eine der losen Haarsträhnen hinter ihr Ohr, während sie zwanghaft versuchte, nicht darüber nachzudenken, ob sie wirklich eitel geworden war. Viel Zeit ließ Vegeta ihr jedoch nicht, da er ihr Zimmer betrat und Bulma somit immer näher gekommen war – bis er sie erreichte, dicht hinter ihr stehen blieb und seinen Mund zu ihrem Ohr heranführte.   „Wollen wir hoffen“, flüsterte er, „dass sich Turles' Begeisterung nicht in Luft auflösen wird.“ Inzwischen war seine Hand vorsichtig entlang ihrer Wirbelsäule gewandert, ohne sie überhaupt zu berühren, aber die bloße Nähe zu ihr und ihrem Körper schien ihn tatsächlich zu beruhigen, wenngleich er hätte ausrasten können, wenn er nur daran dachte, dass sie Turles mochte.   Turles! Den Handlanger seines erbärmlichen Vaters, dessen Schuld es war, dass er mit diesem Mädchen überhaupt erst in Berührung kam und anfing, sie und ihren Körper zu wollen.   Geistesgegenwärtig hatte sich Bulma zu ihm herumgedreht, jedoch Abstand zu ihm aufbauen wollen, indem sie ihren Rücken gegen den Spiegel drückte. „Was soll das heißen? Wieso sollte... es Turles nicht gefallen?“ In der Zwischenzeit suchte ihre Hand verzweifelt nach dem Griff der Schranktür, die sie ruckartig aufziehen und gegen Vegetas Gesicht schlagen wollte, um seinen Schikanen zu entkommen.   „Ich weiß nicht, Onna“, entgegnete er lächelnd. Indessen war auch Vegeta nicht untätig, der inzwischen ihre Intention erkannte und unterbinden wollte. Blitzartig schossen beide Hände nach vorne, doch trennte sich ihre Wege. Während die linke Hand unter dem Saum ihres Shirts verschwand, an dem er sie zu sich heranzog, war die rechte Hand auf ihrer gelandet, so dass sie nicht weiter nach dem Griff suchen konnte.   „Solange du dem Fest fern bleibst, wird es nichts geben, was unsere Laune verschlechtern könnte.“   „Ach, stimmt. Du gehst ja zu dem Fest“, quittierte er immer noch grinsend, ohne den Abstand zu ihr zu vergrößern. Stattdessen kam er ihrem abgeneigten Gesicht noch näher. „Ich bin mir sicher, dass du eine Menge Spaß haben wirst – auf einem Fest, dessen Grundlage es ist, die Eroberung unseres Planeten zu feiern. Und das ist doch etwas, womit du dich wunderbar identifizieren kannst, nicht wahr?“   „Lass das, Vegeta!“   Belustigt ließ er den Schlag gegen seine Brust geschehen, bevor er sich entfernte und einen Schritt zurücktrat. „Schon komisch, oder?“   „Was ist komisch?“   „Alles“, beantwortete Vegeta ihre Frage wortkarg. Aber er war – wie er ihr schon sagte – auch ein netter Kerl, sofern man nett zu ihm war, weshalb er fortfuhr: „Du gehst zu einem Fest, das auf dem Rücken tausender Opfer ausgetragen wird. Oder dachtest du, die Ur-Saiyajins haben sich gütig mit den Tsufurujins geeinigt, als sie hierher kamen?“   Das glaubte Bulma keineswegs. Doch statt ihm recht zu geben, begann sie in typischer Bulma-Manier ihn aufzuklären: „Wenn man nichts nettes zu sagen hat, Vegeta, soll man den Mund halten – eine Weisheit der Erdlinge.“ Um genauer zu sein, war es eine Weisheit eines kleines Häschens, das sie in ihrer Kindheit sehr gemocht hatte, aber Vegeta würde es sowieso nicht verstehen, wenn sie ihm von einem Zeichentrickfilm erzählen würde.   „Eine sehr dumme Weisheit, wenn du mich fragst.“   „Ich frage dich aber nicht, Vegeta.“   „Angesichts deiner Unwissenheit wäre es jedoch ratsamer, mir recht viele Fragen zu stellen. Meinst du nicht?“, fragte er geringschätzig, während er ihr dabei zusah, wie sie beleidigt zu ihrem Schreibtisch marschierte. „Es würde vor allem Konfrontationen vermeiden, wenn du spurst.“   „Und ich frage mich, ob der Neid dich so handeln lässt, weil ich wenigstens ein Leben habe oder ob es Willkür ist, dass du so bist?“ Kreidete sie gerade einem Saiyajin, der sie mit einem Faustschlag über den Jordan schicken konnte, Neid an? Das falsche Lachen, das aus seinem Mund drang, wurde von Wut überspielt, die sich unverzüglich in seinem Körper ausbreitete. „Ich soll neidisch sein? Auf dein Leben?“ Oh, noch nie war er so entschlossen, wie jetzt gerade. Er könnte sie mit einem Hieb zur Seite stoßen, ihre hässliche Gesichtsbemalung mit wenigen Worten, aufgrund der darauffolgenden Tränen ihrerseits wegwischen lassen, ohne selbst Hand anzulegen, doch noch verzichtete er darauf. „Gib dich nicht der Illusion hin, dass ich ein Leben wie deines führen möchte. Ich amüsiere mich bloß, hinsichtlich deiner Dummheit, und darauf will ich nicht verzichten, wenn mich hier schon nichts – außer der puren Langeweile – erwartet.“ „Dann geh doch wieder zu deinem Vater?“ Bulma lauerte wie ein Tier hinter einer Hecke auf den richtigen Zeitpunkt. „Oder gibt es etwas, das dich daran hindert? Ich meine, du könntest doch einfach zum Palast zurückgehen?“ Bedächtig blickte sie über ihre Schulter zu ihm, um sicherzugehen, dass er nicht wieder hinter ihr stand.   „Anscheinend denkst du, ich sei dumm, aber lass dir gesagt sein, dass du cleverer sein musst, wenn du mich austricksen willst.“   Das dachte Bulma. „Wieso möchtest du es nicht sagen? Ist es so schlimm?“   „Schlimm, im Bezug auf das, was ich gemacht habe, ist gar kein Ausdruck, Onna.“ Nachdem er den Satz beendet hatte, sah er ihre Schultern zucken, was auch Vegeta beruhigte, da ihre Angst wieder sichtbar wurde und Vegeta gleichzeitig Selbstsicherheit verlieh. „Dem ungeachtet, interessiert es mich brennend, wieso du zu einem Fest gehst, dessen Hintergrund du verabscheust? Erkläre es mir, Onna.“ Sie ging einfach nicht weg von ihrem Schreibtisch. Es war quasi eine Einladung für Vegeta, erneut zu ihr zu gehen, seinen Oberkörper gegen ihren Rücken zu lehnen und mithilfe seines Gewichts ihren Körper nach unten zu stemmen, damit er seine Hände auf der Schreibtischplatte abstützen konnte und seine Nase gleichlaufend in ihren Haaren verbarg. „Du fühlst dich weder mit unseren Sitten, noch mit unserer Herkunft verbunden und trotzdem“, lachte er in ihren Haaransatz, „suchst du die Nähe zu dieser – in deinen Augen – abnormalen Gesellschaft. Wieso? Um Turles zu gefallen?“   „Vegeta, geh... geh weg von... von mir“, keuchte Bulma, deren Hände sich krampfhaft in den Kanten ihres Schreibtischs verhaken wollten.   „Paradox, oder? Mich würde es ankotzen, in zwei Welten zu leben.“   „Das... Das ist Quatsch. Ich lebe nicht in zwei Welten“, schilderte sie entgeistert, da sie wusste, dass er mit seinen Äußerungen recht hatte. Allerdings wollte sie diesem missratenen Königssohn ihr stupides Verhalten nicht noch auf einem Silbertablett servieren, weshalb sie die Lüge der Wahrheit vorzog. „Ich muss mich – sehr zu meinem Missfallen – hier zurechtfinden. Dazu gehört auch, dass ich mich unter die Leute mische. Im Gegensatz zu dir, der die Einsamkeit vorzieht.“   „Nette Lüge, aber mir musst du nichts vormachen, Onna.“   „Erzähl mir lieber, wieso mein Vater dich erpressen kann? Wieso bist du hier? Es muss ein Arrangement zwischen deinem und meinem Vater geben, oder? Andernfalls“, schlussfolgerte Bulma logisch, „wärst du nicht hier. Du... Du würdest dich doch niemals“, fuhr sie schlotternd fort, aufgrund der unangenehmen Nähe zu ihm, „herumkommandieren lassen, oder?“   „Muss dich enttäuschen“, hauchte Vegeta ihr entgegen, ehe seine Nase langsam durch ihre Haare, hinab zu ihrem Ohr glitt. „Ich weiß nichts von einem Arrangement zwischen unseren Vätern.“   „Du lügst!“   Natürlich log er. Vegeta konnte schon immer, sobald sich sein Hals in der Schlinge befand, hervorragend lügen. Sein Aufenthalt hier stand per se in Verbindung mit seinen verübten Schandtaten, aber worum es genau in diesem zwielichtigen Abkommen ging, wusste er tatsächlich nicht. Was Vegeta wusste, war, dass sein Vater stets zu seinem eigenen Vorteil handelte – wie jeder andere Saiyajins auch, Vegeta mit eingeschlossen.   Zu keinem Zeitpunkt hatte er seinem Vater geglaubt, dass Bulmas Vater bloß ein alter Freund war, da Saiyajins letztendlich keine Freunde hatten. Allerdings konnte der Saiyajin-Prinz ebenfalls bis drei zählen. Ihm war bewusst, dass entweder Bulma oder ihr Vater etwas getan hatten, was dem König in den Kram passte, um Vegeta dorthin abzuschieben.   Darüber hinaus wurde er indessen wahnsinnig, während sie beide zusammen vor ihrem Schreibtisch standen – so nah beieinander, dass sich ihre Kleidung berührten und Vegeta ihren intensiven, wenn auch aufgeregten Herzschlag fühlen konnte. Es lag schlichtweg in der Natur eines jeden männlichen Saiyajins, sich fortzupflanzen, den Bestand der Rasse zu sichern und dafür zu sorgen, dass weitere männliche Nachkommen kamen. Jedoch gab es dahingehend ein Problem...   Sie – wollte – ihn – nicht!   Schon dieser Gedanke müsste ihn abschrecken. Den jungen Prinzen daran hindern, sich weiterhin vorzustellen, mit seinen nackten Fingern über ihre weiche Haut zu wandern. Aber er konnte die Vorstellung nicht abstellen. Nach wie vor dachte er daran, die verbotene Frucht – die ihn nicht leiden konnte – zu berühren und genau darin lag sein verdammt nerviges Problem...   Dieses Mädchen zog ihn an – auf eine Art, die er nicht konkretisieren konnte. Je mehr er daran dachte, die Büchse der Pandora zu öffnen, umso drängender wurde der Wunsch, das Szenario Realität werden zu lassen – trotz der offensichtlichen Gefahren, die ihm ins Gesicht sprangen. Die drohende Zuspitzung war Vegeta bekannt, dennoch konnte er sich der Spannung nicht entziehen. Dieser Saiyajin näher zu kommen war bedeutsamer, als jegliche Bedrohung, die von einem Näherkommen ausging.   „Onna, wieso sollte ich lügen?“   „Oh“, entkam es ihr mürrisch. „Ich wüsste da einige Gründe. Du willst es, um ein Beispiel zu nennen, mir aus Prinzip nicht verraten.“   „Möglich“, grinste er keck. „Hast du noch weitere Vorschläge?“   „Mit Sicherheit, aber stattdessen könnte ich dir helfen?“ Innerlich wusste sie, dass es keinen blöderen Vorschlag gab, als Vegeta Hilfe anzubieten.   „Inwiefern?“, wollte er knapp wissen, denn nicht nur Bulma, sondern auch Vegeta war hellhörig geworden. Niemals würde sie ihm freiwillig die helfende Hand reichen. Wozu auch? Dazu gab es keine Gründe, weil er nie der Saiyajin gewesen war, der bereitwillig Hilfe annahm – und das wusste sie ebenfalls. Folglich schnappte er sich ihren Oberarm, wodurch er sie zu sich herumdrehte, damit sie sich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden.   Ihre glasig blauen Augen interessierten ihn nicht. Es war viel mehr die Tiefe, sowie die Intensität des Blaues ihrer Augen, was ihn verwunderte. Noch nie hatte er so klare und offene Augen gesehen. Noch nie standen sie sich so lange und vor allem fast ruhig gegenüber, so dass Vegeta die Zeit bekam, in ihre Augen zu sehen.   „Wenn... Wenn wir uns nicht mehr streiten und... und ich meinem Vater sage, dass du dich besserst, dann... Ich wette, dass du früher zum Palast zurückkehren darfst.“   Es ging um so viel mehr. Das wusste sie nur nicht, aber woher auch? Im Gegensatz zu ihr, kannte Vegeta seinen Vater, der seinen starrköpfigen Sohn schmoren lassen wollte, weshalb Vegeta noch lange nicht das Licht am Ende des Tunnels erspähte. Unterdessen betrachtete er unbemerkt ihren Kiefer, die leicht herausragenden Wangenknochen und ihre Lippen, über die er seinen Daumen verflucht gerne streichen würde.   „Das ist Schwachsinn.“    „Wieso?“ Bulmas aufkeimende Freude, ihn vielleicht loszuwerden, sank rapide ab. „Wenn mein Vater deinem Vater erzählt, dass -“   „Und du denkst, dass mein Vater den Wortes deines Vaters Glauben schenkt? Nach einer Woche?“ Seine Hand, die immer noch ihren Oberarm festhielt, schlenderte langsam nach unten zu ihrem Handgelenk, was ihn unfassbar nervös machte. „Du merkst hoffentlich selbst, dass das unglaubwürdig klingt.“   „Dann tu etwas, damit du verschwindest, weil hier wird dich sicher niemand vermissen. Das hast du in den wenigen Tagen, in denen du hier bist, nämlich geschafft.“   Erschrocken darüber, ließ er verdutzt ihr Gelenk los. Diese Ehrlichkeit hatte ihn hart getroffen, obgleich es ihm nie wichtig war, erwünscht oder unerwünscht zu sein. Und trotzdem musste er schlucken, als sie ihm die Worte unvorbereitet an den Kopf warf. Sollte er demnach den Versuch wagen, und falsches Wissen vortäuschen um zu erfahren, wer von beiden Erfindern etwas angestellt hatte? Es wäre eine günstige Gelegenheit, doch was, wenn sie zum Gegenschlag ausholte und ihn traf? So hart, dass er sich schwer davon erholen würde?   Zweifelsohne wurde sie mit jeder Konversation mutiger, in welcher ihr stets bewusster wurde, dass Angriffe seinerseits in ihre Richtung immer unwahrscheinlicher wurden.   Verfluchte Scheiße. Dieses Ass spielte dieses Miststück eiskalt aus. Andernfalls würde sie doch gar nicht den Weg des Widerstandes gehen. Immerhin verspürte er ihre Angst schon oft, sah sie in ihren azurblauen, geweiteten Augen, die ihn im Moment jedoch verschmitzt anfunkelten. Und Vegeta? Er stand vor ihr – einen Kopf größer als sie, perplex... irritiert... verwirrt... Nicht sicher, den nächsten verbalen Schlag zu platzieren.   „Ich soll“, begann er langsam, den Blick nicht von ihrem Gesicht nehmend, „mich verpissen? Verstehe ich das richtig?“   Nickend bestätigte sie seine Aussage: „Genau. Eine Hirnzelle weniger und du wärst eine Pflanze gewesen, Vegeta. Glückwunsch, du hast dich gesteigert und mich auf Anhieb sofort verstanden“, warf sie ihm herablassend entgegen. „Noch so eine Bemerkung, Fräulein, und deine Zahnbürste greift morgen ins Leere.“ Sein verblüffter Blick hatte sich – wie Bulmas Mimik zuvor – zu einer grinsenden Fratze entwickelt, aufgrund des Spaßes den er anlässlich ihres erschrockenen Ausdrucks empfand. „Ich werde mich nicht verpissen und bezüglich des Arrangements zwischen unseren älteren Herren weiß ich auch nichts. Krieg das endlich in deine Birne, Mädchen.“ Hinsichtlich des Inhaltes hatte er nun mal wirklich keinen blassen Dunst und das sollte sie gefälligst verstehen, bevor er völlig den Verstand und zusätzlich den letzten Nerv verlor.   „Dann haben wir uns auch nichts weiter zu sagen“, feuerte die blauhaarige Saiyajin hinterher, bevor sie sich angewidert – angesichts der Nähe – an ihm vorbei zwängte und zu ihrem Spiegel zurückging. Mit zusammengebissenen Zähnen öffnete sie den Schrank, entnahm eine offene Dose, in der sich dutzende Haarnadeln befanden und erschrak schon gar nicht mehr, als sie den Schrank schloss und im Spiegel Vegeta entdeckte, der abermals hinter ihr stand – feixend, mit verschränkten Armen. Diesen Idioten konnte man scheinbar nicht einschüchtern.   Vegeta ließ entgegen seiner Erwartungen einige Minuten verstreichen, ehe er sich ungefragt neben sie stellte, seine Schulter gegen die Ecke des Schranks legte und ihr dabei zusah, wie sie ihre glatten Haare nach oben hob und mehrere Haarnadeln in ihrem Schopf verschwanden, die ihrer angestrebten Frisur Halt schenkten. „Sag mal, was hat es eigentlich mit diesem Radar auf sich? Was kann der?“   Unwillkürlich hielt Bulma inne, drehte ihren Kopf nach links und sah den interessierten Blick in seinem Gesicht. Wie wandelbar Vegeta doch war...   „Wieso fragst du?“ Derweil begann Bulma damit, seinen kryptischen Blick zu studieren, wurde jedoch nicht schlau aus ihm.   „Vegeta?“, fügte sie hinzu, nachdem er nicht antwortete. Ferner war sie genauso über den Zustand überrascht, dass sie wieder normal miteinander sprachen, obwohl vor wenigen Momenten eisiger Krieg zwischen ihnen geherrscht hatte. „Was ist mit meinem Radar? Wieso interessiert es dich?“   Kritisch sah er zur Seite – in den Spiegel – und betrachtete sein selbstgefälliges Ich. „Reine Neugier, nichts weiter.“ Einmal, so erinnerte er sich, hatte sie etwas von Dragonballs erwähnt. Dass... Dass Kakarott, sofern er dürfte, zur Erde fliegen könnte, um sich seinen Dragonball zurückzuholen. Was bedeutete das? Dass Kakarott eigene Dragonballs besaß oder bestand die Möglichkeit, dass... dass es irdische Dragonballs gab? „Hast du den Radar wirklich auf der Erde gebaut?“   Sie antwortete ihm nicht.   „Sag schon“, fuhr er bedrohlich laut fort, doch senkte er seine Stimme rasch, als er nach ihrer Hand griff. „Du hast den Radar auf der Erde konzipiert. Du warst nämlich ziemlich überrascht, nachdem dir andere Koordinaten angezeigt wurden.“   „Du musst was verwechseln“, empörte sich Bulma, die sich schnellstmöglich aus seinem Griff befreien wollte.   „Lüg mich nicht an! Als ich zu euch kam und wir zusammen gegessen hatten, hast du deinem Vater erzählt, dass du fast fertig bist. Du hast den Radar – dank meines Hinweises – richtig anpassen können.“ Längst hatte er das silberne Gehäuse auf ihrem Bett entdeckt, das im Sonnenlicht funkelte. „Du hast ihn modifiziert und ich möchte wissen, weshalb du das getan hast, Onna?“   „Er funktionierte auf Vegeta-Sei nicht richtig. Deswegen habe ich ihn repariert.“   Bestimmt log sie wieder. „Was war der Anlass, ihn überhaupt zu reparieren, gar einzuschalten? Und wag dich nicht, nach billigen Plattitüden zu suchen. Hättest du von den neuen, nicht-irdischen Koordinaten gewusst, wärst du nicht aus allen Wolken gefallen.“   „Vegeta, du... du tust mir weh!“   Fuck... Er tat ihr schon wieder weh. Und wieder sagte sie den verhängnisvollen Satz, der notwendig war, um sein Bewusstsein zu aktivieren, das gleichzeitig veranlasste, ihre Hand loszulassen, ehe er ihr sämtliche Knochen darin brach. Folglich seufzte sie erleichtert auf, umschloss mit ihrer Hand die schmerzende und rieb über die stechenden Punkte darin.   Taumelnd trat Bulma nach hinten, bis der Schrank sie stoppte und zwang, stehen zu bleiben. „Bitte... Bitte geh jetzt. Ich... Ich muss mich fertig machen.“ Ihr Kampf gegen die Tränen war ein Kampf gegen Windmühlen, woraufhin ihr Zeigefinger vorsichtig unter ihren Augen entlangfuhr, um ihm nicht noch ein Gefühl des Sieges über ihren Geist und ihrer Emotionen zu gewähren.   Wortlos – mit offen stehendem Mund – stand er vor ihr, unsicher darüber, welcher Worte er wählen sollte. Daher war es besser, sich kommentarlos abzuwenden. Allerdings blieb er noch einmal im Türrahmen stehen, blickte über seine Schulter und betrachtete ihre zerbrechliche Hülle. Augenblicklich verformten sich seine Lippen zu einer dünnen Linie, weil er dafür verantwortlich war, dass ihre Arme zitternd um ihren Oberkörper geschlungen waren und ihr Blick schluchzend gen Boden gerichtet war.   Ob er etwas sagen sollte? Durfte er nach alldem noch einmal das Wort an sie richten?   Angesichts der Rangordnung hatte er das Recht, sie noch einmal anzusprechen und eine Antwort zu verlangen. Aber er sah davon ab. Kopfschüttelnd verließ er ihr Zimmer, während er über den kurzen Moment nachdachte. Es war trivial, nicht weiter von Belang, da er ein Saiyajin war, der weder Mitgefühl noch Gnade kannte und doch hatte ihr von Schmerz erfüllter Ausdruck etwas in ihm bewegt. Es hatte Vegeta getroffen, dass er der Grund war, dass sie Schmerzen hatte...   Verdammter Saiyajin-Mist!   Wo war sein kaltes Herz? Früher hätte es ihn nicht gestört. Nein, er hätte sich daran erfreut, wenn jemand seinetwegen Schmerz, gar Leid empfand.   „Verflucht, was ist bloß los mit mir?“, schnaubte er verächtlich, nachdem er sein Zimmer, sowie sein Bett erreichte, auf das er sich ausgelaugt warf. „Was hat dieses Weib nur mit mir angestellt?“, fragte er sich, während er zu seiner geballten Faust sah, die anschließend auf die weiche Matratze schlug.   Aber lange verweilte er nicht in seinem Bett. Stattdessen stand er auf, öffnete das Fenster und sah in die Ferne – wie so oft, wenn er grübelte. Vorsichtig stellte er sein linkes Bein auf die Fensterbank, legte den linken Arm auf sein Knie und überlegte, ob er zu Radditz fliegen sollte...   Sollte er?   Ja. Hauptsache weg von dieser Ruine und... ihr. Im Anschluss stieß er sich kraftvoll ab und verschwand und eins war sicher: So absurd es auch klang, aber Radditz war in diesem Chaos sein einziger Verbündeter...   ~*~ Der Teufel auf ihrer rechten Schulter rieb sich bereits vergnügt die knochigen Finger, während der Engel mit Engelszungen versuchte, Bulma zum Umkehren zu bewegen. Doch der Teufel hatte jüngst erkannt, dass er das Spiel gewonnen hatte, nachdem Bulma die Küche betrat und ihre Mutter am Esszimmertisch entdeckte, wo sie anmutig saß und die cremefarbene Porzellantasse zu ihrem Mund führte.   Kurz überlegte Bulma, ihre Schulter gegen die Wand zu lehnen und stillschweigend ihrer Mutter dabei zuzusehen, wie sie ihren Tee trank. Insgeheim beneidete sie ihre Mutter für die Ruhe, die ihr entspannter Körper verströmte, denn in Bulma war es alles andere als ruhig.   In ihr brodelte es vor Aufregung, weil sie Turles sehen würde. Weil... Weil es ein Treffen war, dem er freiwillig zugestimmt und somit entschieden hatte, Zeit mit Bulma zu verbringen.   „Mama?“, flüsterte sie, weil sie ihre Mutter nicht erschrecken wollte.   „Bulma?“ Fröhlich drehte sich Panchy auf ihrem Stuhl herum, stellte die Tasse ab und musterte erfreut die Erscheinung ihrer Tochter. „Hallo Liebes.“   Wie ein begossener Pudel stand die jüngere Frau im Raum – die Beine enge geschlossen, während sie ihre Clutch vor ihre untere Mitte hielt. „Du, ich wollte dir nur Bescheid sagen, dass ich weg bin, ja?“   „Setz dich doch noch einen Moment, hm?“ Freudestrahlend, angesichts der Aufmachung ihrer Tochter, klopfte sie auf das Sitzpolster neben sich, doch Bulma winkte lächelnd ab. „Komm, Vegeta wird sicher auch gleich runterkommen, um deinem Vater zu helfen.“   „Oh, nicht nötig, Mama. Ich bin spät dran.“ Bestimmt wollte sie nicht, dass Vegeta sie sah und beglotzen konnte. Das war das Letzte, das Bulma wollte. Schlussendlich hatte sie sich nämlich dazu entschieden, ein beigefarbenes, kurzes Cocktailkleid zu tragen – kombiniert mit den farblich passenden Schuhen, dem passenden Gürtel, sowie einem hellgrauen Fell-Gilet, das ihre Kleidung wenigstens ein bisschen abschirmen sollte.   Allerdings trug Lunch ebenfalls keine Saiyajin-Kleidung, sondern kurze Shorts und Tops in den knalligsten Farben. Vielleicht gab es noch andere Saiyajins, die zu solchen Festen andere Kleidungsstücke bevorzugten? Das hoffte Bulma sehr, denn auffallen wollte sie nicht.   „Ich möchte Son Goku, Turles, Lunch und Kuririn nicht unnötig warten lassen.“   „Turles?“, hakte ihre Mutter argwöhnisch nach.   „Ein Freund. Nichts besonderes“, erklärte Bulma – zu schnell, zu nervös, woraus ihre Mutter ihre eigenen Schlüsse ziehen würde.   „Schätzchen, kann es sein, dass du unentschlossen bist, seit wir die Erde verlassen haben? Ist es wegen Yamchu? Vermisst du ihn so sehr, dass du dir hier Trost suchst?“   „Mama, bitte!“, unterbrach die Jüngere die Ältere barsch. Unter keinen Umständen wollte sie mit ihrer oberflächlichen Mutter darüber reden, da sie – sehr zu Bulmas Leidwesen – der falsche Ansprechpartner gewesen war. Oft hatte Bulma sich gewünscht, mit ihrer Mutter ernsthaft sprechen zu können – egal über welches Thema. Aber das funktionierte noch nie. „Ich suche keinen Trost.“   „Ich meine nur. Schließlich ist Vegeta ein so ansehnlicher Saiyajin. Findest du nicht?“   „Nein, finde ich nicht, aber ich muss jetzt wirklich los.“ Grundgütiger. Wieso war ihre Mutter so? Man konnte von Panchy Briefs nicht behaupten, dass sie in der Lage war, vernünftige Gespräche zu führen – bei Leibe nicht, nein.   „Na gut“, seufzte Panchy betrübt und widmete sich wieder ihrer Teetasse.   Und das war auch Bulmas Stichwort. Mit herabhängenden Schultern verließ sie ihr Zuhause. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)