Yu-Gi-Oh! The Last Asylum von -Aska- ================================================================================ Kapitel 64: Turn 59 - Glory --------------------------- Turn 59 – Glory     Der nächste Morgen kam für Anya viel zu früh. Völlig zerzaust stieg sie in Shirt und Boxershorts aus dem Bett, während Matt und Zanthe längst zum Frühstück runter ins Restaurant gegangen waren. Ihr Blick fiel auf die rote Deckbox auf ihrem Nachttisch. Sie griff sie sich und musste dem Drang widerstehen, unwillkürlich zu lächeln. Dieser Depp Logan. Hatte er doch gestern wirklich noch versucht, die Sache mit dem Anya-bedingten, ruinierten Imbissstand zu regeln. Ihre Finger schlossen sich fester um die Box. Eigentlich war sie davon abgekommen, das Deck eines anderen zu benutzen. Aber warum auch immer, fühlte sie sich den Battlin' Boxern gewachsen. Mit ihnen konnte sie kämpfen. Und sie würde das Turnier gewinnen, das hatte sie dem Zwerg versprechen müssen.   Nachdem Anya zum Frühstück dazugestoßen war, hatte die kleine Gruppe nicht mehr viel Zeit. Matt bestellte ein Taxi, das sie direkt zu der Arena bringen würde, in der die Vorrunden stattfinden würden. Während der Fahrt warnte Zanthe das Mädchen, dass jene den ganzen Tag überdauern würden und sie damit für einen langen Zeitraum konzentriert sein müsse. Etwas, das der Werwolf ihr anscheinend nicht zutraute. Nach etwa zwanzig Minuten Fahrt und einer seltsam unruhigen Taxifahrerin waren sie endlich da.   Anya stieg als Erste aus dem Taxi. Der Anblick, der sich ihr bot, raubte selbst einer so egozentrischen und ewig grimmigen Person wie ihr den Atem. Das ovale Stadion, gebaut im Zentrum der Stadt, mitten im Wasser, übertraf in seiner Größe spielend leicht das Einkaufszentrum in Livington. Sie hatte gelesen, dass die Fläche im Inneren etwa dem anderthalbfachen eines Footballfeldes entsprach. Und auch von der Höhe her machte das moderne Gebäude seinem Status als Touristenattraktion alle Ehre, überragte es alles andere in der näheren Umgebung. In dem silbrig metallischen Stadion hatten über 50.000 Zuschauer Platz. Die Duelle wurden im Freien abgehalten, auf insgesamt 72 Feldern. Sollte es regnen, fuhren über der Tribüne gläserne Platten aus, die dem Wetter trotzten. „Man, deine Augen funkeln ja richtig“, kicherte Zanthe vergnügt. Die Blonde zuckte zusammen, hatte sie gar nicht mehr gemerkt, dass die anderen auch ausgestiegen waren und die Taxifahrerin bereits bezahlt hatten. Ungewöhnlich freundschaftlich legte der Werwolf seine Hand auf Anyas Schulter. „Das ist der erste Schritt zur Verwirklichung deines Traums. Da darfste schon mal etwas glotzen.“ „Ja“, nickte auch Matt zu ihrer Linken, „genieße den Anblick ruhig einen Moment.“ Was Anya auch tat.   Von ihrer Position aus hatten sie den perfekten Blick auf die Front. Eine extra angelegte Brücke führte herüber zum Eingang, über den in leuchtenden, blauen Lettern „Ephemeria Bridge Stadium“ stand. Das Metall spiegelte das Licht der Sonne, sodass es wirkte, als würde es strahlen. Hunderte Leute warteten bereits vor dem Stadion auf den Einlass. „'kay, genug geglotzt.“ Anya lief geradeaus über die Straße und wurde dabei noch fast angefahren, weil sie nicht auf den Verkehr achtete. Dem Beinahe-Unfallbauer zeigte sie abwesend ihren besten Mittelfinger, während ihre beiden Begleiter sich lauthals mit peinlich berührter Mimik entschuldigen und hinterher eilten. Denn Anya zog das Tempo immer mehr an, bis sie die Spannung auf das Kommende nicht mehr aushielt und zu rennen begann. Während sie so über die Brücke stürmte, sah sie herüber zu einer anderen zu ihrer Linken, die weiter am Ende der Stadt die beiden Bezirke verband. Dort drüben war es gewesen, wo sie von Zed angegriffen worden war. Ob die Undying wohl heute auftauchen würden? Anya konnte es nicht beschreiben, aber der Gedanke ließ sie kein bisschen erschaudern. Denn heute konnte sie jeden besiegen, das spürte sie einfach.   Schließlich hatten sie den Eingangsbereich erreicht, das Stadion war umgeben von Grünflächen mit Bänken. Hier und da boten kleine Stände Snacks an, um die Wartezeit vor dem Einlass zu verkürzen. Ein paar Stufen führten hinauf zum Platz vor dem Haupteingang, an dem sich unzählige Leute tummelten. Sie alle gingen einen, durch regelmäßige Abgrenzungen gekennzeichneten, Weg entlang durch eine Schlange, welche sie direkt zu den Ordnern am Eingang führte. Dort wurden die Tickets überprüft. „Ich fürchte, hier trennen sich unsere Wege“, meinte Matt und stellte sich an das Ende der Schlange, „du musst da lang.“ Er zeigte zu einem Extrabereich etwas abseits, der ebenfalls von mehreren, in blauen Uniformen steckenden, Mitarbeitern des Stadions bewacht wurde. Auch hier tummelten sich ein paar Zuschauer, da sie hofften, den ein oder anderen Blick auf die Teilnehmer zu erhaschen. „'kay, wir sehen uns später“, murmelte Anya und peilte den rechten Fronteingang des Gebäudes an. „Viel Erfolg!“, rief Matt ihr hinterher. Zanthe dagegen flötete: „Blamier' mich nicht!“ Anya zeigte ihm im Weggehen ihren heute besonders nach Aufmerksamkeit haschenden Mittelfinger. Kurz darauf drängte sie sich an irgendwelchen hyperaktiven Fangirls irgendwelcher Wannabe-Pros vorbei und baute sich vor den Ordnern auf. Nachdem sie Turnier- und Personalausweis vorgezeigt hatte, wurde sie hineingelassen und staunte noch einmal Bauklötze. Sie war weniger in einem Stadion, denn mehr einer Art Einkaufsstraße gelandet. Zu ihrer Linken befand sich eine Wand mit Postern diverser Berühmtheiten der Szene. Dahinter lag der Zuschauereingang samt Ticketschalter und vermutlich auch diversen Shops, die Fanartikel en masse verkauften. Zumindest wenn sich dort genau wie hier die Läden nur so aneinander reihten. Deckboxen, Kartenhüllen, für alles gab es praktisch einen, ach was, drei verschiedene Läden. Der in einer leichten Kurve verlaufende Gang wurde zudem durch regelmäßige Rolltreppen in seiner Mitte unterbrochen, die in die oberen Stockwerke führten. Zu Anyas Erleichterung war hier nicht so viel los, nur vereinzelt fanden sich vor den Läden ein paar Spieler ein. Andere gingen den scheinbar gar nicht enden wollenden, in allen nur erdenklichen Farben leuchtenden Konsumtunnel entlang. Die Blonde folgte ihnen mangels fehlender Eingebung, wo sie denn hin musste. Andererseits, was gab es schon für Optionen? Raus ins Innere natürlich!   Schnell stellte sich allerdings heraus, dass die Dinge doch nicht so einfach waren. Bevor Anya offiziell teilnehmen konnte, musste sie sich zunächst noch einmal einschreiben, was an einer Rezeption in einem Vorbereitungsraum geschah. Dort saßen einige Duellanten und bearbeiteten ihr Deck, denn jede Karte musste in einem Formular angegeben werden. So setzte sich auch Anya mit dem Bogen in der Hand in einen der bequemen, weißen Ledersessel innerhalb des mit marinefarbenen Marmorplatten ausgelegten Raumes. Sie musste sich Logans Deck genau ansehen und führte nebenbei noch einige Änderungen durch, bevor sie krakelig die Karten aufschrieb und das Dokument am Tresen abgab. Auch ihr rotes D-Pad wurde mit einem Scanner registriert, sodass sie sich wie an der Kasse eines Supermarkts vorkam. Schließlich durfte sie auf Handschwenk der Mitarbeiterin den Raum Richtung einer einfachen Tür zu ihrer Rechten verlassen.   ~-~-~   „So früh schon auf Arbeit?“, staunte Aiden nicht schlecht, als er Nicks Büro betrat. Der junge Mann in buntem Hawaiihemd saß an seinem gläsernen Schreibtisch und war anscheinend eifrig dabei, etwas zu programmieren. Er sah nicht auf, als er erwiderte: „Dir auch keinen guten Morgen.“ „In etwa einer Stunde gehen die Vorrunden des Legacy Cups los. Willst du nicht zusammen mit den anderen im Pausenraum zusehen?“ Nick richtete sich mit angezogener Augenbraue auf. „Welchen Teufelspakt mussten die armen Dinger dafür eingehen, dass sie, statt zu arbeiten, die Übertragung ansehen dürfen?“ Der immer im Anzug gekleidete Geschäftsmann ließ sich zu einem verschmitzten Lächeln hinreißen, als er um den Schreibtisch herumging. Wie eine Hyäne, so kam es Nick vor, schlich Aiden hinter ihn, tat aber nichts Unüberlegtes. „Solltest du nicht auch zusehen? Ich meine, deine Schwester feiert dort sozusagen ihr Debüt und das ganz ohne meine Unterstützung.“ Er beugte sich über Nicks Schulter, flüsterte in sein Ohr. „Das ist eine außergewöhnliche Leistung für jemanden wie sie. Wie hast du es angestellt?“ „Ich bin mir sicher, dass Anya auch zurecht kommt, wenn ich nicht zusehe und ihren Namen in regelmäßigen Intervallen schreie.“ Aiden richtete sich auf. „Wollen wir es hoffen.“ Sich nun vom Bildschirm abwendend, drehte sich Nick auf seinem Stuhl zu Aiden. Mit dem Ausdruck maßloser Genugtuung sagte er: „Und ich hoffe, du weinst dich nicht in den Schlaf, weil du sie nicht unter deine kleinen, erzbösen Fittiche bekommen hast.“ Sein Beinahe-Verlobter winkte ab. „Nicht doch. Ich habe rechtzeitig Ersatz gefunden.“ Nick drehte sich wieder um. „Um den wird sich schon jemand aus Team VAM kümmern, wenn einer von ihnen die Gelegenheit bekommt.“ „Willst du gar nicht wissen, wen ich ins Rennen geschickt habe?“ Wenn sein Chef das so formulierte, war Nick sich sicher, dass er es tatsächlich nicht wissen wollte. Was wiederum bedeutete, dass er es wissen musste, weil es nichts Gutes bedeutete. „Du wirst nicht gerade glücklich sein, aber …“ Aiden unterbrach sich selbst. „Nein. Ich bin mir sicher, Team 'VAM' wird schon damit klar kommen. Wofür steht das eigentlich?“ Damit zog er an Nick vorbei, aber nicht, ohne ihm vorher ein letztes Lächeln zu schenken, obwohl seine Nachfrage unbeantwortet blieb.   Als er die Tür hinter sich schloss, stöhnte Nick: „Ich habe keine Zeit, mich auch noch um deine Spielchen zu kümmern …“ Trotzdem wäre es wohl das Beste, wenn er sich die Teilnehmerliste etwas genauer ansah.   ~-~-~   Als Anya das Tor zum Inneren des Stadions durchquerte, hatte sie vieles erwartet. Eine riesige Halle unter freiem Himmel. Zugegeben, die hatte sie auch bekommen, schließlich waren nur die Zuschauerränge der ovalen Arena überdacht – auch wenn deren Dach bei Bedarf komplett sogar komplett über das Spielfeld geschlossen werden konnte. Aber so wie es aussah, an diesem schönen Sommertag, brauchten sich die Zuschauer keine Sorgen um Regen machten. Was weniger an dem Wetter selbst, sondern an relativ leeren Sitzreihen lag. Denn dies war das erste, was dem Mädchen beim Eintritt ins Innere auffiel.   Von beiden Seiten der Arena fluteten die Duellanten in dessen Mitte. Anya lag goldrichtig, die Veranstaltungsfläche war wesentlich größer als ein Footballfeld. Aufgeteilt in sechs mal zwölf kleinere Felder, die abwechselnd in den Farben blau, gelb, grün, rot, orange und violett sowie durch eine Nummer gekennzeichnet waren. Bereits jetzt huschten überall Kameramänner und Assistenten herum, auf den dutzenden Bildschirmen oberhalb der Tribünen sah man Animatoren, die das Publikum anheizten, welches gerade einmal etwas mehr als ein Drittel der vorhandenen Plätze ausfüllte.   Anya begriff, dass die Vorrunden nicht so interessant zu sein schienen. Dennoch würden einige ausgewählte Duelle auch im Fernsehen übertragen werden. Es war ein fremdartiges Gefühl, wie sie mit dutzenden anderen ins Innere strömte, ohne zu wissen, was auf sie zukam. Bisher hatte sie es noch nie mit so vielen Feinden gleichzeitig zu tun gehabt, wie Anya die anderen Teilnehmer insgeheim titulierte. Viele von denen sahen so harmlos, herkömmlich aus. Vermutlich war sie aber einfach nur Schlimmeres gewöhnt. Big Al, Isfanel, Another, Urila, Kyon, der Sammler, die Undying. Gegen die waren das hier doch alles Napfsülzen!   Und doch! Jetzt, wo sie sich einigermaßen Überblick verschafft hatte, musste Anya insgeheim schlucken. Das mussten trotzdem über hundert Duellanten sein, die sich unter dem freien Himmel der Arena zum ultimativen Stelldichein versammelt hatten. Wie viele von denen waren wohl so gut wie Redfield? Oder besser? Nervös?   Levrier erschien an ihrer Seite, hielt die Arme verschränkt. „Yep“, antwortete Anya ungewohnt ehrlich. Fügte flüsternd hinzu, aus Angst, dass jemand mithörte: „Denk dran, wie ich mich qualifiziert hab und wie das bei den anderen Pfeifen der Fall war.“   Das ist wahr. Du solltest jedoch nicht an dir zweifeln. Zwar hast du dir nicht mit rechten Mitteln einen Platz erkämpft, aber du bist nicht mehr das Mädchen, das ich vor etwa einem Jahr kennengelernt habe.   Er schwebte vor Anya. Und Anya war sich sicher, könnte er unter seinem Helm lächeln, würde er dies jetzt ganz gewiss tun. Was sie zum Grinsen brachte. „Yeah …“ Doch sofort bohrte sich etwas Spitzes in ihr Herz. Zweifel. War sie wirklich so stark wie Levrier glaubte? Wenn sie doch nach wie vor nicht aus eigener Kraft gegen die Schnöselgeschwister gewinnen konnte? Wenn Ricther mit ihr den Boden gewischt hätte, wäre Levrier nicht inkarniert? Sie ließ den Kopf hängen. Wie wollte sie in diesem Haifischbecken überleben, wenn sie nicht mal ihr eigenes Deck besaß?   Das Mädchen schreckte auf, als sich eine Hand auf ihre Schulter legte. Marc war zu ihr gestoßen. „Kinn nach oben richten. Sonst denken die Leute am Ende noch, Anya Bauer wäre nicht selbstbewusst.“ Er war offensichtlich alleine, denn von Valerie fehlte jede Spur. „Vor den Leuten hier musst du keine Angst haben. Wenn solche wie ich hier mitspielen dürfen, kann es nicht so schwer für dich sein, die Hauptrunde zu erreichen.“ Anya pfiff durch die Zähne. „Als ob ich Schiss hätte, Butcher! Anders als Redfield, wie's aussieht. Wo ist sie?“ „Tummelt sicher auch irgendwo hier herum. Eben war sie noch bei mir“, antwortete er und nahm die Hand von Anyas Schulter, „aber sie hat irgendjemanden gesehen, den sie kennt und-“   In dem Moment flackerten die dutzenden Monitore auf, die am äußeren Rand der nach innen verlaufenden Tribünenüberdachung angebracht waren. Zu sehen war dort eine rothaarige Frau, die eine lavendelfarbene Schleife im Haar trug. Melinda! „Es fängt an!“, stellte Anya richtigerweise fest.   Gib dein Bestes! Und schone mich bitte!   Mit diesen Worten verschwand Levrier. Gleichzeitig beobachtete Anya, wie Melinda, dabei ein Mikrofon in der Hand haltend, in die Kamera starrte. Da hinter ihr bunte Animationen von Duel-Monsters-Karten durch das Bild huschten, konnte man nur vermuten, dass sie sich vor einem Greenscreen in einer gläsernen Lounge am oberen Ende der Tribünen befand, wie es sie dort in mehrfacher Ausführung gab. In einer von ihnen trieb während großer Turniere auch der Kommentator Mr. C sein Unwesen, wie Anya wusste.   „Hallo Leute!“, begrüßte Henrys Schwester die Duellanten und das Publikum locker. „Vielen Dank, dass ihr so zahlreich zu diesem besonderen Tag erschienen seid.“ Sie lächelte geradezu hinreißend, sodass man ihr ihre Worte ohne Zweifel abnahm. „Die Teilnehmer kennen den Ablauf des heutigen Tages bereits, doch für euch da draußen erkläre ich es noch einmal kurz.“ „Huh? Ich weiß von gar nichts!“, klagte Anya an Marc gewandt. Der zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es auch nur von Valval.“   „Wie ihr wisst, werden die Vorrunden heute in einem Rutsch ausgetragen“, erklärte derweil Melinda, wobei ihr Antlitz zur rechten Seite des Bildschirms verschoben wurde, „und zwar in acht Runden, bestehend aus einem Einzelduell, für das die Teilnehmer 40 Minuten Zeit haben. Jedem Duellant wird per Zufallsverfahren ein Gegner zugewiesen. Die Duelle werden zu jeder vollen Stunde stattfinden, beginnend um 10 Uhr. Die Channel DL 2 bis 10 werden übrigens verschiedene Featured Duels übertragen. Hier, auf Channel 1, folgt im Anschluss eine Vorstellung der Teilnehmer.“ Das von ihr Gesagte wurde noch mal in Form eines sich zunehmend vervollständigenden Zeitplans in der linken Hälfte des Bildschirms dargestellt.   Marc sah auf seine Armbanduhr. „Also haben wir noch eine halbe Stunde Zeit.“ Neben ihm mahlte Anya mit dem Kiefer. „Ich will, dass es -jetzt- losgeht!“   „Um 14 Uhr wird es eine Pause von einer Stunde geben, in der sich die Spieler innerhalb des Stadions frei bewegen können und bestimmt auch das ein oder andere Autogramm verteilen.“ Melinda zwinkerte verschmitzt. „Liebe Duellanten, denkt aber bitte daran, es nicht zu verlassen, denn in diesem Fall werdet ihr disqualifiziert.“ Ein kleines Männchen erschien neben Melinda, das von einem roten Kreuz regelrecht erschlagen wurde. „Die Duelle werden mit Punkten bewertet. Für einen Sieg gibt es drei, für ein Unentschieden einen und letztlich für Niederlagen null Punkte.“ Der Rotschopf grinste plötzlich bereit. „Aber es gibt noch einen Faktor, der ebenfalls Punkte verleiht: Lebenspunkte. Hat ein Spieler während des Duells nicht einen Punkt verloren, gibt es einen Extrapunkt.“ Es gab nicht nur im Publikum erstaunte Aufrufe. Auch einige der Teilnehmer sahen sich verwirrt an, als wäre ihnen das völlig neu. Melinda fuhr fort: „Aber es gibt auch Punkte für zugefügten Schaden. Kann jemand mit einem einzigen Angriff mindestens 3000 Punkte austeilen, gibt es einen Bonuspunkt. Das ist unabhängig davon, ob er am Ende gewinnt oder verliert.“   „Hey, das ist gut für dich, Anya.“ Die Blonde wirbelte um. Valerie trottete auf die beiden zu, bestens gelaunt mit einem frechen Grinsen auf den Lippen. Missbilligend musste Anya feststellen, dass ihre Erzrivalin sich heute besonders in Schale geworfen hatte. Denn ihre marineblaue Hose passte perfekt zu ihrem weißen Shirt, über das sie eine graue Weste trug. Garniert mit einem Pferdeschwanz, der in Volumen und Länge den Anyas bei weitem übertraf. „Dann wirst du für's Draufkloppen sogar belohnt“, gluckste Valerie neckisch. „Oh, wie ich hoffe, dir heute das selbstgefällige Grinsen aus dem Gesicht zu wischen, Redfield!“, zischte Anya bitterböse und drehte sich ruckartig um. „Vorher wisch' ich dich vom Platz, meine Liebe“, konterte Valerie selbstbewusst.   „Die 16 Duellanten mit der höchsten Punktzahl ziehen in die Endrunden ein“, erklärte Melinda derweil. „Sollte am Ende ein Gleichstand herrschen, kommen der oder diejenige weiter, die die größte Differenz zwischen zugefügtem und erlittenem Schaden aufweisen.“ Plötzlich hielt sie das rote D-Pad in die Kamera, in seinem ausgefahrenen Zustand, wo es aus einem Bildschirm und den Kartenzonen bestand. „Wie bereits erwähnt, haben die Spieler 40 Minuten für ein Duell. Jedes, das danach nicht beendet wurde, wird nach dem Lebenspunktestand bewertet. Im Anschluss gibt es eine kurze Verschnaufpause.“ Plötzlich flackerte auf dem Bildschirm des Apparats eine Ziffer auf, die 17. „In dieser wird auf den D-Pads die Nummer des Feldes angezeigt, auf dem die Spieler sich als Nächstes duellieren. Sollte jemand nicht pünktlich zum Stundenwechsel dort warten, wird das als Niederlage ohne Zusatzpunkte gewertet, also behaltet stets die Uhr im Auge, Duellanten!“ Sie ließ den Arm sinken. „Jeder Teilnehmer dürfte jetzt bereits eine Nummer zugeteilt bekommen haben. Die Übertragungen der Spiele werden pünktlich um 10 Uhr beginnen.“   Anya aktivierte das hässliche, rote Ding an ihrem Arm. Es dauerte einen Moment, dann flackerte eine weiße 19 auf dem Bildschirm. „2“, sagte Marc mit Blick auf den Apparat an seinem Arm. „Feld 65“, stimmte Valerie mit ein, „mal sehen, wem ich als Erstes die Laune verderben muss.“ Marc lachte auf. „Was ist los mit dir, den Spruch hätte ich eher von Anya erwartet?“ Die drehte sich noch weiter ab. Bah, das wollte sie gar nicht miterleben, wie die sich da gegenseitig beweihräucherten. Hatte Redfield sich vorher einen angetrunken, oder wieso war sie so gut drauf!? „Tch. Ich geh schon mal vor!“, raunte Anya missmutig und zog an den beiden vorbei. Ihr Duellfeld lag genau auf der anderen Seite der riesigen Arena, im letzten Drittel. Genau wie Redfields, die ihr folgte. Vor ihnen lagen die Felder 1 bis 6 nebeneinander, danach folgte die nächste Reihe mit 7 bis 12 und so weiter. So war es selbst für sie ein Leichtes, ihren Bestimmungsort zu finden. „Dann mache ich das mal auch. Viel Erfolg, Liebling!“, rief Valerie Marc zu. „Dir auch, Valval“, entgegnete ihr Verlobter, wobei er praktischerweise schon vor seinem Feld stand. Bei dem ganzen Süßholzgeraspel wurde Anya regelrecht schlecht. Grässlich, nichts wie weg! Sie zog eilig an anderen Duellanten vorbei, von denen einige ebenfalls ihr Feld zu suchen begannen. Feld 19 befand sich am Rand, zu ihrer Linken, wie Anya anhand der fortlaufenden Nummerierungen der Felder wusste. „Denkst du, du wirst das packen mit dem Deck?“, fragte Valerie neugierig. „Klar!“, antwortete Anya, ohne sich umzudrehen. Stattdessen zeigte sie weiter geradeaus, als sie gerade Fuß auf Feld 8 setzte und anhielt. „Du musst in diese Richtung, ich mehr nach links.“ Hoffentlich würden sich ihre Wege hier trennen! Anya wollte jetzt allein sein. Was Valerie zu bemerken schien. „Okay, dann wünsche ich dir viel Glück. Du schaffst das schon.“ Als die beiden Mädchen nebeneinander standen, sah Anya zu ihrer Erzrivalin und gelangte zu der Einsicht, dass sie ihre schlechte Laune nicht an ihr auslassen durfte. Zumindest nicht immer, nur manchmal. Und Redfield meinte es immerhin gut mit ihr, kämpfte sie doch für ihre Sache. „Natürlich, eine Anya Bauer wird durch Rückschläge nur stärker. Du gib dir auch Mühe, verstanden? Wehe, ich sehe dich nur einmal verlieren!“ „Wirst du nicht“, zwinkerte Valerie zuversichtlich. „Bis später.“ So bewegten sie sich in unterschiedliche Richtungen weiter. Anya steuerte auf ihren Ausgangspunkt zu. Es war ein rechteckiges Feld, bei dem – wie auch bei allen anderen – sämtliche Monster- und Backrowzonen markiert waren mit weißen Linien. Selbst für die Pendelkarten gab es spezielle Felder. Anya musste grinsen. Sie hatte eines der blauen Felder erwischt. Ihre Lieblingsfarbe, also hoffentlich ein gutes Omen. Wenn sie an so etwas glauben würde, verstand sich. In dessen Mitte befand sich ein Kreis, in dem in beide Richtungen die Ziffer 19 eingelassen war.   Sie stellte sich an den Rand der unteren Seite und verschränkte die Arme. Aber kaum hatte sie überhaupt angefangen zu warten, trat von der anderen ein junger Mann auf das Feld. Etwa in ihrem Alter, war sein braunes Haar am Pony spitz nach oben geformt. „Hi“, sagte er, „du bist meine Gegnerin?“ „Siehst du doch“, erwiderte Anya sofort ranzig und musterte ihn kritisch. Der gewann jedenfalls keine Modenschau, so wie er in einer simplen Jeans und einem hellblauen T-Shirt mit dem Aufdruck „Genuine“ auftrat. „Ich bin Kakyo. Kakyo Sangon. Und du heißt …?“, blieb er trotz der schroffen Begrüßung höflich. Er bekam ein Knurren als Antwort. „Anya Bauer.“ „Der Name kommt mir bekannt vor.“ Oh Gott, dachte das Mädchen erschrocken. Hoffentlich hatte der Typ nicht auf irgendeinem dieser Blogs etwas über sie gelesen! Um ihn gar nicht erst zu animieren, darüber genauer nachzudenken, erwiderte sie gar nichts. Obwohl sie verlockt war, einen abfälligen Kommentar über Kakyos seltsamen Namen zu machen. Der sah nebenbei auf sein D-Pad. „Hmm, wir haben noch ein paar Minuten. Erzähl doch etwas über dich.“ „Warum sollte ich!?“, pflaumte Anya ihn an. „Wir sind Gegner, schon vergessen?“ Der Brünette seufzte resignierend. „Ich meinte ja bloß. Etwas Smalltalk ist immer ganz gut, um das Eis zu brechen. Du tust ja so, als müssten wir uns gegenseitig in dem Duell umbringen.“ Wenn der wüsste, wie oft sie schon in solchen Situationen war, dachte sich Anya dabei. Sie löste die Arme aus ihrer Verschränkung. „Was erwartest du denn, huh? Das hier ist ein Wettstreit, kein Kaffeekränzchen.“ Kakyo gab ein genervtes Stöhnen von sich. „Du bist wohl -die- Sorte, was? Na ja, dann eben nicht.“ Und tatsächlich schaffte Anya es im Anschluss, ihn bis zum Start der ersten Runde komplett zu ignorieren. Als jene dann begann, gab ihr D-Pad ein penetrantes Piepen von sich. Auch hörten sie Melinda noch etwas sagen, doch das Mädchen rief bereits: „Duell!“   [Anya: 4000LP / Kakyo: 4000LP]   „Ich beginne!“, entschied sie und zog ihr Startblatt.   ~-~-~   Es war Nick schwer gefallen, sich von seiner 'Arbeit' zu lösen, doch die Neugier hatte ihn letztlich übermannt. Gemächlich schlenderte er in den gemütlichen Pausenraum von Micron Electronics, nur um die halbe Belegschaft dort anzutreffen. Der mit Sofa und Sesseln ausgestattete, orangefarbene Raum war zum Brechen voll. Maya von der Rechtsabteilung, O'Donell und Wellington aus der Buchhaltung und diverse andere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, deren Namen Nick sich nicht merken wollte, saßen oder standen vor dem Flachbildfernseher an der Wand und sahen dabei zu, wie Melinda den Ablauf erklärte. Im Anschluss würde eine Vorstellung der Duellanten folgen.   In einer Ecke bemerkte Nick zu seinem Ärgernis, dass auch Aiden und seine persönliche Assistentin Chrystina – eine dunkelhäutige, stets mit Klemmbrett in der Hand herum wuselnde, überambitionierte Mittzwanzigerin – mit von der Partie waren. Ohne Zweifel hoffte Ersterer seinen Schützling in Aktion zu sehen. Der brünette CEO bemerkte Nick und winkte ihn zu sich herüber. Widerwillig schloss der die Tür und leistete der Einladung Folge. In der voller tropischen Topfpflanzen stehenden Ecke bei den Fenstern angelangt, steckte der zerzauste Kerl im Hawaii-Hemd die Hände in die Taschen. „Du kommst ja doch“, strahlte Aiden. „Nun ja, wir alle brauchen hin und wieder etwas Zerstreuung, nicht wahr, Mr. Reid?“, fragte Nick mit trügerischer Zunge. Er vermied es in Anwesenheit anderer ihn beim Vornamen zu nennen. „Ich hoffe, wir werden deine Freundin und unseren Vertreter zu sehen bekommen.“ Aiden gab nebenbei seiner PA mit einem Nicken zu verstehen, dass sie sie alleine lassen sollte. Während jene kommentarlos gehorchte und davon stakste, sah Nick ihr mit Blick auf das pralle Hinterteil, das sich unter dem grauen Kostüm hervor wölbte, interessiert hinterher. „Sie ist verheiratet“, erinnerte Aiden ihn freundlich. „Oh, ist da jemand eifersüchtig?“ Nick wandte sich ihm wieder zu und lächelte falsch. „Wenn ja, muss ich dir leider sagen, dass ich auch verheiratet bin.“ „Mit wem denn?“ „Mit meiner Hand. Und wir sind einander seit über 20 Jahren treu. Du hast leider keine Chance“, hauchte Nick zuckersüß und blinzelte dazu passend. „Aber ich kann dich gerne verkuppeln. Ich kenne da nämlich einen notgeilen Italiener.“ Aiden musste aufrichtig amüsiert auflachen. „Okay, sag mir eins“, wurde Nick schlagartig ernst und rückte Aiden so nah auf die Pelle, dass der seinen Atem riechen konnte. „Wen hast du da eingeschleust?“   Entgegen seinem ursprünglichen Vorhaben hatte Nick sich die Teilnehmerliste nicht näher angesehen. Es war ohnehin zu spät, noch etwas zu unternehmen. Stattdessen hatte er seine Energien drauf verwendet, den Verbleib von Anyas Deck und dessen Diebin ausfindig zu machen. Allerdings ohne nennenswerte Erfolge. Langsam stieg die Sorge in ihm an, dass jenes vielleicht schon außerhalb seiner Reichweite lag. Statt direkt auf Nicks Frage zu antworten, forderte sein Chef ihn mit dem Wackeln seines rechten Zeigefingers dazu auf, sich herab zu beugen. Was der Größere auch tat. Und als Nick weit genug war, um etwas ins Ohr geflüstert zu bekommen, murmelte Aiden den erfragten Namen. Was dazu führte, dass der hochgewachsene Bursche erschrocken zurückwich. „Du bist widerlich!“, zischte er hasserfüllt. „Hast du eine Ahnung, was du da getan hast!?“ Die ganze Belegschaft drehte sich erschrocken von dem Ausruf um.   ~-~-~   Mittlerweile war das Duell zwischen Anya und ihrem Gegner auf dem Höhepunkt angelangt. „Dein Zug!“, verkündete Anya mit einer gebieterischen Handbewegung. So wie die Dinge standen, würde sie gewinnen.   [Anya: 2000LP / Kakyo: 200LP]   Und was noch besser war: Dank ihres Hünen [Battlin' Boxer Lead Yoke], welcher vor ihr in seiner befreiten Form verharrte, hatte sie sich einen Extrapunkt für hohen Schaden verdient!   Battlin' Boxer Lead Yoke [ATK/3800 DEF/2000 {4} OLU: 0]   Hoffnungsfroh griff Kakyo nach seiner Duel Disk und zog mit Schwung auf. „Das hier ist noch nicht vorbei, Draw!“ „Natürlich ist es das!“ Weder er, noch sie besaßen auch nur eine einzige verdeckte Karte. Und mit der aufgezogenen hielt er auch nur zwei auf seiner Hand, Anya hatte noch eine über. Doch als ihr Gegner hoffnungsfroh zu strahlen begann, schwante Anya Böses. Umso mehr, als er die gezogene Karte vorzeigte. „Endlich! Ich aktiviere [Dark Magic Curtain]. Er halbiert meine Lebenspunkte.“ Was der Blonden natürlich sofort einen garstigen Spruch entlockte, „Oh wie toll, hilfste mir noch beim Gewinnen, ja?“ Sie bereute den Spruch jedoch, als ihr auffiel, dass ein Kameramann hinter Kakyo auftauchte und sich auf sie fokussierte. Keine Sekunde später konnte sie sich auf mehreren Bildschirmen sehen, wie sie perplex ins Bild starrte, im Hintergrund fanden andere Duelle statt. „Shit …“, murmelte sie leise. Gleichzeitig tauchte vor Kakyo ein dunkler Vorhang auf, an der Oberseite festgehalten von einem Skelett. Jenes zog den Stoff langsam beiseite.   [Anya: 2000LP / Kakyo: 200LP → 100LP]   Anya mahnte sich, nicht auf den Kameramann zu achten. Doch irgendwie war es cool, mal im Rampenlicht zu stehen. So wurde ihr Blick immer wieder von der Linse angezogen, statt etwa von dem Monster, das langsam hinter dem Vorhang zum Vorschein kam. „Da das ein Preis ist, den ich zahlen muss, bekomme ich auch etwas als Ausgleich.“ Kakyo verstummte. Leicht genervt fragte er: „Hey, hörst du mir überhaupt zu!?“ „Ja ja!“ Die Stirn runzelnd, schien er dies nicht recht zu glauben. Eine einzelne Karte schob sich aus seinem Deck, die er zwischen die Finger nahm und vorzeigte. „[Dark Magic Curtain] kann mühelos mein Assmonster vom Deck rufen, auch wenn es für diesen Zug meine letzte Beschwörung war. Komm hervor …“ Mit einem Ruck zog das Skelett das letzte Stück des Vorhangs weg. Und da war er, in violetter Robe, mit Zauberstab bewaffnet. Der Hexer, der gerne seine Hand auf den spitz zulaufenden Hut hielt. „[Dark Magician]!“ Jener wirbelte mit seiner grünen Waffe in der Hand und nahm vor Kakyo eine kämpferische Haltung ein.   Dark Magician [ATK/2500 DEF/2100 (7)]   Nun gelang es selbst Anya, ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Duell zu lenken. Was sie jedoch mit gewohnt wenig liebenswürdigen Worten abtat. „Was ist das!? Haste den in der Mottenkiste deiner Oma gefunden!?“ „Hey, das ist ein ganz besonderes Monster!“, erwiderte Kakyo ärgerlich und strich liebevoll über die gelb umrahmte Karte auf seinem D-Pad. „Das ist die erste Duel Monsters-Karte, die je gedruckt wurde.“ „Du meinst ein Nachdruck, das Original vergammelt in einem Museum!“ Selbst Anya wusste darum. [Dark Magician] wurde vor vielen, vielen Jahren als erste Karte in Japan gedruckt. Seitdem hatte er viele Inkarnationen erlebt, mit diversen Artworks. Anhand ihres Bildschirms am D-Pad konnte Anya sehen, dass Kakyos Version tatsächlich eine mit der allerersten Illustration war, der 'Hutpose'. Es gab noch mindestens fünf weitere. Jede davon besaß einen gewissen Seltenheitswert. „Was du nicht sagst?“ Kakyo klang zunehmend gereizter. „So oder so, mein Magier ist imstande, deinen Boxer endlich unschädlich zu machen.“ Anya zischte selbstsicher: „Das will ich sehen!“ Tatsächlich gefiel ihr das gar nicht. Lead Yoke besaß keine Overlay Units mehr, konnte sich ergo nicht mehr schützen. Hoffentlich ging das nicht ins Auge. Musste der beschissene Kamerafuzzi sie ausgerechnet jetzt filmen!? „Hau ab!“, fauchte sie an ihn gerichtet, doch der schien sie gar nicht zu hören. Kakyo war es jedoch, der reagierte, hatte er sie ganz offensichtlich missverstanden und ihre Worte auf sich bezogen. „Das Duell ist sowieso gleich vorbei, reg dich ab! Meine letzte Karte: [Thousand Knives]!“ Noch während er sie in sein D-Pad einlegte, schnippte sein Magier mit dem Finger. Um ihn herum materialisierten sich dutzende Messer, die in der Luft schwebten. Der unscheinbare, junge Mann richtete Zeige- und Mittelfinger auf Anyas Boxer. „Mit dieser Karte kann [Dark Magician] jeden Feind zerstören. Instant Kill!“   Anya Bauer, konzentriere dich!   Entgegen Levriers Mahnung war die jedoch wie gelähmt und starrte das Objektiv der Kamera an, welche hinter Kakyo auf sie gerichtet war. Der Hexer schwang den Zauberstab in seiner anderen Hand nach vorn. Die Messer flogen. Und dort, wo sich bereits abgefeuerte befunden hatten, tauchten neue auf. „Klasse, das haben wir drin!“, rief der Kameramann. Scheinbar kommunizierte er per Headset mit der Produktionsleitung. Anya war so perplex und abgelenkt, dass sie nicht auf ihre letzte Handkarte achtete. Was fatal endete: [Battlin' Boxer Lead Yoke] wurde binnen Sekunden in einen überdimensionalen Messerblock verwandelt und zersprang in tausend Teile. Kakyo gab dem Mädchen gar keine Zeit für eine Reaktion. „Direkter Angriff mit Black Magic!“ An der Spitze seines Stabes lud der dunkle Magier eine violette Energiekugel auf, die er mit Schwung auf Anya schleuderte. Die ging, einen erschrockenen Schrei ausstoßend, darin unter.   [Anya: 2000LP → 0LP / Kakyo: 100LP]   Als der Rauch verpuffte und das Hologramm des Hexers verschwand, stand Anya da wie bestellt und nicht abgeholt. Der Kameramann zog derweil ab. „Warte-! Meine-!“ Hilflos starrte sie auf ihre Handkarte. Die hätte es doch wenden können! Kakyo indes deaktivierte sein D-Pad und schritt auf Anya zu. „Das ist nicht fair!“, platzte die plötzlich, sodass er auf halbem Wege stehen blieb. „Verdammte Scheiße, ich wurde abgelenkt!“ „Wenn du Profi werden willst, wirst du mit so etwas klarkommen müssen“, sagte Kakyo mit unterschwelliger Gereiztheit. „Schieb' deine eigene Unkonzentriertheit nicht auf andere!“ Anya wollte sofort etwas darauf erwidern, doch verharrte im Luftholen. Er hatte Recht. Sie musste schleunigst lernen, ihre Emotionen zu kontrollieren und sich zu sortieren, sonst würde sie hier nicht weit kommen. „... sorry“, murmelte sie daher kleinlaut und sah zur Seite. „Bin keine gute Verliererin.“ „Einsicht und so“, meinte er schulterzuckend und setzte nun seinen Weg fort. Als er ihr gegenüber stand, reichte der einen halben Kopf Größere ihr die Hand. „Trotzdem, gutes Spiel.“ Anya schlug ein, auch wenn sie innerlich selten so aufgewühlt war. Sie hatte diesen sicheren Sieg in den Sand gesetzt! Verdammt nochmal! Wenn sie noch einmal verlor, würde sie es vermutlich nicht in die Endrunde schaffen! Dabei war das gerade einmal das erste Spiel gewesen! „Dann wünsche ich dir noch viel Erfolg. Vielleicht sieht man sich ja nochmal“, meinte ihr Gegner und wandte sich ab. „Cya.“ „Bye“, murmelte Anya deprimiert. Das fing ja toll an!   ~-~-~   Oben in den Zuschauerrängen war nicht allzu viel von der Euphorie zu spüren, die Melinda über die Bildschirme verbreitet hatte. Neben Zanthe und Matt waren die Plätze frei, nur hinter ihnen wohnte eine Großfamilie dem Spektakel bei. „Großartig, sie hat verloren“, zeigte sich Zanthe mittelschwer erschüttert und zog nebenbei den Finger über den Bildschirm des an einem dünnen Kabel hängende Tablet in seiner Hand, „meinst du, es gibt Trostpreise? Einen Sarg zum Beispiel?“ Sofort schwanden die letzten Bilder von Anyas Niederlage, die Szene wechselte zu einem Duell Valeries, welche gerade einen Angriff befahl. Tablets wie diese fand man unter jedem Sitzplatz, um die Spiele besser verfolgen zu können. Matt verschränkte die Arme und sah dem Werwolf interessiert über die Schulter. „Entspann dich. Das Turnier hat doch gerade erst angefangen. Noch kann sie es reißen.“ „Erde an Matt, das da ist Anya!“ Zur Verdeutlichung seines Unglaubens ließ der Werwolf den Finger um die Schläfe kreisen. „Das hier wird nicht mehr besser. Eher schlimmer!“ „Du immer und dein Pessimismus …“ Zanthe schürzte die Lippen, als er seinen Sitznachbarn kritisch ansah. „Als ob deine Naivität besser wäre. In so einem Turnier gibt es immer genug Spieler, die ohne Niederlage durchwandern. Sie hat schon die erste. Spätestens bei der zweiten ist Schluss und es sind noch sieben Spiele bis dahin.“ „Dann geh du doch runter und-“ Weiter kam Matt nicht, denn ein leises Bimmeln unterbrach ihn. Seinen Ursprung fand es in der Innentasche des schwarzen Mantels, aus welcher Matt sich sein Handy fischte. „Ja?“, fragte er beim Abnehmen. „Seid ihr im Stadion?“ Nick. Und er klang nervös. „Sind wir“, bestätigte ihm Matt tonlos. Ihm lag nicht besonders viel daran, ausgerechnet jetzt mit diesem Psychopathen zu sprechen. Und auch sonst nicht. „Was ist?“ „Ihr müsst sofort zu Anya und sie warnen!“ Zanthe machte spitze Ohren, denn selbst ohne jene selbst an das Handy zu legen, verstand er jedes Wort. „Wovor denn? Matts schlechter Laune? Der Zug ist längst abgefahren. Ach und sag ihm, sie hat ihr erstes Duell mit Bravour verloren!“ Matt drehte sich böse funkelnd zu dem Kopftuchträger. Und fragte Nick: „Ist es etwas Ernstes?“ „Würde ich dich sonst anrufen? Natürlich ist es ernst! Unter den Teilnehmern da unten ist jemand, der ihr schaden will!“ Mit einem Schlag verflog Matts Abneigung gegenüber Nick. „Ein Undying!?“ „Nein. Je nach Betrachtungswinkel könnte man sagen, dass es schlimmer ist als das.“ „Will dieser jemand ihr etwas antun!?“ „Lass mich ausreden!“, verlangte Nick zornig. „Was er will, das weiß ich nicht genau, sicher nichts Gutes. Hör zu-!“ „Wir können da jetzt nicht runter!“, widersprach derweil Zanthe mit ausgestreckten Händen. „Nicht, ohne unsere Doof-Queen in Schwierigkeiten zu bringen.“ Nicks Stimme überschlug sich förmlich vor Wut. „Dort unten ist …!“   ~-~-~   Anya ahnte nicht, wovor Nick sie überhaupt warnen wollte. Noch weniger ahnte sie, dass Matt und Zanthe die Hände gebunden waren, bedeutete ihr Einmischen schließlich, den Turnierablauf zu stören und damit ihre Disqualifikation zu riskieren. Nichtsdestotrotz verliefen die nächsten Runden ohne größere Vorkommnisse. Mit ein wenig Schützenhilfe von Levrier gewann sie ihre nächsten drei Duelle in Folge, mehr noch, bei jedem staubte sie den Extrapunkt für maximalen Schaden ab, dank [Battlin' Boxer Lead Yoke]. Einmal gelang es ihr sogar, keinen Lebenspunkt einzubüßen, wodurch sie noch einen Extrapunkt gewann und somit nun bei 14 stand. Kein schlechtes Ergebnis, wenn man sich den Start des Turniers vor Augen hielt.   Dies schlug sich erstaunlich effektiv in ihrer Laune wieder, als sie während der Pause in einem der Cafés des Stadions saß, zusammen mit Valerie und Marc. Sie hatten einen Tisch direkt an der gläsernen Fassade neben dem großen Gang, der an den Geschäften entlang führte. „14!“, grinste Anya über beide Backen und biss in ihr Sandwich. „Hmm, ich habe nur 13“, gestand Marc ihr gegenüber. „Ach ihr zählt?“, staunte Valerie neben ihm. Dann nahm sie einem Schluck aus ihrer Tasse Kaffee und starrte aus dem Fenster. Die Blonde beugte sich bedrohlich zu ihr herüber. „Wie viele, Redfield?“ „... 16.“ „Sehr gut!“, lobte Marc und streichelte ihr die Schulter. „Wenn du so weiter machst, bist du garantiert in der Hauptrunde.“ Als Anya mit ihrem Sandwich im Mund den Todesblick aufsetzte, fügte er noch hinzu: „Und du natürlich auch!“ Die Blonde riss förmlich den Bissen fort, als sie im Kopf nachrechnete. Wenn Redfield 16 Punkte hatte, musste sie nicht nur jedes Duell gewonnen, sondern auch in jedem einen Bonuspunkt gesammelt haben. Garr, wie machte Misses Überflieger das bloß!? „Pah!“, raunte sie aus Trotz. „Hätte ich Angel Wing oder Heavy T, wäre ich garantiert noch besser!“ Was dazu führte, dass Marc und Valerie verschwörerische Blicke miteinander austauschten.   Während Anya über die wirklich wichtigen Dinge im Leben grübelte, eilte weiter draußen im ringförmigen Gang Zanthe an den zuhauf vorhandenen Besuchern und Teilnehmern vorbei und sah sich in alle Richtungen um. An den Geschäften vorbeirauschend, ließ er das Geschehene Revue passieren. Um Anya nicht in Schwierigkeiten zu bringen, hatten er und Matt bis zur Pause gewartet, bevor sie sich auf die Suche nach ihr begaben. Da das Stadion riesig war, hatten sie sich aufgeteilt. Er war von Matt für den Haupteingang eingeteilt worden. Dummerweise konnte Zanthe Anya nicht wittern, dazu überlagerten sich einfach zu viele Gerüche. Nicks Warnung hatte sich zwar ernst angehört, aber wieso sollte ausgerechnet-!?   Er blieb stehen. Da war sie! Durch die Glasscheibe eines kleinen Cafés konnte er die Blonde sehen, wie sie mit dem Rücken zu ihm gewandt am Tisch saß und sich mit Valerie und deren Verlobten unterhielt. „Da bist du ja“, murmelte er und war im Begriff einen Schritt nach vorne zu machen, da bemerkte er etwas aus den Augenwinkeln. Eine Silhouette. Aber ihr Geruch war vertraut. Zanthe drehte sich in der Bewegung zur Seite, wo er durch die Fenster hinaus über den Fluss und die Brücke sehen konnte. Er sah ihn, aus dem Augenwinkel, hinter einem älteren Mann stehen. Keine zwei Meter von sich entfernt. Nur für einen kurzen Moment, eine Millisekunde. Aber bevor er diese eine, ihm wichtige Person ins Visier nehmen konnte, lief eine Gruppe von Besuchern zwischen ihnen durch – und der Mann war verschwunden. Aber sein Geruch war noch da, wenn auch schwächer werdend.   Irritiert wirbelte Zanthe herum, sah in die Fensterscheibe des Cafés. Er musste Anya warnen, aber wenn er jetzt lange zögerte, würde er entwischen. Der Diener des Sammlers, sein-! Aufgeregt schaute der junge Mann wieder zurück, nur um seine Richtung erneut zu ändern. Anya oder Kyon!? Viel Wind um nichts oder Antworten!? Niemand würde sie stören … „Sorry Anya“, nuschelte er, da die Entscheidung doch so nahe lag.   Ohne noch einen Gedanken an seine Freundin zu verschwenden, sprintete er los. Den Gang entlang, immer dem schwindenden Geruch nach. Dabei stieß er gegen verschiedene Leute, ignorierte ihre wütenden Rufe und entschuldigte sich nicht einmal. Es führte ihn zum Haupteingang, durch den er und Matt vorhin gekommen waren. Anstatt sich an den mit Absperrungen vorgegebenen Weg aufzuhalten, schwang er sich einfach darüber hinweg, stieß dabei noch fast jemanden von der Security um und rannte durch eine der offen stehenden Türen.   Das Sonnenlicht blendete ihn, aber er musste nur seiner Nase folgen. Es führte ihn nach rechts, einen asphaltierten Weg entlang, der um das riesige Gebäude herum führte. Am äußeren Rand war eine Rasenfläche angelegt, wo man sich unter großen Bäumen auf eine der Bänke setzen konnte. Dort zog es ihn hin. Hinter einer dieser Bänke angelangt, blieb Zanthe stehen. Von hier konnte man herüber zu Ephemeria City sehen, ihre Riding Duel-Strecken und Wolkenkratzer bewundern. Aber Zanthe hatte keinen Blick dafür. Sein Herz pochte aufgeregt. Weiter vorne führte ein Hang zur unteren Ebene der künstlichen Insel. Und dort, unter dem Schatten der Brücke sah er eine Gestalt verschwinden. Mit einem Satz landete er gebeugt auf dem gepflasterten Weg, direkt vor dem Geländer. Das Rauschen des nahen Wassers sowie seines Blutes in den Ohren, sprintete er aus der Hocke los. Doch als er unter der Brücke angelangte, war dort nichts und niemand. Nur der Geruch.   „Macht es dir Spaß, mir wie ein verliebtes Mädchen überall hin zu folgen?“, fragte eine helle, klare Männerstimme amüsiert. Zanthe spürte einen leichten Windzug. Etwas wurde gegen seinen Hals gehalten. Aus den Augenwinkeln erkannte er, dass es sich um eine Klinge mit Sägezähnen an einer Seite handelte, wobei die andere von einer dicken, weißen Abdeckung umgeben war. „Ich dachte, du wärst jemand, den ich kenne“, sagte der Kopftuchträger mit unterdrückter Enttäuschung. „Du kannst das Ding wegnehmen, ich tue dir nichts. Außer du legst es drauf an.“ „Pass lieber auf, dass ich dir nichts tue.“ Trotzdem ließ der Fremde seine Waffe sinken, sodass Zanthe sich vorsichtig zu ihm umdrehte. Zwar standen sie im Schatten der Brücke, doch er konnte ihn gut erkennen. So sah er dem Butler des Sammlers von der Größe und Kopfform her ähnlich, doch Zanthe begriff, dass seine Fantasie ihm einen Streich gespielt hatte. Allein diese strahlend blauen Augen, sie passten nicht zu Kyons braunen. Der Geruch hatte ihm einen Streich gespielt … „Eine Verwechslung also?“, fragte der einen halben Kopf Größere und legte ebenjenen in den Nacken. Um seinen Hals lag ein Paar beeindruckender Kopfhörer, die über ein Kabel mit einem kleinen Apparat an seinem Gürtel verbunden waren. Der Werwolf musterte ihn, während er die Frage mit einem Laut bejahte. Wer färbte denn bitte seinen Pony blond, den man darüber hinaus zu kleinen Zöpfen geflochten hatte und band diese zu einem langen Pferdeschwanz zusammen, während die Seiten kurz rasiert und dunkel waren? „Du kannst nicht -er- sein“, stellte Zanthe ärgerlich fest, „so wie du rumläufst.“ Damit spielte er auf die für den Sommer unnötig dicke, ärmellose Weste über dem T-Shirt des anderen Mannes an. „Und du bist wohl kaum ein normaler Mensch, wenn du mir bis hierher folgen konntest und das, obwohl ich – ach egal“, erwiderte der genauso schnippisch und hielt Zanthe seine Waffe unter die Nase. „Also, dann erzähl mal.“   Jetzt konnte Zanthe es sehen, dieses seltsame Schwert. Von einer blau-weißen Metallfassung umgeben, war nur eine Seite mit dem gezackten Klingenblatt bestückt. Dafür war es massiver und länger, als Zanthe es sich vorgestellt hätte. Und dieser Kerl hielt es mit nur einer Hand. „Du hast einen Geruch an dir, den ich kenne“, meinte er, „daher habe ich dich verfolgt. So einfach ist das.“ „Du … riechst mich?“ Zur Verdeutlichung schnüffelte der Typ unter seinen Armen und zuckte mit den Schultern. „Also ich riech' nichts. Zum Glück!“ „Ich bin ein Werwolf, natürlich rieche ich so etwas. Also, kennst du einen Kyon? So heißt der Typ, von dem ich rede.“ Der Fremde blinzelte verdutzt. „Ein was bist du?“ „Werwolf.“ Der Blondschopf sah sich zu allen Seiten um, ehe er sich vorbeugte und mit vor den Mund gehaltener Hand fragte: „Und was ist das? Trifft man solche hier häufiger?“ Zanthe traute seinen Ohren kaum. „Werwölfe!? Klingelt es da nicht bei dir? Oder hast du wirklich noch nie von uns gehört!?“ Das aufrichtig ahnungslose Gesicht seines Gegenüber verriet ihm prompt die Antwort, wodurch der Kopftuchträger abwinkte. „Ach, vergiss es und antworte mir einfach.“ „Ich kenne keinen Kü-ohn.“ Zanthe ballte eine Faust. Wären hier nicht noch andere Leute und hätte dieser Lügner nicht diese seltsame Waffe in der Hand, wäre er ihm schon längst an die Kehle gesprungen. Denn er irrte sich nicht, das war definitiv -sein- Geruch an ihm! Es schien, als würde der junge Mann Zanthes Anspannung bemerken, denn er legte einen Zeigefinger ans Kinn und schien nachzudenken. „Nun, von deinem Freund habe ich noch nie gehört. Der, den du riechst, heißt vielleicht Kakyo. Hilft dir das weiter?“ „Kakyo!?“, wiederholte Zanthe ungläubig. „Bist du dir sicher?“ „Ja, Kakyo hieß er. Hat mir … aus der Patsche geholfen, neulich. Mit anderen Menschen hatte ich seitdem keinen Kontakt.“ Auch wenn er dabei unbekümmert klang, verfinsterte sich der Blick des Blonden für einen Augenblick. Schließlich ließ er die Waffe in seiner Hand einfach verschwinden, indem sie sich in weißes Licht auflöste. „Nun“, sagte er und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, „sonst noch Fragen?“ „Wann war das?“, wollte Zanthe wissen. „Vor zwei Tagen.“ „Und er hieß wirklich Kakyo, nicht Kyon?“ Sein Gegenüber nickte stumm. Seufzend ließ Zanthe den Kopf hängen. Er verstand es nicht. Dieser Name sagte ihm irgendetwas, aber wie konnte es sein, dass dieser jemand genauso roch wie Kyon? Als er aufblickte, hatte sich der andere längst umgedreht. „Was bist du eigentlich für einer? Schwingst dieses komische Teil am helllichten Tag herum …“ Der Fremde sah über seine Schulter zu ihm herüber. „Ist das ungewöhnlich? Ich wollte mich nur verteidigen. Aber wenn du meinst, dann lasse ich das in Zukunft besser.“ „Was ist das überhaupt für eine Waffe? Wer bist du!?“ Grinsend drehte er sich wieder um. „Schön, dass du endlich mal danach fragst. Dachte schon, wir stellen einander gar nicht mehr vor! Ich bin Exa und meine Waffe war … meine Waffe eben.“ „Bist du so eine Art Dämonenjäger?“, hakte Zanthe skeptisch nach und verschränkte die Arme. Als Antwort formte Exa mit den Fingern eine Pistole. „Bingo! Ich bin hier, um ein paar Übeltäter zu stellen!“ „Aber nicht mich, oder?“ „Bist du denn einer?“ „Ich bin Zanthe Montinari. Ein vegetarischer Werwolf, wenn du es wissen willst! Ich tue keiner Fliege etwas zuleide … solange sie mir nichts tut zumindest.“ Zanthe nahm Exa scharf ins Visier. „Sind hier denn hier irgendwelche Dämonen aufgetaucht?“ Der junge Mann zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht. Sieht nicht so aus. Also dann, Zanthe, viel Spaß noch mit diesem komischen Kartenturnier. Vielleicht läuft man sich ja mal wieder über den Weg.“ Exa wirbelte herum, winkte zum Abschied mit der Hand, setzte seine Kopfhörer auf und begann zu laufen. Der Werwolf sah ihm ungläubig hinterher. Wie eilig dieser Kerl es mit einem Mal hatte! Der war ganz sicher nicht hier, weil er nach Dämonen Ausschau hielt! Dazu müsste er erstmal wissen, was Dämonen überhaupt sind, so weltfremd wie er offensichtlich war … Aber Zanthe beschäftigte dies weniger als die Frage, wer dieser Kakyo war. Er hatte den Namen doch schon mal gehört oder sogar gelesen, irgendwo, vor gar nicht allzu- natürlich! Einer der Teilnehmer des Turniers hieß doch so!   ~-~-~   Typisch für Anya, ahnte sie nichts von den Irrungen und Wirrungen, in die sie verwoben war. Stattdessen absolvierte sie nach der Pause die nächsten drei Duelle. Welche sie allesamt für sich entscheiden konnte. Die Hoffnungen auf eine Platzierung unter den sechzehn Besten stiegen dementsprechend.   Anderenorts saß Matt alleine im Publikum und wippte nervös mit dem Fuß, mit einem Tablet in der Hand, das Nicks Warnung mit Bildern bestätigte. Wo blieb Zanthe bloß? Hatte er Anya Bescheid gegeben? Denn er selbst hatte das Mädchen nicht rechtzeitig ausfindig machen können. Der schwarzhaarige Dämonenjäger beobachtete, wie sich die Duellanten nach und nach auf die Suche nach ihrem letzten Duellpartner machten. Inzwischen war es bereits kurz vor 18 Uhr, ein Ende war langsam in Sicht. Auch Matt war guter Dinge, dass Anya in die Hauptrunde einziehen würde – vorausgesetzt sie gewann das letzte Duell. Ansonsten könnte es knapp werden.   ~-~-~   „Warum bist du vorhin zurückgekommen?“, fragte Zanthe neugierig und beugte sich nach vorne. Er und Exa saßen auf einer der Bänke vor dem Stadion und beobachteten die Stadt, die sich hinter dem Wasser erstreckte. „Um ehrlich zu sein brauche ich etwas Geld. Du hast nicht zufällig welches? Immerhin hast du mir da vorhin die Tour vermasselt.“ Der Werwolf drehte sich zu seinem größeren Sitznachbarn und funkelte ihn missmutig an: „Du wolltest den Mann bestehlen? Tss. Also war dieses ganze seltsame Gespräch über Duel Monsters, Politik und so weiter nur, weil du dir was von mir pumpen willst?“ Sein blonder Banknachbar grinste verlegen. „Jap.“ „Seh' ich so aus als hätte ich Geld? Ich komme nicht mal mehr ins Stadion, weil meine Karte durch dessen Verlassen ungültig geworden ist, schon vergessen?“ „Das stresst.“ „Und wie.“ Die beiden begannen zu lachen. Dann tat es Exa Zanthe gleich und beugte sich vor. „Hier ist es wirklich schön. Auf gewisse Weise. Alles ist so friedlich.“ Mit angezogenen Augenbrauen wurde er von der Seite angesehen, wie er die Hände ineinander faltete und sich mit dem Kinn auf ihnen abstützte. Einfach in die Ferne blickend. „Wenn du nicht gerade aus dem Nahen Osten kommst, ist das Standard.“ „Naher was? Was ist da?“ Exa richtete sich auf. „Oh mein Gott …“ Zanthe klatschte sich die Hand gegen die Stirn. „Dass ich jemals jemanden treffen würde, der noch weltfremder ist als -sie-!“ Der andere zuckte mit den Schultern. „Na und? Kann man ja ändern. Auf Freunde kann man sich immer verlassen, oder? Selbst wenn man Fehler macht, richtig?“ Mit ungläubigem Blick ließ Zanthe den Zeigefinger zwischen sich und Exa hin und her schwenken. „Du, ich, Freunde? Sind wir das?“ „Ab heute schon.“ Obwohl Zanthe zunächst ein flotter Spruch auf den Lippen lag, verzichtete er darauf, ihn auf Exa loszulassen. Denn der Gedanke, einen Freund gefunden zu haben, der nicht zu Anyas Gruppe gehörte, erfüllt ihn mit Stolz. Und Wärme. „Cool. Aber Geld habe ich trotzdem keins.“ „Macht nichts, ich komme schon klar“, grinste sein blond-schwarzhaariger Freund zuversichtlich.   ~-~-~   Mittlerweile hatte das letzte Vorrunden-Duell begonnen. Und Anya wusste nicht, ob sie glücklich über ihren Gegner sein sollte. Denn bereits seit einigen Zügen stand sie dem schwarzhaarigen, jungen Mann mit Kinnbart gegenüber, der ihr bei ihrem letzten gemeinsamen Duell mächtig an die Gurgel gehen wollte – Marc. „Mein Zug!“, rief dieser und riss die oberste Karte von seinem Deck. Vor ihm hatte sich ein großer Krieger positioniert, dessen Körper aus rotem und dunkelblauem Magmagestein bestand. Von seinen Armen gingen klingenartige Auswüchse ab, die lichterloh brannten.   Laval Dual Slasher [ATK/2400 DEF/200 (5)]   Anya ihrerseits kontrollierte ein Monster, den mit einem Stahlpfeiler auf dem Rücken gefesselten Hünen, [Battlin' Boxer Lead Yoke], dessen verbliebenes Xyz-Material sich noch in jenem Pfeiler befand, welcher ihn so schwer belastete.   Battlin' Boxer Lead Yoke [ATK/3000 DEF/2000 {4} OLU: 1]   Die Life Points beider waren bereits recht angeschlagen.   [Anya: 1500LP / Marc: 900LP]   „Was jetzt?“, fragte Anya herausfordernd. Auch wenn die Anspannung sie seither nicht losgelassen hatte, genoss sie dieses Duell doch. „Willste mich wieder ankokeln, so wie damals?“ Marc blickte im ersten Moment pikiert drein, dann lachte er heiser. Scheinbar hatte sie einen wunden Punkt getroffen, nämlich den seiner Schuldgefühle. „Nein, nichts dergleichen diesmal.“ „Sei mal locker, Butcher! Ist doch Schnee von gestern!“ Er nickte. „Natürlich, tut mir leid. Mir behagt es nur nicht, dass du gleich sehr böse auf mich sein wirst. Denn ich verbanne [Kayenn, The Master Magma Blacksmith] von meinem Friedhof, um die Angriffskraft aller Lavals um 400 zu erhöhen.“ Anya runzelte die Stirn, als die Konturen der Klingen an den Armen des Dual Slashers rötlich zu glühen begannen und im Hintergrund das Klirren von Hammer auf Stahl erklang.   Laval Dual Slasher [ATK/2400 → 2800 DEF/200 (5)]   „Trotzdem zu schwach“, rümpfte Anya unbeeindruckt die Nase. Marc aber zeigte eine Zauberkarte vor, seine einzige Handkarte. „Nicht unbedingt! Denn ich rüste dein Monster mit [Spirit Burner] aus, mit dem ich sofort seine Position wechseln kann.“ Gar nicht mehr gelassen stand Anyas Mund offen, als ihr Hüne kurzerhand in die Knie ging, sich den Kopf mit einer Hand festhielt, um den dunkler Nebel entstanden war.   Battlin' Boxer Lead Yoke [ATK/3000 DEF/2000 {4} OLU: 1]   „Und jetzt Angriff!“, befahl Marc mit ausgestrecktem Zeigefinger. „Cross Slash!“ Wie ein Pfeil schoss der Krieger auf den Boxer zu und holte von unten mit den Klingen aus, die er aufwärts über Kreuz schlug. Sein Feind wandte ihm rechtzeitig den Rücken zu, sodass stattdessen der Pfeiler zerstört wurde, der ihn niederdrückte.   [Anya: 1500LP → 700LP / Marc: 900LP]   Die Blondine schnaubte. „Tch, Durchschlagschaden!?“ „Ja. Drei verschiedene Laval-Monster müssen auf meinem Friedhof liegen, damit das klappt.“ „Was auch immer, ich habe das letzte Xyz-Material von Lead Yoke abgehangen, um seine Zerstörung zu verhindern. Damit wird er um 800 Rachepunkte stärker!“   Battlin' Boxer Lead Yoke [ATK/3000 → 3800 DEF/2000 {4} OLU: 1 → 0]   Verschmitzt grinste Marc und straffte sich. „So? Vermutlich um mich im Anschluss zu besiegen?“ „Genau so ist es, Butcher!“ „Aber du hast die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Zwei Laval-Monster auf meinem Friedhof lösen seinen anderen Effekt aus!“ Der Schwarzhaarige mit dem Kinnbart schlug mit der Faust in die Handfläche. „Da [Laval Dual Slasher] ein Monster in Verteidigung angegriffen hat, schlägt er nochmal zu! Double Cross Slash!“ Seiner Gegnerin entglitten die Gesichtszüge. „Huh!?“ Panisch hob sie beide Hände. „H-hey, Butcher, du willst mir doch helfen, oder!? Können wir nicht-!?“ Konnten sie nicht. Sein Monster, welches sich noch vor Anyas Boxer befand, wirbelte um die eigene Achse und schlug dutzende Male in schneller Abfolge mit seinen Klingen zu und trieb Lead Yoke damit in die Richtung des Mädchens, bis deren Monster zersprang und sie den letzten Hieb abbekam. „Nein“, lautete Marcs trockene, verspätete Antwort. „Das war dafür, dass du mich mal umgebracht hast.“   [Anya: 700LP → 0LP / Marc: 900LP]   Fassungslos stand Anya auf ihrer Seite des Feldes und begriff, dass sie nun schon zum zweiten Mal verloren hatte. Verdammter Kackmist! Was würde jetzt aus den Finalrunden werden!? Sie spürte, wie die liebgewonnene Wärme des Zorns in ihre Wangen stieg und stampfte umgehend auf Marc zu, gewillt, jene Wut an ihm auszulassen. „Scheiße, Butcher, was sollte das!? Wenn du Rache wegen damals willst, dann ein anderes Mal!“ Marc zeigte sich unbeeindruckt, als sie sich vor ihm mit ihren knapp 160 Zentimetern Körpergröße aufbaute. Besänftigend gestikulierend sagte er: „Das war nur ein Spaß gewesen. Aber vergiss nicht, wir sind hier eigentlich Gegner und ich für meinen Teil werde dich nicht gewinnen lassen.“ „Du willst also weiter machen, wie Redfield es vorgesehen hat, huh!?“, raunte Anya missbilligend. „Statt mich um meine Angelegenheiten selbst kümmern zu lassen, wollt ihr unbedingt was von der ollen Rosenburg auf die Nase.“ Er nickte. „Genau so ist es. Gutes Spiel übrigens.“ Trotzig nahm sie schließlich die Hand, die ihr angeboten wurde und schüttelte sie, ohne jedoch Marcs Phrase zu wiederholen. Stattdessen murmelte sie: „Mit Angel Wing wäre mir das nicht passiert …“ „Angel Wing?“, fragte Marc. „Dein Drache, von dem du schon den ganzen Tag redest?“ „Mein Assmonster!“, korrigierte Anya ihn, was ihr Gegenüber mit einem Stirnrunzeln quittierte. „Ich dachte, das wäre [Gem-Knight Pearl]?“ Die beiden begannen sich vom Spielfeld zu entfernen. Anya winkte ab. „Der? Pft. Der ist bestenfalls Begleitwerk.“ „Und was ist mit [Gem-Knight Master Diamond]?“ „Der ist nur für die Trottel reserviert, die der Meinung sind, mir eins aufs Maul geben zu wollen.“ Marc stieß einen mitleidsvollen Seufzer aus. „Oh Junge, Valerie hat echt nicht übertrieben.“ „Womit?“, fragte Anya scharf und ruckte ihren Kopf in seine Richtung. Ihr Begleiter zuckte mit den Schultern. „Dass dir deine neuen Karten wichtiger geworden sind als deine alten.“ „Das stimmt doch gar nicht!“, stritt Anya dies sofort ab. „Wann hat sie das gesagt!?“ „Als wir das Café verlassen haben und du vorgegangen bist.“ Wütend fragte die Blonde: „Wie kommt sie überhaupt auf so etwas Bescheuertes!? Ich vermisse mein Deck genauso sehr wie meine Duel Disk!“ „Frag sie das lieber selbst.“ „Tch, wie du willst. Das klären wir jetzt auf der Stelle!“, entschied Anya schnaubend. „Ich habe keinen Bock auf solchen Quatsch, bring mich zu Redfield!“ Marc rollte genervt mit den Augen, war ihm anscheinend nur allzu bewusst, dass das Mädchen sehr wohl 'Bock auf diesen Quatsch' hatte. „Wenn's sein muss. Sie ist da hinten, Feld 7.“   Zusammen zogen sie an anderen Spielfeldern vorbei, manche bereits verlassen, auf anderen dagegen war noch die Hölle los. So explodierte direkt neben Anya beispielsweise ein goldener Riesenvogel namens [Simorg, Bird Of Ancestry]. Das Mädchen dachte derweil weniger über Valeries Aussage, sondern mehr über ihren Punktestand nach. Dank Butcher hatte sie jetzt zwei von acht Duellen und damit wichtige Punkte verloren! Der kann sich frisch machen, wenn sie wegen ihm die Finalrunden verpasste! Andererseits hatte sie so gut vorgelegt, dass die Wahrscheinlichkeit hoch war, trotzdem knapp reinzurutschen. Wie vielen hier gelang es schon, permanent Bonuspunkte zu sammeln!? Mittlerweile waren die Tribünen noch leerer als zum Beginn der Vorrunden, wie Anya nebenbei beim Umsehen bemerkte. Ob das wohl auch so sein würde, wenn es erst richtig losging?   Inzwischen hatten sie es an den anderen Feldern vorbei geschafft und ihr Ziel erreicht. Sie hielten am Rand von Feld 7 an und wohnten dem Schauspiel bei, das sich ihnen bot. Auch Marcs Verlobte war noch mit ihrem Gegner beschäftigt, der kein Geringerer war als der junge Mann im Rollstuhl, gegen den Marc während des Festes angetreten war. Othello. Welcher dieses Mal nicht von seiner Mutter beziehungsweise Managerin begleitet wurde. Vals Situation sah nicht so gut aus, sie kontrollierte nur eine gesetzte Karte und hielt dazu eine auf ihrer Hand. Ganz im Gegensatz zu Othellos Feld, welches von seinem T-Rex-ähnlichen, roten Drachen dominiert wurde – Odd-Eyes. Zu beiden Seiten standen zudem blau leuchtende Lichtsäulen in der Luft, in denen sich der weiße [Stargazer Magician] und der schwarze [Timegazer Magician] befanden.   „Odd-Eyes“ [ATK/2500 DEF/2000 (7)]   Auch die Lebenspunkte der beiden waren bereits ziemlich weit von Ausgangswert entfernt, besonders in Valeries Fall. Es erschien offensichtlich, dass Othello sie ziemlich unter Druck gesetzt haben musste.   [Valerie: 1100LP / Othello: 1600LP]   „Hey, Redfield“, rief Anya ihr zu, „mach hinne, wir haben etwas zu klären!“ Die Schwarzhaarige warf ihr einen kurzen Seitenblick zu, dann konzentrierte sie sich wieder auf ihren Gegner. „Jetzt nicht, Anya!“ Den jungen Mann im Rollstuhl adressierend, schwang sie den Arm über ihre gesetzte Karte aus. „Also gut, ich aktiviere meine Falle [Aquamirror Illusion], welche mich ohne Umschweife ein Gishki-Ritualmonster rufen lässt und das ohne Kosten, aber dafür darf es nicht angreifen und kehrt am Ende des Zuges auf meine Hand zurück.“ Die Falle klappte auf und begann Schwingungen auszusenden, die aussahen wie die Oberfläche eines Sees, in den ein Stein geworfen wurde. Immer weiter breiteten sie sich aus und ehe sich die Anwesenden versahen, stand an ihrer Statt ein riesiges, schwarzes Monster, das die Wellen von dem roten Stein in seiner Brust auslöste. Vier Arme besaß es, das Horn auf seinem Haupt und die Schwingen auf seinem Rücken verliehen ihm etwas Dämonisches, gleichwohl auch Insektoides aufgrund der Tatsache, dass seine Vorlage der Herkuleskäfer war. „Das ist doch [Gishki Zielgigas]!“, staunte Anya nicht schlecht.   Gishki Zielgigas [ATK/3200 DEF/0 (10)]   Den hatte Redfield damals eingesetzt, als sie sich zusammen mit der falschen Joan of Arc in Anyas Elysion gegen Anya und der Schattengeist-Pornozwiebel des Sammlers, Orion, duelliert hatte. Seitdem hatte man ihn nie wieder gesehen, was Anya auch unter vorgehaltener Hand Marc zuflüsterte. „Sie zieht wohl auch alle Register, um weiterzukommen, huh!? Ich dachte, den hat sie eingemottet.“ „Anya, das hier ist immer noch ein Wettbewerb“, belehrte Marc in einem fragenden, ungläubigen Tonfall, „es wäre seltsam, wenn sie auf ihre stärksten Karten verzichten würde, findest du nicht?“ Das Mädchen verschränkte die Arme und ruckte den Kopf zur Seite. „Hab's ja kapiert, pft!“ Valerie, die das gar nicht mitbekommen hatte, streckte ihren Arm aus. „Ich aktiviere [Gishki Zielgigas'] Effekt! Für 1000 Lebenspunkte ziehe ich eine Karte und wenn es ein Gishki-Monster ist, gebe ich eine Karte von deinem Feld in dein Deck zurück!“ Ihr Gegner mit dem hellblonden, schulterlangen Haar starrte regelrecht abwesend an ihr vorbei und reagierte nicht. Valerie legte die Finger an ihr Deck und schloss die Augen. Murmelte: „Bitte ein Monster!“   [Valerie: 1100LP → 100LP / Othello: 1600LP]   Dann riss sie die Karte von ihrem Deck und zeigte sie vor. Eine Zauberkarte namens [Forbidden Arts Of The Gishki]. Da nichts passierte, sah sich Valerie die Karte selbst an und seufzte. „Das war's dann. Zug beendet.“ „Wie jetzt!?“ Anya machte große Augen. „Sag bloß-!?“ Das Ritualmonster ihrer Erzrivalin verschwand. Schon zog Othello eine Karte von seinem auf dem Spielplan vor ihm liegenden Deck. Sie gar nicht erst ansehend, murmelte er schwächlich: „Direkter Angriff, Odd-Eyes! Spiral Strike Burst!“ Sein Drache feuerte aus seinem Maul einen rot-schwarzen Feuerstrahl, der die schutzlose Valerie erfasste. Eine im Anschluss erfolgende Explosion verkündete das Ende des Duells.   [Valerie: 100LP → 0LP / Othello: 1600LP]   Odd-Eyes Hologramm dematerialisierte sich. Valerie trat aus dem Rauch hervor an den Rollstuhl und reichte ihrem Gegner lächelnd die Hand. „Gut gespielt.“ „Du auch“, erwiderte Othello lächelnd, als er annahm. „Unglaublich, wie schnell du die Pendelbeschwörung zu beherrschen gelernt hast.“ Auf das Lob des Mädchens hin strahlte der Junge förmlich. „Das ist doch nichts Besonderes. Du hast doch genauso schnell verstanden, wie man sie unschädlich machen kann.“ „Seid ihr bald fertig!?“, hallte es zu ihnen herüber. Valerie ließ Othellos Hand los. „Ich wünsche dir, dass du die Finalrunden erreichst und irgendwie deinen Traum erfüllst, auch wenn ich ihn eigentlich zerstören muss.“ „Du musst dich nicht schuldig fühlen.“ Der Junge hustete mehrmals. „Dir auch viel Erfolg im Turnier.“   Während sich die beiden verabschiedeten, stemmte Anya die Hände in die Hüften. Othello verließ sein Feld dank elektronischen Rollstuhls in die entgegengesetzte Richtung von Valerie, welche auf ihren Verlobten und dessen Anhängsel zu schritt. „Tut mir leid für dich“, sagte der Schwarzhaarige sofort. „Macht nichts, man kann nicht immer nur gewinnen. Und du bist ja schließlich auch nicht mit ihm fertig geworden. Ganz schön ehrgeizig, der Gute.“ Valerie strahlte neckisch. „Aber halb so schlimm. Wie lief es bei euch?“ „Bevor dein Stecher aufgetaucht ist? Gut!“ Anya mahlte wütend mit dem Kiefer, besonders als Marc hinzufügte: „Wir wurden in der letzten Runde gegeneinander gepaart. Sie hat verloren.“ Da Valerie bereits Anyas Körperfarbe rapide ins Rote überwechseln sah, verzichtete sie auf eine Stichelei und versuchte stattdessen sie zu beschwichtigen. „Und wenn schon, wir Drei sind trotzdem weiter.“ Allerdings war das nicht das Thema, das Anya geklärt haben wollte. „Redfield, was soll das heißen, mir wären die Hüterkarten neuerdings wichtiger als meine Gem-Knights!?“ „So habe ich das nicht gesagt“, verteidigte sich Valerie mit erhobenen Händen und wandte sich an ihren Verlobten. „Marc!“ „Du hast das genau so gesagt“, zischte der zwischen den Zähnen gereizt aufgrund des empörten Tonfalls. „Das war aber nicht für ihre Ohren bestimmt, da waren wir uns einig!“, kam es in gleicher Manier zurück. Anya stampfte auf. „Mir doch egal! Das ist totaler, geistiger Dünnschiss, Redfield! Schreib dir das hinter deine operierten Ohren!“   Im Affekt wirbelte sie um und rauschte davon. Kurz Marc ansehend, schüttelte Valerie enttäuscht über das lose Mundwerk des Schwarzhaarigen den Kopf, nur um Anya dann hinterher zu rennen. „Warte doch, Anya! Ich wollte keinen Streit vom Zaun brechen!“ „Ich brech' dir gleich was!“, ignorierte Anya die Bitte und stieß jeden um, der nicht rechtzeitig auswich. Hinter ihr entschuldigte sich Valerie kleinlaut bei den am Boden liegenden Duellanten. Auch Marc hatte die Verfolgung aufgenommen. „Wo willst du denn hin? Die geben jeden Moment die Platzierungen bekannt!“ Wie könnte es auch anders sein, war Anya in ihrem Wutschub taub für jegliche Form von Versöhnung. Erst als Valerie sie eingeholt und umrundet hatte, kam die Blonde zum Stehen. „Stell dich nicht so an!“, tadelte ihre Erzrivalin sie und packte ihre Schultern. „Wenn du hier bestehen willst, musst du dich langsam mal an Kritik gewöhnen!“ „Also gibst du zu, dass-!“ „… nun der Effekt von [Artorigus, King Of The Noble Knights]! Für jede seiner Noble Arms zerstört er eine Zauber- oder Fallenkarte auf dem Feld!“ Anya verstummte mitten im Satz. Diese Stimme! Mechanisch drehte sie ihren Kopf nach rechts. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie nur noch, wie ein Blitz auf dem Spielfeld neben ihr gleich dreimal einschlug. Und sie sah jemanden, der ihr sehr bekannt vorkam: Der brünette junge Mann, ihr Gegner aus der ersten Runde. Kakyo. Wie er völlig schutzlos da stand und in kämpferischer Haltung das D-Pad vor sich hielt. „Anya, das ist doch-!“, hörte sie Valerie sagen. Die Blonde wusste, wer derjenige war, welcher das Xyz-Monster auf der anderen Seite kontrollierte. Den sagenumwobenen König Artus, der je in der linken und rechten Hand ein Schwert hielt. Und über ihm schwebte ein weiteres, bestehend aus zwei zusammenlaufenden Klingen, einmal in rot, einmal in blau. Plötzlich sackte der Ritter für einen kurzen Moment in die Knie.   Artorigus, King Of The Noble Knights [ATK/3500 → 2500 DEF/2000 {4} OLU: 1]   „Du denkst also, du kannst mithilfe von [Shrink] das Unausweichliche verhindern?“, fragte der blonde Zachariah mit schnarrender Stimme. „Tut mir leid, die Grundangriffspunkte meines Monsters für diesen Zug zu halbieren reicht nicht.“ Kakyo erwiderte: „Es reicht, um den Zug zu überstehen!“   [Zachariah: 5500LP / Kakyo: 3100LP]   Anya gefror förmlich das Blut in den Adern, wie sie ihren Bruder sah, der sich bereits von dem Duell abwandte. Fein gekleidet in einen roten Anzug, samt Goldkette um den Hals und hochgegelter Mähne. „Denk lieber nochmal darüber nach“, meinte Zach und schnippte im Weggehen mit dem Finger. „Artorigus greift direkt an. Das war's.“ Mit gewaltigem Tempo sprintete der Ritterkönig voran. Das Schwert über seinem Haupt folgte ihm dabei. Kakyo hielt schützend die Arme übereinander und bekam erst eine links-rechts-Hiebkombination mit den Schwertern in Artus Händen ab, ehe jener nach oben griff und die riesige Klinge schwang. Eine gewaltige Energieexplosion entstand, als jene den jungen Duellanten berührte.   [Zachariah: 5500LP / Kakyo: 3100LP → 0LP]   Mit einem leisen Surren verschwanden die Hologramme und Kakyo stand da wie ein begossener Pudel, betrachtete im Anschluss den Bildschirm an seinem roten D-Pad, sich den Effekt der von Zach benutzen Karten durchlesend. „Was ist da passiert!?“, staunte Marc, der die Mädchen inzwischen eingeholt hatte. „Dasselbe wollte er mit mir machen!“, erinnerte sich Anya, die nur dank Logans Eingreifen damals nicht gegen ihren verräterischen Bruder verloren hatte. Jener hatte sie offenbar gehört, denn er drehte sich zu Anya, Marc und Valerie um. Und begann siegessicher zu lächeln. „Na wenn das mal nicht mein 'Schwesterherz' ist. Hast du es tatsächlich bis hierher geschafft?“ Lässig mit den Händen in den Hosentaschen schlenderte er auf die Gruppe zu. „Ich hoffe, du machst deiner hübschen Freundin da keinen Ärger.“ „Was machst du hier!?“, fauchte Anya. Zach antwortete im Laufen unbekümmert: „Wonach sieht es denn für dich aus?“ „Du weißt genau was ich meine, Arschfresse!“ Derweil war ihr Bruder bei den Dreien angelangt. „Wie hast du dich qualifiziert?“ „Über einen Sponsor. Wie so ziemlich jeder hier, der nicht gerade ein albernes Schulturnier gewinnen muss. Nicht wahr?“ Mit einem chauvinistischen Lächeln auf den Lippen, nickte er Valerie zu, die jedoch ihre Lippen fest zusammenpresste und nicht reagierte. „Gut gemacht“, zischte Anya hasserfüllt. „Sehr gut“, verbesserte Zachariah sie arrogant. „Ich habe noch kein Duell bisher verloren. Wie sieht's bei dir aus, 'Schwesterherz'?“ Sie blieb ihm die Antwort schuldig und forderte stattdessen eine eigene ein. „Warum zum Teufel bist du hier!? Ich kapiere es nicht!“ Der blonde Mann zuckte mit den Schultern. „Ich sagte doch, ich bin hier, weil ich gesponsort werde.“ „Von wem!?“ Langsam zog er an Anya vorbei, lächelte tückisch. „Von dem Mann, dessen Angebot -du- ja abgelehnt hast. Aiden Reid. Eine ganze Million bekomme ich, wenn ich gewinne. Doppelt so viel wie das Preisgeld, das von offizieller Seite verliehen wird.“ „Aiden Reid? Das ist doch der CEO von Micron Electronics!“ Valerie hatte ihre Stimme nun doch wiedergefunden. „... dieser Scheißkerl, Nick hatte Recht!“ Sofort kamen all die warnenden Worte in Anya hoch, die ihr bester Freund gesprochen hatte. „Verräterschwein!“ Im Kontrast zu Anya, die verkrampft da stand und in die Leere starrte, neigte sich Zachariah schon regelrecht nach vorne, als sie auf derselben Höhe standen. „Was ist daran verräterisch, die Interessen seiner Firma zu verfolgen? Denkst du, du bist die Einzige, die man fragen darf, ob sie für einen antritt?“ Anya erwiderte nichts. „Aber tröste dich, die Million ist mir eigentlich scheißegal“, sagte er und flüsterte seine letzten Worte mit besonderer Boshaftigkeit, „in Wirklichkeit bin ich nur hier, weil ich dir die Tour vermasseln will. Also bete, dass ich nicht so bald dein Gegner werde.“   Zufrieden vor sich hin pfeifend, zog er an der Gruppe vorbei. Vergessen war der Streit mit Redfield. Anya zitterte leicht, konnte sich nicht rühren. Ihr Bruder, hier, in diesem Turnier!? Dieser Mistkerl, der mit Kali unter einer Decke steckte!? „Geht es dir gut?“, fragte Valerie sie von der Seite besorgt. „Wie kommt dieser Arsch dazu, einfach hier aufzutauchen!?“ Kurz davor, vor Wut zu platzen, wirbelte Anya herum. Heute verlief ja mal wieder alles nach Plan! „Habe ich das richtig verstanden?“, fragte Marc verwirrt. „Er hat gesagt, er würde von Aiden Reid gesponsort werden, nachdem du abgesprungen bist? Wie kommt der dazu, dich anheuern zu wollen?“ „Das würde ich auch gerne wissen“, pflichtete Valerie ihrem Verlobten bei. Die genaue Antwort konnte Anya ihnen nicht geben, da sie selbst kaum schlauer war als die beiden. Aber sie begriff langsam, dass Nick vielleicht Recht haben und Reid gefährlich sein könnte. Wieso sonst sollte er ausgerechnet ihren Bruder für sich ins Turnier schicken, wo es mit Sicherheit wesentlich bessere Kandidaten gab? „Ihr wart halt schon vergeben und er wollte jemanden aus Livington“, log Anya, „aber fragt mich nicht, wieso es jetzt ausgerechnet diese Kackratte sein muss!“ Valerie legte einen Zeigefinger an die Wange. „Hmm. Ich denke, du solltest vorsichtig sein. Da ist vermutlich etwas Persönliches im Spiel.“ „Ich hab davon gehört, dass ihr beide euch nicht versteht“, sagte Marc, „aber was hätte jemand wie Reid davon, das auszunutzen?“   Während die beiden ihre Vermutungen anstellten, welche Anya aufgrund ihrer eigenen kaum wahrnahm, endeten immer mehr Duelle. Die Teilnehmer des Legacy Cups verstreuten sich in der riesigen, offenen Halle, da sie jene bis zur Verkündung der Finalisten nicht verlassen durften. Und schließlich war es soweit: Melindas Haupt flackerte auf jedem der riesigen Bildschirme oberhalb der Tribünen auf. Es befand sich in der rechten Hälfte, in der linken war stattdessen eine leere Tabelle zu sehen. Sie bestand aus sechzehn Zeilen und zwei Spalten, Name und Punktzahl. „Hallo Leute!“, grüßte das älteste Kind der Ford-Sippe fröhlich in die Kamera. Doch anders als noch während der Begrüßung wirkte es falsch, denn ihr Mund mochte zwar lächeln, ihre Augen jedoch nicht. „Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch an euch alle! Ihr habt euch fantastisch geschlagen!“ Allgemeines Gemurmel füllte das Stadion. Anya, Marc und Valerie standen nebeneinander und betrachteten einen der Bildschirme. „Viele Schlachten sind heute geschlagen worden. Doch leider konnten sich nur die besten Spieler durchsetzen, um in die Hauptrunde des Legacy Cups zu gelangen.“ Melinda zeigte mit ausgestreckter Hand zur Tabelle. „Ohne lange drum herum zu reden, werden jetzt ihre Namen erscheinen.“ Kaum hatte die Rothaarige dies gesagt, tauchte der erste Name in der Liste auf. Dann der zweite. Und während Anya mitlas, wusste sie nicht, ob ihr heiß oder kalt war.   Bauer, Zachariah – 40 Montinari, Alessandro – 40 Yu-liang, Jiang – 38 Leonhart Jr., Jack – 37 Nikoloudis, Othello – 35 Mitchell, Sandy – 32 Kingston, William – 30 Slater, Allison – 28 Sangon, Kakyo – 28 Walker, Justin – 28 O'Donell, Samantha – 27 Redfield, Valerie – 26 Guerri, Valmiro – 25 Butcher, Marc – 24 Morisaki, Saeko – 24   Anya bekam Panik. Sie hatte 23 Punkte! Sie hatte doch 23, oder nicht? Demnach müsste sie auf der Liste erscheinen, sofern …   Powell, Elaine – 24   Dem Mädchen gefror das Blut in den Adern. Sie hatte es nicht geschafft. Ihr fehlte der entscheidende Punkt! „Herzlichen Glückwunsch“, hörte sie am Rande Melindas Stimme, „ihr seid mit dabei.“     Turn 60 – Path Of Most Resistance Ganz zu Anyas Entsetzen entwickeln sich die Dinge in eine Richtung, die ihr gar nicht schmecken will … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)