Sein Wort, Mein Gesetz von JuPie88 ================================================================================ Prolog: -Prolog- ---------------- Vergewaltigung, Depressionen, Missbrauch. Worte, die für mich lange nichts als eine Aneinanderreihung von Buchstaben waren. Nicht bedeutungslos, aber doch so unvorstellbar für mich. Weit entfernt. Begriffe, die nicht in meine Welt passten. Hilferufe wurden so oft missverstanden. Für mich galten sie als ein Ruf nach Aufmerksamkeit. "Wer leidet, hat es stumm zu tun." So dachte ich als Teil derer, die wirkliches Leid nicht kannten. Heute aber ist es anders. Mein Umdenken begann mit einem Gefühl. Dem Gefühl verfolgt zu werden. Anfangs dachte ich, ich litte an Verfolgungswahn, an schlechten Träumen. Ein Schemen, der mir nachsetzte, mich im Auge hatte, mich nicht ruhen ließ. Meine Freunde und Familie taten mich als verrückt ab. Ich konnte ihnen nicht begreiflich machen, dass ich mir das nicht nur einbildete. Denn irgendwann wusste ich: Da war etwas, das mich beobachtete. Jemand. Und als ich dann nach Hilfe rief, hörte man mir nicht mehr zu. Zu leicht war es meine Ängste abzutun, zu lange hielt ich schon daran fest verfolgt zu werden. Es gab kein Ohr mehr für meine Stimme. Für die Stimme, die doch keine Aufmerksamkeit wollte sondern Hilfe! Ich hätte nur eine Person gebraucht, nur eine Person die mir damals Glauben schenkte. Nur eine Person, die das unausweichliche änderte. Heute stehe ich hier dem Leben nicht mehr sicher und dem Tode so nah. Ich schreie, aber niemand hört mich. Kapitel 1: Der Unfall --------------------- Ich lief durch die Straßen. Die Scheinwerfer des fremden Wagens verfolgten mich. Als der Wagen auftauchte hatte ich den Gedanken, dass er mich verfolgt, noch abgeschüttelt. Aber als der Benz zwei Straßen weiter immer noch hinter mir her fuhr wurde ich unsicher. Ich versuchte den Fahrer abzuschütteln und verließ den Bürgersteig. Ich bog hastig ab und betrat den Friedhof. Ich wollte nach Hause so schnell wie möglich. Ich zog mein Handy heraus und wählt die Nummer von meiner Mum. „Ich werde verfolgt!" rief ich außer Atem in das Mobilteil. „Schatz, ich bitte dich, hast du wieder deine Halluzinationen." Ich hätte schreien können. Mit was für ein Recht sagte sie so etwas?! Ich rannte hier um mein Leben nicht sie. Ich legte auf. Dumme Sprüche konnte ich nicht gebrauchen. Trotzdem wollte ich in Sicherheit sein und dieses Gefühl gab mir halt nur mein Zuhause. Ich überquerte den Friedhof, der nicht sonderlich groß war. Auf der anderen Seite betrat ich wieder den Bürgersteig. Ich sah nach rechts und links. Es dämmerte, die Sonne ging langsam unter. Ich sah auf die Uhr. 21:00 Uhr. Keine passende Uhrzeit um verfolgt zu werden. Hier lief kein einziger Mensch rum. Ich atmete schneller als es gut war. Die Aufregung und die Unsicherheit darüber, sich das alles doch einzubilden, machten mich verrückt. Was war, wenn ich wirklich unter Halluzinationen litt? Vielleicht hatte dieser Benz es gar nicht auf mich abgesehen! Kein Irrer in Sicht der mich entführen wollte. Ich versuchte mich zu beruhigen und kreiste die Schultern. Ich setzte mich in Bewegung und hörte einen aufheulenden Motor hinter mir. Voller Angst drehte ich mich um und sah diesen schwarzen Wagen. Die Scheinwerfer wieder auf mich gerichtet. Ich lief ohne nachzudenken los, nicht mehr weit und ich war in Sicherheit. Ich lief so schnell ich konnte, so schnell meine Beine mitmachten. Meine Lunge schmerzte, die Seitenstiche raubten mir den Atem und die Kraft. Egal, ich musste weiterlaufen, ich durfte nicht aufgeben. Doch kurz bevor ich unser Haus erreichte spürte ich ihn. Den gnadenlosen Aufprall meines Körpers auf den heißen Asphalt. Ich rutschte einige Meter darüber und blieb schließlich liegen. Ich spürte jeden einzelnen Kotakt mit dem erbarmungslosen Grund. Es gingen mir tausend Gedanken durch den Kopf, ich war mir sicher ich würde sterben. Der Aufprall meines Schädels war so stark, dass ein unerträgliches Piepsen meinen Kopf erfüllte. Ich schloss die Augen. Ich traute mich nicht einmal zu atmen. Erst langsam bekam mein Körper sein Bewusstsein zurück. Ich versuchte meinen rechten Arm zu bewegen ohne Erfolg. Er war steif, mein ganzer Körper war steif. Nicht mal meine Lippen konnte ich bewegen. Es fühlte sich an als würden alle meine Knochen mit einem Mal gebrochen. Ich lag da auf dem Rücken und blickte gen Himmel. Nicht mal ein Schrei war mir entglitten als der Wagen mich mit voller Wucht erwischte und mich durch die Luft wirbelte. Ich spürte wie Blut aus meinen Wunden hervortrat und sich unter mir verteilte. Ich spürte und roch die warme Flüssigkeit. Ich wusste nicht genau woher es kam ich wusste nur, dass es aus mir kam und sich gnadenlos unter mir ausbreitete. Würde ich jetzt sterben? Würde ich hier auf offener Straße sterben? Warum hatte er mich angefahren? Ich dachte an meine Familie und meine Augen füllte sich mit Tränen. Ich war nicht verrückt. Die Bestätigung hatte ich nun. Nur was brachte sie mir in diesem Augenblick? In dem Augenblick in dem ich dem Tode so nahe war. Mein Sehvermögen wurde immer schlechter. Die Sonne, ein heller unscharfer Ball am Himmel. Nur schemenhaft erkannte ich das auftauchende Gesicht. Ich war mir sicher, das dort ein Mann auf mich herabsah. Ich blinzelte in der Hoffnung mehr erkennen zu können. Doch daraus wurde nichts. Ich blinzelte wieder. Eine Müdigkeit überkam mich schlagartig. Ich konnte meine Augen kaum offen halten. Die Schmerzen unterdrückt von der Benommenheit die meinen Körper überkam. Ich verlor das Bewusstsein und alles wurde Schwarz. Auch wenn mir das bewusste Wahrnehmen der Situation wie eine Ewigkeit vorkam waren es nur wenige Minuten, wenn nicht sogar nur Sekunden. Kapitel 2: Willkommen --------------------- Als ich versuchte meine Augen zu öffnen hörte ich aufgeregte Stimmen. Stimmen, die ich nicht kannte. Ich zuckte mit meinem Zeigefinger mehr war nicht möglich. Mein ganzer Körper war steif. Lebte ich noch war ich Tod? War das die Ewigkeit nach dem Tod? Ich wusste es nicht. Ich wusste nur, dass es sehr hell war. Je klarer ich wurde desto mehr nahm ich meine Umgebung und den Zustand wahr, in dem ich mich befand. Ein Schlauch ragte aus meinem Mund. Ich konnte nicht von alleine atmen. Ich vernahm ein monotones Piepen, das immer lauter wurde je mehr ich mich darauf konzentrierte. Ich musste in einem Krankenhaus sein. Hatte dieser Irre mich hierher gebracht? Waren meine Eltern da? Meine Mum? ich blinzelte mehrmals und drehte dabei meinen Kopf. Ich war so schwach, dass ich nicht einmal in Panik geraten konnte. Ich erkannte nicht mehr als Silhouetten. Wo war nur meine Mum? Das einzige was sich an mir bewegte, war mein Brustkorb. Mein Herz kam seiner Aufgabe nach meinen Körper am Leben zu halten. Mit einem verschwommenen Blick suchte ich so wie es mir möglich war das Zimmer auf. Am Fenster stand eine Person in einem weißen Kittel und zwei weitere Personen. Sie sahen mich an das spürte ich, sie redeten leise miteinander. Ich blinzelte erneut und drehte meinen Kopf wieder zur Decke. Ich musste ruhig bleiben, ich war in Sicherheit. Das war mir klar. Ich wollte nur noch meine Mum sehen mehr nicht. Sie würde sicher gleich kommen und mir sagen, das alles gut sei. Ich schloss die Augen und hörte eine weitere Stimme. Eine tiefe eindringliche Stimme, die mich aufhorchen ließ. Jemand erkundigte sich nach meinem Zustand. Aber diese Stimme kam mir ebenso unbekannt vor wie die der anderen Anwesenden. Ich öffnete wieder meine Augen und blickte in das Gesicht, das mir mehr als bekannt vor kam. Das war der Mann der mir das hier angetan hatte. Ich spürte seine Hand auf meiner Stirn, er strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Willkommen Emily, es wird dir gefallen...!" Jetzt kam die Panik, mein Puls fing an zu rasen. Die Geräte um mich herum fingen an schrill zu pfeifen. Eine Panikattacke, die der Arzt zum Anlass nahm mir etwas zu spritzen. Ich spürte ein unerträgliches Brennen in meinem rechten Arm. Der Mann blieb neben mir stehen hielt meine Haarsträhne fest und sah mich einfach nur an. Ich konnte meine Augen nicht aufhalten. Sie fielen zu und ich schlief ein. Kapitel 3: Schnee? ------------------ Draußen schneite es als ich mit Mühe meine Augen öffnete. Dort draußen herrschte die Dunkelheit, ich erkannte kleine weiße Schneeflocken die durch das Licht einer Laterne angeleuchtet wurden und zur Erde fielen. Wie konnte es schneien? Es war doch Sommer? Ich zwinkerte und war beruhigt, das meine Sicht viel besser als beim ersten Mal war. Jemand dämmte das Licht, das meine Augen malträtierten. „Da bist du ja wieder." hörte ich eine liebevolle Stimme sagen. Sie gehörte zu einer Frau, die auf einem Stuhl saß und ein Buch las. Sie legte ihre Leselektüre weg und stand auf. „Wo bin ich?" fragte ich kaum hörbar. Mein Hals war trocken, der Schlauch war zwar raus aber ich hatte Schmerzen. Die Krankenschwester legte mir einen Waschlappen auf meine Stirn. Das tat gut. Ich sah in das leicht bräunliche Gesicht der Krankenschwester. Sie lächelte freundlich und tupfte mir die Stirn ab. „Du bist auf dem Anwesen der Familie Norton!" klärte sie mich auf. Diese Information brachte mir nicht sonderlich viel. Ich kannte die Familie nicht. „Wo sind meine Eltern...?" fragte ich wieder nur sehr leise. „Sie sind nicht hier... aber das wird dir Mister Norton selber erklären." Die Brünette wandte mir den Rücken zu und gab irgendetwas in die Geräte ein, dann schrieb sie etwas auf. Bestimmt Informationen über meinen Zustand. Wie war mein Zustand? Wie lange lag ich hier schon, wenn draußen der Schnee auf die Erde rieselte? Es war Hochsommer als ich den Unfall hatte. Der Unfall. Bilder drängten sich an die Oberfläche und eine Übelkeit stieg in mir auf. Panik und Übelkeit. Ich wollte nach Hause. Ich wollte abhauen, langsam und nur mit Mühe schaffte ich es meinen Oberkörper aufzurichten. Ich hing an einer Infusion und erkannte, dass ich an das Bett gefesselt war. „Ich will nach Hause!" sagte ich lauter. Mir war alles andere egal, egal was für ein Tag war, was für ein Jahr was für ein Jahrhundert. Ich wollte einfach nur zu meiner Familie! Die Krankenschwester sah von ihren Unterlagen auf. Ihr Blick wehmütig. Sie schien Mitleid zu haben und doch sagte sie nichts und ließ mich alleine. Ich wollte aufstehen und abhauen doch ich konnte nicht. Ich hatte keine Kraft. Ich ließ mich zurückfallen und spürte einen gelähmten Körper. Ich wusste weder wo ich mich befand noch was für ein Tag war. Tränen bannten sich einen Weg über meine Wangen. Ich legte die Hände auf mein Gesicht und weinte, schluchzte und sehnte mich nach meiner Familie. Kapitel 4: Erkenntnis --------------------- Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Entweder schlief oder weinte ich. Zwischendurch wurde ich irgendwelchen Untersuchungen unterzogen. Nach dem zweiten Tag war mir bereits klar, dass alles Flehen und Betteln keine Ergebnisse brachte. Keiner redete mit mir, keiner klärte mich auf. Weder die Krankenschwester, der Arzt noch die Physiotherapeutin gaben mir Antworten auf die brennenden Fragen. Irgendwann bekam ich gesagt, dass meine Eltern nicht hier sein dürften um keine Ablenkung darzustellen. Mir wurde erzählt Mister Norton hätte mich angefahren und meiner Familie versprochen alles in seiner Macht stehenden zu unternehmen damit ich wieder gesund würde. Wie naiv ich war, ich glaubte diesen Worten und konzentrierte mich darauf, so schnell wie möglich wieder fit zu werden. Die Prellungen gingen zurück, die Wunden verheilten. Die blauen Flecken änderten ihre Farbe bis sie nur noch ein Schatten auf meiner Haut waren. Ich erlangte meine verlorenen motorischen Fähigkeiten wider und schaffte es schon bald alleine zu essen. Mir selbstständig die Zähen zu putzen und ohne Hilfe zu duschen. Sogar das Gehen klappte bald wie von alleine. Ich machte sehr schnelle und gute Fortschritte. Ich durfte das Zimmer verlassen, tat es aber nie. Doch wo sollte ich hin? Niemand würde mich hier raus lassen. Ich hörte irgendwann auf zu reden. Strafte jeden Menschen in meiner Nähe mit Schweigen. Ich hoffte so etwas zu erreichen, was genau war mir nicht klar. Irgendwas! Es dauerte 4 Wochen bis ich so gut wie neu war. Den Unfallverursacher sah während der Zeit nicht mehr nach mir. Er schien es nicht für nötig zu halten sich ein Bild über meinen Fortschritt zu machen. Mir war das egal, die Sehnsucht endlich nach Hause zu können wurde immer größer. Dann kam sehr ersehnte Tag und ich sollte endlich gehen. Mir wurde eine Tasche gepackt, die ich für unnötig ansah. Ich hatte nicht vor irgendetwas von hier mitzunehmen. Ich saß auf dem Bett und wartete. Mir wurde erklärt ich würde abgeholt werden. Bestimmt von meinen Eltern. So dachte ich. Nach etwa einer Stunde hielt ich es nicht mehr aus. Die Vorfreude war viel zu groß. Nach so langer Zeit würde ich endlich meine Familie wieder sehen. Ich ging zur Zimmertüre, öffnete dieser und streckte den Kopf raus. Dort auf dem Flur stand der behandelnde Arzt und unterhielt sich mit einen Mann im schwarzen Anzug. „Ihr könnt sie gleich mitnehmen, Mister Norton weiß bereits Bescheid!" hörte ich den Arzt sagen. „Mal sehn ob sie sich genauso anstellt wie die dummen Gören zuvor. Diese Schlampen stellen sich immer so zimperlich an! Mal sehn wann die Kleine vom Dach springt um zu entkommen." erwiderte ein breitschultriger Mann mit seiner tiefen Stimme trocken. Diese Worte riefen ein Grinsen auf den Lippen des Arztes und eine Angst in mir hervor. Ich sah mich kurz um und drehte den Kopf nach links. Erst jetzt fiel mir auf, dass hier kein anderer Mensch herumlief. Das war mir nie so bewusst gewesen. Die meiste Zeit verbrachte ich auf meinem Zimmer. Alles in mir zog sich zusammen. Ich war in keiner Reha, in keinem Krankenhaus. Mister Norton war nicht mein Retter er war mein Entführer. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Im Rückblick betrachtet gab es mehr als nur eine Situation in der genau das klar wurde. Das war der wahre Grund warum mich niemand besuchen durfte, warum sich keiner ausgiebig mit mir unterhielt. Warum ich nicht mal jemanden anrufen durfte. Die zwei Männer bogen um die Ecke. Das war meine Chance. Ich zitterte vor Aufregung und musste so schnell wie möglich verschwinden. Ich verließ mein Zimmer und lief einfach nach links den Flur entlang, doch ich war kaum um die Ecke gebogen da lief ich einem Mann in die Arme. Auch er trug einen schwarzen Anzug und ergriff umgehend meine Schultern. Ich wehrte mich trat und schlug doch gegen den hartnäckigen Griff des Mannes konnte ich rein gar nichts ausrichten. Mein Gezappel schien ihn jedoch zu nerven. Er holte aus und schlug mir mit einem gezielten Schlag in den Magen. Ich krümmte mich und fiel auf den Boden als er mich los ließ. Ich hustete und ich konnte kaum Atmen. Ich krallte meine Finger in meinen Bauch und versuchte den stechenden Schmerz zu mindern. Mein Keuchen rief den Arzt auf den Plan. Er brüllte den Mann an und ich verstand nichts. Er brüllte auf einer anderen Sprache. Mir wurde schwindelig und ich spürte wie sich eine warme Flüssigkeit unter mir ausbreitete. Der Schlag hatte eine Wunde aufgerissen. Der Arzt rief sofort zwei Helfer, die mich links und rechts unter den Armen packten und ins Zimmer schleiften. Ich konnte nicht mitgehen, meine Beine waren viel zu schwach. Der Arzt spritzte mir wieder irgendein Zeit und ich wurde schläfrig. „Das darf Mister Norton nicht erfahren." hörte ich ihn noch mahnend zischen dann schlief ich wieder ein. Kapitel 5: Wann würde ich ihn sehen? ------------------------------------ Ich versuchte alles um aus diesen Mauern zu entkommen. Zwar hatte das Fenster keine Gitter aber ich erkannte eine 6 Meter hohe Mauer um das Anwesen. Ich war mir sicher, dass meine Familie beinahe starb vor Sorge. Sie suchten mich bestimmt und die Tatsache, dass sie mich nicht fanden würde sie umbringen. Sie würden das ganze Land auf den Kopf stellen um mich zu finden und doch würden sie meinen Aufenthaltsort nicht herausbekommen, dafür sorgte mein Entführer sicherlich. Eines hatte ich mit den Menschen, die ich liebte gemein, auch ich wusste nicht wo ich mich aufhielt. Ich entschied mich mit subtilen Aktionen aus dem Gefängnis zu befreien. Ich trat in den Hungerstreik, verweigerte jegliche Nahrungsaufnahme und schleuderte sämtliche Gläser durch die Gegend. Doch aus irgendeinem Grund hatte ich das Gefühl, dieses Unterfangen war dem Personal nicht unbekannt. Der Arzt reagierte unbeeindruckt und legte mir Infusionen. Damit ich mir die Nadel nicht aus dem Arm riss wurde ich während der Zeit fixiert und durch Medikamente still gehalten. Sie sorgten dafür, dass ich weder verhungerte noch dehydrierte. Das Sterben war innerhalb dieser Maueren genauso schwer, wie das Leben. Die Zeit verging schleppend. Immer wenn ich so dalag kreisten meine Gedanken um meine Familie, um meine Freunde und um mein Leben außerhalb dieses Käfigs. Wenn ich wach war, quälte mich die Unwissenheit über den Zustand meiner geliebten Menschen. Wenn ich schlief, quälten mich die Erinnerungen an den Unfall. Ich wachte immer in den Moment auf, in dem mein Körper auf den Asphalt aufprallte. Schweißgebadet und voller Trauer saß ich dann in meinem Bett und starrte nach draußen. In den vielen Stunden, die ich in diesem Zimmer verbrachte hatte ich nur eine einzige Person, die ab und an bei mir saß und sich mit mir unterhielt. Sie hieß Kelly, ob sie überhaupt mit mir reden durfte war mir nicht klar. Sie tat es einfach und ich war unendlich froh jemanden zu haben. In Ihrer Anwesenheit musste ich oft weinen und sie tröstete mich mit einer herzlichen Umarmung. Diese Nähe tat gut. Seit Wochen hatte ich keine liebevollen Berührung mehr erhalten. Nur die festen und ungnädigen Griffe der Ärzte. Ich erzählte Kelly irgendwann von meinem Zuhause, meinem Hund, meinen Eltern und meiner doofen Schwester. Ich vermisste sie alle so sehr. Im Gegenzug erzählte sie mir nach einer ganzen Weile etwas über meinen Entführer. Es war der 22.November sie saß mit einer Schüssel Kartoffelsalat neben mir auf dem Bett und brach endlich ihr Schweigen. Wir hatten einen Deal ausgehandelt, ich aß und sie klärte mich auf. „Mister Norton, ist ein sehr netter junger Mann... er sieht unmenschlich gut aus und ist sehr großzügig." Immer wenn sie etwas über ihn erzählte, kam das einer Schwärmerei gleich. Ich verstand ihre Zuneigung diesem Mann gegenüber nicht. Er hatte mich hierher gebracht, mich entführt und hier eingesperrt wie ein Tier. Das war doch kein Geheimnis! Wie konnte sie das gut heißen?! Je mehr sie von ihm erzählte, desto mehr hatte ich das unerklärliche Bedürfnis ihn kennenzulernen. Ich hatte in diesem Gefängnis nichts, außer dem Wissen, dass es einen Mann gab der mir das hier angetan hatte und ich ihn treffen würde. Kapitel 6: 01.Dezember ---------------------- Es vergingen weitere Tage, in dem ich mich unweigerlich jedes mal ein Stück mehr mit meinem Schicksal anfreundete. Die Zeit verging und ich hatte das Gefühl, bereits seit einiger Ewigkeit hier in diesem Zimmer zu leben. Alleingelassen mit meinen Gedanken an Zuhause saß ich teilweise stundenlang vor dem Fenster und sah dem Schnee zu, der langsam zu Boden rieselte. Ich wollte über die Mauer, ich wollte abhauen und endlich wieder frei sein. Dieser Wunsch blieb zwar aber die bittere Realität das nicht so einfach zu schaffen, minderte meine Hoffnung. Je länger ich mich in diesem Zimmer aufhielt desto größer wurde die Resignation nie mehr nach Hause zu kommen. Dieser Gedanke erfüllte mich mit Trauer sorgte aber nicht mehr dafür, dass ich weinte. Ich kam mir so unglaublich leer vor. Am 01. Dezember dann wurde ich aus diesem Raum entlassen. Mein vorläufiges Zuhause war nun nur noch ein Teil meiner Vergangenheit. Es würde nicht mehr bleiben als eine Erinnerung an eine Zeit, die mich quälte. Jede einzelne Faser meines Körpers und meines Bewusstsein waren in diesen vier Wänden Opfer eine schmerzhaften Folter geworden. Mir wurden Klamotten zurecht gelegt, die ich draußen niemals anziehen würde. Viel zu schick. Ich beugte mich der Anweisung. Ich hatte soviel tolles von meinem Entführer gehört, dass ich den Tag kaum abwarten konnte ihn endlich vollkommen bewusst zu sehen. Ich würde ihm alles gegen den Kopf knallen. Meine Gedanken, meine Gefühle und ich würde ihn verachten. So wie er mich zu verachten schien. Ich war für ihn nichts wert und er für mich nicht. So zwängte ich mich widerwillig in das enge Kleid und zog die Pumps an. Dann nach einer weiteren halben Stunde wurde ich letztlich abgeholt. Zwei Männer darunter mein Schläger holten mich ab. „Ich hoffe diesmal ohne Übergriffe auf meine Person." diesen provokanten Satz konnte und wollte ich nicht unterdrücken. Ja, ich war provokant. Ich hatte viel Zeit zum nachdenken gehabt und wurde mir bewusst was für ein Mensch ich war. Ab und an zu vorlaut und wie erwähnt provokant. „Das liegt an dir!" konterte der breitschultrige Mann mit dem russischen Akzent und ging hinter mir her. Ich verließ das Gebäude. Viel mehr hatte ich von dem Anwesen nicht gesehen. Das Bauwerk stand unmittelbar an der hohen Wand und hatte mir nicht viele Möglichkeiten geboten etwas anderes zu sehen. Ich trat durch die Tür ins Freie. Ein eisiger Wind empfing mich. Der Mantel dämpfte den Übergriff auf meinen Körper nur mäßig ab. Das war mir egal, ich genoss es. Ich genoss die Geräusche, die meine Schritte auf dem Schnee machten. Das leise Knacken erinnerte mich an meine Kindheit. Wir waren damals immer rausgestürmte wenn der erste Schnee gefallen war und das hatte sich dann immer genauso angehört. Die beiden Männer führten mich zu einem schwarzen BMW, in den ich mich setzte. Wohin ging es?Würden wir das Anwesen verlassen? Wir fuhren etwa 10 Minuten zu einem weiteren Gebäude, vorbei an einer riesigen Scheune samt Koppel, einem Park und mehreren kleinen Bauwerken. Die Mauern verließen wir dabei nicht. Ich war überrascht wie groß das hier war. Vor einem imposanten Herrenhaus parkten wir schließlich und ich sollte den Wagen verlassen. Die beiden Männer gingen stumm sowohl vor als auch hinter mehr her. Die Aufregung wurde immer größer so wie meine Wut, mein Hass auf diesen Mann. Wenn es die Situation zuließ würde ich ihn töten, so viel stand fest! Ich durchquerte eine riesige Empfangshalle, einen endlos scheinenden Flur und wurde schließlich in eine Art Saal gebracht. Alles protzte nur so vor Wohlstand. Dieser Mann hatte sehr viel Geld. Das führt mich zur der Frage was er von einer Mittelschicht-Teenagerin wie mir wollte? Vor mir erstreckte sich eine Tafel gedeckt mit allerlei Köstlichkeiten. Es roch fabelhaft und ich musste zugeben ich bekam etwas Appetit. Doch diesem Begehren würde ich nicht nachgehen. Ich würde eher sterben als überhaupt etwas zu essen. „Setz dich!" wies mich der freundliche Schläger an. Ich kam der netten Bitte nach und warf ihm einen abwertenden Blick zu. Als er den Saal verließ hoffte ich inständig, diesen Mann mit den Namen Iwan nie wieder sehen zu müssen. Wieder wartete ich und die Gedanken kreisten in meinem Kopf. Ich ließ meinen Blick über das Essen gleiten, Suppe, sämtliche Fleischsorten, Gemüse, Obst alles was man sich vorstellen konnte. Mein Magen knurrte leise vor sich her. Um die Spannung zu unterdrücken, die mich Gefangen nahm trank ich mir ein Glas Rotwein. Ob das in meinem gesundheitlichen Zustand so gut gut war interessierte mich nicht. Der Wein würde mir eh nicht den Gefallen tun und mich umbringen. Ich brauchte Mut um komplett ausrasten zu können wenn mein Entführer auftauchte. Nach zwei weiteren Gläsern Rotwein geschah es schließlich. Kapitel 7: Mister Norton ------------------------ Die seitliche Tür ging auf und mein Kopf drehte sich automatisch in die Richtung. Ein Mann betrat den Saal. Ich wusste nicht wohin ich zuerst sehen sollte. Ein großer, schlanker Mann. Sein makellose porzellanähnliche Haut bildete den perfekten Kontrast zu seinen dichtem, schwarzen Haaren. Seine unnatürlich tiefblauen Augen fixierten mich sofort. Sie nahmen meinen Blick gefangen, durchbohrten meinen Geist und schienen all meine Gedanken lesen zu können. Mir wurde heiß und kalt zugleich. Noch nie war ich einem Menschen begegnet, der gleichzeitig so anmutig und gefährlich wirkte wie mein Gegenüber. Seine schmalen Lippen emotionslos, seine Haltung wie eine Soldat. Ich kannte solche Typen nur von Magazinen oder aus dem Fernsehen, bearbeitet mit Photoshop oder sonstigen Programmen. Doch er stand wahrhaftig vor mir in natura, ungeschminkt und in Farbe. Mir war klar, dieser Mann würde jeden der ihn begegnete sofort bis aufs Mark einschüchtern. Sein Wohlstand und sein unbeschreibliches Sexappeal trug er vor sich her wie ein Schild. Er war sich seiner selbst und seiner Wirkung auf anderen vollkommen bewusst. Unter anderen Umständen, hätte ich mich wahrscheinlich sofort mit allen Fasern meines Körpers in ihn verliebt. Wahrscheinlich hätte ICH ihn verfolgt und entführt. Ihn in einen Keller eingeschlossen, mit der einzigen Absicht ihn besitzen zu können. So einen Mann würde ich niemals besitzen können, niemand würde das. Aber die Umstände waren wie sie waren und mein Hass war zwar gemindert aber immer noch groß genug um ihn umbringen zu wollen. Ich erhob mich schlagartig. Ich wusste, ich sah nicht mal annähernd gut genug für ihn aus. „Warum bin ICH hier?" diese Frage drängte sich unweigerlich, in Anbetracht seiner Erscheinung, auf. Warum hatte er MICH ausgesucht? Das Mauerblümchen, die Streberin von nebenan? Mein Gegenüber machte nicht mal Anstalten auf meine Frage eingehen zu wollen und ging zu dem Stuhl am andere Kopfende der Tafel. Er nahm unbeirrt das Besteck in die Hände und widmete sich seinem Essen. Er ignorierte mich, das überraschte mich. Er schien es drauf an zulegen. Er beschwor die Wut wieder hervor die ich kurzzeitig verloren hatte. Ich stieß mit Schwung den Stuhl um, dieser landete mit einem lauten Knall, der von den Wänden widerhallte auf den Boden. Dann hastete ich auf ihn zu und fixierte den Mann, der von meinem Auftreten wenige beeindruckt war. Er schnitt sein Fleisch als würde keine hysterische Teenagerin auf ihn zulaufen mit der Absicht ihm den Hals umzudrehen. Erst als ich kurz vor ihm stehenblieb erhob sich der Mann, legte sein Besteck zu Seite und tupfte sich mit einer Stoffservierte den Mund ab. Dabei würdigte er mich nicht mal eines Blickes. „Ich will nach Hause, du hast mich absichtlich angefahren. Du hättest mich umbringen können!" schrie ich nun erbarmungslos. Ich wollte ihm in eine Backpfeife geben die sich gewaschen hatte. Ich wollte in sein makelloses markantes Gesicht mit meiner Handfläche treffen. Dann würde sich wenigsten ein bisschen Farbe dort wiederfinden. Doch entgegen meines Dranges riss ich mich zusammen und ballte die Fäuste. Endlich widmete er sich meiner Person doch strafte mich auch weiterhin mit Schweigen. „Rede mit mir oder kannst du das nicht?" schrie ich aufgebracht und ungeduldig. Er brachte mich zur Weißglut mit diesem ignoranten Verhalten. „Du wirst dich an den Gedanken hier zu leben noch gewöhnen." Das waren die einzigen Worte, die ich zu hören bekam. Seine tiefe Stimme bereitete mir eine Gänsehaut so unfassbar nüchtern und emotionslos zugleich. „Niemals!" brüllte ich den Mann vor mir an und konnte meine vor Wut entgleisten Gesichtszüge nicht mehr kontrollieren. Ich wusste nur ich musste raus! Ich musste an die frische Luft! Ich musste abhauen! Ich drehte mich kurzerhand von dem Mann weg und stürmte zur Türe. Diese warf ich mit mit Schwung auf und hastete hinaus. Die beiden Männer vor der Türe hielten mich nicht auf. Sie ließen mich ziehen. Das hätte mich stutzig werden lassen müssen, tat es aber nicht. Ich war einfach nur froh, hier rauszukommen. Kapitel 8: Der erste Fluchtversuch ---------------------------------- Ich blieb nur kurz stehen um diese Pumps loszuwerden. Darauf konnte ich schon nicht sonderlich gut gehen, laufen war damit unmöglich. Ich warf die Dinger weg während ich den Flur durchquerte durch die Empfangshalle hastete und schließlich das Gebäude durch die schwere Doppeltüre verließ. Ohne Mantel und ohne Schuhe lief ich über den Schnee, an dem Stall, dem Park und den anderen Bauwerken vorbei Richtung Freiheit. Ich riss mir beim Laufen den Saum des Kleides auf und beschleunigte noch ein wenig mehr. Das ersehnte Tor schien nicht näher zu kommen. Ich hatte die Distanz unterschätz würde aber nicht aufgeben. Wann würde ich so eine Möglichkeit das nächste Mal erhalten. Meinen Körper nach einer ganzen Weile wieder in solch einer Aktion zu erleben war schmerzhaft. Meine Beine taten weh, meine Lunge kollabierte beinahe und mein Kopf platze vor Schmerzen. Ich taumelte versuchte mich zu fangen, stolperte jedoch und fiel in den Schnee. Kurz vor dem Tor fiel ich auf den Boden. Mir wurde schwindelig. Nur mit Mühe schaffte ich mich auf den Rücken zu drehen und sah in den von schweren Wolken behangenen Himmel. Mein Atem verwandelte die kalte Luft zu Dunst und ließ ihn gen Himmel steigen. Ich spürte mein Herz und brauchte wenige Augenblicke um mein Sehvermögen wiederzuerlangen. Unter Anstrengung rappelte ich mich auf. Ich würde nicht aufgeben. Ich würde nicht wieder verpassen die Sicherheit zu erlangen. Mein drahtiger Körper und die sportliche Voraussetzung ließen es zu, dass ich mit einer Menge Anlauf einen Sprung zur ersten Strebe schaffte. Von hier aus konnte ich zur nächsten Klettern und erreichte schließlich das Ende des Tors. Das Adrenalin unterdrückte die Schwäche und die Schmerzen meines Körpers. Ich dankte der Natur für diesen Mechanismus. Am oberen Ende des Tores erstreckte sich eine Zackenleiste aus Metall. Auch dieses Hindernis würde ich überwinden. ich zog mich an der Mauer hoch und stieg über das Tor, dabei bohrte sich eine eiserne Zacke in meinen Oberschenkel zerriss das Kleid und durchbrach meine Haut. Blut trat aus der Wunde hervor. Ich biss mir auf die Zunge um nicht zu schreien. Nichts würde mich von meiner Flucht abhalten. Ich kletterte auf der anderen Seite herab und lief weiter. Dieses Gefühl als ich den Wald erreichte war umwerfend. Ich spürte so etwas wie Sicherheit. Ich lief weiter um noch mehr Distanz zu gewinnen, hastete durch die Bäume und Sträucher, sprang über umgekippt Bäume durchquerte einen kleinen Bach und lief weiter. Meine Wunde blutete meine Füße waren steif durch die Kälte. Das Wasser vom Bach durchfraß meine Kleidung und umhüllte meine Haut mit einem kalten,feuchten Schleier. Das alles war egal, ich musste vor diesem kranken Mistkerl fliehen. Doch so sehr ich den Drang hatte zu fliehen meldete sich nach einer nicht allzulangend Weile mein Körper. Abrupt durchzog ein stechender Schmerz meinen Leib. Ich spürt jeden Muskel, jede Sehen und jeden Nerv. Meine Füße und meine Hände pulsierten. Ich wurde langsamer, konnte mich kaum auf den Beinen halten und taumelte auf eine Lichtung inmitten des Waldes. Ich schleppte mich noch wenige Schritte und fiel schließlich auf die Knie. Ich ließ die Arme regungslos an meinem Körper herabhängen. Meine Atmung viel zu schnell. Die Lunge brannte wie ein Lagerfeuer, jedes Ein und Ausatmen machte es nur noch schlimmer. Doch das wirklich schlimme an dieser ganzen bizarren Situation war, das auftauchen des Mannes, der mich erst in diese Lage gebracht hatte. Wie aus dem Nichts erschien er vor mir auf der Lichtung und fixierte mich wie beim ersten Mal. Seine Augen nahmen mich gefangen und wieder konnte ich nicht erkennen mit was für Emotionen er mich ansah. Im Gegensatz zu mir schien ihm nicht kalt zu sein. Woher wusste er, dass er mich hier fand? War er das Spielchen bereits gewohnt? Der herab rieselnde Schnee legte sich wie ein Schleier auf die Schulter und den Haaren des Mannes. Ein unwirkliches Bild offenbarte sich mir. Dieser Mann wirkte hier noch anmutiger und gefährlicher als zuvor. Ich rang nach Luft und fand meine Stimme wieder. „Was willst du von mir?" fragte ich viel zu leise und rappelte mich dabei auf. Mit leicht eingeknickten Beinen stand ich vor ihm und versuchte mein Bewusstsein zu behalten. Ich hatte keine Kraft lauter zu rede, keine Kraft wieder wegzulaufen. Er setzte sich in Bewegung und kam auf mich zu. Wie ein Wesen aus einer anderen Welt glitt er über den Schnee. Dann spürte ich einen heftigen Tritt in die Kniekehlen. Unter einem lauten Aufschrei sackte ich wieder auf den kalten blutverschmierte Grund. Ich hielt mir den Oberstenkel und sah zu dem Mann der die Distanz zu mir immer mehr verminderte. Wer mich zu Boden gerissen hatte war mir egal ich wusste nur, dass ich diesen Kerl nicht aus den Augen lassen durfte. „Wenn ich eines nicht ausstehen kann, dann sind das kleine Mädchen die versuchen zu verschwinden." sagte er unterkühlt an mich gewandt. „Ich würde die Formulierung "Fliehen" bevorzugen... ich wollte fliehen..." konterte ich außer Atem und zwang mir ein verächtliches Grinsen auf die Lippen. Ich versuchte dem Schmerz zum Trotz wieder auf die Beine zu kommen und schaffte es. Mein Ehrgeiz war genauso groß wie mein Dummheit. „Du wirst dich mit dem Gedanken noch anfreunden bei mir zu leben..." mit diesen Worten ging er an mir vorbei. Zwei mir bekannte Männer, einer davon hatte mich getreten tauchten auf. Mir war klar wer mir mit vergnügen die Schmerzen bereitet hatte. Sie packten meine Arme und ich wehrte mich so gut ich konnte. Ich würde mich niemals Kampflos aufgeben. "Du bist krank!" schrie ich meinem Entführer hinterher. Dieser reagierte gar nicht auf meinen Ausbruch. „Einen gut gemeinten Rat gebe ich dir noch, versuche nie wieder zu fliehen!" Er sah mich nicht an hatte den Rücken nach wie vor zu mir gewandt. Ich würde immer wieder fliehen, das versprach ich ihm in Gedanken und versuchte mich wieder gegen die Griffe der beiden Affen zu wehren, doch ein gekonnter Schlag und auch hier wusste ich von wem der kam, war das letzte was ich noch mitbekam. Alles wurde Schwarz und ich sackte zusammen. Kapitel 9: Wieder keine Antworten --------------------------------- Mittlerweile war ich daran gewöhnt aus einem ungewollten Schlaf zu erwachen. Als ich mich jedoch in einem riesigen Himmelbett wiederfand fühlte sich das ziemlich fremd an. Ein großzügiger Kamin spendete eine angenehme Wärme. Ich richtete mich auf und zog die Decke weg. Ich trug ein Nachtkleid, mein Kopf schmerzte ein wenig durch den Schlag. Ich suchte den Raum nach etwas Brauchbarem ab und erblickte eine Standuhr. Kurz nach 1:00 Uhr. „Wie geht es dir?" fragte Kelly und saß wie gewohnt neben mir am Bett. Ihre Anwesenheit beruhigte mich ein wenig. Mein Körper schmerzte wegen der Anstrengungen durch die Flucht. Meine Füße hatten wieder ihre normale Farbe und mein Leib fühlte sich nicht mehr so kalt an wie vor wenigen Stunden im Schnee. Ich strich mir über das Haar und zog meine Beine an mich heran. Was geschah hier mit mir? „Was für ein Mensch muss man sein...? Wie kann man jemand anderen einfach gefangen halten?" fragte ich mich selber und konnte solch eine Tat einfach nicht nachvollziehen. „Er ist kein schlechter Mensch..." mischte sich Kelly in meine Gehanken, stand von dem bordeauxroten Ohrensessel auf und kam zu mir rüber. Sie setzte sich an den Rand des riesigen Bettes und sah mich mit ihren tief braunen Augen lächelnd an. Ich hob leicht meinen Kopf und konnte ihr Lächeln leider nicht erwidern. Kelly war um die 25 Jahre schätzungsweise. Sie war eine schöne junge Frau, warum hatte er nicht sie gekidnappt? Sie war so viel schöner als ich! „Was will er von mir... Geld kann nicht der Grund sein? Selbst wenn es so wäre könnten meine Eltern ihm nichts geben." Ich suchte Antworten in den rehbraunen Augen meines Gegenübers. „Dir wird es an rein gar nichts fehlen." Kelly versuchte mich offensichtlich zu beruhigen. Mein Mund war trocken, immer wenn ich schluckte schmerzte mein Hals. Tausend kleine Nadelstiche glitten meinen Hals herab. Kelly erkannte mein Leiden und reichte mir ein Glas Wasser vom Nachtisch. Gierig trank ich das Glas aus. Das Wasser linderte den stechenden Schmerz und tat einfach nur gut. Wasser tropfte von meinem Kinn auf das schneeweiße Laken. Ich sah über den Rand zu der Schwarzhaarigen. „Was hat er mit mir vor? Warum ich?" fragte ich erneut leise in das Glas. Kelly schüttelte kaum merkbar den Kopf. „Ich bin nicht diejenige, die dir das zu erzählen hat dafür gibt es andere..." Sie nahm mir das leere Gefäß aus der Hand und stellte es wieder auf den Nachtisch. „Schlaf noch ein wenig. Morgen früh wirst du schlauer sein. Um 9:00 Uhr wird gefrühstückt. Bitte sei pünktlich." Sie stand von dem Bett auf und ging zu einem bordeauxroten Sofa und deutet auf ein Kleid. „Ich habe dir dein Outfit bereits vorbereitet." „Ich hasse Kleider..." murmelte ich. „Er liebt Kleider!" entgegnete sie sofort. Sie sah von dem Kleid auf zu mir. „Ich wünsche dir eine gute Nacht, sollte etwas sein kannst du dort auf den Knopf drücken und ich werde sofort kommen." sie lächelte wieder so friedlich, dass ich diesmal nachgab und ihr ein schwaches Lächeln zurück schenkte. Sie konnte nichts für meine Lage. Wenn die Anweisung wirklich lautete mir nichts zu erzählen konnte ich verstehen warum sie stumm blieb. Wenn ich so einen Arbeitgeber hätte der wildfremde Mädchen anfährt und entführt würde ich mich seinen Worten auch fügen. Nur war ich keine Bedienstete, keine Angestellte. Ich würde mich so leicht nicht unterdrücken lassen geschweige denn meinem Schicksal ergeben. Ich fasste einen Entschluss, ich würde hier abhauen. Ich wischte mir das Wasser vom Kinn und sah auf meinen Handrücken. Ich würde meine Familie wiedersehen und mein Leben zurückbekommen, koste es was es wolle. Ich legte mich wieder unter die Decke und beobachte noch eine ganze Weile das Lodern des Feuers. Bis die Erschöpfung mich zum einschlafen zwang. Kapitel 10: Nummer 6 -------------------- Am nächsten Morgen klopfte es um Punkt 8:00 Uhr gegen meine Zimmertüre. Ich lag bereits seit 2 Stunden wach in dem Bett und starrte beinahe regungslos an die Decke. Ich machte mir nicht die Mühe, das Zimmer zu begutachten ich würde eh nicht lange hier bleiben. Wieder ein Klopfen. Ich rollte mit den Augen und rief:" Ist offen schätze ich." Die Tür ging auf und ein schlanker junger Mann betrat den Raum. „Es wird Zeit." Das interessierte mich nicht wirklich, viel mehr interessierte mich der Mann im Jacket. Er sah tatsächlich aus wie ein Butler. Ich richtete mich auf und musterte mein Gegenüber, der steif wie ein Soldat dort vor mir stand, mir jedoch ein warmes Lächeln entgegen brachte. Er wirkte nett, er wirkte wie ein ganze normaler Junge, der auf meine Schule hätte gehen können. Das gab mir ein wenig das Gefühl von Sicherheit. Ich schwang meine mit blauen Flecken übersäten Beine über den Rand des Bettes und stand auf. Die blauen Flecke ließen darauf schließen, dass mich die beiden Dromedare nicht sonderlich fürsorglich aus dem Wald geschafft hatten. „Wer bist du?" fragte ich dann und ging auf den Größeren zu. Er blieb in der gleiche Position, selbst als ich recht nah vor ihm stand. „Mein Name ist Valentin." stellte sich der Blondschopf vor und verbeugte sich tatsächlich wie es ein Butler üblicherweise tun würde vor mir. Ich musste unweigerlich auflachen. „Gut erzogen Valentin." stellte ich mit Freude fest. Ich spürte seine Anwesenheit wirkte positiv und beruhigend auf mich. „Warum genau bist du jetzt hier?" fragte ich unbeirrt weiter. „Ich will Sie fertig machen!" Die Wortwahl ließ mich wieder auflachen. Er zwinkerte ebenfalls amüsiert. „Ich meine natürlich...!" „Schon gut!" unterbrach ich ihn lachend. „Ich weiß was du meintest und was ist wenn ich nicht will? Wirst du mich dann zwingen?" Das wäre nicht das erste Mal. „Zur Not muss ich auch das machen. Mein Hauptintension war jedoch Sie zum Frühstück abzuholen." erklärte er und versuchte sich das Lachen zu verkneifen. Ich erkannte das Zucken seiner Oberlippe. Ich ließ von dem charmanten jungen Mann ab und widmete mich dem Kleid. Es war Rosa, wie für ein kleines Mädchen. „Was genau soll das hier sein?" fragte ich Valentin, der mir mit seinem Blick gefolgt war. „Findest du das schön?" fragte ich ihn und hielt das Rosaetwas in die Luft. „Ich bin nicht befugt mir eine Meinung darüber zu bilden." antwortete er sehr diplomatisch. „Valentin ich bitte dich, den Würgreflex unterbinden bekommt einen ganze neue Bedeutung angesichts diesen Alptraums in rosa." Der Blondschopf lockerte seine Haltung und nickte nur. „Es ist grausam. Das Kleid würde ich nicht mal einer meiner Exfreundinnen schenken selbst wenn ich sie so richtig hassen würde und ich meine so richtig!" kam es nun aus ihm herausgesprudelt. Ich hatte den Kerl aber schnell geknackt und darüber war ich sehr froh. „Ok Valentin das müssen wir ändern ich brauche ein anderes Kleid." Der junge Mann kam meiner Aufforderung sofort nach und ging zu einer Tür. Dahinter verbarg sich ein begehbarer Kleiderschrank. Ich war ihm gefolgt und sah über seine Schulter in das riesige Innere. Hier hingen vielleicht 5 Kleider ansonsten war alles leer. Ich staunte nicht schlecht. Valentin ging zu den Kleidern und reichte mir eines. Ein mintgrünes Ding was bei weitem besser aussah als der Tod in rosa. „Da passt sicherlich perfekt zu dir." Valentin sah mich prüfend an. Er wartete wohl auf meine Reaktion. Ich nickte. „Selbst ein gelber Sack wäre besser gewesen." grinste ich. Er erwiderte dieses und wir beide gingen wieder ins Zimmer. „Du bist anders als die anderen." fing er wohl unbedacht an. Kaum ausgesprochen konnte ich in seinem Gesicht den Schrecken darüber erkennen. „Andere?" fragte ich neugierig nach. Er schloss die Augen. „Mister Norton hatte bereits fünf junge Frauen hier gehabt. Alle samt konnten sich nicht behaupten."  „Behaupten?" „Bitte zwing mich nicht dazu..." flehte der Größere und ich sah die Sorge in seinen Augen. Ich nickte verständlich. „Dann geh jetzt duschen und zieh dich an. Ich warte vor der Türe." Wieder nahm er seine Soldatenhaltung ein. „Bis gleich." Ich ging zur Badezimmertüre stoppte jedoch kurz bevor ich im Inneren verschwand. „Wo sind die Anderen jetzt?" Den Blick, den er mir zuwarf sagte mehr als tausend Worte. Eine Mischung aus Sorge, Panik und Abscheu brachte er mir entgegen. Ich hoffte inständig ich hatte diesen Blick falsch gedeutet. Kapitel 11: Tod oder Leben? --------------------------- Ich hatte mir unter Dusche mein Auftreten dem Mann gegenüber, der mich entführt hatte, genau überlegt. Ich würde mir meine provokante und verachtende Art und Weise verkneifen. Ich musste sein Vertrauen gewinnen ihm vorspielen mit der Situation zurecht zu kommen, nur so würde er Fehler begehen und ich einen Weg nach draußen finden. Valentin führte mich zum Speisesaal. Immer wieder linste er zu mir rüber. „Gefällt es dir?" fragte ich und er wirkte ertappt. Ich hingegen sah ihn nicht an sondern ging mit einem Schmunzeln auf meinen Lippen weiter neben ihm her. „Darf ich dich noch etwas fragen?" konnte ich nicht locker lassen. Valentin nickte ohne mich anzusehen. „Warum macht du das hier mit? Du weißt schon, er hält mich gegen meinen Willen hier fest!" Wieder nickte er. „Das ist mir sehr wohl bewusst." mehr kam nicht. Auch auf weitere Fragen ging er nicht ein. Ich wollte zur Abwechslung, von einem Kerl wissen, wie Mister Norton so war, doch er blieb stumm. Erst vor der Türe fand er seine freundliche Stimme wieder. „Frage mich solche Sachen nicht in der Öffentlichkeit, das können wir im kleinen Rahmen besprechen. Die Wände haben hier Ohren." flüsterte er leise bevor er die Türklinke umpackte und die Tür aufmachte. „Mister Norton, Miss Miller!" kündigte er mich an. Ich ging zu der großen Tafel und ließ mich auf einen Stuhl nieder, der mir  von einem weiteren mir fremder Mann zurückgezogen wurde. Ich ließ mich nieder und fing den Blick meines Gegenübers auf. „Wie hast du geschlafen?" fragte er überrascht sanftmütig. „Gut danke und Sie?" fragte ich im Gegenzug. So gehörte sich das nun einmal. Ich ließ meinen Blick über den Tisch schweifen. Hier gab es alles was die moderne Küche von heute zu bieten hatte. „Du trägst ein anderes Kleid." Mir war im vornherein klar, dass er meine Wahl kommentieren würde hatte aber eher gerechnet, dass es sein erste Satz sein würde. Ich nickte nur. „Das ist auch gut." stellt er fest und nahm eine Tasse Tee. Ich konnte nicht anders, entgegengesetzt meiner Überzeugung musste ich diesen Mann einfach genauer ansehen. Er hatte ausgeprägte Kieferknochen, die in einem markanten Kinn zusammenliefen. Wenn es ein Wort für den Mann gab war es sicherlich atemberaubend. Dieses Mannsbild konnte jede Frau haben, da war ich mir sicher. Jede Barbiepuppe oder Model, alles was ich nicht war. Warum hatte er mich ausgewählt? Ein Durchschnittsmädchen von nebenan! Als hätte mein Gegenüber genau diese Gedanken gehört stand er auf und kam um den Tisch herum zu mir rüber. Ich wachte aus meiner Abwesenheit auf und sah auf die Hand, die er mir reichte. Gepflegte Hände, die er mir dort entgegenstreckte. Er trug an dem rechten Ringfinger einen Ring. Wie alles an ihm wirkte selbst seine einfache Hand anmutiger als alle anderen Hände, ich je an gesehen hatte. „Ich möchte dir etwas zeigen." sagte er in einen warmen Ton. Ich folgte der Aufforderung zögerlich und legte meine Hand in seine. Sie war angenehm warm, meine hingegen war eiskalt. Ich ließ mich führen. Ich hatte ja schließlich den Entschluss gefasst mir erst mal einen Überblick über die ganze Situation zu verschaffen, bis ich erneut versuchen würde abzuhauen. Wie betraten den Flur und gingen zu einem Aufzug in dem wir schließlich stiegen.  Er stand neben mir und starrte gegen die schwere Eisentür. Ich bekam eine Gänsehaut er ließ meine Hand nicht los, die mittlerweile anfing zu schwitzen. Mir wurde heiß und kalt zugleich. Ich hatte keine Ahnung was er vor hatte und wohin er mich bringen würde. Selbst als wir ganz oben angekommen waren hielt er mich weiterhin fest in seinem Griff. Hier stiegen wir aus und er führte mich durch eine recht mickrig wirkende Tür ins Freie. Nur für den Augenblick, indem er sein Jacket auszog löste er sich von mir um mir dann die Jacke über die Schulter zu legen und meine Hand wieder in seine zu nehmen. Ich hatte die kurze Pause genutzt und die Handfläche an meinem Kleid abgewischt. Ich folgte ihm zur Brüstung. Wir standen ziemlich weit oben. Wahrscheinlich sogar am höchsten Punkt seines pompösen Reiches. Im Anbetracht der Tatsachen war er nicht nur reich sondern steinreich. Jetzt musste ich mit Ernüchterung feststellen, dass meine Flucht nur ins Leer laufen konnte. Um das Anwesen erstreckte sich Meilenweit nur Wald. Keine Stadt, nicht mal ein Dorf, nur Bäume. Die Aussicht war wunderschön, der Schnee der alles bedeckte und in dem Sonnenlicht wie Millionen von kleinen Diamanten glitzerte. Der Wind wehte durch mein braunes Haar, dass ich mit der freien Hand zu bändigen versuchte, dabei ließ ich mein Blick über das Eigentum des Mannes gleiten. Ich ließ schließlich von meinen Haaren ab und hielt mich an der Brüstung fest um mich leicht darüber zu beugen. Es war einschüchternd groß. Innerhalb der Mauern befand sich ein See, ein Park, mehrere Gebäude, der Stall und viel Natur. Es war wie ein kleines Dorf. Ich konnte das Tor erkennen und war mir erst jetzt bewusst wie weit ich gelaufen war. „Hier gibt es alles was du brauchst... Ärzte, Essen, du kannst schwimmen gehen, klavierspielen, reiten, du kannst dir hier die neuesten Filme ansehen und dich in die Bibliothek zurückziehen, so wie du es sonst auch getan hast." Ich lauschte den Worten und sah dann erschreckt auf. Woher wusste er meine Vorlieben? Wie lange hatte er mich verfolgt? Ich war vor dem Unfall etwa drei Wochen vorher in der Bibliothek gewesen und ab dann nicht mehr. Das waren keine Einbildungen es war die Realität  er hatte mich auf Schritt und Tritt verfolgt. „Dir wird es hier an nichts  fehlen, an rein gar nichts... solange du das machst was von dir verlangt wird." Erst jetzt drehte er sein Haupt zu mir und nahm mich mit einem eiskalten Blick gefangen. Wieder diese Gänsehaut, die mich sofort überkam. Sein Blick durchstechend wie ein scharfes Messer. „Warum ich?" Niemand durfte mir eine Antwort geben aber er war doch dazu in der Lage. Statt einer Antwort konnte ich nur erkennen wie sich sein Blick erweichte und sich ein leichtes Lächeln auf seinen schmalen Lippen bildete. „Du bist perfekt Emily Miller... du bist einfach perfekt ..." antwortete er beinahe abwesend und streckte die frei Hand nach meinem Gesicht aus. Ich zog reflexartig mein Gesicht weg. Händchenhalten war ja noch ok aber alle anderen Arten von Berührungen würde ich kategorisch ablehnen. Seine Hand griff ins Leere. Er wirkte nicht erzürnt, er lächelt noch ein wenig mehr. „Ja, die anderen waren auch so zurückhaltend." „Wo sind die anderen?" kam es aus mir rausgesprudelt. Ich hoffte auf eine Antwort und wurde auch jetzt enttäuscht. „Wann darf ich wieder nach Hause?" fragte ich weiter. Die Frage war naiv aber notwendig für mich. Diese kleine Hoffnung bestand und nährte mich jeden Tag. Sein Gesicht verfinstertet sich, das Lächeln verschwand in einem Bruchteil einer Sekunde. „Hast du mich nicht verstanden?! Du wirst für immer hier bleiben und nie wieder nach Hause kommen!" Ich konnte spüren wie der kleine Hoffnungsschimmer zerbrach. Die Antwort war knallhart und traf mich mit voller Wucht. Seine Antwort rief eine Übelkeit in mir hervor. „Das geht doch nicht..." wimmerte ich. Wieder streckte er die Hand nach meinem Gesicht aus, ich war so unter Schock, dass ich diesmal nicht reagierte und seine Hand unter meinem Kinn spürte, das er anhob. Unsere Blicke tragen sich. „Das geht... Emily... für die Außenwelt existierst du nicht mehr." begann er nüchtern seine Aufklärung. „Du existierst nur noch innerhalb dieser Mauern..." Ich fing ungewollt an zu zittern. Ich wusste nicht genau was mich einnahm die Kälte die hier herrschte oder die Kälte die er mir entgegenbrachte als er mir das sagte. Hilflosigkeit gepaart mit der Wut mixten einen gefährlichen Cocktail. Dieser Cocktail machte mich betrunken und nahm mir meinen Verstand. Ich würde nicht hier bleiben, ich würde hier nicht leben nicht mit ihm! Ohne weiter einen Gedanken daran zu verschwinden warf ich das Jacket auf den Boden riss meine Hans aus seinem Griff und kniff die Augen leicht zusammen. „Bevor ich bei dir bleibe, sterbe ich lieber." Ich drehte mich zur Brüstung und sprang mit einem Satz darüber. Ich schloss die Augen drehte mich im Fall und erst jetzt wurde mir bewusst, dass der Tod keine geeignete Lösung war. Ich öffnete die Augen wieder und sah nach oben, dort stand er und sah mir zu wie ich fiel und fiel. Ich würde mit dem Rücken zuerst aufkommen, danach konnte er mich nicht mehr zusammenflicken. Tausend Gedanken und Erinnerungen drängten sich an die Oberfläche. Es war so immer erzählt wurde, so wie an jenem Tag an dem ich den Unfall hatte. Doch bevor ich auf dem Boden aufschlug fing mich etwas anderes auf. Unsanft aber unversehrt landete ich in einem Fangnetz, das um den Turm gespannt war. Ich wippte zweimal auf und blieb dann liegen. Ich sah nach oben, ich war vielleicht 4 Meter gefallen und lag nun hier in diesem Ding. Ich fixierte wieder das Gesicht des Mannes, der das Schauspiel nüchtern beobachtet hatte. Ich konnte förmlich hören was er dachte. Er kannte diese Aktion bereits. Musste jemand sterben bevor das Netz gespannt wurde?! Dieser Gedanke gefiel mir kein bisschen. Ich sah durch die Löcher herab und war froh dort unten nicht aufgeprallt zu sein. Der Steinboden hätte mich zerfetzt. Dann ging ein Fenster auf und zwei Männer zogen mich ins Innere der Villa. „So ein dummes Gör!" sagte Ivan. Ich ignorierte den düster reinblickenden Mann und konzentrierte mich stehen zu bleiben und die Kontrolle über meine Blase zu behalten. Wie dumm war diese Idee gewesen? Hatte ich damit alles schlimmer gemacht? Ich hatte ihm schließlich demonstriert, dass der Tod mir lieber war als das Leben mit ihm. Mister Norton kam mit dem Aufzug herab gefahren. Ich lehnte gegen die kalte Wand und regulierte meine Atmung. Die beiden Gorillas machten Platz als Mister Norton aus dem Aufzug stieg. Wie ein Raubtier, das auf seine Beute zustürmte erfasste er ohne ein weiteres Wort meine Kehle und drückte mich gegen die Hauswand. Mein Kopf stieß gegen den harten Widerstand und ich kniff die Augen zusammen. „Wenn jemand über Leben oder Tod entscheidet, dann bin das ich!" zischte er. Für einen Moment konnte er das perfekte Bild eines anmutige Mannes nicht aufrecht halten. Für diesen einen Augenblick zeigte er mir sein wahres Ich und das schüchterte mich ungemein ein. Dann ließ er mich los und ich packte mir an den Hals. Ich hustete und glitt an der Wand auf den Boden. Ich sah hoch in das Gesicht des Mannes, der mich gefangen hielt und keine Scherze zu machen schien. Sein Blick abfällig und verachtend zugleich. Er richtete seinen Kragen und fand seine Fassung wieder, der Blick blieb. Wie sollte ich das nur überstehen? Kapitel 12: Ungewissheit ------------------------ Ivan mein Lieblingsaffee schaffte mich gewohnt sanft in mein Zimmer, kaum hatte er die Türe aufgestoßen schubste er mich in das Innere. Ich landete auf dem Boden und sah wütend über meine Schulter zu dem schwarzhaarigen Mann, der sich nicht mal Mühe gab das Grinsen zu unterbinden. „Du bist wirklich dumm..." musste er seinen Gedanken Luft machen und ließ mich alleine. Ich sprang auf und stemmte mich gegen die Türe. Das Schloss fiel zu und ich konnte hören wie er abschloss. Ich schlug gegen das massive Holz und drehte mich zornig um. Alternativlos sprang ich einmal auf und stampfte auf den Grund dabei knickte ich auf den hohen Schuhen um und landete wieder auf den Boden auf dem ich schließlich sitzen blieb und seufzte. Ich hatte meinen Vorsatz direkt am ersten Tag gebrochen. So würde ich keine Beziehung zu diesem Mann aufbauen. Ich sah zum Kamin und seufzte wieder. Mein Magen knurrte, schließlich war das Frühstück ja für eine Selbstmordaktion vorzeitig beendet worden. Den ganzen restlichen Tag über malträtierte mich mein Bauch und schrie nach Essen. Doch die Anweisung mich verhungern zu lassen schien jedem bekannt zu sein. Ich lief auf und ab, setzte mich in den Ohrensessel, legte mich ins Bett. Egal wo ich mich nieder ließ, ich musste an die Welt außerhalb dieser Mauern denken. Ich dachte an die letzten Worte meiner Eltern, die so bedeutungslos waren. Die nichts von dem ahnen ließen was mich ereilte. An das Lachen meiner Freundin und die letzte SMS, die ich bekam. Sie war von Adan, einem Typen aus meiner Schule den ich super süß fand. Ich hatte gehofft, gemeinsam mit ihm zum Winterball gehen zu können. Der Winterball? Der Weihnachtsmarkt, die Musiker, die gebrannten Mandeln. Zu Weihnachten war die Stadt in der ich lebte ein wahrer Traum. All das würde ich dieses Jahr nicht miterleben. Ich legte den rechten Unterarm auf mein Gesicht und versuchte meine Trauer runterzuschlucken. Während alle Geschenke kauften und sich dem schönen Gefühl der Vertrautheit und Geselligkeit hingaben lag ich hier in einem fremden Zimmer und existierte für diese Menschen nicht mehr. Was genau hatte er damit überhaupt gemeint? Hatte er meinem Tod verkündet? Glaubten meine Eltern ich sei nicht mehr Leben?! Dieser Gedanke machte mich wahnsinnig, das wusste mein Peiniger mit großer Wahrscheinlichkeit. Ich richtete mich auf, nahm ein Kissen und schleuderte es vom Bett. Das brachte nicht wirklich was. Er wusste, dass mich diese Gedanken quälen würden und das taten sie. Stundenlang schlug ich mich mit allen möglichen Szenarien rum und doch blieb nur die Ungewissheit. Kapitel 13: Einsicht -------------------- Um 22:00 Uhr klopfte es unverhofft an meine Zimmertüre. Ich hätte mich freuen wenn dort Valentin stehen würde, doch ich wurde enttäuscht. Eine Blondine, die über meine Anwesenheit nicht erfreut zu sein schien betrat die Bühne. „Hast du dich wieder eingekriegt?" Ich stand von meinen Lagerplatz vorm Kamin auf und richtete mein rosa Kleid. Das Todeskleid, es passte zur Situation besser alles andere. Sie musterte mich von Fuß bis Kopf und blieb an meinem Gesicht hängen. „Willst du nun essen?" fragte sie weiter und gab sich nicht mal ansatzweise Mühe freundlich zu wirken. Ich nickte nur. Der Hunger war enorm. Den Tag zuvor hatte ich ebenfalls kaum was gegessen. Mir war bewusst, dass ein erneuter Hungerstreik keine Lösung war. Das wäre nur eine weitere Aktion die zur Verhärtung der Fronten führen würde. Die Blondine drehte sich auf dem Absatz um und ging vorweg auf Mörderhacken. Wie ein Model stolzierte sie vor mir her. Ich musste im Gegensatz zur ihr wie ein Bauer aussehen so wie ich auf diesen halb so hohen Dingern ging. Warum hatte er nicht sie in ein Zimmer eingeschlossen? Sie passte viel besser zu ihm. Diese Frage kreiste in meinem Kopf und doch behielt ich sie für mich. Meine Führerin brachte mich nicht zum Speisesaal sondern zu einem mir unbekannten Zimmer. Sie öffnete die Türe und offenbarte mir ein Kaminzimmer mit einem weißen Flügel. Vor dem Kamin stand mein Peiniger und trank ein Glas Wein. Er lehnte mit dem Arm an dem Kaminsims und starrte in das Feuer. Ein melancholisches Bild was sich mir da bot. Die Blondine räusperte sich und Mister Norton sah auf. „Haben wir uns wieder beruhigt?" fragte er als wäre ich ein kleines Kind. Meine Begleitung ließ uns auf ein Zeichen von ihm alleine. Ich blieb wie angewurzelt stehen. „Ich habe einen Deal für dich... du spielst mir etwas vor und bekommst im Gegenzug etwas zu Essen. Was hältst du davon?" Ich sah zu dem sündhaft teuren Flügel und nickte. „Notenblätter liegen dort aus." Ich ging zu dem Instrument und setzte mich auf den Hocker. Ich kannte das Stück nicht war aber in der Lage die Noten zu lesen und zu spielen. Ich spielte das wirklich schöne Stück und vergaß für einen Moment in was für einer Situation ich mich befand. Ich konzentrierte mich so sehr auf meine Hände und die Noten, dass ich alles um mich herum abschaltete. Ich war verwundert als ich fertig mit Spielen war und mehrere Servierwagen vor ihr standen. Diese waren während meines Spiels hierher gebracht worden. Mister Norton klatschte dezent in die Hände. Die Erleichterung darüber, dass ich nichts verlernt hatte tat mir gut. „Nimm dir wonach dir verlangt." Ich hätte am liebsten alles gegessene hielt mich jedoch zurück. Ich durfte mich an einen Tisch setzen, dabei beobachtete der Mann mir gegenüber mich genau. „Du hast verstanden, dass wenn du mir etwas gibst du etwas zurück bekommst. Geben und Nehmen der Grundstein einer funktionieren Beziehung." fing er kurzerhand an. Ich sah auf und unterbrach mein Kauen. Das nannte man im Fachjargon Erpressung, dachte ich mir behielt diese Gedanken für mich. „Ich bin kein Narr Emily, ich weiß wie frech deine Gedanken mir gegenüber sind. Es ist dir nicht zu verübeln jedoch erinnere ich dich daran wer hier über dein Leben bestimmt." Der Bissen blieb mir im Halse stecken, bis jetzt lief der Abend doch ganz gut warum wollte er das kaputt machen?! Er ging zum Regal und schüttete sich noch etwas Wein ein. Ich konnte nicht anders als ihn dabei zu beobachten. Wie sich seine definierten Muskeln unter dem weißen Hemd abzeichneten. Es war wie ein Gemälde, ein perfektes Gemälde. Ich hatte schon oft vom dem Stockholm Syndrom gehört aber so schnell würde das doch nicht funktioniere?! Ich kaute mein Essen weiter durch und schluckte es runter, dabei ließ ich mein Gegenüber nicht aus den Augen. Er wandte sich mit einem gefüllten Glas wieder an mich. „Ich weiß du hast viele Fragen und ich werde sie dir früher oder später allesamt beantworten aber im Moment geht das noch nicht." Glaubte er, mich würde diese Aussage besänftigen? Ich hoffte ich würde gar nicht mehr alle Antworten erhalten. Ich hoffte, dass ich bis dahin bereits über alle Berge sein würde. „Gibt es sonst etwas was du brauchst um dich hier wohl zu fühlen?" Ich dachte kurz nach. „Ich brauche neue Kleidung, der Kleiderschrank ist leer und die Kleider wie dieses hier sind der Alptraum! Wer hat die ausgesucht ein Blinder?" das sprudelte so unbedacht aus meinem Mund, dass ich damit eigentlich nur ins Fettnäpfchen treten konnte. „Gut du wirst Morgen die Möglichkeit bekommen dir online das zu bestellen was du benötigst." lenkte er ein und nahm einen Schluck der blutroten Flüssigkeit. „Egal was?" „Solange sich das egal was auf Kleidung, Schmuck, Taschen, Schuhe und sämtliche Sachen bezieht die man anziehen kann... ja." ich seufzte sah jedoch auch eine Chance. Ich würde mich schnell in meinen E-Mail Account einloggen und meinen Eltern schreiben. Ich nickte dankend. „Iss in Ruhe auf ich werde mich jetzt zurückziehen." Er ging an mir vorbei zur Türe. „Wo schlafen Sie?" kam es wieder ohne wirklich darüber nachzudenken aus meinen Mund. Er drehte sich nicht um. Ich musste nicht hinsehen um zu hören wie er zu schmunzeln schien. „Das wirst du noch früh genug erfahren." mit diesen verheißungsvollen Satz ließ er mich und alle die Leckereien alleine. Kapitel 14: Das war mein Leben ------------------------------ Mister Norton hielt sein Versprechen. Nach einem einsamen Frühstück saß ich vor einem MacBook und surfte auf sämtlichen Seiten herum. Hinter mir jemand der jeden Mausklick von mir genauestens verfolgte. Er wollte sicher gehen, dass ich keinen Kontakt aufnahm. „Was ich will..." murmelte ich als Leitgedanken immer wieder vor mir her. Ich kaufte ein, Sachen die ich wirklich nicht brauchte und welche die ich unbedingt brauchte. Noch nie hatte ich so eine Chance gehabt aber was genau erhoffte er sich davon? Glaubte er, ich sei käuflich? Ich würde ihm zeigen was es hieß mich shoppen zu lassen. So landeten 4 sündhaft teure Taschen, 6 paar ebenso teure Paar Schuhe und sämtliches anderes Zeug in dem Einkaufswagen. Das Gefühl, das währenddessen in mir aufstieg, gefiel mir. Ich rebellierte, zumindest kam es mir so vor. Ich nutze seine Großzügigkeit aus und würde den Bogen überspannen. Ich saß im Schneidersitz auf dem Sofa und kaufte ein was das Zeug hielt. Mein Aufpasser saß neben mir, mittlerweile leicht eingedöst. Wie konnte er so doof sein? Ich sah ihn prüfend an und hob eine Augenbraue. Er döste tatsächlich seelenruhig vor sich her. Diese einmalige Chance musste ich nutzen. Ich erhob mich langsam, nachdem ich den Kaufauftrag in Höhe von knapp 10.000 Dollar abgeschickt hatte und schlich mich so leise wie möglich Richtung Türe. Ich sah noch einmal zurück und lief gegen einen kleinen Tisch. Eine schwarze Vase fiel zu Boden und zersprang. Die Blumen und Scherbe flogen nur so rum. Der Mann auf dem Sofa streckte auf und sah mich mit erzürnten Augen an. „Wohin willst du?" fragte er angesäuert. Ich hob nur den Mittelfinger und fing an zu laufen ich brauchte eine ruhige Ecke, nur für einen Moment. Ich lief und lief. Zum Glück hatte ich heute meine Ballerinas angezogen und war schnell genug um vor dem Mann zu flüchten. Ich landete in einem Büro!Ich hatte keine Zeit um mich umzusehen. Draußen hörte ich die Angestellten schon nach mir rufen. Ich rief die Seite für mein E-Mailfach auf und loggte mich ein. Zittrig und unter Spannung schrieb ich in das leere Kästchen. „Mum ich lebe ich lebe bitte hör nicht auf nach mir zu suchen, ich bin irgendwo im Nirgendwo. Ein riesiges Anwesen. Ein Mann der mich gefangen hält komm bitte und rette mich! Ich werde dich immer lieben!" Mehr war nicht notwendig. Der letzte Satz war zur Beruhigung für mich, falls sie die Mail las aber mich nicht mehr fand. Wer wusste schon ob mein Peiniger mich nach der Aktion umbringen würde. Ich drückte mit der Maus auf Senden. Das Adrenalin pumpte durch meine geweiteten Adern. Das war einer dieser Momente, die mich an meine Schulzeit erinnerte genauer an die Momente in denen ich eine Klausur schrieb gerade 3/4 geschafft hatte war meine Lehrerin uns mitteilte, dass wir nur noch 10 Minuten hatten. Dann wurde ich auch immer so nervös und war nicht mal in der Lage den Stift richtig zu halten. Mein Herz pochte mir bis zum Hals. Ich sah zu wie der Balken sich füllte und die Mail abgesendet wurde. Zumindest glaubte ich das für einen kurzen Augenblick. -Nachricht kann nicht versendet werden.- ich las diesen Satz und dann den nächsten. -Die Seite konnte nicht gefunden werden-. Ungläubig starrte ich den hellen Bildschirm des Laptops an und schluckte wieder. Ich spürte wie sonst auch die Millionen von kleinen Nadelstiche, die meinen Hals durchdrangen. Ich hatte gar nicht genügend Zeit mich in Trauer zu verlieren. Die Tür wurde aufgerissen und Norton stand sichtlich erzürnt vor mir. „Habe ich dir nicht Möglichkeit gegeben dich ein wenig heimisch zu fühlen? Habe ich dir nicht mein Vertrauen entgegen gebracht?" Seine Stimme durchsetzt von Zorn. Er machte mir Angst. Ich stand langsam auf. „Es tut mir leid." kam es nur leise über meine Lippen. Er holte aus und schlug den Laptop durch die Gegend. Ich zuckte unweigerlich zusammen. Das zerscheppern des Laptops auf dem schweren Sekretär untermalte die Art und Weise wie er auftrat. "Oh Emily, ich weiß nicht wie du das wieder gut machen willst!" gestand er mir und wurde leiser. Ich sah wieder auf, das zuvor von Wut erfüllte Gesicht entspannte sich wieder. Die Falten verschwanden und seine Augen wirkten nicht mehr so aggressiv wie vor wenigen Sekunden. Ich hatte zwar vor gehabt den Bogen zu überspannen aber so war das nicht gemeint. „Warum nimmst du mir das übel, damit war zu rechnen!" fing ich schließlich doch an. „Ich meine du sperrst mich hier ein! Hast du geglaubt ich würde diese einmalige Gelegenheit nicht nutzen? Ich weiß gar nichts, ich weiß nicht was du meinen Eltern, was du der Außenwelt über mein Verschwinden erzählt hast... ich weiß aber, dass ich meine Familie vermisse und sie sehen will." sagte ich nun energischer und legte mehr Druck in meine Worte. „Ich hatte gehofft über dieses Stadium wären wir bereits hinaus." formulierte er seinen Eindruck der Angelegenheit. „Was? ich kenne dich seit drei Tagen! Wie soll das gehen? Du hast mir alles genommen! Meine Familie, meine Freunde, mein Leben..." wurde ich nun lauter. Die Wut, ja sie stieg wieder in mir auf. „Alles!" „So wie es vorher war war es nicht gut genug für dich...!" warf er mir gegen den Kopf. „Ich habe dich lange beobachtet Emily und du warst nie zufrieden... immer zynisch und zurückgezogen. Alle Menschen, die mehr aus sich machten hast du verachtet aus Unsicherheit." Während er diese Worte sagte krampfte sich mein Körper zusammen. Wie konnte er das wissen? Ich ging einen Schritt zurück. Ich war mir im klaren darüber, dass er mich verfolgt hatte und das eine ganze Weile aber dass er so in meine Privatsphäre eingedrungen war schockierte mich. „Nie mutig genug den Jungen anzusprechen, der dir gefiel. Immer stark genug eine andere Meinung zu haben aber nie stark genug diese öffentlich zu vertreten... gefangen in deinen Gedanken, die durch Moral und Ethik geleitet wurden. Das hier ist nichts anderes als das was du bereits kennst." Diese Worten stachen zu und trafen ins Schwarze. Noch nie war ich jemanden begegnet, der meine Gefühle so glasklar darstellte und mein Dilemma erkannte. Ich erwiderte seinen Blick und verlor mich beinahe in seinen Augen. Ich ging die Worte in meinen Gedanken noch einmal durch und er hatte Recht! Es gab nur einen kleinen Unterschied. „Das mag sein..." fing ich nach einer kurzen Zeit der Stille schließlich an. „Nur habe ich mir das da draußen genauso ausgesucht... es war meine freie Entscheidung mich einzusperren... hier drinnen nimmst du mir diese Freiheit." Er verstand was ich meinte gab dies jedoch nicht zu. „Du wirst in Zukunft genau das machen was ich dir sage, keine Fluchtversuche, keine Versuche jemanden zu kontaktieren... haben wir uns da verstanden!" lenkte er ab. Ich hatte ihn erwischt ihn sprachlos werden lassen nickte jedoch verständlich. Ich musste mein Temperament ihm gegenüber zügeln. Solange ich hier war hatte er eine Art Heimvorteil. Ich würde meinen Plan nicht aus den Augen verlieren aber vielleicht war es erst mal an der Zeit sich ein genaues Bild über das Anwesen zu verschaffen. Kapitel 15: Sky --------------- Mein Vorhaben setzte ich kurzerhand in die Tat um. Mister Norton ließ mich ziehen. Es folgte keine Bestrafung ich wusste jedoch auch, dass bei dem nächsten Fehltritt sicherlich ein Unwetter über mich hereinbrechen würde. Bis dahin sollte ich mir die Umgebung, in der ich nun lebte eingeprägt haben. Ich ging über den Hof hinter dem riesigen Herrenhaus Richtung Stall. Ich liebte Pferde und rein instinktiv verschlug es mich zuerst dorthin. Es hatte aufgehört zu schneien. Die Landschaft unter einer dicken Schicht Puderzucker verpackt. Es war kalt, während die Sonne auf mich herab schien. In einen dicken Mantel gehüllt betrat ich den Stall. Ich dachte an Zuhause und schaffte es wirklich mich rein gedanklich für einen Moment nicht in Gefangenschaft zu befinden. Ich ging an den Pferdeboxen vorbei und ließ mich von einer freundlich klingenden Stimme leiten. Ich blieb hinter der schweren Holztüre stehen und spähte ins Freie. Dort stand eine ältere Frau und strich einem Pferd über seine Stirn. Es schien verletzt zu sein und trug einen Verband am rechten Vorderbein. Sie redete beruhigend  auf das schwarze Pferd ein. „Du kannst ruhig rauskommen." sagte die Dame dann an mich ohne zu mir zu sehen. War ich so laut gewesen? „Ich wollte Sie nicht stören." Erst jetzt blickte die Frau mich an und lächelte warm. Ich musste an meine Tante denken, sie sah ihr sehr ähnlich. Unweigerlich bildete sich ein dicker Kloss in meinem Hals. „Ah was komm her sieh dir den Hengst hier an. Er ist wunderschön." Ich ließ meinen Blick über das Tier gleiten und konnte ihr nur zustimmen. Das Pferd war wirklich wunderschön. Ich kam näher heran und konnte kaum weggucken so sehr faszinierte mich der Gaul. „Emily!" hörte ich jemand weiteres und sah auf. Valentin kam mit eine Eimer Möhren auf uns zu. „Wie ich sehe hast du Ausgang." lächelte er frech und stellte den schweren Eimer neben sich ab. „Ich habe mir mal eine Auszeit gegönnt." antwortete ich und konnte sein Grinsen nur erwidern. „Ah Emily, was für ein schöner Name." meinte die Frau und ließ von dem Kopf des Hengstes ab. Sie nahm die Zügel in die Hand und führte das Pferd in den Stall. „Willst du mit mir die Möhren verteilen?" fragte er und merkte erst zu spät, dass das eine dumme Frage war. „Also, tut mir leid, natürlich brauchst du mir nicht helfen." ich schütteltet den Kopf. „Quatsch, ich helfe dir sehr gerne!" Ich ging zu ihm rüber und packte an die rechte Seite des Eimers. Er folgte und ergriff die linke Seite. Gemeinsam trugen wir den Eimer herein und verteilten die Leckereien an die insgesamt fünf Pferde. Eines schöner als das andere. „Woran hat er sich verletzt?" wollte ich dennoch wissen und stellte mich neben die Frau ohne Namen. „Es wollte über den Holzzaun springen und ist dabei hängengeblieben..." „Er wollte ausbrechen?" fragte ich leise und fühlte mich sofort verbunden mit dem Hengst. Die Dame nickte. „Er ist ein Freigeist... es gibt Wesen, die kann man einsperren und es gibt jene, die sich Tag ein und Tag aus dagegen wehren werden." Sie drehte ihr dickliches Gesicht zu mir und sah mich mit ihren haselnussbraunen Augen ertappt an. „Ich bin übrigens Molly." stellte sie sich vor. „Ich bin Emily... wie bereits bekannt." Sie lachte auf. „Ja das stimmt." Sie strich mir über das Haar und ging dann lachend an mir vorbei zu Valentin. „Pass schön auf das Mädchen auf, sonst gibt es ärger." Er verbeugte sich leicht und nickte dabei. „Natürlich!" „Emily." fing meine neue Bekanntschaft noch einmal an. Ich drehte mich zu ihr. „Sky braucht besonders viel Pflege wenn dir langweilig ist würde er sich sicherlich über Gesellschaft freuen." Sie zwinkerte mir zu und ließ uns dann alleine. Ich sah zu Valentin. „Sie ist die gute Seele, Emily!" erklärte er und kam zu mir herüber. „Sie hat alle Mädchen gut gekannt, sie sind immer zu ihr gekommen und haben mit ihr alle Sorgen geteilt."  ich sah an den Jungen vorbei zum Ausgang. Vielleicht war Molly meine Chance hier rauszukommen. Kapitel 16: Erzähl mir von ihnen -------------------------------- Ich stand vor einem Haufen Klamotten. Meine Bestellung war, wie angekündigt, pünktlich am nächsten Vormittag angekommen. Ich war sprachlos als ich vor den Kleidern, Taschen und Schuhen stand. Zögerlich wagte ich mich, die Kleiderstücken aus ihrer edlen Verpackung zu nehmen. Mein sonst so riesiges Zimmer wirkte nur noch halb so groß. Ivan und Valentin hatten mir die vielen kleinen und großen Kartons hochgetragen. Ich konnte Ivans Gedanken förmlich hören, versuchte jedoch kein einziges Wort mit ihm zu wechseln. Ich konnte diesen Mann einfach nicht leiden. Er bereitet mir eine Gänsehaut, immer dann wenn er mich ansah. Er wirkte so ganz anders als Mister Norton. Anstand und Grenzen suchte man vergeblich in den Augen des Mannes, der das letzte Paket abstellte und sich erhob. Er war riesig und muskulös, ein perfekter Türsteher oder halt der perfekte Mann für das Grobe. Als er endlich gegangen war erlaubte ich mir wieder zu atmen. "Dieser Typ ist so gruselig." flüsterte Valentin in Sorge, dass Ivan doch wieder zurückkam und ihn hören konnte. Ich nickte zustimmend und stand nun vor den Berg Klamotten. Darunter befanden sich atemberaubende Taschen, die ich mir draußen niemals hätte leisten können. Was brachte mir das ganze Zeug? NICHTS Ich konnte es nicht ausführen. Ich würde niemals jemanden damit beeindrucken können. Niemals würde mich jemand ansprechen und sagen, wie schön meine Klamotten waren. Dieses Wissen legte sich wie ein Schatten auf die Freude, die ich zuvor in mir herrschte. Valentin spürte meine Gemütswechsel und stellte sich neben mich. "Mensch, das ist ein aber wirklich sehr viel. Du solltest eine Modenschau veranstalten." schlug der Blondschopf vor und drehte sein Gesicht nicht zu mir. Ich sah zu ihm hoch und erkannte ein Lächeln. "Eine Modenschau?" fragte ich nach und war mir nicht ganz sicher ob ich richtig gehört hatte. "Na sicher, hier laufen viele Mädels rum und vielleicht knöpfst du so Kontakte zu den anderen." Erst jetzt wandte er sein Gesicht zu mir und schien auf eine positive Antwort zu warten. "Ich weiß nicht..." murmelte ich und sah wieder zu den Klamotten. Meine Augen erblickten das Wichtigste in dem Gekauften. Ich ging einen Schritt vor und holte eine Tasche hervor. Sie hatte mir draußen schon den Atme geraubt. Doch die Ernüchterung war zu groß. Ich hatte geglaubt, sie würde mir helfen und mich ein wenig beruhigen, doch das tat sie nicht. Mein Wunsch der nun erfüllt wurde, war wertlos. Ich wollte keine Modenschau machen, ich wollte nichts mehr auspacken und ich wollte diese teure Tasche nicht mehr in der Hand halten. Es war ermüdend geworden hier zu leben. Es war ermüdend geworden darüber nachzudenken, was ich als nächstes tun oder lassen sollte. "Danke Valentin aber ich bin müde." Ich warf die Tasche zu den anderen Sachen und ging zu meinem Bett. "Emily..." fing der Ältere an und folgte mir. Ich legte mich unter die Decke und zog sie bis zu meinem Gesicht. Ich fühlte mich so leer und ich hatte keine Ahnung was mir Halt geben sollte in dieser Situation. Niemand verstand meinen Schmerz und keiner spürte diese Angst, die mich nicht losließ. Valentin setzte sich an den Rand des Bettes und griff nach de Decke, leicht zog er sie ein wenig herunter und sah mich mit einem verständnisvollen Blick an. "Emily keiner kann deine Gedanken oder deine Gefühle auch nur im geringsten verstehen aber..." er räusperte sich. "Ich bin für dich da. Kelly und auch Molly werden dich unterstützen, wir mögen dich und wir wollen nicht, dass dir etwas geschieht." Warum verstand ich zwischen den Worten den wahren Grund. Ich richtete mich auf. "Du hast Sorge, dass er mich umbringt wenn ich mich nicht anpasse, richtig?" fragte ich geradewegs heraus und hatte damit ins Schwarze getroffen. Der junge Mann wich meinem Blick aus. "Weißt du, ich habe bereits 5 Mädchen kennengelernt und keines war wie du... Sie waren alle unterschiedlich und haben nicht ins Bild gepasst aber du, du bist so anders und scheinst perfekt zu sein." Ich verstand nicht was er mir sagen wollte und setzte mich auf meine Knie, damit ich mich ein wenig nach vorne beugen konnte. Ich war nun mit meinem Gesicht knapp vor seinem. Ich fixierte seine Augen und er erwiderte den Blick, der nach Erlösung und Erklärung flehte. "Erzähl mir von Ihnen!" Kapitel 17: Die fünf Auserwählten --------------------------------- Nummer 1: "Sie hieß Kristin, sie war gerade 16 Jahre geworden und lebte mit ihre Familie in einer kleinen Stadt. Sie war reich und gut aussehend. Genetisch hatte sie alles das bekommen was man brauchte. Als Mister Norton sie hierher holte, bekam sie Panikattacken, die sich nicht einspielten. Nach 4 weiteren Wochen, war sie panisch und saß nur in ihrem Zimmer. Starrte apathisch in die Ecke und fing irgendwann an mit sich selber zu reden. Gesundheitlich wurde sie immer schwächer und brachte sich schließlich um. Aus diesem Grund wirst du auch keine einzige Rasierklinge in deinem Bad finden." Ich lauschte den Worten gespannt wie ein kleines Kind und bekam alleine bei der ersten Erzählung schon eine Gänsehaut. Valentin und ich saßen nebeneinander auf dem Bett und blickten ins Feuer. Ich hatte mein Kopf an seine Schulter gelehnt und hörte ihm aufmerksam zu. Nummer 2: "Oh, das war Leyla. Sie war eine schöne junge Frau gerade 18 Jahre. Er hatte sie durch KO-Tropfen hierher geholt. Sie hatte Stress mit ihren Eltern und fand, dass das eine super Idee war mal ein paar Tage von Zuhause weg zu sein. Sie hatte gehofft, dass ihre Eltern sich Sorgen machten. Doch schnell erkannte sie, dass sie nicht nur ein paar Tage hier bleiben sollte sondern für immer. Diese Vorstellung war dann nicht mehr so prickelnd. Sie versuchte zu fliehen und verletzte sich dabei stark. Sie erlag einer Infektion, die nicht zu stoppen war. Eines morgens lag sie tot in ihrem Zimmer." "Das verstehe ich nicht..." murmelte ich. "Er ist doch super ausgestattet was die Medizin betrifft." warf ich meinen Gedanken ein. "Nach diesem Ereignis, hatte Mister Norton den medizinischen Komplex errichtet." Ich verstand, er hatte bei jedem Mädchen dazugelernt und sich verbessert. Nummer 3: "Kaily, sie war 17 Jahre alt und lebte am längsten hier. Sie hatte sich mit ihrem Schicksal interessanter weise ziemlich schnell abgefunden. Sie war sehr nett und versuchte es Mister Norton recht zu machen. Ich glaube, sie war in dem Mann verliebt. Das muss man dazu sagen, alle Mädchen fanden den Mann toll. Ich glaube aber eher, dass es an dieser Krankheit liegt. Stockholm Syndrom, mein ich heißt sie. Naja, Kaily war sehr bemüht und eines Tages war sie verschwunden. Niemand weiß wohin... außer Ivan und Mister Norton" "Keiner weiß warum?Keiner weiß, warum sie nicht hierher passte?" Würde so etwas mit mir auch geschehen? Würde ich auch einfach nicht hierher passen und sterben? Ich kniff die Augen zusammen, dieser Gedanke machte mir Angst. Valentin legte seine rechte Hand auf meine und ich öffnete die Augen. "Keine Sorge du bist perfekt! Er würde dir niemals etwas antun!" Mir blieb nichts anderes übrig, ich musste seinen Worten Glauben schenken. Nummer 4: "Pricilla... sie war wirklich total verrückt. Sie war von der Fußsohle bis zur Haarspitze in Mister Norton vernarrt. Krankhaft! Sie wollte nichts anderes als mit ihm Zeit verbringen. Sie zog sich aufreizend an und hatte keine Scham sich an den Hausherrn ranzuschmeißen. Wie eine billige Nutte." "Was gefiel Mister Norton daran denn nicht, waren sie nicht hier gewesen um sein Spielzeug zu sein?" Das ergab für mich keinen Sinn. Wenn er so akribisch gearbeitet hatte wie bei mir, wusste er doch was für ein Art Mensch sie war. "Sie stürzte von dem Aussichtsturm... Mister Norton ließ es wie ein Unfall aussehen aber wenn du nicht fragst, hatte er sie geschubst! Danach ließ er das Fangnetz montieren." "Sie waren alle total unterschiedlich aber das musste er doch gewusst haben. Weiß er etwa nicht worauf er steht?" fragte ich und fing an Valentins Hand mit meiner zu drehen. Sein und mein Blick ruhten auf unseren Händen. "Mister Norton ist sehr speziell... bisher war noch kein Mädchen aufgetaucht, das sich ihm anpassen konnte!" erklärte Valentin und legte den Kopf an die Kopflehne, dabei drehte er sein Gesicht zu mir. Ich tat es ihm gleich. "Dann bleibt nur noch eine!" flüsterte ich. Nummer 5: "Katleen... sie war bildhübsch und immer freundlich. Sie war vermeintlich perfekt für ihn. Sie war ebenso anmutig und kultiviert wie er selber. Ich glaube er hatte Gefallen an ihr gefunden.." "Warum musste sie sterben?" "Sie floh als es eine Gelegenheit gab und er folgte ihr durch den Wald. Er fand sie auf der Lichtung wieder, die du bereits kennst. Die Flucht nach Norden führt unweigerlich an den Ort vorbei. Sie war schwer verletzt und starb noch an Ort und Stelle. In seinen Armen. Mister Norton hatte danach ziemlich lange kein Mädchen mehr entführt... du bist die Letzte... bei der er zugegeben ziemlich rabiat vorgegangen war." Ich erinnerte mich an den Unfall und musste Valentin beipflichten, charmant war das nicht gewesen. "Aus all seinen Auserwählten lernte er dazu und versuchte es besser zu machen... Emily." Sein Blick wurde ernster. "Ich will nicht, dass du auch gehen musst tu dir selber einen Gefallen und versuche dich mit der Situation abzufinden." Diese Worte waren sicherlich richtig und doch sorgten sie für eine Übelkeit, die ich nicht ausstehen konnte. Ich ließ von seiner Hand ab und stand von dem Bett auf. Valentin richtete sich auf und folgte mir. "Ich habe keine Wahl entweder Sterben oder ein Leben leben was nicht meines ist. Ich sterbe, Valentin. Jeder Tag, den ich hier weiterhin verbringe wird ein Teil von mir absterben lassen. Bis ich eines Tages in den Spiegel sehe und mich nicht mehr erkenne. Ich kann nicht so tun als wäre mir mein Leben was ich draußen in Freiheit geführt habe, nichts wert." Ich musste mich zusammenreißen um nicht komplett in Tränen auszubrechen. Das erste Mal, seit ihr hier war hatte ich jemanden bei dem ich mich gehen lassen konnte, bei dem ich meine Gedankensuppe abladen konnte in der Hoffnung er würde sie mit mir auslöffeln. Valentin griff meine Schultern und ich konnte seinen besorgten Blick kaum aushalten. "Ich verstehe das... Emily wirklich... mit vier anderen Mädchen haben wir das alle schon durchgemacht. Was euch angetan wurde ist grausam und ich würde das niemals gut reden... aber Emily bitte entscheide dich für das Richtige." Ich neigte meinen Kopf und sah gen Boden. Was war schon Richtig?! "Wir machen einen Deal ok? Du versucht dich die nächsten zwei Wochen anzupassen. Solltest du es in dieser Zeit noch immer nicht akzeptieren können werde ich dir helfen..." Ich sah auf. "Du bringst mich hier raus?" fragte ich und konnte die aufflackernde Hoffnung nicht verbergen. Er schüttelte den Kopf. "Nicht wirklich, ich kann dir helfen zu sterben wenn es dein Wunsch ist." Diese Worte zerschmettern meinen Hoffnungsschimmer innerhalb einer Sekunde. "Es tut mir leid, was anderes kann ich dir nicht anbieten." Seine Stimme klang dünn und leise. Ich verstand was er damit bewirken wollte und war ihm dankbar. Ich ging einen Schritt vor und umarmte den jungen Mann, der diese Geste erwiderte. "Deal!" Kapitel 18: Ironie ------------------ Der Deal mit Valentin half mir, meine Angst ein wenig abzulegen. Ich hatte mir ein Ultimatum gesetzt und wusste spätestens nach zwei Wochen würde ich wissen woran ich war. Ich würde nach zwei Wochen diesen Ort verlassen können, wenn ich es wollte. Mit dieser neuen Einstellung fühlte ich mich besser und freute mich sogar ein wenig auf die Zeit. Ich würde das Beste herausholen und gucken zu welcher Entscheidung ich kommen würde. Die nächsten 5 Tage fühlten sich anders an, ich wachte nicht mit dieser Benommenheit auf, die sonst der Herr meines Körpers war. Nein, ich war neugierig. Valentin freute sich über meinen Wandel. Er war eine große Stütze und verbrachte viel Zeit mit mir. Diese Veränderung schien auch mein Entführer zu bemerken. Abends als wir uns in dem Kaminzimmer trafen, schien er erfreut über meine Kleiderwahl und bat mir an mich auf die Couch zu setzen. Ich kam dieser Bitte nach und nahm Platz. Er reichte mir ein Glas Rotwein und setzte sich mir gegenüber. Er sah gut aus, die letzten Tage hatte ich ihn kaum gesehen. Er war nur in seinem Zimmer gewesen. So hatte ich alleine gefrühstückt zu Mittag und zu Abend gegessen. Valentin und Kelly leisteten mir netterweise Gesellschaft. Die beiden wurden zu meinen engsten Vertrauten hier in dieser Hölle. Heute aber gehört der Abend Mister Norton und mir. "Du scheinst dich einzuleben." fing der Ältere an und sah mich mit seinen tiefblauen Augen prüfend an. Ich nickte. "Habe ich eine Wahl?" "Ich hatte erwartet, dass du dich bis aufs Blut gegen das hier wehren würdest... doch die Erzählungen meiner Belegschaft überraschten mich." Er führte das Glas an seine Lippen und nahm einen Schluck. Ich schwenkte das blutrote Getränk und ließ mein Gegenüber nicht aus den Augen. "Sagen wir so, ich habe mir selber ein Ultimatum gesetzt." erklärte ich kurz und knapp und nahm schließlich auch einen Schluck. "Verstehe." Kannte er auch diese Masche schon? Ungewiss darüber stellte ich das Glas vor mir auf den Tisch und stand auf. Er folgte mir mit seinem Blick, das spürte ich. Gemütlich ging ich zu der Etagere und nahm mir eine Dattel im Speckmantel. "Warum muss ich morgens immer diesen Berg von Tabletten nehmen?" fragte ich dann und nahm mir die nächste Dattel. "Vorsorge nicht mehr. Dein Unfall ist noch nicht allzu lange her und ich möchte nicht, dass du aufgrund eines schwachen Immunsystems krank wirst ." führte er seine Erklärung aus und stand ebenfalls auf. Ich konnte seine Schritte auf dem knarrenden Holzboden vernehmen. Er ging zu dem Flügel und setzte sich hin. Ich drehte mich zu dem Mann, der seine Finger auf die Tasten legte. Er fing an zu spielen. Ich ging zurück zum Sofa und nahm wieder Platz. Ich lauschte den Tönen und schloss die Augen. Die Musik streichelte meine geschundene Seele und beruhigte mein Gemüt. Er spielte fabelhaft gab es eigentlich irgendetwas, was er nur halb so anmutig konnte? Ich liebte die Musik des Flügels, jeder einzelne Ton berührte mich auf eine ganze spezielle Art und Weise. Die zuerst beruhigende Wirkung wich einer Entladung der Gefühle. Ich schluckt schwer und versuchte die Tränen, die sich an die Oberfläche drängten zu unterdrücken. Der Schmerz war da und er saß zu tief. In diesen Momenten konnte ich kaum dagegen ankämpfen. Warum hielt meine Stärke die letzten fünf Tage und zerbrach innerhalb weniger Augenblicke? Ich öffnete meine Augen und sah nur verschwommen. Der Mann spielte weiter und gab sich ganz seinem Spiel hin, während ich mich langsam erhob. Das bemerkte mein Entführer und hörte auf zu spielen. Die Töne verstummten und mit ihnen auch meine optimistische innere Stimme. "Ich bemühe mich... ehrlich..." fing ich leise an. Mister Norton stand auf und kam zu mir rüber. Sein Blick ruhte auf mir. Er war nicht sauer über meinen emotionalen Zusammenbruch. Ich erkannte etwas wie Mitleid. Mitleid? Das wollte ich nicht, ich wollte Verständnis und mein Leben zurück. "Es tut mir leid Emily, doch Bemühungen reichen nicht aus." sagte er dann und nahm meine Hände in seine. Ich sah von unseren Händen auf und spürte die Tränen, die über meine Wange glitten und sich an meinem Kinn sammelten. "Ich will dir nicht weh tun. Emily, ich will nicht, dass es dir schlecht geht aber ich kann an dem hier nichts ändern!" "Doch, du kannst mich gehen lassen." flüsterte ich und hatte Mühe nicht zu verstummen. "Nein, das ist unmöglich!" sagte er leise und ich erkannte er wurde auch nichts anderes tun. Ich wollte meine Hände zurückziehen aber er hielt sie fest. "Lass mich los!" schrie ich und versuchte gegen seinen Griff anzukämpfen. Er zog mich zu sich und legte seine Arme um mich. Ich versuchte mich wegzudrücken stemmte mich mit aller Kraft gegen seine Brust doch ohne eine reelle Chance. Ich fing an zu weinen schlug gegen den Oberkörper meines Peinigers. Schluchzte schließlich und krallte mich gerade an den Mann, der mir das angetan hatte. Ich hielt mich an seinem Hemd fest und drückte mein Gesicht gegen seine Brust. Meine Beine wurden schwach und ich sackte zusammen, er folgte mir auf den Boden und gemeinsam saßen wir eine ganze Weile dort. Er hielt mich fest und ich hatte aufgehört mich gegen irgendetwas zu wehren, hatte immer noch mein Gesicht vergraben und konzentrierte mich auf das Heben und Senken seines Brustkorbes. Sein Geruch, seine Umarmung, sein Herzklopfen und seine Berührungen, all das gaben mir das Gefühl von Geborgenheit. Was für eine Ironie. Kapitel 19: Wie weit darf ich gehen? ------------------------------------ Ich vermied es meinem Entführer über den Weg zu laufen. Der gestrige Abend hatte so vieles in mir ausgelöst. Schmerz, Hass, Wut, Heimweh und zwischen all den Gefühlen gab es eines was mir gar nicht passte. Ich hatte mich wohl gefühlt, wohl gefühlt in seinen starken Armen, die mich zu schützen versuchten. Ich war nicht dumm, ich wusste was mit mir geschah, ich fing an ihn zu mögen. Das musste ich unterbinden, diese Empfindungen würden meinen Plan zum scheitern bringen und das durfte ich nicht zulassen. Damit ich meine Skepsis und meine Abscheu weiterhin aufrecht erhalten konnte schlich ich mich mittags die Treppe hoch in den vierten Stock. Hier war SEIN Flur, der Bereich des Anwesen, den ich nicht betreten durfte. Dieses kleine Gesetz gab es sicherlich nicht umsonst, hier würde ich vielleicht Antworten finden auf die Fragen, die mich nervten. Warum war ich wirklich hier? Warum rührte er mich nicht an? Warum schien er kein größeres Interesse daran zu haben Körperkontakt mit mir zu suchen? Ich kam mir gar nicht vor wie ein Spielzeug, das seiner Befriedigung diente. Weiterhin hoffte ich, irgendwelche Hinweise darüber zu finden, wie er mich beschattet hatte. Vielleicht fand ich Akten von den anderen vor mir. Die Geschichten, die mir Valentin erzählt hatten gingen mir nicht aus dem Kopf. Vor allem die des Mädchens, für die Mister Norton wohl was übrig hatte. Ich betrat den langen, leeren Flur und wusste nicht wohin, rechts rum sah es genauso aus wie links rum. Einfach ein sehr langer Gang. Ich ging nach links und ergriff die erstbeste Türklinke. Verschlossen! Die nächsten ebenfalls, bei der vierten hatte ich Glück und fand ein Zimmer vor, das wie ein kleines Atelier aussah. Ich schloss die Tür hinter mir so lautlos wie möglich und sah mich genauer um. Mehrere Staffeleien standen hier herum, darauf standen selbstgemalte Bilder von Frauen. Ich blieb vor einem stehen und war fasziniert. Es sah fabelhaft aus, so detailverliebt. Ich blickte in die gemalten Augen des Mädchens und fragte mich wer von denen fünf das hier war. Ich ging weiter und beäugte mit Freude die Bilder bis ich an einer Staffelei ankam, die mir eine Gänsehaut bereitete. Darauf eine Leinwand und ein Foto. Eine Foto von mir! Ich konnte mich an diesen Tag erinnern als wäre es gestern gewesen. Ich saß auf der Veranda und las dieses fabelhafte Buch über die Vielfalt der Mutationen. Ich konnte kaum glauben was ich dort sah und schluckte schwer. Ein unbekanntes und nicht zu beschreibende Gefühl wuchs in mir heran. Ich streckte zittrig meine Finger nach dem Foto aus und nahm es in die Hand. Ich erblickte mich, die Veranda und meine Lieblingsdecke. Die hatte meine Mutter für mich genäht, mein Begleiter seit ich denken konnte. Sie beschützte mich vor den bösen Monstern unter meinem Bett und hielt mich warm wenn es draußen kalt war. Ich ließ das Foto los und es glitt zu Boden, noch während das Foto herabflog ergriff ich die Leinwand und drehte mich mit Schwung um mich selber. Ich ließ die Leinwand los und ließ sie gegen eine weitere Staffelei prallen, diese fiel zusammen. Ich sah mich mit flimmernden Blick um und packte mir die Farben. Ich konnte nicht anders, alles in mir wollte dem Mann weh tun, der mich gefangen hielt wie einen räudigen Köter. Ich öffnete die Farbflaschen und schrie. Ich konnte und wollte meine Emotionen nicht zurückhalten. Es musste raus, alles musste raus sonst wäre ich zerbrochen an diesen Schmerz. Erst als alle Bilder bekleckert waren kam ich zu Ruhe. Ich atmete hastig und ließ die letzte rote Flasche zu Boden fallen. Mein Herz sprang mir beinahe aus der Brust als ich zusah wie die Farbe auf den Grund glitt. Alle Bilder dahin. Das tat gut. Es tat unbeschreiblich gut. Die Tür wurde aufgerissen, ein entsetzter Mann sah mich an. "Was hast du getan?" fragte er und konnte kaum glauben was ich getan hatte. Selber mit Farbe bedeckt, erwiderte ich seinen Blick nüchtern. "Ich habe gemalt." "Wenn das Mister Norton..." fing er an. Die Notwendigkeit den Satz zusende zu sprechen bestand nicht mehr, denn der Herr des Hauses tauchte hinter dem dicklichen Mann auf. Ich atmete immer noch hastig und fühlte mich gut. Als ich den Blick meines Peinigers erhaschte ging es mir noch besser. Er versuchte sich zu kontrollieren, er versuchte die Fassung zu behalten doch wie lange wollte er das schaffen?! Er trat hinter seinem Bediensteten hervor und ging auf die Staffeleien zu. Hier standen bestimmt 15 Stück und allesamt voller Farbe. Er ging zu dem Bild, das ich als erstes gesehen hatte. Erst jetzt erkannte ich wie sich seine Rückenmuskulatur verhärtete. Ich setzte mich in Bewegung Richtung Türe, doch kaum war ich an ihm vorbeigegangen spürte ich seine Hand um mein Handgelenk. Die Zärtlichkeit vom Vorabend war verschwunden. Er nahm keine Rücksicht, ich konnte seine Wut spüren und konnte das Lächeln, das mir diese Tatsache hervorzauberte, nicht unterdrücken. Langsam drehte er sein Gesicht zu mir. Seine tiefblauen Augen sahen mich an als wäre ich nicht mehr wert als ein Haufen Mist. Das Lächeln verschwand blitzartig. War ich einen Schritt zu weit gegangen, hatte mir die Befriedung meines Hasses die Sicht für die Realität genommen? Ich wusste nicht was mich erwarten würde. Ich konnte nur erahnen, dass mir die Folgen nicht gefallen würden. Kapitel 20: Gebrochen --------------------- Unsanft, so wie ich es gewohnt war, brachte mich Ivan in ein anderes Gebäude. Der kalte, erbarmungslose Wind empfing mich mit vollem Einsatz. Ich spürte die Kälte bis auf meine Knochen. Ich trug keine Jacke, nicht mal einen warmen Pullover. Der Griff des Affens fest und dominant. Es lag sehr viel Wut und Hass in der Luft sowohl ausgehend von mir als auch von meinem Entführer, der zurückgeblieben war. "Du bist wirklich mit Dummheit gesegnet worden." meinte Ivan und konnte sich ein hämisches Grinsen nicht verkneifen. Das wollte er sicherlich auch gar nicht. Er stieß eine Doppeltüre auf und brachte mich in das eigene Kleine Kino. Was sollte mich hier erwarten? Erst in einem Kinosaal mit vielleicht 40 Plätzen, ließ er von meinem schmerzenden Arm ab. Ich hatte keine Zeit mir meinen Arm zu reiben. Ivan erfasste sofort meine Schultern mit demselben unsanften Griff und beugte sich leicht vor. "Mit dir hat man wirklich Spaß." sagte er grinsend. "Was wollt ihr denn nun mit mir machen... mir einen schlechten Splatterfilm zeigen?" murmelte ich vor mir her und versuchte dem nichts sagenden Blick meines eigenen Grobians standzuhalten. Ivan hob eine Augenbraue. "Weißt du kleine, wenn ich Miste Norton wäre würde ich mit dir was ganz anderes anstellen. Ich hätte dir schon längst beigebracht was es heißt Anweisungen zu befolgen... aber du hast Glück, er ist ein ehrenhafter und im Herzen netter Mann... naja zumindest hat er den Funken Anstand, der dafür Sorge trägt, dass er dich nicht an ein Bett fesselt und dich zu Recht weißt." Diese Worte gefielen mir kein bisschen. Also konnte ich froh sein, dass Mister Norton seine schützende Hand über mich hielt? Ich glaubte Ivan, er wäre sicherlich keineswegs so nachsichtig mit mir gewesen. Eine Art schlechtes Gewissen stieg in mir auf. Vielleicht war das Zerstören der Bilder ein Schritt zu weit gewesen?! "Ja, das war ein Schritt zu weit." flüsterte Ivan als würde er meine Gedanken lesen. Ich zuckte leicht zusammen, als er mich mit diesem Satz wieder ins Hier und Jetzt beförderte. "Ein ziemlich großer Schritt...eines muss man dem Mann ja lassen, er würde sicherlich keine Gewalt einsetzen aber seine Methode ist grausamer." Er kam mir, mit seinem Gesicht noch ein wenig näher. Nur wenige Zentimeter trennten seine Lippen von meinem. Ich roch Alkohol und Zigaretten. Ich versuchte meinen Kopf ein wenig nach hinten zu nehmen konnte dem Schwall der Geruchsmischung jedoch nicht entkommen. "Ich warte einfach... du wirst dich sicherlich niemals an seine Regeln halten und wenn es soweit ist und du ihm egal geworden bist... bin ich an der Reihe... wie bei den anderen, die vor dir hier waren auch!" diese Worte sagte er so leise, als würde er unter keinen Umständen wollen, dass jemand etwas hörte. Mein Gehirn fing sofort an zu rattern. Was hatte er mit den Mädchen angestellt? Wusste etwa Niemand davon? Ich schluckt. Ivan zog mich zu sich und legte seine bitteren Lippen auf meine. Ich wollte den Kopf wegdrehen, doch er griff mit seiner großen Hand nach meinem Kinn und hielt somit mein Gesicht still. Ich spürte seine Zunge, mit der er über meine Lippen fuhr und kniff die Augen zusammen. Nach etwa 10 Sekunden löste er sich von mir und ich öffnete meine Augen. Ungläubig sah ich dem Mann ins Gesicht, der mir einen nüchtern Blick entgegen brachte. Ich erkannte die Gier nach meiner Person und bekam eine Gänsehaut. Dann ließ er von mir ab und ging einfach. Kein weiteres Wort, nichts. Die schwere Tür schloss sich hinter ihm und ich war alleine. Alleine in diesem Saal. Die Rache ließ auf sich warten. Ich war wieder meinen Gedanken ausgesetzt, die sich abwechselnd um Ivan und Mister Norton drehten. Ich saß auf einen der vielen Sitze und starrte auf die Leinwand. Was genau erwartete mich denn nun? Wollten sie mir vielleicht Filme von Kriegen zeigen, von abgetrennten Armen und Beinen? Wollte er mich schocken? Mir mein Gehirn durch grausames Bildmaterial waschen? Ich stand wieder auf und ging zur Türe. Die ganze Zeit über, in der ich hier nun wartete stieg wieder dieser Trotz in mir auf. Als ich schließlich eine Bewegung über der Türe wahrnahm ging ich genau unter die Aussparung, die für den Beamer gedacht war und sah nach oben. "Was hast du vor? Wie willst du mich bitte bestrafen... alleine die Tatsache, dass du mich hier festhält ist Strafe genug!" brüllte ich nun wütend empor. Keine Antwort. Ich stürmte zur Türe und zog an der Türklinke. "Lass mich endlich raus...!" schrie ich und hatte Mühe meine Fassung zu bewahren. Ich hatte keine Lust mehr auf dieses Spiel, ich wollte raus. Das nur gedämmte Licht und die stickige Luft hatten mich mittlerweile aufgeputscht und das Verlangen nach Sonnenlicht in mir geweckt. Ich war sicherlich schon 3 Stunden hier drin. "Hast du gehört? Du wirst mich nicht klein kriegen... egal was du mir zeigst... selbst dann wenn du mir Tod, Mord und Gewalt zeigst... Sogar ein Porno wäre keine Strafe." schrie ich weiter und hämmerte nun gegen die Türe, die nicht nachgab. Ich hatte keine Lust mehr zu warten und ließ die Arme sinken. "Gut...erlöse mich endlich und zeig mir was du mir zeigen willst..." Ich würde mich allem hingeben. Kaum ausgesprochen ging die Türe auf. Ich ging automatisch einen Schritt zurück. Mister Norton stand im Türrahmen und sah mich nüchtern an. "Was jetzt?" fragte ich und hob eine Augenbraue. Der Mann vor mir blieb stumm und ließ die Türe hinter sich ins Schloss fallen. "Willst du mir meine Augenlider mit Tesa festkleben damit ich nicht wegsehen kann?" Ich hatte definitiv zu viele Filme gesehen. Wieder keine Antwort. Er sah mich einfach nur an. In seinen Augen erkannte ich weder Hohn, Wut oder etwas anderes was mir seinen Plan verriet. Was hatte er vor? "Spatz du siehst so wunderschön aus..." Als diese Worte mein Bewusstsein erreichten ereilte mich eine sofortige Ohnmacht. Mein Körper verspannte sich von einem Moment auf den anderen. "Du siehst aus wie eine kleine Prinzessin..." ich weitete ungewollt meine Augen und erkannte, darauf hatte mein Gegenüber gewartet. Mein Körper fühlte sich urplötzlich viel zu schwer an, mein Magen zog sich zusammen. Ich erwiderte den nun zufriedenen Blick meines Peinigers und merkte wie meine Pupillen flackerten. Sofort wurde meine Sicht durch die aufsteigenden Tränen getrübte. Wie in Zeitlupe drehte ich mich zur der Leinwand um. "Ich bin eine Prinzessin und du die Königin, Papa ist der König." Die kindliche Stimme erfüllte den Raum und bereitete mir eine Gänsehaut. Ich sah zu den veralteten Bilder direkt in das Gesicht meiner selbst. Die Kamera schwenkte zu meiner Mutter, die warm lächelte. Ich konnte mich noch genau an die Situation erinnern und wie aufgeregt ich war. Mit 6 Jahren alleine mit anderen Kindern an Haustüren klingeln gehen. Ich schluckte, mein Hals brannte, mein Kopf dröhnte. "Da kommt sie, unsere Tochter." hörte ich die Stimme meines Vaters. Wieder konnte man mich sehen, das war noch gar nicht all zu lange her. Wir hatten einen Schulball und ich trug eine schönes Kleid. Langsam glitt ich die Treppe herab. Mein Vater drehte die Kamera auf sich und grinste. "Das ist meine Tochter." sagte er voller Stolz. Ich glitt mit meinen Händen zu meinem Mund und musste kämpfen, kämpfen gegen den Schmerz gegen die unendliche Trauer, in mir drin. Ich ging die Stufen herab zur Leinwand und blieb in der ersten Reihe stehen. Die Bilder flackerten vor mir her. Alle möglichen Situation, Kindheitserinnerungen, mein erster Freund, meine Eltern, mein Hund, meine Schwester. Ich kam mir vor wie auf dem offenen Meer, verlassen und ausgeliefert. Wehrlos gegenüber den erbarmungslosen Wellen der Emotionen, die über mich hereinbrachen. Sie drückten mich zu Boden und nahmen mir die Luft zum atmen. Ich hoffte, daran zu sterben. Ich hoffte, dass der Schmerz, der sich in mir ausbreitete mich sofort umbringen würde. Ich ertrug das hier nicht, ich ertrug die Stimmen, die Bilder und mich nicht. Langsam sackte ich auf die Knie. Den Blick wie gebannt auf die Leinwand gerichtet. Die Tränen liefen nun unaufhaltsam meine Wangen herab. Ich hatte mit allem gerechnet nur nicht mit dieser Grausamkeit. Warum hatte er mich nicht einfach zusammengeschlagen? Keine körperliche Qual konnte schlimmer sein als die emotionalen Schläge, die ich hier erlitt. Die barbarische Peinigung meiner erschütterten Seele, die in diesem Moment begann zu sterben. Kapitel 21: Eine Lösung? ------------------------ "Emily?" hörte ich jemanden vorsichtig und leise fragen. Ich sah nicht auf, ich wollte niemanden sehen und mit niemanden reden. Ich wollte einfach nur hier sitzen und erfrieren. Ja erfrieren... entweder würde früher die Kälte dazu führen oder später die eisige gefühllose Art meines Entführers. Ich entschied mich für ersteres und wollte nun hier in dem Stall neben Sky einschlafen und nie wieder aufwachen. "Emily?" hörte ich meinen Namen erneut leise. Ich starrte vor mir her, meine Gedanken waren so wirr, dass sie verstummten. Sie hatten ihre Gewalt über mich verloren. Die Tränen waren getrocknet und das Gefühl der Hoffnung war gestorben. Ich würde hier sterben hier im Nirgendwo. "Emily?" Die Stimme wurde lauter. Zuvor wirkte sie suchend und nun wirkte sie erleichtert. "Da bist du ja..." stellte die Person fest und kam zu mir in den Stall. Ich hörte das Stroh, das unter den Schuhen des Finders raschelte. "Wir suchen dich..." meinte Valentin und ging vor mir in die Hocke. Ich wich seinem Blick aus, wollte ihn nach wie vor nicht ansehen. Was sollte ich vorfinden außer die Sorge und den Schrecken. Wie sollte man auch gucken, wenn man ein Mädchen vorfand, das sich ohne Schutz der eisigen Kälte hingab? Ich blinzelte und schluckte schwer. Mir war kalt, so kalt, dass ich meine Finger schon seit einer Weile nicht mehr richtig spürte. Valentin zog seinen Mantel aus und warf ihn über meine Schulter. Erst jetzt kam wieder Leben in mir auf. Ich ergriff den Saum und riss das Stück Stoff von mir herab. Es landete unmittelbar neben mir auf dem Boden. "Ich will deine Hilfe nicht..." flüsterte ich ernst und wagte erst jetzt den Blick in sein Gesicht. Wie erwartet sprang mich seine Sorge förmlich an. "Du erfrierst!" meinte Valentin und zog den Mantel zu sich. "Vielleicht ist das mein Ziel!" murmelte ich und sah wieder in die Ecke, die seit ich hier saß das einzige war was ich angeschaut hatte. "Emily! Du wirst jetzt mit reinkommen ansonsten..." "Was sonst? Willst du mich zwingen." Ich krallte meine eingefrorenen Finger so gut es ging in das Stroh. Mein Gegenüber nickte kaum merkbar. Ich hatte es bemerkt und ich wusste, dass er mir keine leere Drohung an den Kopf geworfen hatte. Ich holte aus und schleuderte ihm Stroh ins Gesicht. Er schloss die Augen und sagte nichts er ließ auch weitere Haufen Stroh über sich ergehen und blieb ruhig. Diese Art machte mich rasend ich wollte nicht, dass er ruhig blieb. Ich wollte, dass er mich anmotzte mich anschrie und mir einen weiteren Grund bot hier zu sterben aber da hatte ich die Rechnung ohne seine Geduld gemacht. Als ich mich nach einigen Momenten ausgetobt hatte und schwach wieder gegen die Wand lehnte öffnete er seine verständnisvollen Augen und sah mich mit diesem Blick an. Mit diesem Blick, der mir zeigte er hatte einen Plan. "Was ist es?" Fragte ich leise und atmete schwer. "Was ist was?" Entgegnete er nur und streckte seine rechte Hand nach mir aus. Ich konnte nicht ausweichen. Ganz sachte strich er mir eine Strähne aus meinem Gesicht, das einfach nur noch brannte. "Ich weiß, dass du einen Plan hast..." Flüsterte ich beinahe hoffnungsvoll. Da war sie wieder, die Hoffnung, die mich bis jetzt am Leben gehalten hatte. "In etwa zwei Wochen ist eine kleine Feier geplant, die hält Mister Norton immer ab. Es kommen die engsten Bekannten und Verwandten..." Valentin hielt inne und sah sich kurz um dann blickte er wieder zu mir und kam näher. Die rechte Hand war immer noch dabei mir wirre Strähnen aus dem Gesicht zu streichen. Er wurde leiser. "Ich werde dir helfen an diesem Abend zu fliehen!" Die Hoffnung erblühte wie ein Knospe. Sie kämpfte sich durch den Schnee an die Oberfläche und war bereit zu blühen. "Valentin..." Sagte ich leise und musste schwach Lächeln. "Es gibt nur eine Bedingung..." "Die wäre?" "Solange wirst du dich zusammenreißen und dich Mister Norton gegenüber benehmen." Ich umfasste seine Hand mit meiner und sah ihn geradewegs in die Augen. Er legte seine linke Hand ebenfalls um meine und schien sie wärmen zu wollen. "Ist das ein abgekartetes Spiel?" Er schüttelte seinen blonden Schopf. "Valentin versprich es mir!" Flüsterte ich kaum hörbar. "Ich verspreche es dir... Emily, ich werde dafür sorgen, dass du diese Welt an jenen Abend verlassen wirst! Kapitel 22: Nur ein Schritt --------------------------- "Wie heißt das Mädchen auf den Bildern?" fragte ich leise und betrat vorsichtig das Kaminzimmer. Ich wusste nicht, wie Mister Norton reagieren würde und war darauf gefasst, die Flucht ergreifen zu müssen. "Katleen." antwortete er nüchtern. Mein Gegenüber stand am Kamin und lehnte sich mit einem Arm am Kaminsims ab. Er schwenkte wie so oft ein Glas Wein. Unser Streit war bereits vier Tage her, ich hatte bis zu diesem Abend keinen Mut gehabt ihm gegenüber zu treten. Ich war verletzt, traurig und aus Trauer wurde Wut, Hass und schließlich Mitleid. Ich musste zugeben meine Art und Weise wie ich ihn verletzen wollte war sicherlich nicht die feine englische Art gewesen aber er hatte es doch verdient. Er hatte mich hierher gebracht! Trotz dieses Wissens siegte das Mitleid und somit das Gefühl einen Schritt auf ihn zuzugehen zu müssen. Er hatte mich schließlich in Ruhe gelassen und mir Zeit gegeben über alles nachzudenken. Das Licht am Horizont, bald hier weg zu kommen, zu 100%, ließ eine Gelassenheit auf mich wirken, die es mir mittlerweile erlaubte etwas lockerer zu werden und wer wusste schon, ob ich mich nicht vielleicht doch die letzten Tage meines Aufenthaltes mit Norton "anfreunden" konnte. Ich würde mir selber erlauben ihn kennen zu lernen um nicht total traumatisiert aus dieser ganzen Geschichte herauszukommen. "Katleen? War sie ein Mädchen, das auch hier lebte?" fragte ich weiter und tat einen Schritt in seine Richtung. Er nickte und sah nun auf. "Ja das war sie wohl!" Ich vernahm so etwas wie Schmerz ins seiner Stimme, der mein Mitgefühl noch ein Stück wachsen ließ. Warum tat er mir leid? Ich dachte an die Bilder, ich hatte sie allesamt einfach zerstört. Vielleicht hatte er gar nichts anderes von ihr als diese Gemälde. Ich schluckte und faltete meine Hände vor meinem Schritt während ich vor ihm stehen blieb. "Hast du dich beruhigt?" fragte er nun und nahm einen Schluck. "Ich denke wir haben beide Fehler gemacht, deine sind sicherlich größer als meine... aber für die Fehler, die ich begangen habe möchte ich mich aufrichtig entschuldigen." fing ich an und blickte ihn in seine Augen. Er sollte sehen, dass ich es ernst meinte, denn das tat ich aus irgendeinem Grund. Erst jetzt drehte er sich komplett zu mir und sah mich eindringlich an. "Auch ich entschuldige mich für die kleine Horrorvorstellung im Kinosaal." gestand er mir und stellte das Glas weg. Horrorvorstellung war kein Ausdruck für das was er mit angetan hatte. Ich ermahnte mich selber, keinen Hass, keine Wut, gib ihm eine Chance. "Woher hattest du die Filme?" wollte ich schließlich wissen. Alleine die Gedanken an diese Bilder machten mich traurig. "Ich hatte sie besorgt während du im Krankenhaus lagst." antwortete er ehrlich. "Wusstest du, dass du mir das antun musst?" wollte ich nun wissen und spürte wie schwer es mir fiel die Wut nicht Oberhand gewinnen zu lassen. Warum sorgte er dafür, dass ich meine guten Vorsätze über Boot warf?! "Emily... lassen wir das." Er kam nun auf mich zu ich blieb stehen und fixierte weiter seinen Blick, der auf mir lag. Er wollte keinen Streit, dass war mir ab jetzt klar. "Komm wir tanzen." er streckte mir seine Hand entgegen und ich verstand nicht ganz. "Tanzen?" fragte ich verwundert und hörte keine Musik. Doch das änderte sich innerhalb weniger Sekunden. Plötzlich ertönten Töne eines Klaviers. Ich sah mich um, doch hier stand kein Klavier. "Also?" fragte er nochmal nach. Ich nickte. "Ich kann aber nicht tanzen, das weißt du doch!" "Ich weiß!" Ich legte meine Hand in seine und er zog mich an sich heran. Ich legte eine Hand auf seine Schulter und er eine an meine Taille. Die Musik war wunderschön und er führte mich wie ein echter Tänzer durch den Raum. Es tat gut, aus irgendeinem Grund war es gar nicht so schlimm wie ich dachte. Ich musste lächeln. "Gefällt es dir"? fragte er und bemerkte meine unterdrückte Freude. "Irgendwie schon!" gestand ich und senkte den Blick. "Du bist hier nicht gefangen Emily du kannst tun und lassen was du willst innerhalb dieser Mauern bist du ein freier Mensch... sag mir wann du jemals so frei warst wie hier?" fing er an und drehte mich mit sich. Ich dachte über seine Worte nach und wusste genau worauf er hinaus wollte. "Wie ich bereits erklärt habe... hast du aber entschieden, dass ich nur hier frei sein darf!" warf ich ein und sah auf. "Was macht das für ein Unterscheid dort draußen entscheiden andere, ob du dich frei bewegen darfst oder nicht. Deine Lehrer, die Polizei, deine Geschwister, deine Eltern... alle!" Er hatte nicht Unrecht mit dem Gesprochenen und ich war mir sicher er glaubte wirklich, dass es nicht so schlimm sein konnte ein Gefangener zu sein. "Ich vermisse meine Familie... wenn sie hier wäre... wenn meine Freund hier wären." flüsterte ich und senkte meinen Blick wieder. Er blieb stehen und legte eine Hand unter mein Kinn, das er leicht anhob. "Ich werde dir jeden Wunsch erfüllen Emily... jeden außer diesen!" Warum wirkten seine Augen so mitfühlend warum hatte ich das erste Mal das Gefühl, dass er mich nicht gerne hier festhielt?! "Warum bin ich hier?" hauchte ich und versucht mehr in seinen wunderschönen Augen zu lesen. "Das wirst du noch herausfinden...!" Er beugte sich vor ohne weiter ein Wort zu verlieren. Sein Gesicht kam meinen immer näher, mein Herz klopfte. Tausend Gedanken schossen durch meinen Kopf. Was hatte er vor? Würde er mich küssen wollen? Wollte ich das? Nein oder doch? Bevor ich eine Entscheidung treffen konnte, spürte ich seine sanften Lippen auf meinen. Ich weitete meine Augen. Überrumpelt von der Situation reagierte ich nicht und ließ es zu. Ich ließ zu, dass seine Lippen, die nach Rotwein schmeckten, meine liebkosten als wären wir ein verliebtes Paar. Er trat einen Schritt nach vorne und umklammerte meine Taille mit seinen Händen. Ich legte meine Hände auf seine Brust spürte sein Herz wie es schneller schlug und schloss die Augen. Das tat unerwartet gut. Er drang mit seiner Zunge in meinen Mund ein und bannte sich so einen Weg in meinen privaten Raum. Er überschritt die Grenze, die ihn so unnahbar wirken ließ und schien sich öffnen zu wollen. Ich ließ das alles zu und erst als er sich löste versuchte ich meinen Verstand wieder ans arbeiten zu bekommen. "Ich... ich muss... ich muss..." stammelte ich vor mir her sah in sein perfektes Gesicht und löste mich schließlich viel zu hastig seinem Griff. Ich drehte mich um und lief zur Türe, rannte den Flur entlang und erst als ich die Treppen in die obere Etage erklommen hatte traute ich mich stehen zu bleiben. Meine Schritte wurden langsamer und ich fuhr mit den Fingern an meine Lippen. Was sollte das? Was auch immer er damit bezwecken wollte. Eine Antwort auf die Frage, warum ich wirklich hier war, war das dennoch nicht. Kapitel 23: Eine guter Anfang ----------------------------- Der Kuss hatte ordentliche Nachwehen. Ich war so in Gedanken, dass ich mich zweimal an Orten im Haus wiederfand, die mir unbekannt vorkamen. Ich brauchte ingesamt drei Anläufe um mein Zimmer zu finden. Als ich die Tür öffnete und froh war endlich meine bekannte Umgebung erkennen zu können fiel mein Blick auf Kelly, die auf dem Sessel saß auf aufsprang als sie mich erblickte. "Emily!" sagte sie und kam auf mich zu. Ich erkannte keine Sorge sondern ein breites Grinsen. "Normalerweise bin ich nicht so neugierig... aber ich kann nichts anders du musst mir alles erzählen!" Ich verstand gar nicht was die junge Frau von mir wollte. "Chloé hat sich aufgeregt, wie eine Furie!" "Wer ist Chloé? fragte ich nur und verstand nach wie vor ihr Verhalten nicht. "Die Blondine..." "Ah die!" das reichte tatsächlich als Antwort, ich wusste sofort wen sie meinte. Es gab nur eine Blondine die man von allen anderen unterscheiden konnte. Die eingebildete, unfreundliche Blondine Chloé. "Wie kam es zu dem Kuss?" hörte Kelly nicht auf und folgte mir zum Bett, auf das ich mich setzte. Ich faltete die Hände und sah mein Gegenüber an. Warum auch immer, ein verstohlenes Lächeln konnte ich einfach nicht unterdrücken. Den Eindruck den ich zu Beginn hatte war nicht vollends vergangen. Hätte ich Mister Norton auf eine andere Art und Weise kennengelernt würde wäre ich wohl für ihn gestorben. Dieses Wissen machte den Kuss zu etwas, was meine Gefühle zu ihm noch unerklärbarer machte. Ich hasse ihn und dennoch war ich von ihm angezogen auf eine skurrile Art und Weise. "Wir haben geredet und... uns versöhnt schätze ich und dann kam das halt so." murmelte ich vor mir her und war versuchte das Lächeln zu unterdrücken. "Kann er gut küssen?" wollte Kelly wissen und setzte sich vor mir und den Schneidersitz. Ich sah auf und konnte einfach nicht. Ich muss Grinsen. "Ja das kann er!" Kelly kreischte auf. So kannte ich die sonst so erwachsende junge Frau gar nicht. "Ok wie küsst er leidenschaftlich, gierig?" Ich lachte auf. Diese Situation kam mir so bekannt vor. Sie glich den Mädchenabenden außerhalb dieser Mauern, die ich mit meiner besten Freundin Judy verbracht hatte. Kelly sprang zu mir aufs Bett und sah mich neugierig an. Ich drehte mich zu ihr um. "Leidenschaftlich schätze ich. Er küsst andere als die Jungs in meinem Alter!" "Oh man!" schwärmte Kelly und kam aus dem schmunzeln gar nicht mehr heraus. Sie schnappte sich ein Kissen und legte ihre Arme darum. "Ich würde alles dafür tun..." seufzte Kelly. "Aber das wird ein ewiger Traum bleiben...wie für jeden hier!" Da zwängte sich die beißende Frage wieder auf. Warum ich?! Als ich am nächsten Morgen aufwachte, lag Kelly neben mir. Sie döste vor sich her und schien noch tief in ihren Träumen. Ich sah auf die Standuhr, die mir zeigte es war bereits 9:00 Uhr. Das Frühstück war bereits vorbei. Ich rieb mir die Augen und wunderte mich, warum mich niemand aufgeweckt hatte. Als ich meinen Blick von der Uhr durch das Zimmer schweifen ließ, erkannte ich jedoch, dass bereits jemand hier gewesen war. Auf dem Sofa lagen Reiterklamotten. Ich stand von dem Bett auf und versuchte so leise wie möglich zu sein, das war leichter gesagt als getan. ich stolperte über die kante des Teppichs und landete mit den Armen vorweg auf dem Boden. Das Gepolter hatte meine Schlafpartnerin aufgeweckt. Sie richtete sich wie von einer Tarantel gestochen auf und sprang aus dem Bett. "Oh nein!" sagte sie und sah zu mir herab. "Was machst du da?" "Schlafen?" murmelte ich in den Teppich und ließ mir aufhelfen. "Ich bin doch tatsächlich bei dir eingeschlafen. Wenn das Mister Norton erfährt!" sie wirkte sichtlich besorgt. "Ich werde mit ihm reden! Ich werde ihm sagen, dass ich das wollte." meinte ich und klopfte mir die Knie ab. "Das wäre wirklich toll." sie zwang sich ein Lächeln auf. "Du solltest dich umziehen und vors Haus gehen." meine sie und ging zur Türe. Die Verbundenheit vom Vorabend war wie weggewischt. Kelly wirkte nervös und ich erkannte so etwas wie Sorge. Sie verschwand und ließ mich mit den Reitersachen alleine. Ich erkannte einen Brief und nahm diesen hervor. "Ich lade dich ein um 9:30 Uhr mit mir ein wenig frische Luft zu schnappen. Bitte sei pünktlich vor dem Haus!" Selbst seine Handschrift war glasklar und perfekt. Ich faltete den Brief wieder zusammen und beschloss der Einladung nachzukommen. Fertig geduscht und gekleidet machte ich mich auf den Weg zum Treffpunkt. Die Aufregung stieg mit jedem Meter der mich näher zu ihm brachte. Würde er mich auf den Kuss ansprechen? Musst ich ihn ansprechen? Leitete der Kuss nun alles ein? War ich nun seine Geliebte? Ich schüttelte den Kopf und wurde bereits von einem jungen Mann erwartete, der die schwere Doppeltüre öffnete und mich ins Freie entließ. Vor dem Haus erwartete mich bereits Mister Norton, im Schlepptau zwei Pferde, eines davon war Sky. Ein charmantes Lächeln lag auf seinen Lippen. Er trug wie ich Sachen für reiten und sah wie in allem auch jetzt wieder zu gut aus. Ich versuchte nicht rot zu werden und stieg die Stufen zu dem Mann herab, der mich begrüßte. "Wie hast du geschlafen Emily?" fragte er gewohnt freundlich und reichte mir die Zügel von Sky. "Gut und Sie?" fragte ich leise und nahm das Pferd entgegen. "Danke gut. ich dachte mir wir nutzen den sonnigen Tag und reiten etwas durch die verschneiten Wälder. Wie kann eine Versöhnung besser feiern als mit Glühwein und einem Picknick zwischen den Bäumen des Waldes außerhalb dieser Mauern?" Ich glaubte kaum was ich da hörte. Hatte er wirklich gesagt, dass er mit mir raus will? Raus aus diesem Gefängnis? "Oder was meinst du?" Ich nickte eifrig. "Das hört sich fabelhaft an!" Mister Norton stieg auf sein Pferd und ich tat es im gleich. Gemeinsam, alleine, ohne Gefolge ritten wir über das Anwesen zu dem Tor, das mir bereits mehr als bekannt war. Ich stand neben meinem Entführer und war nicht sicher ob er jetzt in Gelächter ausbrach und mir sagte, wie naiv ich sei, dass ich glaubte er würde tatsächlich mit mir den Wald erkunden. Doch das Lachen blieb aus, stattdessen öffneten sich das schwere Tor unter einem Knarren und eröffnete mir den uneingeschränkten Ausblick in die Außenwelt. Kapitel 24: Abschied ? ---------------------- Als wir die unsichtbare Grenze überschritten hatten und der Schatten des Tores uns kurzweilig bedeckte bis wir außerhalb des Geländes waren spürte ich etwas, das ich seit langem nicht mehr gespürt hatte. Es war weder Heimweh noch Wehmut, es war das Gefühl der Freiheit. Ich hatte ganz vergessen wie es sich anfühlte. Ich zog die frische, eiskalte Luft durch meine Nase und ließ sie meine Lungen erfüllen. "Gefällt es dir?" Ich sah nicht zu meinem Begleiter, der neben mir her ritt. Ich konnte nicht, ich durfte nicht daran erinnert werden, dass trotz dieser neuen Errungenschaft die unsichtbaren Fesseln weiterhin meine Bestimmung waren. "Wir werden einen schönen Tag verbringen." versprach mir Mister Norton und wurde schneller. Er ritt vor und ich blieb mit Sky stehen. Ich klopfte dem Hengst auf den Rücken und für einen Moment hatte ich den Drang abzuhauen. Doch als mein Führer seinen Kopf zu mir drehte und mich mit diesen eisblauen ansah, war der Wunsch verschwunden. "Kommst du?" Ich nickte und animierte meinen Gaul sich zu bewegen. Eine Stunde ritten wir gemeinsam durch die Wälder, überall hing der Schnee auf den Ästen und vergrub die sonst so bunte Natur unter einem weißen Schleier, der wie Millionen kleiner Kristalle glitzerte. Es war wirklich ein Winterwunderland. "Ich schätze Sie wollen herausfinden ob ich diesen Ausflug als Flucht missbrauche oder?" fing ich schließlich an und blickte nach vorne. "Muss ich mir darüber etwa Gedanken machen? Ich hatte das Gefühl wir könnten von vorne anfangen." antwortet der Ältere. Ich sagte dazu nichts, ich wollte diese Stille mit keinen dummen, unbedachten Worten zerstören. "Weißt du Emily..." fing er zögerlich an und blieb mit seinem Pferd stehen. "Ich weiß unser Start war holprig und ich verüble dir keiner deiner Aktionen oder Worte aber ich bin der Meinung, dass wir einen Schritt weitergehen sollten." Ich war ebenfalls stehen geblieben und sah nun zur Seite. Mister Norton sah mich nicht an, er starrte in die Ferne. Ich musterte sein Seitenprofil und musste leider feststellen, dass dieser Mann mit dieser verschneiten Kulisse wie ein Prinz auf seinem schwarzen Pferd aussah. Ich kniff die Augen kurz zusammen und versuchte mich auf das Gesprochene zu konzentrieren. "Was genaue meinen Sie damit?" Mister Norton stieg ab und nahm die Zügel in die Hand. "Folge mir!" Er ging auf meine Frage gar nicht ein sondern ging wieder vorweg. Ich stieg ebenfalls ab und nahm Sky mit mir. Dieser Hengst war wirklich fantastisch. Wir stiegen einen Hügel empor und landeten auf einer kleinen Lichtung inmitten von Bäumen. Hier lagen Felle in einem offenen Zelt, davor ein Feuer.Ich staunte nicht schlecht. Mister Norton nahm mir Sky ab und band ihn, wie er es mit seinen Hengst getan hatte, an einen Baum. Ich erblickte allerlei Köstlichkeiten. Ein Picknick inmitten der verschneiten Bäume. Ich war überwältigt von dieser Schönheit. Mein Begleiter reichte mir seine Hand. Ich nahm die Geste an und er brachte mich zu dem Feuer und den Delikatessen. Er drehte sich zu mir um und nahm meine andere Hand ebenfalls in seine. Ich sah zu seinem Gesicht empor und spürte so etwas wie Aufregung. "Emily. Mein Name ist Nicholas Norton. Ich möchte, dass du mich nicht mehr mit Sie ansprichst." stellte er sich vor und gab mir einen Kuss auf den rechten Handrücken. Nicholas? Ich hatte die ganze Zeit über wirklich keine Ahnung gehabt wie er hieß. Das hat mich auch nie wirklich gestört. Diese Anonymität brachte eine Art Abstand, die es nun nicht mehr gab. "Emily." sagte ich leise und lächelte. "Gut Emily, essen wir doch etwas oder was meinst du?" sagte er und erwiderte mein Lächeln. "Sehr gerne Nicholas." sagte ich und verbeugte mich leicht. Gemeinsam gingen wir zum warmen Feuer und setzen uns. Er reichte mir wie angekündigt eine Tasse Glühwein und einen Teller. Ich bediente mich an den Gaumenschmaus und fand, dass das einer der besten "Dates" war die ich je hatte. Bei dem Gedanken schlug ich mir selber gegen die Seite. Date? Was war nur mit mir los. Nachdem wir gegessen und zwei Tassen Glühwein getrunken hatten saßen wir einfach nur da und lauschten dem Knistern des Feuers. Ich fühlte mich wohl, daran war der Alkohol nicht ganz unbeteiligt gewesen. "Machst du das hier mit jeder deiner Errungenschaften." fragte ich und starrte in die modernen Flammen. "Nein, mit niemanden zuvor habe ich so ein Picknick zelebriert." antwortet er und setzte die Tasse an seine Lippen. Er schien nachdenklich. "Für einen Moment glaubte ich, dass du mich gar nicht hier haben willst." spielte ich auf den Vortag und seine Worte an. "Weißt du Emily... manchmal will man etwas so sehr und im nächsten Moment ist man sich nicht mehr sicher." Er nahm einen Schluck und drehte sein makelloses Gesicht zu mir. "Ich habe keine Ahnung wer du bist... ich kenne dich nicht... nur deine Fassade ist mir bekannt mehr nicht." gestand ich dem Mann, der den Kopf leicht schief legte. "Was willst du wissen?" "Lieblingsfarbe?" "Rot!" "Lieblingsessen?" "Ganz langweilig, Burger!" "Burger?" fragte ich nach und hatte mich sicherlich verhört. Doch ein Nicken zeigte, ich hatte richtig gehört. "Fettige, altmodische Burger kein Schnick Schnack einfach Fleisch, wenn es sein muss Salat und Gurken." Ich musste bei der Vorstellung, wie er ein Burger aß schmunzeln. "Ok Lieblingsgetränk?" "Bier!" "Bier?" das passte so gar nicht zu dem Mann neben mir. Ich hatte ihn bisher immer nur mit Wein oder einem anderen teuren Tropfen gesehen. "Bier während ich einen fettigen Burger esse." sagte er nüchtern und ich lachte auf. Das Bild war herrlich. "Hast du geglaubt ich sei nicht normal? Hast du geglaubt ich sei kein Mensch?" Ich nickte und ließ das Lachen verstummen. "Irgendwie schön... und weißt du was noch schöner wäre?" murmelte ich und verlor mich beinahe in seinen Augen. "Nein was denn?" "Wenn der Eindruck so bleiben würde..." beendete ich meinen Satz und schluckte. "Ich weiß Emily, aber ich nun mal so wie ich bin und du hast das Recht mich genauso kennenzulernen mit meinen Ecken und Kanten." Das was er sagte machte ihn menschlich und für mich greifbar. Die Kühle, die ihn umgab war verschwunden, sie wich einem warmen Wesen im Inneren dieser perfekten Hülle aus Kälte und Anmut. "Du manipulierst mich." sagte ich und hob einen Finger. "Darauf falle ich aber nicht herein." sagte ich und bewegte den Zeigefinger als Verstärkung meiner Worte nach links und rechts. Nun lachte mein Gegenüber auf. "Du bist unverbesserlich." Er ließ sich nach hinten fallen und stützte sich mit seinen Ellbogen ab. Er ließ seinen Blick zum Feuer gleiten und schien entspannt. Ich hingegen konnte mein Gesicht einfach nicht abwenden. Je mehr ich ihn mir ansah, desto perfekter wirkte er. Ich musste ihn Hassen und doch war kein Hass zu finden. "Was denkst du?" fragte Nicholas als er meinen Blick einfing. "Wie ein Mensch wie du es nötig hast einen Menschen wie mich zu entführen... glaubst du nicht, dass ich auch ohne einen brutalen Unfall mit dir gekommen wäre?" Ich sollte den Mund halten aber das konnte ich nicht, der Alkohol sprach aus mir. "Glaubst du das wirklich?" Ich überlegte und nickte schließlich. "Wie kannst du glauben, dass du das getan hättest? Bist du wirklich der Meinung, dass ich dich einfach hätte fragen können. Frei nach dem Mott: Hast du Lust für immer in meiner Villa zu leben eingesperrt wie ein wildes Tier?" Warum wurde er nun so gemein, seine Nettigkeit war verflogen und er wirkte aufgebracht. Warum gefielen ihm meine Worte nicht? "Ich also... ich meine ich weiß nicht..." stammelte ich vor mir her und konnte seinen plötzlichen Sinneswandel nicht nachvollziehen. "Das ist naives Gerede ich hatte mehr von dir erwartet." Nicholas stand auf und nahm seine Jacke, die er anzog. "Wir sollten zurück es wird langsam dunkel und es beginnt zu schneien!" wies er mich an und löschte das Feuer mit einem Eimer Wasser. Dunkler Qualm stieg auf ich saß da und hatte das Gefühl ich war im falschen Film. Ich richtete mich auf und zog ebenfalls meine Jacke an. Ich sagte nichts zu seiner Art und folgte ihm zu den Pferden. Ich wurde wütend, wütend über sein Benehmen. Es kam mir so vor als würde er die Wand wieder aufbauen, die nur wenige Momente zuvor, von sich aus eingerissen hatte. Eine ganze Weile ritt ich stumm hinter ihm her, es schneite immer mehr und die Dunkelheit begrüßte uns schon bald zwischen den Bäumen. "Sag mal was ist eigentlich dein Problem?" fragte ich ihn, als ich mich endlich entschied nicht den Mund zu halten. Doch die Reaktion blieb aus. "Warum sollte ich nicht mit dir gehen wenn du mich auf eine normale Art und Weise gebeten hättest!" Er blieb stehen und drehte sein Gaul zu mir um. Er kam die wenigen Meter zu mir geritten und stand nun genau neben mir, er sah mich direkt an. Das Mondlicht, dass sich mühevoll durch die schneegefüllten Wolken drängten zeigten mir sein Gesicht. "Weil ich ein Monster bin... das hast du doch mittlerweile begriffen!" "Ein Monster das perfekter nicht sein könnte!" meinte ich nüchtern. "Du siehst aus wie ein verschissener Prinz Charming." fuhr ich unbeirrt fort. "Oberflächlichkeiten Emily halten einen nicht..." "Grausamkeiten auch nicht." fiel ich ihm ins Wort. Ich wurde einfach kein bisschen schlau aus ihm. Wollte er mich nun bei sich haben oder nicht? Wollte er, dass ich ihn kennenlernte oder nicht? "Wir sollten weiter." "Warte!" sagte ich schnell und griff nach seinen Zügeln. Er sah von meiner Hand zu meinem Gesicht. "Das vorhin hat mir gezeigt, dass du ein netter Kerl bist warum willst du das jetzt wieder zerstören?" Er riss mir die Zügel aus der Hand. "Weil das nicht die Wahrheit ist!" Er lenkte sein Pferde wieder nach vorne. "Das widerspricht sich aber... du sagtest ich bin es wert dein wahres Ich kennenzulernen. Dein wahres Ich, das Bier und Burger mag." "Vielleicht war das ein Fehler!" Er wurde schneller. Ich folgte ihm. "Nicholas!" fing ich wieder an. "Emily es reicht!" knurrte er nun. Doch bevor er etwas weiteres sagen konnte hörten wir in der Ferne einen Wolf aufheulen, dieses Heulen erschreckt Nicholas Gaul, der mit einem Satz die Vorderbeine in die Höre riss und seinen Reiter abwarf. Ich sah wie Nicholas vor mir vom Pferd fiel und auf den Boden landete. Er keuchte auf, als sein Körper den Boden erreichte. Ich reagierte und ritt zu ihm herüber. Er bewegte sich nicht. "Nicholas?" fragte ich aufgebracht und stieg blitzschnell von meinem Pferd. Er keuchte und sah mich mit geweiteten Augen an. "Ich kann mich nicht bewegen..." flüsterte er. Ich kniete mich vor ihn und hob seinen Kopf leicht hoch. Er schrie auf. Erst jetzt sah ich, dass er mit seinem Rücken auf eine Wurzel gelandet war. Ich ging die Situation durch und erkannte, dass war meine Chance. Er war hilflos! Ich konnte abhauen, mir Sky schnappen und davonreiten. So weit weg, dass er mich nie wieder fand. Er war ein kranker Mann, der mich auch weiterhin fertigmachen würden. Ich legte seinen Kopf wieder in den Schnee und stand auf. Er sah zu mir empor. Ich erkannte Panik in seinem Blick "Emily..." flehte er regelrecht. Er erkannte meine Gedanken, er wusste dass ich die Flucht in Erwägung zog. "Bitte!" Ich wandte mich von meinem Entführer ab und stieg auf Sky. "Karma...Nicholas Karma!" dann ritt ich los und ließ den verletzten Mann dort liegen, inmitten der verschneiten Umgebung. Vielleicht würde er hier draußen sterben, das glaubte ich aber eher weniger sie würden ihn schon bald suchen und dann würden sie sich um ihn kümmern und ich? Ich wäre schon weit über alle Berge. Kapitel 25: Sinneswandel oder Wahnsinn? --------------------------------------- Ich stand neben der Türe und starrte vor mir ins Nichts. Ungeduldig tippte ich mit dem Zeigefinger gegen die Wand hinter mir und wartete seit einer gefühlten Ewigkeit. Wie konnte es soweit kommen? Wie hatte er es nur geschafft, dass ich trotz seiner kühlen Art, meine Wut und meinen Hass ihm gegenüber in Frage stellte? "Wie dumm von dir!" riss Chloe mich aus meinen Gedanken während sie mit einem Tablett auf mich zu kam. Sie brachte frische Handtücher und musterte mich abwertend. "Das wäre deine Chance gewesen.. du dumme Nuss." fuhr sie unbeirrt fort. Ihr war egal ob ich ihre Meinung hören wollte oder nicht. Ihr war alles egal außer Nicholas. "Was ist daran dumm?" wachte ich schließlich auf und sah sie düster an. "Ich konnte ihn schlecht im Schnee sterben lassen!" ich wurde wütend. Ich hatte keine Lust, dass eine dumme blonde Barbie sich das Recht nahm auch nur im Geringsten über mich zu urteilen. Sie hatte zwar nicht unbedingt Unrecht aber dumm war meine Entscheidung nicht gewesen. Ich würde noch schnell genug abhauen nur wäre diese Flucht durchdacht und geplant von jemanden der sich auskannte. Valentin würde mich hier schon rausbekommen und das würde nicht mehr allzu lange dauern also warum sollte ich einen Mann sterben lassen... selbst dann wenn... er es verdient hätte? Für eine Sekunde bereute ich meine Entscheidung und zwang mich dann wieder den Verstand nicht zu verlieren. "Wie auch immer! Pech für dich... dann wird er dich halt später aus dem Weg räumen wenn du selbst nicht in der Lage dazu bist." mit diesen eindeutigen Worten verschwand sie im Inneren des Zimmers, in dem Nicholas verarztet wurde. Ich durfte aus irgendeinem Grund nicht hinein. Ein Schrei, der mein Körper einnahm und selbst meine Knochen in Schwingungen brachte, ließ mich zusammen zucken. Ich sah zu der Türe und umfasste die Klinke, rein aus Reflex öffnete ich die Türe und sah hinein. Dort lag Nicholas ohne Hemd auf einem Bett. Ein Arzt, den ich nicht kannte war gerade dabei seine Schulter einzurenken. Nicholas sah mich mit einem schmerzverzerrten Gesicht an. Das war neu für mich, solche Gesichtszüge hatte ich bisher nicht sehen dürfen. Er wirkte zerbrechlich und genau das machte ihn menschlich. Ob gewollt oder nicht, ich erblickte ihn in einen Zustand, der ihm sicherlich nicht gefiel. Mir hingegen gefiel er ziemlich gut, was nicht zuletzt daran lag, dass dieser Mann mir seine muskulöse Brust offenbarte. "Emily was machst du hier?" kam es außer Atem über seine Lippen. Ich schloss kurz die Augen und versuchte so den Schmerz zu überwinden. "Ich habe dich schreien gehört und wollte wissen was los ist!" sagte ich schnell und blieb kerzengerade stehen. "Bringt sie raus!" wies der Herr des Hauses Chloe an. "Du hast gehört was er gesagt hat verschwinde!" zischte sie und kam auf ihren hohen Schuhen auf mich zu. "Nein!" sagte ich und fand meine Fassung wieder. Ich ging auf die Blondine zu und dann an ihr vorbei. Ich setzte mich auf einen Sessel und sah mein Gegenüber willensstark an. "Ich hab dich gerettet, diesen Anblick darfst du mir nicht nehmen! Ich habe verdient zu sehen wie du leidest!" sagte ich und machte keine Anstalten auch nur in Gedanken diesen Raum zu verlassen. Der Arzt sah erst mich und dann seinen Geldgeber an, dieser nickte. Der Mann im weißen Kittel packte beherzt zu und zog erneut. Nicholas biss sich kaum merkbar auf die Lippe und fixierte meine Augen. Er würde kein weiteres Mal schreien. Ich war mir sicher, man hätte ihm genau in diesem Moment den Arm abschneiden können und er hätte nicht mal ein Laut von sich gegeben. Diese Blösse würde er sich nicht geben. Beim ersten Aufschrei konnte er nicht wissen, dass ich vor der Tür wartete aber jetzt wusste er genau, dass ich ihn beobachtete und der Anblick mir Genugtuung bot. "Das wärs Mister Norton, die Schmerzen werden bald vergehen. Sie sollten ein wenig Ruhe halten. Eine bleibende Beeinträchtigung werden Sie nicht davontragen." berichtet der grauhaarige Mann und zog eine Spritze auf. Ich überschlug die Beine und sah mir Nicholas weiterhin an. Er ließ mich nicht aus den Augen. Was auch immer er versuchte er würde nur das lesen können was ich ihm offenbarte. Seine sonst so klaren eisblauen Augen wirkten benebelt. So eine ausgerenkte Schulter war kein Spaß, da sprach ich aus Erfahrung. Der Arzt steckte die feine Nadel in den gut gebauten Rücken des Mannes, der nun keine Miene verzog. Was war schon ein kleiner Stich?! "Das Mittel sorgt für ein wenig Entspannung!" erklärte der Arzt und legte die Spritze weg. "Meine Arbeit wäre hiermit erledigt." Erst jetzt ließ Mister Norton von mir ab und reichte dem Mann, der nun seinen Feierabend einläuten konnte die Hand. "Danke!" "Immer wieder gerne." bedankte sich der Ältere, ging an Chloe vorbei und verließ den Raum. "Lässt du uns alleine?" Es wirkte wie eine Frage aber das war es nicht. Chloe nickte und warf mir, bevor sie uns alleine ließ, einen giftigen Blick zu. Diese Frau hasste mich! "Hat dir das kleine Theater gefallen?" fragte Nicholas und nahm sich sein Hemd. Er saß auf dem Bett und zog sich wieder an. Ich beobachtete wie er einen Knopf nach dem anderen schloss. "Was wäre wenn?" "Dann würde ich behaupten, dass du auf Schmerzen stehst!" "Vielleicht stehe ich darauf wenn andere Schmerzen erleiden..." flüsterte ich nüchtern. "Das wüsste ich!" erwiderte er noch nüchterner und stand auf. Er wirkte ein wenig Steif, was sicherlich noch einige Moment anhalten würde, bis das Mittel seine Wirkung entfachte. "Du hast gedacht ich würde dich alleine lassen... richtig?" fing ich leise an und zog ein Bein an mich heran, das ich mit meinen Armen umklammerte. Ich platzierte mein Kinn auf dem Knie und lächelte leicht. "Soll ich ehrlich sein?" Ich nickte. "Ich hatte wirklich damit gerechnet, dich so schnell nicht wieder zu sehen!" gestand er mir und kam auf mich zu. "Die Freude darüber, dass ich mich geirrt habe ist kaum in Worte zu fassen." "Aus dir soll mal einer schlau werden!" meinte ich nur und mein Lächeln wurde breiter. Nicholas ging vor mir in die Hocke und sah zu mir hoch. Er streckte die linke Hand nach meinem Gesicht aus und ich spürte wie mein Herz schneller schlug. "Wie soll mich jemand verstehen? Ich tue es oft selber nicht!" hauchte er und streichelte meine Wange mit seinem Daumen. "Hättest du mich gesucht?" "Überall!" "Was wenn du mich schließlich gefunden hättest?" "Dann hätte ich dich zurückgeholt..." Nun lächelte er. "Zurück hierher?" "Zurück hierher...!" "Warum?" Es schien so als hätte Nicholas zugelassen, dass seine Fassade bröckelte, doch so schnell dies geschah baute er sie wieder auf. "Eines sollte dir gesagt sein... ich werde dich immer suchen und immer finden... ich kenne dein Leben, deine Welt und deine Familie. Es ist dir unmöglich auch nur in Gedanken vor mir fliehen zu können..." Fing er an und richtete sich auf, das Lächeln war verschwunden. "Wo auch immer du hingehst wo auch immer du dich versteckst ... ich finde dich... du gehörst mir Emily... nur mir!" Kapitel 26: Neues Ziel ---------------------- Ich stand an der Balkonbrüstung gelehnt und blickte in die Ferne. Nachdem Nicholas mir diese angsteinflössenden Worte gesagt hatte war ich gegangen. Ich bereute es, nicht geflohen zu sein und wusste nicht wie es weitergehen sollte. Den Abend verbrachte ich auf meinem Zimmer. Alleine für mich. Zumindest war das der Plan aber eines war klar meine Pläne hatten keine wirkliche Chance. "Du bist nicht gegangen." sagte Valentin leise und kam zu mir auf den verschneiten Balkon. "Weißt du, ich konnte nicht ... ich dachte er wäre es wert gerettet zu werden aber irgendwie bin ich mir da gar nicht mehr so sicher." sagte ich und sah weiterhin in die Ferne. Ich erkannte nur schwach das Licht der nächsten Stadt. Es würde bestimmt ein Tagesmarsch dauern bis ich da ankommen würde. "Du bist wirklich ein guter Mensch." hörte ich meinen Besuch sagen nachdem ich ein Feuerzeug vernahm, das er benutzte. "Meinst du?" "Du bist etwas Besonderes... das hat Mister Norton erkannt!" Ich lachte auf. "Ich war immer nur Durchschnitt... und auch jetzt habe ich wie ein Durchschnittsmensch gehandelt ich habe ihn nicht sterben lassen!" mein Lachen verstummte, es mündete in einen verzweifelten Seufzer. "Du bist zu selbstkritisch, nimm das Gesagte doch einfach mal an!" "Was bringt es mir? Ich bin hier ob besonders oder nicht...!" "Er wird es dir danken glaube mir!" "Das hörte sich nicht danach an er machte mir unmissverständlich klar, dass er immer über meinen Aufenthaltsort bescheid wissen wird." "Das sagt er so, doch woher will er das wissen. Soweit kam es doch noch nie!" Valentins Stimme war gedämpft er musste beim Reden wohl Ruch ausgestoßen haben. Seine Worte waren gar nicht so verkehrt. Nicholas hatte versucht mich einzuschüchtern und er hatte genau das geschafft aber Valentin hatte Recht. "Weißt du was ich vertraue auf dich und deinen Plan meine Pläne sind meistens echt scheisse..." sagte ich mit neuem Mut und drehte mich erst jetzt zu dem Rauchenden um. Er sah mich mit einem entspannten Gesichtsausdruck an und genoss seine Zigarette dabei lehnte er an der Türzarge." "Ich denke deine Wahl ihm zu helfen war schon die richtige gewesen... ich werde dich hier rausholen das verspreche ich dir... ich verspreche dir, dass du Weihnachten Zuhause sein wirst!" Er stand dort und sagte diese Worte so selbstverständlich als gäbe es keinen Grund diese anzuzweifeln. Gründe gab es jedoch mehr als genug. "Ich hoffe es..." sagte ich und glaubte ihnen, ich glaubte Valentin und ich glaubte Weihnachten zuhause zu sein. Ich ging zu meiner Stütze in diesem Gefängnis und umarmte ihn einfach. Valentin ließ mich gewähren und ich spürte einen Arm den er um meinen Rücken legte. Ich roch den Zigarettenrauch und spürte seine Wärme. Eine ganze Weile blieben wir so stehen. Er hatte seinen Glimmstängel mittlerweile auf den Boden geworfen und hielt mich mit beiden Armen fest. "Ich will das du eines weißt Emily." fing er an schließlich wieder an und ich sah auf. "Das wäre?" "Ich werde dich schon ein klein wenig vermissen." er schenkte mir ein aufrichtiges Lächeln und ich konnte mich ihm nicht entziehen auch ich zog meine Mundwinkel hoch. Es freute mich jemanden gefunden zu haben dem ich aufrichtig etwas bedeutete. Der keine Spielchen mit mir spielte und mir keine bösen Worte gegen den Kopf warf. "Ich dich auch Valentin..." antworte ich kaum hörbar und legte meine Wange wieder an seine Brust. Die Umarmung hätte ewig dauern können, so gut tat sie mir. Doch sie wurde von einem lauten Klopfen an der Zimmertüre unterbrochen. Ich löste mich von meinem Freund und sah zur der Holztüre die aufgestoßen wurde. Ivan betrat das Zimmer ohne auf eine Antwort von mir gewartet zu haben. Er sah gewohnt genervt an. "Komm!" "Wohin?" "Frag nicht...!" ich verschränkte die Arme vor der Brust und ging auf den Größeren zu. Was konnte mir dieser Gorilla schon anhaben?! "Sag mir erst wohin!" "Scheiße ich habe keine Lust auf diesen Kindergarten!" er ergriff meinen Arm und zog mich zu sich. "Du tust mir weh!" schrie ich und wehrte mich gegen seinen Griff. "Und du nervst mich!" knurrte er nur. "Lass sie los Ivan!" mischte sich Valentin in die Auseinandersetzung ein. Ivan sah von mir zu dem jungen Mann. "Was willst du denn?" knurrte er weiter. "Ich will, dass du sie loslässt!" "Ah seit wann bist du denn der Retter in der Geschichte?" er ging auf Valentin zu und zog mich ohne Mühe hinter sich her. "Du solltest besser deinen Mund halten und mich meine Arbeit machen lassen!" fuhr Ivan fort. Ich hatte ein ungutes Gefühl und versuchte das Gespräch zu beenden bevor es zu einem Streit kam. "Ok Ivan ich komme mit alles gut, egal wohin du willst!" doch diese Worte hatten keinen Einfluss auf den Grobian. Er hatte sich auf Valentin eingeschossen und dieser wich ebenfalls nicht von seiner Meinung ab. "Ich sage es dir noch einmal lass sie los!" So kannte ich den Blondschopf gar nicht. Er wirkte ziemlich erwachsen als er sich gegen den Größeren stellte. "Ich sage es dir noch einmal halt dein Maul!" Eines war klar was Geduld anging hatte Valentin die besseren Karten. Ich stand neben den beiden und hatte keine Ahnung was zu tun war, die brauchte ich auch nicht. Aus irgendeinem Grund ließ Ivan mich los. "Vergiss deine Tabletten nicht!" mit diesen Worten verschwand er. Ich sah ihm nach und war mehr als verwundert. Ich rieb mir den Arm und fragte mich was genau ich verpasst hatte. Ich drehte mich zu Valentin, der zur Tür starrte. "Danke." sagte ich und stellte mich vor meinen Retter. "Er darf so nicht sein..." murmelte Valentin und sah dann auf mich herab. "Er darf nicht immer wieder so sein!" fuhr er fort und schien in seinem eigenen Film zu sein. "Was meinst du?" wollte ich nun wissen und konnte zusehen wie sich Valentins Mimik ganz langsam wieder entspannte. "Vertrau mir aber versuche bitte nicht alleine mit ihm zu sein... er hat kein Problem auf Mister Nortons Anweisungen zu hören... er hat nur seine ganz eigenen Methoden die Anweisungen auszuführen!" sagte er und strich mir übers Haar. "Warum ist er plötzlich gegangen?" fragte ich weiter. "Weißt du... ich hab eine Sache gegen ihn in der Hand, die ihm den Hals brechen könnte... das weiß er auch wenn es ihm nicht gefällt!" "Was!" Die Neugier hatte mich gepackt ich wollte alles wissen, was hatte Ivan ausgefressen. "Er ist ein Arschloch Emily, ein grauenvolles Arschloch, also bitte halte dich von ihm fern!" Leider verfehlten diese Worte die Wirkung. Ich wollte um alles in der Welt wissen was Ivan so gefährlich machte. Naiv könnte man sagen und damit hatte man sicherlich nicht Unrecht aber die Neugierde wollte gestillt werden. In den letzten Tagen würde ich das Geheimnis schon lüften. Ich würde schon noch rausbekommen was Ivan so schlimmes gemacht hatte. Was konnte schlimmer sein als das was Nicholas getan hatte? Kapitel 27: Morden könnte so einfach sein ----------------------------------------- Ich steckte mir die Tabletten in den Mund und sah Chloe mit dem Glas in der Hand fragend an. "Was?" fragte sie mich genervt und verschränkte die Arme vor ihrem üppigen Busen. Ich schluckte das Sammelsurium von Medikamenten mit einem großzügigen Schluck Wasser runter. "Das wollte ich dich gerade fragen!" entgegnete ich und stellte das Glas auf den Tisch vor mir. Ich wusste nach wie vor nicht für was die ganzen Tabletten waren ich wusste nur es dürfte keine Krankheit mehr geben, gegen die ich nicht immun war. Seit ich hier war bekam ich jeden Tag diese Menge an Tabletten. Keiner wollte mir genau sagen für was sie waren, da sie mir offensichtlich nicht schadeten nahm ich sie. Es waren keine Drogen, nichts was mein Bewusstsein beeinträchtigte oder müde machte. So machte ich daraus kein Theater und nahm das Zeug ohne Gegenwehr. "Ich kann mir einfach nach wie vor nicht erklären warum er DICH geholt hat!" fing sie an und kam auf mich zu. Warum sie immer wie eine aufgemotzte Barbie rumlief erschloss sich mir nach wie vor nicht. "Weißt du Chloe... das bezweifle ich nicht eine Sekunde lang!" sagte ich nur und schob den Stuhl zurück während ich mich erhob. Ich spürte kurz darauf eine Hand auf meiner Schulter die mich wieder herabdrückte. Überrascht sah ich nach oben und erblickte Ivan, der mich düster ansah. Mein Blick wich zu Chloe, die eine Augenbraue hob und ihre Arme aus dem Knoten löste. Sie stützt sich vor mit auf den Tisch und sah mich düster an. "Ich brauche dich hier nicht... ok!" Gut diese Worte waren unerwartet offen. "Ich werde dir dein Leben zur Hölle machen und Ivan wird mir dabei helfen... seine Art hast du ja bereits mehr als einmal kennengelernt!" "Wollt ihr mir drohen?" fragte ich nun und versuchte so selbstsicher wie möglich zu wirken. Der Griff von Ivan wurde fester. "Valentin kann nicht immer bei dir sein!" knurrte der Affe hinter mir und lehnte sich leicht vor, so dass ich sein Atem auf meiner Wange spüren konnte. "Was soll ich eurer Meinung nach jetzt machen?" wollte ich wissen und versuchte zu verstehen was genau die beiden Irren vorhatten. "Ich für meinen Teil will, dass du weißt das Nicholas mir gehört und ich werde nicht zulassen, dass eine kleine Bitch hierher kommt und ihn mir wegschnappt!" flüsterte Chloe bedrohlich. Ich erkannte den Wahnsinn in ihren Augen, sie war vollkommen vernarrt in Nicholas. "Das du tatsächlich zurückgekommen bist war ein Fehler kleine Emily... du hättest gehen sollen wir hatten dir extra den Weg freigeschaufelt und doch bist du einfach wiedergekommen!" Ich ließ mein Gehirn rattern und ging die Situation im Wald nochmal durch. Das Jaulen des Wolfes, das hatte den Hengst doch aufgeschreckt. Wenn ich genauer darüber nachdachte musste der Grund etwas anderes gewesen sein. Sky war schließlich kein bisschen unruhig geworden. "Ich weiß was Valentin vor hat... das ist deine letzte Chance um abzuhauen wenn du das vergeigst werde ich dich auf meine Art und Weise aus dem Weg räumen." sie sah hoch zu Ivan, der meine Schulter losgelassen hatte und nur noch so hinter mir stand. Ich blinzelte und versuchte nachzuvollziehen was sie mir sagen wollte. "Solange du hier bist wirst du dich von Nicholas so gut es geht fern halten ist das klar?" "Wie soll das gehen?" auf den Plan war ich mal wirklich gespannt, schließlich hatte ich was meine Zeiteinteilung anging nicht sonderlich viel Mitspracherecht gehabt. "Ist mir egal! Bring ihn einfach dazu, dass er die Interesse an dir verliert und es ihm egal ist wenn du gehst!" super Plan dachte ich mir und stand auf. Wieder spürte ich Ivans Hand auf meiner Schulter, die mich erneut runterdrückte. Nun packte ich reflexartig auf seine Hand und versuchte sie von meiner Schulter zu lösen ohne Erfolg. "Du tust mir weh!" sagte ich energisch und biss die Zähne zusammen um nicht schreien zu müssen. Die Genugtuung würde er von mir nicht bekommen. "Um dir die Ernsthaftigkeit der ganzen Situation zu verdeutlichen..." fing nun der Mann in der Runde an. "Solltest du unseren Anweisungen nicht nachkommen werden Konsequenzen folgen. Wir wissen, dass du einige Leute ins Herz geschlossen hast." die letzten Worte sagte er mit einer erhöhten Stimme um mir die Lächerlichkeit zu zeigen. "Wir wissen auch, dass dein Herz an dem Gaul hängt. Ich schätze mehr muss ich nicht sage. Er löst seine Hand von mir und ich sprang sofort auf. Ich trat zwischen dem Stuhl und den Tisch hervor und entfernte mich rückwärts von den beiden, die mir tatsächlich Angst einflössten. Chloe drehte sich mit mir mit. "Noch eines, wenn du jemanden hiervon erzählst wird auch das Konsequenzen haben! Ich meine es ernst Emily...!" fügte sie noch hinzu. Ich ging wortlos weiter rückwärts bis ich an der Tür angekommen war. Ich umfasste die Klinke und sah von Ivan zu Chloe. Waren vielleicht die beiden die Irren und gar nicht Nicholas? Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ließ mich nicht richtig nachdenken. Eine kleines Detail schoss mir jedoch durch den Sinn und kämpfte sich durch das Pochen in mein Bewusstsein. "Habt ihr was mit den Verschwinden der anderen zu tun?" fragte ich und drehte mich halb zu den beiden um. Keiner sagte etwas, das war auch nicht notwendig, ihre Blicke sagten mehr als tausend Worte. War das Geheimnis von Ivan etwa schon gelüftet? Hatte er seinen Teil zu den Toden beigetragen? Ich verließ das Zimmer und atmete tief durch. Was sollte ich nun machen? Ich durfte mit niemanden darüber reden! Ich setzte mich in Bewegung und wollte einfach nur Abstand zu den beiden bekommen. Ich lief den Flur entlang und die Treppe hinauf. Als ich langsamer wurde stand ich im Flügel von Nicholas. Hier hatte man ihm seine Schulter eingerenkt. Warum kam ich ausgerechnet hier heraus? Ich sollte mich von ihm fern halten und landete genau hier?! Meine Schritte klein und langsam jedoch auf die Zimmertüre von Nicholas gerichtet. Ich öffnete die Türe so leise es ging und spähte hinein. Ich wollte mich nur kurz erkundigen wie es ihm ging. Er lag in seinem Bett und schlief. Warum auch immer betrat ich den Raum und schloss die Türe hinter mir. Ich führte sie mit beiden Händen leise ins Schloss und sah über meine Schulter zu dem Schlafenden. Erst als ich sicher war, dass er nicht aufgewacht war ging ich auf ihn zu. Er lag in einem Doppelbett zwischen gemütlich wirkenden Kissen und atmete ruhig. Die Medikamente hatten ihn sicher müde gemacht. Trotz der Drohung oder genau deswegen ging ich um das Bett herum und stellte mich genau vor ihn. Wenn ich floh und er mich fand war ich wieder hier. Wenn ich mich ihm nicht entzog würde den Menschen etwas passieren, die es gut mit mir meinten. Ich konnte nicht sicher sein, dass der Plan von Valentin funktionieren würde auch wenn ich die Hoffnung auch weiterhin aufrecht hielt war es nur eine Hoffnung. Nichts greifbares, nichts sicheres.Ich konnte aber genau jetzt etwas effektiveres unternehmen. Ich könnte ihn töten und abhauen! Ich könnte ein Messer nehmen und ihn einfach abstechen. Ich ließ meinen Blick schweifen und erblickte einen Brieföffner aus Silber. Ich schlich zu dem Sekretär und streckte meine Hand nach dem Brieföffner aus. Mit zittrigen Fingern umfasste ich das kalte Silber und drehte mich wieder zu meinem Entführer. Mit zaghaften Schritten näherte ich mich dem Schlafenden und stellte mich wieder genau neben ihn. Ich hielt die Waffe in der Hand und musterte ihn. Er wirkte so zerbrechlich und hilflos. Noch hilfloser als im Wald. Je näher ich ihn betrachtete desto größer wurde die Wut in mir. Sie kämpfte sich an die Oberfläche und war im Inbegriff mich einzunehmen. Ich hatte durch ihn alles verloren, auch wenn ich versuchte mich zusammenzureißen war da diese Wut, die nicht verging. Auch wenn ich versuchte ihm zu Verzeihen war sie da, auch wenn ich versuchte das Gute in ihm zu sehen... war sie da. Diese grundsolide Wut! Ich malte mir aus wie ich ihm den Brieföffner mit so viel Kraft wie ich nur auftreiben konnte mitten ins Herz rammt. Ich malte mir aus, wie ich ihm sein Herz zerstörte und ihn daran sterben ließ. Tod durch ein zerbrochenes Herz. Schlag der Schlange den Kopf ab und der Rest wird schon noch sterben. Er war der Kopf dieser ganzen Kuriosität, die hier herrschte. Auch wenn Valentin daran glaubte, dass er mich nicht finden würde konnte er sich dessen nicht sicher sein. Diese Drohung hallte nach wie eine Glockenschlag in einer Kirche. Die Sorge war zu groß, dass er mich aufspüren würde wie ein Jagdhund seine Beute. "Du hast mir mein Leben genommen...!" hauchte ich und schluckte schwer. Mir wurde heiß und kalt zugleich, der Gedanke ihn abzustechen bereitete mir eine Heidenangst. Ich umfasste den Brieföffner mit beiden Händen und ließ meine Arme in die Höhe fahren dabei sah ich zu wie sich der Brustkorb des Liegenden auf und ab bewegte so ruhig konnte man also schlafen wenn keine Ahnung hatte was sich in der Welt der Wachen ereignete. Ich schloss die Augen und ließ die beiden Hände nach hinten fahren doch bevor ich einen Widerstand merken konnte spürte ich einen Arm, der mein Handgelenk festhielt auf Gesichtshöhe. Ich öffnete erschreckt meine Augen und sah in das Gesicht des Mannes, der zuvor noch geschlafen hatte. "Hätte dich das wirklich glücklich gemacht?" fragte er unbeeindruckt. Mit der anderen Hand nahm er mit den Brieföffner aus der Hand und warf ihn auf den Boden. Er zog mich zu sich ins Bett. Ich reagierte viel zu langsam und erst als ich mit dem Rücken zwischen den weißen Bettlaken lag und er über mich lehnte schlug ich zu. Ich traf ihn in den Magen und verzog das Gesicht. Ich konnte nicht anders ich schlug immer wieder und er ließ mich gewähren. Er richtete sich auf und ich mit ihm. Er saß vor mir und steckte meine Schläge ein, die meine Wut zum Ausdruck brachten. "Ich hasse dich so sehr!" schrie ich nun und konnte meine Tränen nicht zurückhalten. "Du hast mir alles genommen... du wirst mich nie gehen lassen ich werde niemals leben!" schrie ich weiter und schlug auf ihn ein. Er machte nichts, er ließ es zu. Ich musste ihm weh tun, vielleicht unterdrückten die Medikamente die Schmerzen aber meine Schläge waren fest, anders konnte es gar nicht sein. "Ich wollte ein ganz normaler Teenager sein, mit den typischen Teenager Problemen, mit nervenden Eltern und ätzenden Geschwistern. Ersten Herzschmerz und ersten Kontakt mit Haschisch." kam es aus mir heraus. Das war zwar nicht das erste Mal, dass ich ihm das alles vorwarf aber jetzt brach es emotionaler aus mir heraus wie zuvor. Meine Schläge wurden weniger fest und weniger energisch. Sie verloren an Kraft, bis ich schließlich meine Hände hängen ließ und schluchzte. Ich legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Tränen pressten sich hervor und bannten sich einen Weg über meine Wangen. "Ich wollte ein ganz normaler Teenager sein, mit den typischen Teenager Problemen, mit nervenden Eltern und ätzenden Geschwistern. Ich wollte mein erstes richtiges Date haben, ich wollte mit einen Jungen ins Autokino, im Regen tanzen und kitschige Geschenke an Valentin bekommen!" schluchze ich weiter. "Emily..." hörte ich Nicholas leise sagen. "Es tut mir leid!" "Nein tut es nicht sonst würdest du mich gehen lassen!" "Das kann ich nicht!" Ich ließ meinen Kopf wieder runter und sah ihn verweint an. "Warum nicht?" "Weil ich dich brauche...!" Ich versuchte zu erkennen wie er das meinte und erkannte etwas wie Reue. Warum wurde ich einfach nicht schlau aus diesem Mann. "Das hier ist dein Zuhause und ich bin an deiner Seite... ich werde mich bemühen dir dein Leben hier so perfekt wie möglich zu machen!" "Was Nicholas, was willst du von mir?" hauchte ich und verstand es nach wie vor nicht. Doch er sagte nichts. Er packte ohne weitere Wort meinen Nacken und zog mich zu sich. Ich spürte seine Lippen auf meiner Stirn. Ich schloss wieder die Augen. Warum beantwortete er meine Frage nicht? Warum ließ er mich so im Ungewissen? Wollte er Sex? Wenn ja warum forderte er ihn nicht ein? Wollte er Liebe? Die würde er niemals bekommen. "Was...?" wiederholte ich leise. "Für heute würde ich mir wünschen, dass du hier schläfst!" murmelte er gegen meine Stirn und ich erhob meinen Oberkörper. "Ich würde mich freuen wenn du dieser kleinen Bitte nachkommen würdest!" "Willst du mit mir schlafen?" fragte ich sofort. Das zauberte ein makelloses Lächeln auf seine Lippen. "Unter anderen Umständen sicherlich aber mit den Rückenschmerzen bin ich froh, wenn ich liegen darf und keine Teenagerin davon abhalten muss mir einen Brieföffner in die Brust zu rammen!" "Ich könnte es wieder versuchen!" "Sag mir Emily, hätte es dich glücklich gemacht." er strich mir über die Wange während er auf die ihn bereits bekannte Antwort wartete. Ich schüttelte leicht den Kopf. "Wahrscheinlich nicht!" gestand ich. Insgeheim war ich froh, dass meine Wut nicht gesiegt hatte. Der Plan von Valentin würde schon noch funktionieren und in diesem Moment war ich keine Mörderin geworden. Nicholas legte sich hin während er neben sich aufs Bett schlug. Ich kam der Aufforderung nach und legte mich neben ihm. "Ich hasse dich dennoch!" murmelte ich und zog die Decke bis zum Kinn. "Etwas anderes habe ich gar nicht erwartet!" So lagen wir in der Dunkelheit und ich fragte mich warum er nicht ausgerastet war. Warum er mich nicht mit Gewalt bestrafte oder mir etwas anderes antat, stattdessen wollte er, dass ich neben ihm schlief? Was würde morgen passieren, würde er seine Reaktion dann wieder bereuen? Nicholas Hand, die meine nahm befreite mich aus dem Loch, voller nicht zu beantwortenden Fragen. Ich musste mich wohl oder übel überraschen lassen. "Gute Nacht Emily!" sagte er leise. "Gute Nacht Nicholas!" Kapitel 28: Der Geruch von Waffeln ---------------------------------- Der Geruch von Waffeln und die Stimme von Chloe holten mich aus meiner Traumwelt in die Realität. Ein sanfter Übergang und schon war ich wieder im Hier und Jetzt. Langsam öffnete ich meine Augen und schloss diese umgehend wieder. Es war zu hell und ich zu müde. Mit Mühe zwang ich mich, meine Lider zu öffnen und den neuen Tag zu begrüßen. "Guten Morgen." hörte ich eine mir bekannte Stimme flüstern, so als wolle die Person keine Unruhe verbreiten. "Guten Morgen..." murmelte ich und schaffte es den Sonnenschein zu ertragen. Ich richtete mich auf und sah zu meiner Linken. Nicholas saß neben mir mit einem Buch in der Hand und einer Brille auf der Nase. Selbst mit Brille sah er gut aus. Er las einen dicken Roman und wirkte so als wäre er schon eine ganze Weile wach. Ich musterte ihn und mir fiel peinlicher Weise ein, dass ich diese Nacht einmal wach wurde und ihn dabei beobachtet hatte wie er neben mir schlief. Ich wurde sicherlich rot. Eine Ablenkung musste her. "Wie viel Uhr haben wir?" fragte ich als hätte das irgendeine Bedeutung. Zeit und Raum waren hier im Prinzip nichts wert. Es gab nichts was auf mich wartete oder unbedingt zu einer bestimmten Uhrzeit erledigt sein musste. "9:55 Uhr." antwortete Nicholas und klappte sein Buch zu. Er wandte sein Gesicht zu mir und lächelte. "Wie hast du geschlafen?" Diese Frage war zu leicht zu beantworten. "Gut..." murmelte ich und wollte es mir selber nicht eingestehen. "Und du?" Er nickte: "Gut!" wieder ein Lächeln. "Wir sollten Frühstücken!" meinte er dann und stand auf. Er rollte einen Servierwagen vors Bett. Jetzt wusste ich auch, dass der Geruch von frischen Waffeln kein Hirngespenst gewesen war. So gut es auch roch konnte ich meine Augen nicht von dem Mann abwenden der mir seinen Rücken zeigte. Erst jetzt fiel mir etwas auf, erst jetzt erkannte ich die Unebenheiten auf seiner Haut. Ich stand auf und ging zu ihm rüber, mein Blick auf seinen Rücken gerichtet. Ohne Worte streckte ich die Hand nach ihm aus. Dieser Mann wirkte wie eine zerrissene Seele, die mehr als nur das Seelenheil suchte. War er vielleicht einfach nur verloren? Warum kamen diese Gedanken? Warum konnte der Hass, der gestern beinahe dafür gesorgt hatte, dass ich ihn mit einem Brieföffner ermordet hatte nicht auch jetzt die Oberhand meiner Gefühle haben. Als meine Fingerspitzen die unebene Haut berührten zuckte Nicholas zusammen, es war kaum zu bemerken, meiner Aufmerksamkeit war es nicht entgangen. "Ich werde dir keine Antwort geben." sagte er leise. "Was wenn ich gar nicht fragen wollte." murmelte ich und ging die lange Narbe nach. Von was kam so eine Narbe? Ein Gürtel? Eine Gerte? Was war es gewesen? "Du wirfst mehr Fragen auf, als du Antworten gibst das ist nicht fair." fuhr ich fort und zog meine Hand zurück. Erst jetzt drehte sich der Ältere zu mir um und reichte mir ein Teller mit Waffeln. "Iss!" wies er mich an. Das Gespräch danach verlief nüchtern. Je mehr ich über ihn erfuhr umso mehr bemühte er sich wieder in der Dunkelheit zu verschwinden und mich alleine im Licht stehen zu lassen. Ich hatte gegessen, den Cocktail von Tabletten in mich rein geschüttet und hatte Nicholas alleine gelassen und ging mit einem zwiespältigen Gefühle Richtung Zimmer. Ich musste duschen. Auf dem Weg dorthin kam ich an einer offenen Tür vorbei. Ich hörte ein leises Stöhnen und die Neugier hatte mich gepackt. Ich spähte durch den Schlitz zwischen Zarge und Tür und erblickte Valentin. Er stand dort und verband sich die Hand. Ich trat herein. "Was ist passiert?" wollte ich wissen. Valentin wirkte ertappte und stellte sich kerzengerade hin. Er brauchte wenige Sekunden um sich zu fassen und sah dann zu mir. "Dummer Unfall mit einem Messer!" sagte er und lachte auf. "Ich bin nicht sonderlich geschickt im Umgang mit Gabeln, Messern und sonstigen Gegenstände, die scharf sind." Das Lachen wirkte nicht echt und das Gefühl, dass er mich anlog verflog nicht. Ich schloss die Türe und musste an den Vorabend denken. Hatte Ivan etwas mit dieser Verletzung zu tun? Ich lehnte mich gegen die verschlossene Türe und sah Valentin eingehend an. "Und wie genau die wahre Geschichte verlaufen?" fragte ich. Ich würde ihn solange nicht rauslassen, bis er mich nicht mehr anlog. "Emily, lass es gut sein!" sagte mein Gegenüber schließlich und das Lächeln verschwand. "War das Ivan?" kam es aus mir heraus. Diese Aussage verwunderte den Blondschopf. Er sah wieder auf. "Wie kommst du darauf?" Zu viel gesagt mit nur drei Worten. Nun wurde ich unsicher und lachte auf. "Ah nur so... ich meine ihr hattet euch gestritten und ich dachte...!" "Nein Ivan hat damit nichts zu tun!" fiel er mir ins Wort und glaubte meine kleinen Notlüge. Er hatte den Verband fertig angelegt und ging auf mich zu. "Ich muss los." sagte er und stand dicht vor mir. "Valentin... wenn was wäre würdest du es mir doch sagen oder?" Jetzt tauchte ein ehrliches Lächeln auf seinen Lippen auf. "Wen, wenn nicht dir!" sagte er und beugte sich etwas vor. Er legte seine Lippen auf meine Stirn. "Das hoffe ich!" murmelte ich und öffnete die Türe um ihn herauszulassen. Er ging und ich blieb zurück. Ich glaubte der Geschichte dennoch nicht und ich wusste Ivan musste damit was zu tun haben! Die Drohung von gestern und mein Fehler bei Nicholas zu übernachten. Sicherlich hatte Chloe, Ivan sofort auf Valentin angesetzt nachdem sie mich bei ihm im Bett gesehen hatte. Ich durfte mich nicht erpressen lassen! Ich musste den beiden klar machen wer hier die Hosen anhatte. Ich war hier gefangen?! Ich hatte nichts zu verlieren! Es gab nichts mehr, mein Leben gehörte mir seit einer ganzen Weile nicht mehr und so lange hier war würde ich mich weder von einem Gorilla noch von einer Blondine unterdrücken lassen. Ich musste handeln und das würde ich umgehend tun. Ich würde Ivan aufsuchen und ihm klar machen, dass er seine grobe Art und Weise gerne woanders ausleben konnte aber nicht hier! Kapitel 29: Ein Wort -------------------- Die Wut hielt den ganzen Weg über, bis ich "Ivan's Reich" erreicht hatte, an. Warum war alles was diesen Mann umgab, so düster? Warum war er so düster? Von Anfang an wusste ich, dieser Grobian war durch und durch schlecht. Er war vielleicht nicht so gefährlich und launisch wie Nicholas aber er schaffte es durch seine offensive brutale Art und Weise, Unbehagen in mir auszulösen. Vor einem Backsteinhaus blieb ich letztlich stehen. Hier lebte er mit anderen aus der Belegschaft, tatsächlich wirkte diese Ecke des Geländes eher unspektakulär. Ich blieb vor den vier Stufen stehen, die mich von der Haustüre trennten und hielt inne. Ich kannte hier mittlerweile schone eine menge, charakterlose und unnahbare Frauen und Männer, die für Mister Norton arbeiteten. Keiner bis auf Kelly und Valentin hatte sich Mühe gegeben mehr als die üblichen Floskeln. "Wie geht es Ihnen heute?" "Guten Morgen." "Gute Nacht" und so weiter an mich gerichtet auszusprechen. Die Interesse war einfach nicht vorhanden. Annäherungen meinerseits wurden konsequent abgeblockt. Hatten sie die Hoffnung nach fünf Mädchen letztlich aufgegeben? Rechnete keiner mehr damit, dass ich länger blieb als die anderen? Naja Unrecht hatten sie damit nicht. Bald würde ich das ganze hier verlassen. Doch bevor ich das tat, würde ich den emotionslosen Gorilla noch zu Rechenschaft ziehen. Irgendwie passten die Fragmente, die ich bereits erkennen durfte nicht zusammen. In einen Moment hatte Valentin es geschafft ihn in die Flucht zu schlagen und im nächsten Moment wurde der Blondschopf das Opfer des Russen. Ich stellte den linken Fuß auf die verschneite Stufe und sah herab. Warum passte rein gar nichts zusammen? Warum wirkten alle Puzzleteile, so als würden sie kein Puzzle ergeben? Ich atmete die kalte Luft tief ein und zog den Mantel zu, dann stemmte ich mich vom Erdboden ab und erklomm auch die restlichen Stufen, ging über die kleine Veranda und blieb vor der Türe stehen. Ob er überhaupt da war? Es war mittags, sicherlich gab es genügend Arbeiten für den breitschultrigen Mann. War da etwa Zweifel, der mich heimsuchte? Versuchte ich eine Ausrede für das Beenden dieses Vorhabens zu suchen? Ich stampfte kurz auf um mich selber zu ermahnen. Er mochte größer, stärker und kühler sein aber ich hatte nichts zu verlieren. Ich streckte meine Hand nach der Klingel aus als ich durch einen kräftigen Zug am Ellbogen davon abgehalten wurde. Ich stolperte rückwärts die Stufen herab und fiel beinahe hin. Erst als ich unsanft um die Ecke des Hauses gezogen wurde, erkannte ich die Person, die mich energisch davon abgehalten hatte zu klingeln. "Valentin!?" Ich sah ihn fassungslos an. Er hingegen sah mich ungewohnt ernst an. "Was hast du vor?" fragte er und ich sah auf seine verbundene Hand. "Ich werde Ivan das passende dazu sagen!" "Und dann, wenn du ihm deine Meinung gegeigt hast? Was dann?" wollte er weiter wissen. Ich zog meinen Arm zurück und drehte mich ganz zu ihm. Die Frage überforderte mich. Darüber hatte ich nicht nachgedacht. Ich schüttelte den Kopf. "Was wohl, er wird sich von dir fern halten." Das Hochziehen der Augenbraue meines Gegenübers zeigte mir ganz deutlich, was er von meiner Aussage hielt. Nicht viel! Ich ging an Valentin vorbei und wollte ihn stehen lassen um mein Aufgabe zu beenden, doch daraus wurde erneut nichts. Er ergriff mein Handgelenk und zog mich zu sich. Ich beugte mich dem Sog und ließ mich gegen die kalte Steinmauer drücken. Er ließ von meiner Hand ab und packte mit beiden Hände meine Schultern. "Du wirst in den letzten Tagen, die du hier bist sicherlich keinen solchen Fehler begehen!" "Wir können ihn doch nicht einfach so damit durchkommen lassen!" meinte ich und versuchte Zustimmung in den Augen meines Verbündeten zu erkennen. Doch die erkannte ich nicht. Sein Blick war nicht zu deuten. Er seufzte und rüttelte mich. Ich hatte Mühe meinen Kopf aufrecht zu halten. "Warum bist du so töricht so naiv?" fragte er verzweifelt und ich war nicht sicher, ob er mir oder sich diese Frage stellte. "Emily... es ist ok!" sagte der Blondschopf und hörte auf meinen Körper durch seine Bewegungen durchzurütteln. "Ist es nicht!" beharrte ich und verengte die Augen. "Ok Emily... wenn ich dir den Grund nenne warum du es besser sei lassen solltest wird diese Dummheit dann aus dem Kopf schlagen?" Nun versuchte er Zustimmung in meinem Blick zu finden und die gab ich ihm. "Das wäre ein Deal auf den ich mich einlassen könnte!" "Gut doch bevor ich dir das erzähle musst du zu Mister Norton... er verlangt nach dir... er ist ... naja heute nicht sonderlich gut gelaunt!" "Wie geht denn das? Vorhin war er doch noch freundlich und nett." Ich legte den Kopf leicht schief. Was war denn bitte in den wenigen Stunden, die wir voneinander getrennt waren, geschehen? Als ich die Bibliothek erreichte, in der Nicholas mich erwartete spürte ich etwas wie Sorge. Was wenn er seine schlechte Laune jetzt an mir ausließ?! Ich umklammerte die Klinke und drückte diese herab. Im Inneren stand der Herr des Hauses mit einem Buch in der Hand vor einer großen Fensterfront und blätterte ziellos in dem Schriftwerk. Als ich mich räusperte sah er auf. Wie Valentin bereits mitgeteilt, wirkte er keineswegs gut gelaunt. "Komm her!" befahl er mir in einem herrischen Ton und ich folgte der Anweisung wortlos. "Weißt du was Loyalität bedeutet?" fing er nüchtern an und schlug den Wälzer zu. Das Zusammenschlagen ließ mich zusammenzucken. Was genau sollte das hier werden? "Sicher!" sagte ich schnell. "Wie ist deine Loyalität mir gegenüber?" fragte er und betrachtete mich. Die Antwort lag doch wohl auf der Hand. So eine Frage zu stellen, nachdem ich versucht hatte ihn abzustechen grenzte an einer Absurdität, die nicht in Worte zu fassen war. "Gestern Abend..." fing ich an. Er schüttelte den Kopf. "Nein vergiss gestern Abend ich meine heute, hier und jetzt!" er kam einen Schritt auf mich zu und ließ das Buch auf den Boden fallen. Ich zuckte wieder zusammen. Seine Art war mit nicht geheuer. Er erwartete eine Antwort und ich hatte das Gefühl, wenn ich ihm nicht das sagte was er hörten wollte, hatte das Konsequenzen, die mir sicherlich nicht gefallen würden. Ich schluckte die Ehrlichkeit runter. "Im Hier und Jetzt ist meine Loyalität ausgeprägter den je." antwortete ich sicher und versuchte den Blickkontakt mit dem Mann zu halten, der noch einen Schritt näher kam. "Was ist dir deine Loyalität wert?" "Ich verstehe nicht ganz?" "Loyalität heißt, mich zu respektieren.. Respektierst du mich?" Ich nickte. "Steht mein Wohlbefinden über deines?" Ich nickte. Ein weiterer Schritt in meine Richtung. Ich blieb an der Stelle stehen, an der ich mich bei seiner Anweisung bereits platziert hatte und schluckte schwer. Diese Fragen wirkten so verschwörerisch als würden sie uns beide auf etwas Großes hinführen. "Wenn ich wollen würde... dass du dich hier und jetzt ausziehst nur damit ich meine Befriedigung darin finde dich anzusehen würdest du das ohne Zweifel machen?" Ich blinzelte und war mir nun sicher, hier mussten Kameras sein. Küssen, ok? Händehalten, alles klar? Mehr hatte er nie gefordert und nun?! Wollte er wirklich, dass ich mich auszog? Er sah mich abwartend an. Ich nickte. "Gut dann!" er hob eine Hand und deutete mir, dass ich genau das nun zu tun hatte. Ich biss mir auf die Zunge und öffnete den Rock. Nicholas ging einige Schritte zurück und lehnte sich an einen alten Sekretär, während ich mich unter seinen Blicken auszog bis auf die Unterwäsche. Ich stellte mich gerade hin und versuchte mit aller Mühe seinen kühlen, unergründlichen Blick standzuhalten. "Wie fühlt sich das an?" Ich schluckte und versuchte Worte in meinem Kopf zu ordnen. Ich fühlte mich tatsächlich unbehaglich. Warum hatte ich wieder das Gefühl jemand Fremden gegenüberzustehen? "Es ist ungewohnt?" fragte ich eher als das ich antwortete. Er sah sich meinen Körper nicht an. Er fixierte meine Augen und schien kein Interesse an dem Rest zu haben. Mein Brustkorb hob und senkte sich ganz unabhängig von meinem Willen. Ich wollte ruhig bleiben, doch da machte mein Herz nicht mit. Es pochte zu schnell und meine Lunge schien ebenfalls unentspannt zu sein. "Zieh den Rest auch noch aus!" sagte er leise beinahe flüsternd. Ich weitete meine Augen und nun packte mich die Panik. Wie gut er auch in der Vergangenheit gewesen sein mochte das ging zu weit. Ich schüttelte den Kopf. "Nein!" "Ist hier etwa das Ende deine Loyalität erreicht?" wollte er wissen und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich sagte nichts. "Zieh dich aus!" wiederholte er mit noch mehr Nachdruck und neigte den Kopf leicht. Sein Blick wirkte bedrohlich und ich fühlte mich wie ein Reh ausgeliefert an einen von Wahnsinn erfüllten Wolf. Mit Mühe schüttelte ich erneut den Kopf. "Nein Nicholas, das kannst du vergessen!" Ich beugte mich zu meinen Klamotten, als ich die schweren, schnellen Schritte von Nikolas vernahm. Er packte sich mein Handgelenk und riss mein Arm in die Luft, ich ließ die Klamotten los und sah panisch in das markante Gesicht des Mannes, der mir das Gefühl gab Gefangen zu sein. Jeder Funke, der mir in dieser Welt Wärme geschenkt, war wertlos geworden. Ich war eine Gefangene! Er tat mir weh und ich verzog das Gesicht. "Deine Loyalität ist nichts wert... wenn sie nicht echt ist..." Ich kniff die Augen zusammen. "Sieh mich an!" flüsterte er. Ich kam dem Wunsch nicht nach. Ich konnte nicht, ich wusste nicht wie ich reagieren würde. Würde ich mich zusammenreißen und die Tränen unterdrücken können? "Sieh mich an..." wiederholte er etwas lauter. Wieder ignorierte ich seine Worte. Meine Beine fühlten sie an wie Pudding. Mir war nicht klar, wie lange sie noch durchhielten. "Sieh mich an!" schrie er nun und mein Körper verkrampfte sich von Panik bestimmt. Reflexartig sah ich auf direkt in seine Augen, die mir die Unnahbarkeit entgegen brachten, die ich nicht gebrauchen konnte. Er hatte mir eine Art von Geborgenheit gegeben, die er mir nun entriss. Der Strohhalm, an dem ich mich gekrallter hatte war nicht mehr zu greifen. Ich versuchte die Tränen zu unterdrücken. "Weißt du Emily..." wurde er wieder leiser und ließ meine Hand los. Ich fiel auf die Knie und merkte ich war wie eine Marionette gewesen, befestigt an einem dünnen Seil. Ich rieb mir das Handgelenk und sah nicht auf. Ich schafft es nicht. "Loyalität reicht mir nicht aus... sie reicht mir bei dir nicht aus..." er ging vor mir in die Hocke. "Bei dir brauche ich mir... mehr Macht... mehr Einfluss... ich weiß was du denkst... du hast die Hoffnung, dass du hier rauskommst aber das wirst du nicht... und solange du das nicht begreifst wird dir Loyalität nichts nützen." erklärte er mir wie ein Lehrer. Ich lauschte seinen Worten und starrte unnachgiebig auf seine schwarzen Schuhe. "Was hast du nun vor? Wie willst du mich zügeln?" fragte ich und hatte Angst vor der Antwort. "Ein Wort... Emily... ein Wort... Abhängigkeit!" Kapitel 30: Nachts um 3:00 Uhr in der Küche ------------------------------------------- Ich konnte mir nicht vorstellen was Nicholas unter Abhängigkeit verstand! Wollte er mich mit Drogen gefügig machen? Wenn ja wofür? Die Situation in der Bibliothek schüchterte mich ein und ich hatte sofort die Flucht ergriffen als ich die Chance dazu bekam. Die Flucht führte mich zu Sky, der einzige Ort an dem ich mich sicher fühlte. Ich saß wieder mal im Stroh und beäugte den Gaul vor mir. „Emily?" hörte ich Valentin rufen und wenn das alles nicht so grausam gewesen wäre würde ich darüber sicherlich schmunzeln müssen, denn dieser Moment war das reinste Déjà-vu. „Wenn ich dich suche finde ich dich zu 100% hier." Lächelte Valentin und öffnete die Holztüre der Box. „Was ist nur falsch mit dem?" sprudelte es aus mir heraus und ich wischte mir die letzten Tränen weg. Valentin ging vor mir in die Hocke. „Er ist speziell!" „Ihr redet immer so als wäre das total normal als wäre er trotz allem ein liebenswerter Mann, das ist er aber nicht!" fuhr ich fort. Das Lächeln auf den Lippen meines Gegenübers machte mich rasend ich sprang auf und ging an ihm vorbei. Ich musste gehen, sonst hätte ich dem jungen Mann, der mir immer wieder Halt bot sicherlich eine runtergehauen. Ich stapfte Richtung Ausgang, Valentin folgte mir. "Du musst dich auf ihn einlassen." Ich blieb stehen und drehte mich um ohne weiter nachzudenken stürmte ich auf den Blondschopf zu und schubste ihn, er hatte Mühe stehen zu bleiben fing jedoch auf meine zweite Attacke ab. „Seid ihr alle eigentlich noch ganz dicht? Jeder der hier arbeitet hat doch ne Klatsche, wie könnt ihr einen Mann unterstützen der Frauen entführt?" Ich hatte Valentin bis zu diesem Zeitpunkt nicht so angefahren ich hatte seine Sorge, die meine Fragen aufwarfen berücksichtigt und nicht weiter nachgeforscht aber jetzt reichte es mir. „Emily!" versuchte mich er Größere zu besänftigen. „Das ist doch alles scheiße!" schrie ich und vergrub meine Finger voller Verzweiflung in meinen Haaren. Ich ging in die Hocke und starrte auf den Boden. „Meinst du mir macht es Spaß dich so zu sehen?" fing nun mein Gegenüber an und kam etwas näher. Er ging vor mir herab und legte eine Hand unter mein Kinn, das er leicht anhob. Ich versuchte seinem Blick auszuweichen, der gab mir keine Möglichkeit dazu. „Ich weiß es nicht...!" „Hast du vielleicht einmal nicht nur an dich gedacht? Hast du seit du hier bist vielleicht ein einziges Mal an eine andere Seele hier als an deine eigene gedacht?" Er wirkte erbost. War ich daran Schuld, dass er böse wurde? Ich fixierte seine Augen und versuchte zu erkennen und ich erkannte. Ich ließ mich darauf ein und das erste Mal nahm ich jeden Mut zusammen und ging einen Schritt weiter, ich blickte über den Tellerrand und erkannte was er meinte. Woher wusste ich ob die hier lebenden Menschen aus eigenen Stücken oder aus demselben Grund hier waren wie ich? Vielleicht wurden sie auch entführt und hier zu loyalen Sklaven herangezüchtet. Ich blinzelte und Valentins Blick wurde sanfter. Er hatte wohl das gesehen was er sehen wollte und ließ mein Kinn los. Ich hatte keine Ahnung, weder Valentins noch Ivans Geheimnis war für mich bekannt. Hatte Nicholas nur die Loyalität der Menschen gewonnen oder hatte er sie abhängig gemacht so wie er es mit mir vorhatte?! Ich lag die halbe Nacht regungslos, in meinem viel zu großen Bett, wach und starrte vor mir her. Eine kleine Lampe auf meinem Nachtischt spendete gerade genügend Licht um den Stuck an der Decke erkennen zu können. Draußen tobte ein Schneesturm. Als die Uhr 3:00 Uhr schlug richtete ich mich auf. Ich hatte Hunger und sah keine Chance in den nächsten Minuten einschlafen zu können. Ich ging zur meiner Zimmertüre öffnete diese so leise wie möglich und schlich mich in die riesige Küche. Ich betrat den Raum und ließ die Türe hinter mir ins Schloss fallen. Schnell erkannte ich, hier war ich nicht alleine. Ich blieb im Türrahmen stehen als ich Nicholas erblickte, er saß an dem Tisch vor mir und aß etwas von dem Essen, das es wohl zum Abend gegeben hatte. Er sah von seinem Buch auf und richtete seine Brille. Ein seltsames Bild bot sich mir, er trug ein ausgeleiertes Shirt und eine Jogginghose. Vor ihm stand eine Flasche Bier und die Pommes auf seinem Teller führte er mit den Fingern zu seinem Mund. Er schien mindestens genauso überrascht wie ich. Er schluckte seinen Biss runter und sah wieder auf sein Buch. „Nimm dir ein Teller und setz dich zu mir." Wies er mich sofort an und ich kam seinen Worten nach. Ich nahm mir Pommes und etwas von dem Fleisch. Es roch herrlich und ich war gespannt ob es auch genauso schmeckte wie es roch. Ich setzte mich an den Tisch und sah zu dem Mann der am Kopfende saß und weiter seine Zeilen lass. „Da habe ich heute ja mal wieder ein Gaumenschmaus verpasst..." sagte ich so lässig wie möglich. Doch ich war nicht lässig ich war nicht mal locker. „Das gab es heute nicht!" entgegnete er trocken und griff nach seiner Flasche Bier, die er während er weiter las an seine Lippen führte und einen Schluck nahm. „Nicht?" kam es aus mir heraus. Das überraschte mich wirklich. Hatte er wirklich selber gekocht? „Nein ich hatte spontan Appetit auf ein Steak und habe welche gemacht... das kommt ab und mal vor." Erklärte und ließ den nächsten Schluck Alkohol seine Kehle herablaufen. Ich fing an mich über das Essen her zu machen, weniger befreit wie sonst und immer mit dem Hintergedanken ich könnte irgendetwas falsch machen. Nach einigen Minuten der Ruhe, durchbrach mein Tischnachbar die Stille. „Wie schmeckt es dir?" fragte er so beiläufig wie es nur ging. „Überraschend gut." Sagte ich unbedacht. Erst jetzt widmete sich Nicholas meiner Person, er sah auf, zog seine Brille herab, legte diese auf den Tisch und lehnte sich mit dem Bier in der Hand nach hinten. Ich unterbrach das Kauen und ließ die Erscheinung des Mannes auf mich wirken, der wie ein normaler Mensch wirkte. Das gefiel mir, das gefiel mir sogar sehr gut. Ich zwang mich auf meine Teller zu blicken und tätigte den nächsten Bissen. „Ich kann so einiges Emily... Kochen ist dabei meine leichteste Übung." Sagte er und wusste, dass er mich beobachtet wie ich sein Essen verdrückte. „Das alles muss so nicht laufen... wenn du dich benehmen würdest müsstest du nicht um 3:00 nachts hierher kommen um etwas zu essen!" „Was blieb mir anderes übrig nach der Aktion in der Bibliothek..." murmelte ich und blickte auf den leeren Teller vor mir. Ich war fertig und kam nun in die Verlegenheit ihn doch ansehen zu müssen. „Ich wäre wirklich gerne netter zu dir aber du machst es mir schwer!" wieder ein Schluck Bier. Auch das wirkte so unnatürlich, der Mann, der sonst sündhaft teuren Wein trank saß nun vor mir, keineswegs edel und trank stinknormales Bier. Plötzlich wirkte alles was bisher geschehen war wie ein riesiges Theater. Spielte er mir vielleicht einfach etwas vor? War die ganze Aufmachung gar nicht die Realität, die er lebte? Ich schob den Teller weg und richtete mich auf. Er folgte mir mit seinen Blicken, ich ging auf ihn zu und stellte mich genau vor ihn. „Wir sollten aufhören!" Er hob eine Augenbraue. Ich schnappte mir sein Bier und nahm einen Schluck, dabei ließ auch ich ihn nicht aus den Augen. Ein Grinsen erschien auf seinen Lippen, ein Grinsen, das ich nicht gewohnt war, das mir aber sehr gut gefiel. „Warum lassen wir die Spielereien nicht mal beiseite und lassen die Wahrheit ans Tageslicht kommen!" fuhr ich fort und reichte ihm sein Bier, das er annahm. „Und wie soll das aussehen?" „Wie wäre es wenn du mir genau jetzt sagst was du gerne mit mir anstellen würdest!" Das Grinsen verschwand, er schien nachzudenken und die ausbleibende Antwort verunsicherte mich. War ich wieder zu weit gegangen? Er richtete sich auf und stand nun ganz dich vor mir. „Was ich gerne mit dir anstellen würde?" wiederholte er meine Frage. „Die Wahrheit?" vergewisserte er sich. „Die Wahrheit!" flüsterte ich. Er ließ die Hand in meine Richtung fahren und packte nach meinem Nacken. Er zog mich noch näher an sich, ich folgte dem Sog und stand schließlich auf Zehnspitzen. „Ich würde dich gerne einsperren in einen goldenen Käfig, damit ich dich begutachten kann wie einen wunderschönen Vogel..." Ich schluckte. Damit hatte ich jetzt nicht gerechnet. „Aber das würde ich niemals tun...!" „Warum nicht? Würde ich dich irgendwann langweilen?!" „Der Anblick würde mich irgendwann melancholisch werden lassen." „Aber was anderes machst du doch auch jetzt nicht..." versuchte ich ihn die Gegenwart vor Augen zu halten. „Doch... in dem Käfig könnte ich niemals das Erkennen was ich heute erkenne, wenn ich dich ansehe! Ich erkenne etwas was du dir selber nicht eingestehen würdest..." fuhr er unbeirrt fort und kam mir seinen Lippen noch näher. „Ich kann es sogar genau in diesem Moment in deinen Augen lesen... sie sind wie ein Buch, das gelesen werden will...!" „Du spinnst was solltest du lesen können?" „Den Wunsch, dass ich dich hier und jetzt küsse!" Plötzlich machte mein Herz einen Aussetzer, wie konnte er das behaupten?! Wie konnte er so richtigliegen!? Es brauchte keine weitere Sekunde und ich lehnte an dem Tisch und er vor mir. Ich stützte mich mit den Händen auf der Platte ab während er meine Lippen mit seiner Zunge liebkoste. Ich schloss die Augen und spürte den Schwindel, der mich überkam. Wie konnte er diese Gefühle in mir hervorrufen? Der Mann, der mich vor wenigen Stunden noch gedemütigt hatte? Ich war ein Fähnchen im Wind und blitzartig wurde mir klar, was er vorhatte und bereits in kleinen Schritten geschafft hatte. Ohne das ich es auch nur erahnen konnte, hatte er angefangen ein Bestandteil meines Lebens zu werden, den ich brauchen würde. Seit dem Tag, an dem ich meine Räumlichkeiten bezogen und mit ihm Zeit verbracht hatte, hatte er begonnen die ersten Grundsteine gelegt. Er hatte mich bereits vor seinem Geständnis mich abhängig machen zu wollen, in die Abhängigkeit geführt. Ich war von seinen Launen abhängig, ich genoss seine Nähe und dennoch hasste ich ihn. Er löste den Kuss und sah mir tief in die Augen. Ein Schmunzeln erschien und seine Mimik lockerte sich. Er hatte bemerkt, dass ich begriffen hatte. Er stellte die Flasche Bier neben mich und ging zur Türe. „Mache doch bitte das Licht aus wenn du gehst!" ________________ Vielen Dank an die fleißigen Leser, die der Geschichte folgen und sie hoffentlich mit Spaß lesen. Vielen Dank an die lieben Menschen, die mich mit ihren netten und liebevollen Kommentaren erfreuen und mir das Gefühl geben, dass das was ich schreibe gut ist. DANKE :) Kapitel 31: Ein neues Gesicht ----------------------------- Ich lief meine Runden in dem hauseigenen Park. Heute stand Sport an und das im neugefallenen Schnee. Der Schneesturm hat die zuvor kahlen Stellen wieder unter einem kalten weiß vergraben. Neben den Tabletten gehörten die Sporteinheiten zum Alltag, daran war ich bereits gewöhnt und meine Knochen konnten mittlerweile wieder wie es ich wollte. Es dauerte eine ganze Weile bis ich meine Vitalität zurückerkämpft hatte. Der Unfall und die damit verbundene Schonfrist hatten mich beinahe alle Muskeln gekostet. Heute absolvierte ich unter den Augen von Bob ein Angestellter von Nicholas und Valentin meine Runden. Mein Aufpasser stand mit einem Schokoriegel eine halbe Stunde an der gleichen Stelle und zeigte mir immer dann einen Daumen, wenn ich wieder an ihm vorbeikam. Meine Beine brennten und ich spürte meine Lunge, wie sie kalte Luft verarbeitete. Ich konzentrierte mich so sehr auf meinen Körper, dass ich es schaffte die Gedanken an die vergangenen Stunden abzuwimmeln. Mir war es gelungen vor mir selbst und den tausende Fragen wegzulaufen. Ich war einige Minuten mit einer Leere in meinem Kopf durch den Schnee gelaufen. Lange hielt der Zustand nicht an. Sobald ich zum Ende kam drängten sich die Gefühle und Gedanken wieder auf. Hatte ich mich wirklich schon viel zu sehr auf den Hausherren eingelassen? War ich so durchschaubar geworden? War das seine Art von Spiel? Ich wurde langsamer und wirbelte meine Arme und meine Beine ein wenig um mich zu lockern. Ich streckte mich und lehnte mich schließlich auf meinen Knien ab um mich etwas zu entspannen. Ich hatte es tatsächlich geschafft die Gedanken abzuwimmeln und war einige Minuten mit einer leere durch den Schnee gelaufen. Ein Klatschen bestärkte mich in der Annahme, dass ich fitter geworden war. „Sehr schön Miss Miller morgen können wir dann eine Schippe drauflegen!" verkündete der rundliche Mann und kam auf mich zu. Meiner Meinung nach hätten ihm einige Meter auch gutgetan. Ich richtete mich auf und nahm die Flasche entgegen, die er mir reichte. Ich nahm einen Schluck des kalten Wassers und ließ den Blick zur meiner Rechten gleiten, dabei hielt ich die Flasche weiterhin an meinen Mund. Ich erblickte Nicholas mit einem mir fremden Mann in seinem Alter. Beide gingen durch den Schnee und unterhielten sich vertieft. „Wer ist das?" fragte ich Valentin der von der Bank aufgestanden war und nun neben dem Aufpasser auftauchte. „Ein Geschäftsmann von Mister Norton, Mister Lane sein Name!" erklärte der Blondschopf und zog den Reißverschluss bis zum Hals zu. Ich konnte an seiner Stimme nicht erkennen, ob der Mann gut oder böse war. Der dickliche Bob reichte mir eine Jacke, die ich direkt über meine Schultern warf. Mir war zwar heiß aber ich durfte mich ja unter keinen Umständen erkälten. „Ich bringe sie rein!" übernahm Valentin die Aufgaben des Älteren, dieser nickte nur und ging. Was auch immer Valentin für eine Stellung hatte so bedeutungslos war sie nicht. Jeder hörte auf sein Wort. Ich folgte den beiden Männer mit meinem Blick, sie betraten den Park und bewegten sich in unsere Richtung. Nicholas entschuldigte sich bei dem mir Fremden und kam direkt auf uns zu. Sein Begleiter zückte ein Handy und rief jemanden an. Direkt ratterten meine Gedanken ich könnte Hilfe rufen! Ich musste nur an das Handy kommen! Meine Augen glitten von dem im Anzug gehüllten, gut aussehenden, telefonierenden Mann zu Nicholas, dessen Blick nichts Gutes erahnen ließ. „Was macht sie hier?" fragte er und blickte mich dabei nicht an, er fokussierte nur Valentin. Als hätte er mich nicht selber fragen können. War die Sporteinheit nicht abgesprochen gewesen so wie sonst alles? Manchmal hatte ich das Gefühle, das selbst atmen nur mit Zustimmung des Herren gestattet war. „Ich dachte...!" fing Valentin an und trat ein Schritt vor, sodass er ein wenige Zentimeter vor mir stand. „Du sollst nicht denken du sollst meinen Anweisungen folgen! Bring sie ins Zimmer, sie soll sich duschen und in einer halben Stunde erwarte ich sie im Doktorenzimmer!" wies er mein Begleiter keineswegs nett an, dabei gab er mir gekonnt das Gefühl nicht anwesend zu sein. „Wenn ich was bemerken darf..." mischte ich mich in das aufgebrachte Gespräch ein. „Darfst du nicht!" sagte er und drehte uns den Rücken zu. Mit einem erhöhten Tempo entfernte er sich von uns und ging zurück zu seinem Besuch, der auflegte und Nicholas ein freundliches Lächeln schenkte. Nicholas wirkte nervös, und diese Nervosität übertrug sich auf Valentin, der mich kurz nach der Ansage drängte genau dem Gesagten nachzukommen. Etwas stimmte hier nicht, etwas stimmte hier ganz und gar nicht und das hatte sicherlich etwas mit dem Gast zu tun. Kapitel 32: Der Check-up für meine Zukunft ------------------------------------------ Das Gefühl, dass der Unbekannte Unfrieden stiften würde ließ mich nicht los. Selbst dann nicht als ich unter Druck von Valentin duschen ding, meine Haare föhnte und mich ins Kleid drängte. Ich stürmte aus dem Band und drehte mich mit dem Rücken zu Valentin, den ich auf dem Sofa flüchtig erblickt hatte. Ich nahm die Haare zur Seite um ihm das Dilemma zu zeigen. "Valentin!" mahnte ich ihn als er von alleine nicht auf die Idee kam mir zu helfen. Ich merkte die Nervosität hatte auch mich in Gefangenschaft genommen. Ich bekam wieder keine Antwort, ich spürte nur wenige Sekunden später die Hände an meinem Kleid und hörte wie der Reißverschluss geschlossen wurde. Mir war sofort klar, das war nicht mein Verbündeter. Wann war Nicholas aufgetaucht und wie konnte das geschehen, ohne das ich es bemerkt hatte? War ich so gestresst, dass es mir nicht aufgefallen war das nicht Valentin auf dem Sofa saß, sondern er. „Du bist sicherlich nicht hier um mir bei beim Anziehen zu helfen!" meinte ich nur und ließ meine Haare über meine Schulter fallen als Nicholas das klemmende Ding geschlossen hatte. Ich drehte mich zu dem Größeren und sah ihn abwartend an. Was wollte er mir nun sagen? Das ich mich benehmen sollte? So, wie man es einer kleinen, ungezogenen Göre sagte? Er legte seine Finger um mein Kinn und drückte ein wenig zu. Damit wollte er seinen nachfolgenden Worten wohl mehr Druck verleihen. „Glaube ja nicht, dass er deine Fahrkarte nach draußen ist. Er ist eingeweiht und wird dir nicht helfen zu entkommen." Ich schluckte. Natürlich war dieser Gedanke naheliegend. Sicherlich würde jeder, der entführt wurde, in dem Besuch die Erlösung suchen aber dennoch war ich erschreckt. „Er wird dir nicht helfen. Niemand hier wird dir helfen du gehörst hierher du gehörst zu mir, vergiss das nicht." Er zog mein Gesicht zu sich und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Ich schluckte wieder, dann ließ er mich los und ging zur Türe. Ich blieb wie angewurzelt stehen. Immer wenn er mir vor Augen hielt wie hilflos ich war spürte ich diese Ohnmacht, diese Ohnmacht die mich lähmte wie in diesem Moment. Doch er ließ nicht zu, dass ich mich in ihr verlor. „Kommst du?" Gemeinsam betraten wir das Doktorenzimmer. Das kannte ich bereits aus mehreren Sitzungen mit dem hier herumlaufenden Arzt, Mister Brown. Dieser war ebenso anwesend wie Valentin und Mister Lane. Die Anwesenheit von Valentin verwirrte mich am meisten. Ich war froh, dass er dabei war aber hier schien es sich nicht um eine Situation zu drehen, die für ihn relevant war. Er musste mich schließlich nicht hetzen oder anderweitig unterstützen. „Das ist Mister Lane und das ist Emily Miller." Machte Nicholas mich mit dem im Anzug gekleideten Mann bekannt. Er reichte mir die Hand und nickte mir begrüßend zu. „Sehr erfreut, Emily!" meinte der, mir nun nicht mehr ganz unbekannte und ich kam seiner Geste nach. „Sehr erfreut." Murmelte ich und log dabei. Seine hellblauen Augen wirkten unangenehm auf mich, zumindest der Blick, den er mir schenkte. Auf seinen schmalen Lippen erschien ein Lächeln. Es wirkte charmant aber anders wie bei Nicholas, es war perfekt viel zu perfekt. Warum umgab sich der Hausherr nur ständig mit solchen Menschen? Erst Ivan und jetzt der!? Ich wollte uneingenommen an die Sache herangehen, schließlich hatte ich gegen Nicholas Drohung dennoch die Hoffnung zu entkommen und das vielleicht mit dem Handy des aalglatten Mannes. „Sie können beginnen." Wies Mister Norton Mister Brown an, der auf mich zuging und mich zur Krankenliege führte. „Hallo Emily, wie geht es dir?" Begrüßte er mich freundlich und legte mir die Druckmanschette zum Blutdruckmessen an. Er war auch der Mann, der Nicholas vor einigen Tagen eingerenkt hatte. Er war zwar nett, dennoch genoss auch er meine Skepsis. Für Geld machte man wohl alles! "Alles gut danke!" antwortet ich leise und beobachtete wie er die Druckmanschette anlegte, diese aufpumpte und wenig später den Druck, der sich aufgebaut hatte, entweichen ließ. Dabei verfolgte er die Abläufe mit einem Stethoskop. Dies alles geschah unter den kritischen Augen von Mister Norton und Mister Lane. Beide standen mit verschränkten Armen an der Seite und warteten auf das Ergebnis, das gut ausfiel. Alles in Ordnung auch die Reflexe meiner Knie, und das checken der Organe war in Ordnung. Die Prozedur dauerte eine halbe Stunde und alles unter ständiger Beobachtung. Selbst Valentin war die ganze Zeit über anwesend, stand jedoch etwas abseits und folgte dem Ganzen mit einem undefinierbaren Blick. Seine Mimik wiedersprach sich andauernd, er wirkte unerfreut wenn das Ergebnis gut war und aufgeregt, wenn die Untersuchung im Gange war. Er wirkte nach wie vor nervös. Mister Norton hingegen war zufrieden. Als es darum ging meinen Umfang zu messen trat Mister Lane hervor. „Ab hier übernehme ich." Sagte er und streckte die Hand aus. Ich blinzelte auf. Wie? Was genau hatte er mit der ärztlichen Untersuchung zu tun? Mister Brown sah zu Nicholas, der nickte und gab dem Gast das Maßband. Das Kleid musste ich nicht mehr ausziehen, das hatte ich bereits für den Ultraschall getan. So stand ich in Unterhemd und Unterwäsche vor dem Fremden, der das Maßband an meiner Taille anlegte und für ihn wohl wichtigen Daten aufnahm. Brust, Bauch, Po. Was genau sollte das werden? Wurde ich gerade verkauft? Er ging in die Hocke und legte das Band an meinen Hintern an, dabei sah er auf. „Modelmaße hättest du schon mal." Sagte er und lächelte wieder überspitzt. „Na dann weiß ich ja was mal aus mir wird..." entgegnete ich weiterhin verwundert über die Prozedur. Er richtete sich wieder auf und ging zu einer der zwei Holzkommoden. Er nahm die dort liegende Spritze während ich entschied, dass es nun gut war mit den Doktorspielchen. „Jetzt werden wir noch Blut abnehmen und dann haben wir es geschafft, danach können wir zum angenehmen Teil übergehen. Du hast sicherlich auch schon Appetit." Meinte er und versuchte sich offensichtlich gut mit mir zu stellen. Ich nickte ohne darüber nachzudenken. Die Tatsache, dass er mir Blut abnehmen wollte war in dem Moment viel schwerwiegender. Mister Brown war bereits verschwunden so blieben nur noch Nicholas, Valentin und Mister Lane. Ohne was zu sagen, schnappte ich mir mein Kleid und stürmte zur Türe. Valentin hielt mich nicht auf, ich hatte sogar den Eindruck, dass er in Schritt zurückgewichen war. War mich aufzuhalten, nicht vielleicht der Grund warum er überhaupt hier war? Das letzte Mal war ich richtig ausgerastet, so sehr, dass ich Mister Brown verletzt hatte. Ich umfasste die Türklinke und öffnete die Türe, doch ein starker Arm um meinen Bauch hielt mich von der Flucht ab. „Du bleibst hier." Flüsterte Nicholas mir ins Ohr. Er zog mich wieder zurück ins Innere. Mister Lane stand mit der Spritze in der Hand vor mir. „Hat da jemand Panik?" „Die hatte ich bevor ich hierher kam nicht!" Knurrte ich und versuchte mich gegen die Umarmung zu wehren ohne reelle Chance. „Nur leider hat man mir zu Beginn genügend Spritzen in den Körper gerammt, sodass ich eine Phobie entwickelt habe." Fuhr ich unbeirrt fort und holte mit dem Arm aus. Ich rammte Nicholas ohne Reue und Zurückhalt meinen Ellbogen in die Seite. Doch er löste seinen Griff nicht. Ich versuchte durch hüpfen ein wenig Lockerung zu erfahren doch nichts. Ohne wirkliche Gegenwehr legte, der mir nun noch unsympathischere, Mann den Stauch schlauch an und zog zu. „Das wird ganz schnell gehen!" lächelte er und versuchte mich wohl so zu beruhigen. Ich versuchte meine Arme so schnell zu bewegen, das seine Blutentnahmen unmöglich war, doch viel zu schnell landete ich auf meinen Knien und Nicholas ließ seine Umarmung von meinem Bauch zu meinen Armen wandern. So hielt er meinen gesamten Oberkörper mit seinen starken Armen ruhig. Die Nadel fand ihren Weg durch meine Haut zu meiner Ader. Das Blut lief in die Kanüle. Ich drehte mein Gesicht zur Seite und versuchte nicht zu heulen. Ich durfte nicht weinen! Ich schluckte die Wut und das Gefühl der Demütigung runter um meine Schwäche zu verstecken. „Ich kenne einige Patienten mit einer Nadelphobie, schäme dich dafür nicht." Meinte Mister Lane und sah von seiner Arbeit auf. Ich ließ mein Gesicht zur Seite gedreht. Mir waren seine Aufmunterungen egal. Nach nur einer Minute, die mir wie eine Ewigkeit vorkam, war es vorbei mit einem Pflaster wurde die brutale Aktion beendet. Nicholas ließ mich los und ich blieb auf den Knien. „Damit hätten wir alles was wir brauchen!" verkündete Mister Lane und reichte mir die Hand. Ich hielt mein Kleid vor meinen Körper und ignorierte seine Geste. Ich starrte vor mir auf den Boden und hätte schreien können. „Sie beruhigt sich schon wieder." Meinte Nicholas abwertend und ging zur Tür. „Schickt mir Chloe!" wies er jemanden außerhalb dieser vier Wände an. Ich sah über meine Schulter zu Valentin, der meinem Blick auswich. Was war hier los? Ich vernahm Chloes Schritte, die Absätze waren nicht zu überhören. „Hilf ihr beim Kleid und bring sie in den Essenssaal!" wies er die Blondine an. Ich konnte mir denken wie sie sich mit Mühe ein Grinsen verkniff. „Natürlich Mister Norton." Sagte sie demütig und ging an mir vorbei, um sich vor mich zu stellen. „Na komm Kleine wir machen das schon." Sagte sie überfreundlich. Diese Freundlichkeit hielt genau solange, bis die drei den Raum verlassen hatten. „Du bist so unfassbar dumm steh auf du dummes Ding und zieh dich an!" maulte sie sofort und zerrte an meinem Arm. Ich zog diesen ruckartig weg. „Fass mich nicht an!" zischte ich und stand auf. Ich zog mir das Kleid über und verließ das Zimmer mit offenen Reißverschluss. Diese dumme Kuh brauchte ich zu meinem Glück derzeit nicht. Kapitel 33: Die Wahrheit ------------------------ Ich war gerade dabei den Saal zu betreten, in dem es sicherlich ein schmackhaftes Menü gab als ich aufgebrachte Stimmen vernahm. Ich folgte den Klängen und fand zur meiner Überraschung Nicholas und Valentin. Sie standen in einen der unzähligen Zimmer in diesem Herrenhaus und diskutierten. Valentin wirkte nicht gerade untergeordnet, er hatte die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und schien genervt. „Ich kann deine Art und Weise wie du mit der Situation umgehst nicht verstehen und geschweige denn akzeptieren." Meinte Nicholas und drohte ihm mit dem Zeigefinger. Ich spähte durch den Schlitz, den die nicht ganz geschlossene Türe bot. „Warum bist du so verbohrt?" fragte Valentin und stöhnte auf. Ich hob eine Augenbraue die redeten so, als würden sie sich besser kennen als zugegeben. „Du hast im Moment auch nichts anderes zu tun als alles noch zu erschweren!" warf ihm Nicholas vor und sah ihn erzürnt an. Das schien den Jüngeren nicht zu beeindrucken. Ich konnte beide von der Seite aus erkennen und so offenbarten sie mir neben ihrer Körperhaltung auch ihre Mimik. „Erschweren was denn? Dir fiel es doch bisher immer leicht die nächsten Schritte durchzuziehen!" meinte Valentin vorwurfsvoll und löste seine Hände von dem Kopf. „Dir war bisher immer egal was sie empfinden oder was für Opfer andere, außer dir, bringen mussten." Ich sah wie Valentin an Nicholas vorbeiging und sich ans Fenster stellte. Mister Norton ließ den Arm fallen und blieb ebenfalls mit dem Rücken zu dem Blondschopf gewandt. „Ah meinst du?" wurde er ruhiger. „Es hat nie anderes gewirkt auch jetzt ist es dir egal, wie es ihr dabei geht!" machte der Lautere weiter. „Was anderes bleibt mir nicht übrig..." hörte ich Nicholas sagen und wieder passte nichts zusammen. Ich dachte an die Momente, in denen er mir das Gefühl vermittelte, dass er das mit mir nicht wollte und dennoch verstand ich den Grund nicht. Was hatten die beiden vor? Was hatten sie mit mir vor? „Du weißt wie es läuft und du wirst dich ab jetzt raushalten. Vor allem wirst du aufhören mir Steine in den Weg zu legen!" mit diesen mahnenden, letzten Worten kam Nicholas auf mich zu. Ich war wie versteinert und sah nur wie er immer näherkam. Ich erlangte die Kontrolle über meinen Körper zurück und brachte meine versteinerten Glieder sich zu bewegen. Ich lief zur nächsten Ecke um die ich mich warf und mit dem Rücken gegen die Wand knallte. Ich hörte Nicholas Schritte, die verstummten als die schwere Tür zum Essenssaal hinter ihm ins Schloss fiel. Ich atmete hastig und das Gehörte, bereitete mir kein gutes Gefühl. Ich verspürte eine Sorge, die ich bisher nicht kannte. Ich war im Glauben, dass ich hier bleiben sollte und das für immer und nun war ich mir gar nicht mehr so sicher. Der Gedanke, das Nicholas mich vielleicht doch lieber loswerden wollte war in mir aufgekeimt und trug Früchte, Früchte namens Angst. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Ich hatte Kelly abgefangen und sie gebeten mir das Kleid zu schließen. Danach wartete ich bis Valentin im Inneren des Saals verschwunden war und folgte wenige Minuten drauf. Die Augen auf mich gerichtet. "Da ist ja der Ehrengast." begrüßte mich Mister Lane und stand auf, er ging um den Tisch und zog mir den Stuhl zurück. Ich kam der Bitte nach und ließ mich ihm gegenüber nieder. Ich sah zu Valentin, der mit am Tisch saß. Seine sonst so aufmunternde Art war nicht zu finden. Auch Nicholas wirkte ungewohnt angespannt. Die Herren hatten sich bereits mit einer Flasche edlen Rotwein vergnügt vielleicht würde das die Stimmung heben. Nachdem auch Mister Lane wieder Platz genommen hatte wurde die Vorspeise serviert. Nachdem ich die Vorspeise und den Hauptgang so gut wie wortlos über mich ergehen lassen konnte war meine Schonfrist nun zu ende. „Ich habe gehört du kannst Klavier spielen? Das ist wirklich eine schöne Fähigkeit!" fing der Gast an und hielt ein Glas mit Rotwein in seinen Händen. Ich stocherte im Dessert rum und versuchte nicht aufzusehen. „Klavierspielen kann doch jeder..." spielte ich mein Können herab. Wenn Nicholas mich wirklich verkaufen wollte, musste ich mich schlechter darstellen als ich wirklich war. Das würde Mister Lane eventuell von einem Kauf abhalten und ich konnte hierbleiben. Bei dem Gedanken erschreckte ich mich über mich selber, hatte ich wirklich den Wunsch geäußert hier bleiben zu dürfen? Dann rauschte der nächste Verdacht durch meine Gehirnwindungen, was wenn das wieder nur eine Methode war mich noch abhängiger zu machen als ich es bereits war?! Das war mir alles zu viel. „Entschuldigen Sie." Sprudelte es aus mir heraus. Ich legte die Servierte neben meinen Teller und stand vom Stuhl auf. Ich stürmte aus dem Saal, den Flur entlang zur Haustüre. Frische Luft war genau das richtige für meine verwirrten Synapsen. Ich ergriff die Klinke, doch noch bevor ich die Türe öffnete, wurde meine Aufmerksamkeit von einer Aktentasche förmlich angezogen. Sie stand an der Garderobe unter einem schwarzen Mantel. Ich musste daran denken wie Mister Lane, im Park, sein Handy in die Manteltasche hatte fallen lassen. Wenn ich ein wenig Glück hatte, dann würde ich genau dort meine Rettung finden. Ich ließ die Türklinke los und hastete zu dem Mantel ich suchte die Taschen ab und zog ein Mobiltelefon hervor. „Oh yes..." murmelte ich und wollte das Smartphone entsperren. „Klar Pin wäre klasse..." sagte ich zu mir selber und ging auf Notrufnummer. Die würde auch ohne Pin funktionieren. Ich war so aufgeregt und zittrig, dass ich nicht mal daran dachte mir einen sicheren Ort zu suchen. Ich wählte und das Freizeichen ließ die Aufregung in mir aufkommen. „Na komm!" bettete ich. „Notrufzentrale, wie kann ich Ihnen helfen?" hörte ich eine Stimme am anderen Ende der Verbindung. Ich konnte es nicht glauben! „Ich bin hier gefangen, Sie müssen mir helfen!" schrie ich förmlich in das Ding in meiner Hand. Mein Blick fuhr hoch als ich mich beobachtet fühlte. Mister Lane stand wenige Meter von mir entfernt. Er fixierte mich mit einem amüsanten Gesichtsausdruck. „Wo befinden Sie sich Miss?" wollte die Frau wissen. „Ich weiß es nicht ich wurde entführt." Fuhr ich fort und fing an zu laufen. Ich lief rechts den Gang entlang und landete in dem Billardzimmer. Ich wollte die Türe zuwerfen doch ein Widerstand verhinderte es. Er war mir offensichtlich gefolgt und ließ nicht zu, dass ich mich verbarrikadierte. Egal! Ich stürmte in den Raum um zumindest genügend Abstand zu halten. „Sie müssen mir helfen!" schrie ich aufgebracht. Mein Verfolger stand an der Zarge und beobachtete mich weiterhin regungslos. „Wir brauchen einen Anhaltspunkt!" kam es als Antwort. „Was weiß ich, ich wurde entführt!" wiederholte ich. Wie konnte diese Frau nur so dumm sein?! „Mein Name ist Emily..." doch bevor ich meinen Namen nennen konnte griff Mister Lane ein und riss mir das Handy aus den Händen, ich wollte noch ausweichen schaffte es aber nicht. „Hier ist Mister Marcus Lane, es ist alles in Ordnung eine Patientin hat sich mein Smartphone geschnappt. Sie wissen ja wie das ist hier in de Psychiatrie!" Dabei warf er mir einen genügsamen Blick zu. Ich wusste, dass er meinen ungläubigen Gesichtsausdruck sehen wollte und den zeigte ich ihn offenherzig. Psychiatrie? War er ein Arzt einer Psychiatrie? Wollte Nicholas mich etwa in so eine Anstalt schicken? Mich als krank abstempeln, damit niemand meinen Geschichten Glauben schenkte? Dort war ich noch mehr ausgeliefert als hier. „Sicherlich danke für ihre Sorge." Meinte Mister Lane galant und legte auf. Er steckte das Handy in seine hintere Hosentasche und widmete sich meiner Person. War ich vielleicht als Versuchskaninchen gedacht? Wollte er irgendwelche neu-modigen Methoden an mir ausprobieren? War meine Gesundheit aus diesem Grund so wichtig für Nicholas? Zu viele Vermutungen auf einmal. Mein Gegenüber setzte sich in Bewegung und kam auf mich zu. Ich schreckte zurück und blieb an dem Billardtisch stehen. Ich lehnte mich nach hinten ab, als er sich dicht vor mich stellte. „Ich werde das kleine Geheimnis für mich behalten..." fing er an und hob eine Augenbraue. „Dafür bräuchte ich natürlich eine kleine Gegenleistung!" fuhr er fort und blickte an meinen Körper herab. „Ihr Ernst?" fragte ich und versuchte link an ihm vorbei zu rutschen doch er hielt mich mit einem Arm ab und platzierte den anderen rechts neben mir. Ich war eingekesselt. „Ich glaube Nicholas wäre nicht erfreut, wenn er wüsste, dass er deiner Loyalität nicht sicher ist." Als wüsste er von dem Gespräch zwischen dem Hausherrn und mir. Ich biss mir auf die Zunge. „Was wollen Sie?" wisperte ich und fixierte seine eiskalten blauen Augen, in denen ich bereits erkennen konnte was er wollte. Würde er das Gesehene nun verbalisieren? „Leider sehen wir uns ja erst in ein paar Tagen auf der Weihnachtsgala wieder, bis dahin brauch ich etwas, was mich an dich erinnert!" „Was?" fragte ich und wollte endlich eine Antwort. „Zieh das Kleid aus!" wies er mich an und ging einige Schritte zurück. „Nein!" „Los!" seine Freundlichkeit war verschwunden er wirkte bedrohlich. Ich kam seiner Aufforderung nicht nach das stellte für ihn kein Hindernis für das erreichen seines Zieles dar. Er ergriff meinen Arm, zerrte mich zu sich und öffnete den Reißverschluss, das Kleid fiel an mir herab. Das Unterhemd riss er ohne Mühe von meinem Körper. Was sollte so ein dünnes Stück Stoff auch schon ausrichten gegen die Kraft eines Mannes. „Das kenne ich doch bereits also was stellst du dich so an?" Ich warf die Arme über meinen Oberkörper und warf meinem Gegenüber ein beschämenden Blick zu. Er nahm das Handy wieder hervor und richtete die Kamera auf mich. „Arme runter, wenn du endlich gehorchst dann sind wir hier fertig!" Ich ließ meine Arme herab und präsentierte mich in Unterwäsche. „Wenn du jetzt nicht ganz so gequält gucken würdest wäre das fabelhaft!" Ich zwang mir einen neutralen Gesichtsausdruck auf. „Sehr gut." Er machte das Bild und verstaute sein Smartphone diesmal in der Innentasche des Jacketts. „Du kannst dich wieder anziehen!" erlöste er mich und ich schlüpfte sofort in mein Kleid, das ich wieder nicht zu bekam. „Quid pro quo!" sagte er und bewegte sich wieder auf mich zu. „Meine Lippen bleiben versiegelt wenn es deine auch bleiben!" Er packte mein Kinn und hob es etwas empor. Ich wusste was er vor hatte und mir wurde übel. Ich wollte nicht, dass er mich küsste. Er kam mir mit seinen Lippen gefährlich nahe. Ich vernahm den bitteren Geruch des Rotweines und spürte seinen Atem auf meiner Haut. „Marcus?" hörte ich Nicholas rufen. Alleine seine Stimme rief in mir Sicherheit hervor. Mein Gegenüber hob einen Mundwinkel. „Schade, das heben wir uns dann für später auf!" Er nahm seine Hand zurück und ging zur Türe. „Wir sind hier." Rief er dem Suchenden entgegen. Dieser tauchte vor Marcus auf. Ich fing Nicholas Blick auf, der skeptisch wirkte. „Alles in Ordnung?" fragte er und sah zuerst mich und dann seinen Gast an, dieser nickte. „Alles bestens, wir haben uns nur etwas unterhalten." Lächelte der Mann, der nun ein Bild von mir auf seinem Handy hatte. „Ich muss dann auch langsam los!" verkündete er und sah über seine Schulter zu mir rüber. „Schön, dass wir uns kennengelernt haben!" Ich nickte stumm. „Ich bringe dich noch zur Türe." Kündigte Nicholas an und beide setzten sich in Bewegung. Ich traute mich, wieder zu atmen und setzte mich ebenfalls in Bewegung. Ich wollte endlich aus diesem Kleid raus, das zog nur Unglück an. Als ich die Türschwelle übertreten hatte, hörte ich Valentins Stimme. „Was ist passiert? Dein Reißverschluss!" Ich drehte mich nicht um, blieb jedoch stehen. „Was geht es dich an was mit meinem Reißverschluss ist?!" Dann ging ich weiter. Ich wollte und konnte nicht mit ihm reden. Das Gespräch zwischen ihn und Nicholas hatte mich stutzig werden lassen, das Gefühl, dass sie unter einer Decke steckten war in mir erwacht und das würde ich so schnell nicht ablegen können. Kapitel 34: Ivan ---------------- Valentin war mir zwar gefolgt aber den ließ ich vor der Zimmertüre stehen. Er klopfte noch einige Male und rief meinen Namen doch ich blieb hart und ging duschen. Ich brauchte einen klaren Kopf. Ich musste das Geschehende sortieren in eine Reihenfolge bringen um zur einer logische Schlussfolgerung zu kommen. Doch die blieb aus. Ich lehnte meine Stirn an die, mit Wasser befeuchteten, Fliesen und schloss die Augen. Das Wasser rieselte auf meinen Körper herab und verschwand daraufhin im Abfluss. Weder das widerliche Gefühle der Demütigung noch meine Verwirrtheit nahm es mit sich. Nachdem ich so lange geduscht hatte bis ich ganz schrumpelig war zog ich mir einen Jogginganzug an, den ich mir bei der Großbestellung zu Beginn gegönnt hatte und setzte mich auf mein Bett. Ich konnte niemanden fragen, niemand der mir Antworten geben würde. Kelly hatte sicherlich keine Ahnung und Valentin, der war im Moment nicht mein Ansprechpartner. Ich brauchte jemand ehrlichen, dem es egal war was andere dachten und dem egal war wie es mir bei seinen Worten ging. So stand ich wenig später wieder vor dem kleinen Wohnhaus, in dem Ivan lebte. Niemand anderes war mir eingefallen. Dieses Mal klingelte ich wirklich. Mir war Ivans Geheimnis egal, mir war egal was er angestellt, noch was er für ein Problem mit Valentin hatte. Ich wollte Antworten über mich und meine Zukunft. Ein etwas verschlafender, breitschultriger Russe öffnete mir die Türe. Als er mich erblickte, war von Müdigkeit keine Spur mehr. „Was verschafft mir dir Ehre, dass sich das obere Volk zu mir herablässt." Meinte er provokant. „Keine dummen Sprüche ich will mit dir reden!" Er öffnete die Türe und stützte sich mit einem Arm an der Türzarge ab. „Was wenn ich nicht mit dir reden will!" Ich hielt ihm eine Flasche edlen Vodka vor die Nase, den ich aus dem Vorrastkeller besorgt hatte. Ein breites Grinsen, ich wusste, dass er auf das Zeug stand aber immer nur die billige Plörre trank. Er ging zur Seite und ließ mich ins Innere des kleinen Hauses. Hier roch es nach Rauch und Alkohol. Auch wenn Nicholas überall seine Augen hatte, hier drückte er sie wohl eher zu. „Leider kann ich dir kein luxuriöses Sofa bieten auf das du dich setzen kannst. Hier musst du mit vollgesauten Möbeln vorliebnehmen." Das würde eine harte Nuss werden. Ich biss die Zähne zusammen und ließ mich auf dem Sofa nieder, das keineswegs einladend wirkte. Ivan, steckte sich eine Kippe zwischen die Lippen und zündete sie sich an. Danach ging er zur angrenzenden, offenen Küche und holte zwei kleine Gläser für den Vodka aus dem Hängeschrank. Bewaffnet mit dem Gläsern kam er zurück und setzte sich mir breitbeinig gegenüber. „Also was willst du?" fragte er und schraubte die Flasche Alkohol auf. Er befüllte die beiden Pinnchen und reichte mir eines. Ich hob die Hände. „Nein danke!" er zog den Arm nicht zurück und hob eine Augenbraue. Er zeigt mir klar, wenn ich etwas wissen wollte musste ich jetzt mit ihm trinken. Ich nahm den Alkohol entgegen und setzte an. Gleichzeitig mit Ivan ließ ich das Teufelszeug meine Kehle herablaufen. Ich verzog angewidert das Gesicht. „Du weißt einfach nicht was gut ist." Meinte er und zog an seiner Zigarette, dann lehnte er sich zurück und warf die Arme über die Lehne. „Leg los!" Ich hatte mir nicht wirklich Gedanken darüber gemacht wie ich anfangen sollte. Ich räusperte mich und legte gedankenlos los. „Wer ist Mister Lane?" das war nicht schwer gewesen. Ich war erleichtert, der Einstieg war geschafft. „Mister Lane, der Psychoheini?" wollte Ivan genauer wissen. Ich nickte, wir sprachen also von demselben Mann, das war schon mal sehr gut. „Er ist immer hier gewesen, wenn Mister Norton wieder ein Mädchen angeschleppt hat!" Wieder ein Zug, er ließ den Qualm aus seinen Lungen entweichen und sah dabei nicht weg. Unbehagen stieg in mir auf. Alleine mit Ivan, der bekanntermaßen vor Gewalt nicht zurückstreckte. „Ganz ruhig, das wird schon." Versuchte ich mich selber zu beruhigen. „Warum?" „Warum was?" stellte sich Ivan dumm. „Warum er genau dann hier ist, wenn einer der Mädchen hier war?" konkretisierte ich meine Frage. „Er untersuchte sie!" „Ja das war mir bisher auch klar." Sagte ich ungeduldiger als gewollt. Er machte sich aus meiner Hilflosigkeit ein Spaß, dessen war ich mir bewusst und genau über dieser Tatsache musste ich darüber stehen. „Du bist zu angespannt kleine, trink dir noch einen!" „Nein danke!" „Das war keine Bitte." Er löste sich aus seiner bequemen Haltung und schüttete mir ein weiteres Pinnchen ein, dabei fiel die Asche auf den Tisch. Er sah mich mit einem verschwörerischen Blick an. Hatte er vor mich abzufüllen? Ich hob das Glas und stieß mit ihm an. Erneut malträtierte ich meine Geschmacksnerven mit dem Zeug. „Weiter!" sagte ich und versuchte ihn nicht angeekelt vom Wodka anzusehen. Alles zog sich zusammen. „Ok Mister Norton und Mister Lane arbeiten seit je eher zusammen. Seit der ersten Kleinen, die hier landete war Mister Lane mit von der Partie... er prüfte sie auf Herz und Nieren und nur, wenn er das GO gab durfte sie weiterleben!" „Was war mit den Mädchen vor mir, bekamen sie kein GO?" forschte ich nach und lehnte mich vor, während Ivan sich wieder zurücklehnte und die Zigarette auf der Holzlehne des Sofas ausdrückte. Er hob eine Augenbraue und sah mich von der Seite an. „Richtig erkannt du bist ein schlaues Mädchen... und du bist hier weil du für gut befunden wurdest?" mutmaßte nun er und traf damit ins Schwarze. „Valentin erzählte mir, die Mädchen haben sich umgebracht oder sind verschwunden..." Ivan lachte auf und stand von der Couch auf. „Das erzählt also unser Blondschopf. Interessant nur keineswegs die Wahrheit! Sie haben sich nicht umgebracht sie wurden aus dem Weg geräumt, damit hat er nicht unrecht. Diese Arbeit durfte bisher immer ich übernehmen." Er grinste dabei breit, holte die nächste Zigarette aus der Schachtel und steckte sie sich zwischen die Lippen. Ich bekam eine Gänsehaut, er sagte das so als wäre es nicht wirklich erwähnenswert. „Schade, wenn du für die beiden in Ordnung bist werden wir das Vergnügen nicht haben...dabei habe ich mich schon richtig darauf gefreut, dir Schmerzen zuzufügen!" fuhr er fort und setzte sich mir wieder gegenüber, das ging nicht ohne, dass er zwei weitere Pinnchen füllte. Ich spürte bereits die beiden letzten im Kopf und war insgeheim froh darüber. Komplett nüchtern, hätte ich längst die Flucht ergriffen. Alleine mit einem Psychopathen, der sich bereits sicherlich Gedanken über meinen Tod gemacht hatte. „Was passiert nun mit mir wenn du mich nicht aus dem Weg räumen darfst." Ivan warf den Kopf nach hinten und leerte sein Glas, ich tat es ihm gleich und stellte das Gläschen auf den Tisch. „Bah." Kam es nun aus mir heraus und ich schüttelte mich. „Du bist wirklich eine Memme!" meinte Ivan nur und konnte meine Abneigung dem guten Wodka entgegen nicht verstehen. „Tut mir leid Kleine aber darauf habe ich tatsächlich keine Antwort!" meinte er und nahm einen Zug. Mir drehte es sich bereits und ich spürte den Alkohol im Kopf und im Magen, der sich schön warm anfühlte. „Du lügst!" flüsterte ich und lehnte mich noch weiter vor. Auch er lehnte sich vor und verengte die Augen. „Nein ich habe keine Ahnung ich weiß viel aber nicht alles. Ich weiß wo jedes der Mädchen zu finden ist aber ich weiß nicht, was sie mit dir vorhaben!" Diese Aussage verstörte mich auf verschiedenen Ebenen. „Wo sind sie?" wollte ich wissen und nahm die Flasche Wodka. Das Gespräch wurde immer interessanter und grausamer. Ich setzte die Flaschenöffnung an und trank mehrere Schlücke. Es schmeckte immer noch übel aber es machte mich locker. Ich ließ die Flasche auf den Tisch knallen und bekam ein zufriedenes Nicken meines Gegenübers. „Sag mir, stimmt auch nur eine Geschichte, die Valentin erzählt hat? Pricilla die vom Turm gestürzt war?" Bei der Frage zeigte er auf sich. „Mein verdienst!" „Kaily?" Wieder deutete er auf sich. Ich hielt inne und führte, das Mädchen auf, das für Nicholas wohl am wichtigsten gewesen war. „Katleen, die auf der Lichtung in seinen Armen starb?" Ivan ließ die Hand herab und griff nach der Flasche. „Die Geschichte ist wohl wahr!" gestand er mir zu und wirkte von einem Moment auf den anderen nachdenklich und starrte an mir vorbei ins Nichts. „Sie war wirklich fabelhaft..." murmelte er beinahe in Gedanken. Er nahm einen großen Schluck und sah dann wieder zu mir. „Jetzt weißt du, dass dir die Wahrheit vorenthalten wurde und das wird auch weiterhin so sein außer... du schaffst es in Mister Nortons Privatzimmer zu kommen... da darf niemand rein wirklich niemand!" Ich wurde hellhörig. „Meinst du das Zimmer mit den Bildern?" „Den Bildern, die du zerstört hast?" Ich nickte und merkte wieder ein Schwall Alkohol, der mein Gehirn überkam. „Nein das meine ich nicht. Es ist direkt unter dem Dach. Es ist immer verschlossen und bisher kennt niemand das Innere... ich weiß aber das dort sämtliche Antworten für dich bereitliegen!" Ich nickte zufrieden, mit dieser Information konnte ich zur Abwechslung mal etwas anfangen. Kapitel 35: Das Missgeschick ---------------------------- Ivan und ich leerten die Flasche, die vor zwei Stunden noch mit hochprozentigem Alkohol gefüllt war. Wie auch immer ich das ohne mich zu übergeben hinbekommen hatte. Ich hatte dafür seine Anerkennung erhalten und er zeigte mir etwas, was ich seit er davon erzählt hatte mit eigenen Augen sehen wollte. So stand er nun neben mir in der Dunkelheit und rauchte wieder einer seiner russischen Zigaretten. Er stützte sich auf einer Schaufel ab und sah mit mir auf ein Beet komplett unter einer dicken weißen Schneeschicht versteckt. „Hier liegen sie alle samt!" berichtete er und richtete seine Mütze. Ich zog den Kragen meines Mantels zu und starrte auf die leichte Erhöhung. „Wie trostlos..." murmelte ich zu mir und wurde traurig. Was nicht zuletzt auf den Alkohol zurückzuführen war. Im Gegensatz zu mir wirkte Ivan nüchtern, das lag wohl an der Verträglichkeit von hochprozentigem Alkohol. Ich wankte als ich einen Schritt vorging. „Warum hier?" fragte ich und ging auf die Knie. „Wo sonst? Außerhalb ist es viel zu gefährlich, man könnte sie finden... aber hier sucht niemand nach vermissten Mädchen!" sagte er trocken und die Erklärung war plausibel. Würde auch ich so enden? Würde auch ihr verscharrt werden, wenn ich aus irgendwelchen Gründen keine Zustimmung mehr erhielt? Was würde mit mir passieren? Ich packte mir mit beiden Händen auf den Hinterkopf und spürte wieder dieses Pochen in meinem Kopf. Ich kniff die Augen zusammen und versuchte klar zu denken, doch alles wankte und ich fühlte mich wie in Watte gepackt. „Ich bin ehrlich... ich kenne bisher keine, die wirklich perfekt war. Selbst Katleen, die perfekt zu sein schien... war es nicht!" sagte er und zog dabei den Rauch der Zigarette in seine Lunge. Ich vernahm einen bedauernden Unterton. Der Gedanke, dass er Katleen wohl gut leiden konnte, ließ mich nicht los. Ich glaubte ihm, er hatte wirklich keine Ahnung. Nachdem ich genug getrauert hatte ging ich wieder zurück Richtung Herrenhaus. Ivan brachte mich netterweise zur Türe. Vielleicht würde ich ab heute Abend mit ihm klarkommen. „Das hier ändert rein gar nichts zwischen uns." Brummte er und zerstörte meine optimistische Sicht auf die Dinge. Ich nickte. „Angekommen!" Ich betrat das Haus und wankte zur Treppe in den ersten Stock, dort befand sich mein Zimmer. Ich zog mich an dem Handlauf empor und folgte nur mit kleinen Schritten. Ich stöhnte, der Zustand des Betrunkenseins war wirklich nicht meins. Ich wollte nicht verkauft werden, ich wollte nicht, dass irgendjemand irgendwelche Versuche an mir vornahm! Ich wollte nicht, dass Ivan mich um die Ecke brachte. Auf der Hälfte der Treppe blieb ich stehen. Schwang mich mit Mühe auf den Handlauf und rutschte runter. Das klappte ohne Verletzungen. Ich torkelte in die Küche, in der kein Nicholas aufzufinden war. Ich stolperte auf die Schubladen zu und öffnete diese rabiat. Es knallte und schepperte. Das war mir egal! Ich würde selber über meinen Abgang entscheiden, oh ja! Ich warf eine weitere Schublade zu als mein Blick auf einen Messerblock fiel. Ich stürmte darauf zu und zog das feinste Messer hervor. „Nicht groß, scharf muss es sein!" murmelte ich, drehte mich mit dem Rücken zur Arbeitsplatte und ließ mich herab gleiten. „Keine Rasierklingen aber der Zugang zu Messern... ganz schön dumm!" flüsterte ich in den Raum. Ich setzte die Klinge an mein Handgelenk an und übte genug Druck aus damit sie meine Haut wie Butter durchdrang. Ich verzog das Gesicht und schnitt mir vielleicht einige Millimeter lang in den Unterarm. Ich stockte und sah auf meine Tat herab. Blut drang an die Oberfläche, erst kleine Punkte, die sich aufblähten und wie eine Blase platzen. Das Blut verließ die Wunde. Wollte ich das wirklich? Wollte ich sterben, hier auf einem kalten Küchenboden? Sie würden mich sicherlich zu den anderen toten Mädchen werfen. Ich legte den Kopf in den Nacken und dachte darüber nach. Der Alkohol nahm mir meine Hemmschwelle aber der Gedanke, der zuvor noch verlockend wirkte, war nicht mehr so motivierend. Ich nahm die Klinge von meiner Haut streckte mich nach oben und versuchte ein Küchentuch zu ergattern. Ohne Erfolg. Die Wunde blutete nicht stark aber genug um sie abdecken zu müssen. Mit dem Messer in der einen und der Mühe mich mit der anderen Hand hochzuziehen versuchte ich auf die Beine zu kommen. Noch bevor ich aufrecht stehen konnte rutschte ich auf einer Gabel, die durch meine Dursuchungsaktionen neben mir lag, aus und fiel nach vorne. Ich verlor das Gleichgewicht und ließ die Klinge über meinen sowieso schon angeschnittenen Unterarm gleiten. Ich spürte den harten Grund der mein Körper in Empfang nahm und noch was ganz Anderes. Ich ging mit Mühe auf die Knie und erblickte die starkblutende Wunde. Mein Hirn arbeitete trotz des Alkohols sofort, das Blut floss regelrecht aus der Wunde und musste gestoppt werden. „Nein! Nein!" wiederholte ich während ich aufsprang und etwas suchte um die Blutung zu unterbinden. Ich schnappte mir zwei Küchentücher und wusste, alleine hatte ich keine Chance. Warum hatte niemand meine lauten Geräusche mitbekommen? Wo waren die Menschen, die sonst immer um mich herumschwirrten, wenn ich sie brauchte? Ich spürte keinerlei Schmerz, der Schock nahm mir dieses Empfinden. Ich richtete mich auf und hielt mich an der Kochinsel fest. Ich ging mit kleinen Schritten aus der Küche. Ich hinterließ eine Blutspur, die würde eventuelle jemanden auf mich aufmerksam machen. So würden sie wenigstens meine Leiche finden „Hilfe!" rief ich viel zu leise. Ich brauchte einige Minuten um den unendlich scheinenden Flur zu überqueren um überhaupt jemanden zu finden. Ich würde zur Not den „hauseigenen Türsteher" belästigen. Meine Sicht wurde trüb, es würde nicht mehr lange dauern und ich würde bewusstlos auf den Boden landen. Beinahe komplett kraftlos schob ich mich an der Wand entlang. Als ich einen Schatten vernahm, kratzte ich meine restliche Kraft zusammen und schrie. „Hilfe!" der Schatten wurde kleiner und ich erkannte Kelly, die im Nachthemd auf mich zugestürmt kam. „Emily!" hörte ich sie aufgebracht rufen. Ich ließ mich selber los, bot mir kein Halt mehr und rutschte an der Wand auf den Boden. „Emily, alles gut ich hole Hilfe!" Sie zog eine Art Handy hervor und schrie beinahe hysterisch in das Ding hinein. Sie sah mich dabei flehend an, als könnte ich mir noch aussuchen ob ich starb oder nicht. Sie legte eine Hand auf meine Wange und zwang mir ein Lächeln auf. „Alles cool! Nicholas wird mich schon retten." Kam es noch über meine Lippen, bevor mich die unendliche Schwärze empfing. Kapitel 36: Das Dilemma ----------------------- Der Moment, in dem man im Inbegriff ist zu sterben, war mir nicht unbekannt. Doch dieses Mal waren die Bilder andere. Nach wie vor drängten sich meine Familie in mein Bewusstsein doch diesmal waren sie nicht die einzigen Personen. Nein, diesmal hatten sie Zuwachs bekommen. Ich erkannte Nicholas, wie er vor mir stand und mich mit seinen blauen Augen ansah. Ich spürte wie mir mein Herz zum Hals schlug und erkannte wie bittersüß meine Empfindungen für den Mann waren, der mich gefangen nahm nicht nur körperlich. Je mehr Zeit ich mit ihm verbracht hatte, desto mehr wurde er ein Teil meines Lebens, desto mehr wurde er mein Leben. Als ich die Augen öffnete war das Zimmer hell erleuchtet. Ich blickte an die Decke und nahm nichts wahr außer der störenden Helligkeit. Ich fühlte mich wie zu Beginn dieser außerordentlich seltsamen Reise. Ich blinzelte und versuchte, das Verschwimmen der Bilder zu unterbinden. Ich hatte keine Ahnung wo ich war, wie viel Uhr es war oder welchen Tag wir hatten. Ich fühle mich ganz genauso, wie an meinem ersten Tag hier. Ein Dejavu stärker als je zuvor. Ich legte mir den Handrücken auf die Stirn und bemerkte einen Infusionsschlauch. Was war passiert? Ich versuchte mich zu erinnern und tat es. Ich war betrunken ausgerutscht und hatte mir mit einem Messer die Pulsader aufgeschnitten. Was glaubte Nicholas? Glaubte er, ich hatte versucht mich umzubringen? Ich kniff die Augen zusammen. „Wie fühlst du dich?" hörte ich eine mir bekannte Stimme und spürte sofort eine angenehme Übelkeit. Er war hier, er war hier bei mir. Ich öffnete erneut die Augen und kämpfte gegen den Drang an, sie wieder schließen zu wollen. „Ich denke gut." Antwortete ich ganz leise und heiser. Mein Hals war staubtrocken. „Hast du etwas zu trinken für mich?" fragte ich und lächelte. Kurz darauf erschien er neben mir am Bett und ließ sich auf einen Stuhl nieder. Er half mir dabei, mich ein wenig aufzurichten. Er drückte das Kissen unter mich und stützte somit meinen Oberkörper. Ich spürte einen Schmerz am Arm und sah reflexartig unter die weiße, sterile Decke. Ich trug zu meiner Überraschung kein Nachthemd, sondern ein langes Shirt. Ein Männershirt, das wie ich hoffte von ihm war. Oh man, der Blutverlust schien Sicht negativ auf meinen Verstand zu wirken. Ich ließ meinen Blick auf meinen Arm gleiten, der im Verband lag. Nicholas hatte mir ein Glas mit Strohhalm mitgebracht und streckt es mir entgegen. Ich ließ von meiner Wunde ab und nahm den Halm zwischen die Zähne. Ich zog und benetzte meine trockene Kehle mit dem kalten Nass, dabei sah ich Nicholas direkt ins Gesicht. Ich konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten. War er sauer? Enttäuscht? Erleichtert, dass ich noch lebte? Was?! Ich lehnte mich gegen das Kissen und nickte dankend. Es herrschte eine Stille, die ich auf mich wirken ließ. Ich ließ Nicholas auf mich wirken. Er war in meiner letzten Vision dabei gewesen, ich musste mir eingestehen, dass ich mir ein Leben ohne ihn schwerlich vorstellen konnte. Ich durfte diese Erkenntnis zwar aufnehmen jedoch nicht zum Anlass machen nicht abzuhauen wenn es soweit war. „Nicholas ich wollte mich nicht umbringen." Fing ich schließlich an und wandte meinen Blick ab. Ich vermied den Blickkontakt und sah zur Türe. Ich wusste genau wo ich mich befand, nicht nur die Empfindungen waren wie zu Beginn, nein ich hielt mich in dem Zimmer auf, das eine ganze Weile mein zuhause war. Ich hatte gehofft nie mehr hierher zu müssen und kniff gepeinigt von den Erinnerungen die Augen erneut zu. Ich krallte mich in die Decke und versuchte meine Atmung zu kontrollieren. Panik stieg auf, so fühlte es sich zumindest an. „Ich glaube dir nur bedingt!" Er stand auf und ging um das Bett herum, er nahm meinen verbundenen Arm zückte eine Schere und schnitt den schützenden Stoff auf. „Du hast es versucht!" warf er mir vor und zeigte mir die genähte Wunde. „So war das nicht!" fing ich sofort an und wollte die Sache klarstellen. „Ok, ich hatte den Gedanken aber der verschwand ganz schnell wieder. Das was darauffolgte war ein Unfall!" sagte ich aufgeregt und riss meine Hand weg um mir meine Wunde zu halten. Die tat weh, ich regte mich zu sehr auf. „Du hättest tot sein können das ist dir bewusst? Es war wirklich haarscharf!" warf er mir vor und ging wieder zu seinem Platz. „Es wundert mich, dass immer dann jemand da ist wenn ich niemanden brauche aber sobald ich in einer Notlage bin ist niemand aufzufinden!" kam es nun vorwurfsvoll über meine Lippen. Ich dachte an die Situation mit Marcus und zog die Beine an meinen Körper. Mir tat alles weh, woher der plötzliche Schmerz wusste ich nicht. Doch die Panik wurde stärker. „Ganz ruhig." Sagte Nicholas und legte eine Hand auf meinen Rücken. „Ich glaube dir!" Tat er das wirklich oder sagte er das nur damit ich ruhig wurde? „Ich will aus diesem Zimmer Nicholas! Ich will hier raus irgendwo andershin!" keuchte ich und sah mit einem zugekniffenen Auge zu ihm. Er nickte. Ohne ärztliche Hilfe nahm er mir die Infusion ab und hob mich einfach hoch als würde ich nichts wiegen. Ich legte meine Arme um seinen Nacken und hielt mich an ihm fest zumindest so gut es ging. Kraftlos war ich nach wie vor. Nicholas hatte mich einfach aus dem Krankentrakt gebracht und mich bei sich niedergelassen. Hier lag ich nun in seinem Bett und roch seinen Duft, der überall zu finden war. In dem Kissen, in der Decke. Ich fühlte mich wohl. Mehr als ihn, hatte ich derzeit nicht. Er saß an seinem Schreibtisch und schrieb einige Sachen auf, während ich mich ausruhte. Ich würde mich schnell erholen, da war sich der Arzt sicher. Ich sollte den Sport erst einmal unterlassen und mich auch sonst ruhig halten. Insgesamt hatte ich nur einige Stunden geschlafen. Meine Wunde hatte Nicholas in seinem Zimmer selbstständig verbunden. Ich lag nun hier in dem großen Bett und dachte an das was bisher passiert war. Ich dachte zuletzt an Ivan und an das Grab. Nicholas war grausam, er ließ junge Frauen umbringen und dennoch genoss ich seine Anwesenheit. „Was hast du mit mir vor? Warum war Mister Lane da... er arbeitet in einer Psychiatrie das habe ich bereits erfahren dürfen!" Er hatte sicherlich bereits auf die Frage gewartet und drehte sich mit seinem Stuhl zu mir, er zog seine Brille von der Nase und legte sie auf den Schreibtisch. Er faltete die Hände vor sich und ließ sie zwischen seinen Knien herabhängen, dabei legte er seine Ellbogen auf seine Oberschenkel ab und sah mich eingehend an. „Ich kann verstehen, dass Antworten dir gut tun würden und von Prinzip her hast du Anrecht auf die Auflösung deiner Fragen aber die kann ich dir derzeit nicht geben!" seine Art und Weise wie er diese Aneinanderreihungen von Worten sagte ließ ihn wie jemand wirken, der genau wusste was er zu sagen hatte. Er gab mir das Gefühl mich zu verstehen und dennoch dem Dilemma zu erliegen nicht helfen zu können. Andere würden sich in seinem mitfühlenden Blick verlieren aber nicht ich. Weder seine Worte noch seine Mimik ließen zu, dass ich lockerließ! „Willst du mich verkaufen?" Diese Aussage rief einen verwunderten Gesichtsausdruck hervor. „Verkaufen?" wiederholte er beinahe amüsiert. „Wie kommst du darauf?" wollte er wissen. „Ok, ich sag dir was ich glaube! Ich glaube Mister Lane will mich für irgendwelche kranken neuen Methoden, die an Lebenden ausprobiert werden müssen und wer wäre besser geeignet als ein Mädchen, das für die Welt tot ist?!" Je mehr ich meinen Gedanken freien Lauf ließ desto verwunderter blickte er mich an. „Nun gut!" fing er an und lehnte sich zurück. Die gefalteten Hände nun auf seinen Knien. „Interessant ich war mir nicht bewusst, wie die Situation auf dich wirkte. Mir war klar, dass du Fragen hast aber dass du dir eine ganze Geschichte zusammengesponnen hast fasziniert mich. Deine Kreativität scheint noch vorhanden zu sein!" Ich hob eine Augenbraue. Meinte er das gerade echt ernst? „Antworten Nicholas!" knurrte ich nun und merkte er nahm mich nicht ernst. „Antworten würden dich nur weiter verstören und dir keine Ruhe lassen. Ich kann einen weiteren Selbstmordversuch nicht dulden!" mit diesen Worten erhob er sich und kam zu mir herüber. Er setzte sich auf die Bettkante und sah mich prüfend an. „Du wirst nicht locker lassen richtig?" Ich nickte. „Wie könnte ich?!" "Ich kann dir eines sagen, es wird nicht mehr lange dauern dann weißt du bescheid... es ist anders als du denkst und vielleicht gefällt es dir ja sogar. So abgeneigt meiner Person gegenüber bist du ja nicht mehr." Bei den Worten streckte er seine rechte Hand zu mir aus und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ich beließ es dabei seine Augen zu fixieren und war verunsichert. Irrte ich mich wirklich? War ich vielleicht doch einfach als Sextoy gedacht? Nicholas legte ein besänftigest Lächeln auf. „Wie wäre es wenn du die Zeit, die du fürs grübeln verwendest, dazu benutzt die Gegenwart zu genießen!" Er hielt mit seiner Hand inne und hatte diese auf meiner Wange liegen. „Genießen, du weißt schon noch was mit mir ist oder? Das ich weiterhin gegen meinen Willen hier bin?" Er schloss ernüchternd die Augen. Sein Gesichtsausdruck sagte mir förmlich, dass ich nicht schon wieder mit dem Thema anfangen sollte. Doch das tat ich, das würde ich immer tun, wenn es die Situation zuließ. „Emily... bitte... du schaffst es noch soweit, dass ich mir wünschte dein Selbstmordversuch hätte geklappt." Das war hart, das war ein Schlag ins Gesicht. Ich nahm mein Kopf zurück. „Was?" Jetzt öffnete er seine Augen wieder. So unverschämt kannte ich ihn bisher nicht. „Was soll ich sagen? Meinst du, nur du machst dir ständig Gedanken? Auch ich denke über das alles nach und überlege ob man es besser machen könnte, besser für dich. Ich frage mich, wann du mir vertraust und dich mir hingibst mit allem was du bist." Ich verstand nicht. Er erhob sich vom Bett und ging zum großzügigen Fenster, vor das er sich mit dem Rücken zu mir gewandt stellte. „Ich kenne dich Emily... ich kenne dein wahres ich und das zeigst du mir nicht. Du behältst es für dich!" sagte er ruhig und ich warf die Decke zur Seite um aufzustehen. „Ich weiß nicht was du meinst." Entgegnete ich und wusste insgeheim ganz genau was er meinte. Seit ich hier war, habe ich kein einziges Mal richtig gelacht. In seiner Gegenwart fiel mir selbst das Lächeln teilweise schwer. Ich musterte seinen Rücken, wie er dort vor mir stand wie ein Soldat, die Hände hinter dem Rücken gefaltet. Ich mochte seine Staue, ich mochte seinen Körper. Ich ging kleine Schritte auf ihn zu. „Weißt du..." hörte ich ihn leise sagen. „Es spielt am Ende keine Rolle... am Ende ist es egal ob du dich mir offenbarst oder deine Seele für dich behältst." „Wie meinst du das?" Er streckte die beiden Hände nach den Klinken der Doppeltüre aus und öffnete sie zum Balkon hin. Kalte Luft strömte in den Raum, ich umklammerte meinen Oberkörper mit meinen Armen und folgte ihm nach draußen. Der Schnee kalt und feucht. Nicholas ging zur Brüstung und lehnte sich an dieser ab, dabei behielt er den Rücken zu mir gewandt. Ich trat in seine Fußstapfen und blieb hinter ihm stehen. „Du redest immer in Rätseln, nie gibst du mir eine klare eindeutige Antwort. Ich werde das Katz und Mausspiel nicht mehr allzu lange aushalten." Gestand ich leise und senkte den Blick auf den schneebedeckten Boden. „Wir reden und reden und sagen nichts... wir drehen uns im Kreis bis mir schwindelig wird. Du kannst mich nicht gehen lassen ok verstanden aber für das du mich hier hast weiß ich dennoch nicht. Warum kannst du mir diese Frage nicht beantworten? Ich glaubte lange Zeit du würdest mich als Sklavin halten, doch ich wurde eines Besseren belehrt. Solch eine Aufmerksamkeit wie von dir habe ich zuvor nicht erfahren dürfen. Ich bereite dir Ärger und dennoch verschwinde ich nicht wie die anderen!" Nicholas schlug mit der rechten Hand auf die Steinbrüstung und ich zuckte zusammen. „Emily!" flüsterte er erzürnt. „Ich verspreche dir in wenigen Wochen weißt du mehr. Können wir uns darauf einigen, dass wir bis dahin nicht mehr über deinen Grund des Daseins sprechen?" Ich dachte kurz darüber nach und sah wie er seine Finger in den Stein krallte. Warum war er so aufgebracht? Es wirkte nicht, dass er sauer auf mich war. Ich würde meine Antworten in seinem Zimmer finden, dafür brauchte ich seine Gunst nur so würde ich an den Schlüssel kommen, der sich nach Aussage von Ivan in der Armbanduhr befand, die er wirklich immer trug. Ich ging die letzten Schritte, die mich von ihm trennte auf ihn zu und legte meine Arme um die Taille des Größeren. Ich lehnte mein Gesicht zwischen seine Schulterblätter und atmete ganz ruhig. Er war tatsächlich angespannt und atmete hastig. Ich sagte nichts mehr und versuchte meine neugewonnene Ruhe auf ihn zu projizieren. „Ist gut so machen wir es!" Ich spürte die Entspannung, die sein Körper überkam. Ich schloss die Augen und schaffte es durch die Aufregung in mir die Kälte auszublenden. Ich war verwirrt, verwirrt von mir selber. Warum konnte ich ihn nicht weiterhin hassen? Weil ich mir nun bewusst war, dass er mich weggeben würde? Seit Marcus da war, hatte sich meine Einstellung zu dem ganzen geändert. Ich hatte immer noch die Sorge, dass er mich weggab und das wollte ich nicht. Ich wollte bei ihm bleiben, wenn ich es mir schon nicht aussuchen konnte frei zu sein, wollte ich zumindest bei ihm bleiben. Ich drückte etwas fester zu. Ich musste diesen Kreislauf unterbrechen, ich musste mir aufhören Gedanken zu machen und die Flucht als Priorität erachten. Keine noch so seltsamen Gefühle Nicholas gegenüber durften mein Urteilsvermögen beeinträchtigen. Kapitel 37: Das Geständnis -------------------------- „Das Letzte was du sagtest...!" Kelly streckte den linken Arm nach mir aus und hielt sich mit der anderen Hand die Brust. Theatralisch sah sie mich an. „Alles cool. Nicholas wird mich schon retten!" sagte sie überspitz und machte mich nach, danach ging sie auf die Knie, schnappte sich einen Löffel mit Eiscreme und steckte sich diesen in den Mund. Ich musste lachen. „Das habe ich so ganz sicher nicht gesagt!" protestierte ich und schob mir ebenfalls ein Löffel mit Eis in den Mund. „Oh doch Süße ich hätte es ja aufgenommen, wenn du nicht gerade am verbluten gewesen wärst!" meinte mein Gegenüber und grinste breit. „Ich bin froh, dass alles gut ist!" fügte sie hinzu und zwinkerte mir zu während sie ihren Besteck in meine Schüssel steckte umd mir Eis zu klaute. Dann ließ sie sich nach hinten auf den Rücken fallen und sah zufrieden gen Decke mit der süßen Sünde im Mund. „Weißt du eigentlich, dass es Ewigkeiten her ist, dass ich genau das hier gemacht habe?" seufzte mein Besuch, dabei drehte sie ihr Gesicht zu mir und sah mich mit ihren braunen Augen begeistert an. Ich musste lächeln, ihre Gegenwart tat mir sehr gut und ich fühlte mich wie ein Teenager. Wir saßen hier zusammen, tranken Cola, stopfen sämtlichen Mist in uns hinein und redeten über gutaussehende Typen. Auch wenn der Mann, über den ich redete nicht in meinem Alter war. „Ok, wenn das so ist dann habe ich doch auch mal eine Frage an dich!" läutete ich die nächste Schwärmerei ein. „Wer hat es dir angetan?" fragte ich und setzte mich im Schneidersitz vor Kelly, die immer noch auf dem Rücken lag und mit der rechten Hand in die Gummibärchentüte griff. „Oh Emily wirklich?" kicherte sie. „Ja wirklich!" „Ok, aber das behälst du für dich!" „Im Verbergen von Geheimnissen bin ich wirklich gut!" grinste ich und warf Smarties in mein Eis. „Na gut... also...!" Sie hielt kurz inne und holte tief Luft. "Valentin!" sie kniff beschämt die Augen zusammen und legte die Hände auf ihr Gesicht, dabei strampelte sie mit den Beinen. „Das ist mir so peinlich. Er ist so toll! Immer wenn ich ihn sehe bekomme ich Herzklopfen und würde ihn am liebsten anspringen." Kelly offenbarte mir ihr rotes Gesicht, als sie die Hände zurücknahm. Valentin hatte recht gehabt, ich hatte mich bisher nicht einmal um die Menschen um mich herum gekümmert. Mir war wirklich keine Zuneigung aufgefallen! Mir war zwar klar, dass sie sich verstanden aber das da mehr war hatte ich bisher nicht bemerkt. „Ja und schon ne Aktion gestartet um ihn für dich zu gewinnen?" forschte ich weiter nach. Kelly schüttelte den Kopf und setzte sich auf. „Ah nein Emily, das ist schon ok." Sie sah mich betrübt an. „Warum denn nicht? Ist doch kein Ding wenn zwischen den Menschen, die hier arbeiten was läuft...!" Sie sah mich verwirrt an, ich konnte beobachten wie der Groschen fiel. „Ja stimmt schon." Kicherte sie gespielt. Was war ihr eingefallen? „Kelly was ist?" fragte ich sofort. Sie wich meinem Blick aus und suchte zur Ablenkung nach irgendwelchen Süßigkeiten. „Kelly!" mahnte ich sie. „Scheiße Emily, das darfst du aber niemanden sagen ok. Ich meine, dass du es von mir weißt!" Ich nickte. Kelly robbte näher an mich heran. „Valentin gehört zur der Norton-Familie! Er ist kein Angestellter wie ich es eine bin!" flüsterte sie. Bei dem ersten Satz zog sich alles zusammen. Das Puzzle fügte sich in dem Moment, indem sie mir diese Information mitteilt, zusammen. Er steckte tatsächlich mit Nicholas unter einer Decke. „Emily ehrlich jetzt psst!" sie legte ihren Zeigefinger an die Lippen und sah mich flehend an. Mit einem Nicken machte ich ihr verständlich, dass ich den Mund halten würde. Das neue Wissen würde ich niemanden offenbaren. Ich hatte genügend Gründe um auf den Lügner sauer zu sein, da konnte ich diesen Grund vorerst für mich behalten. „Er ist wirklich toll er war auch bei dir, als du Bewusstlos auf der Krankenstation lagst! Sei nicht sauer auf ihn er macht doch auch nur dass was Mister Norton von ihm will!" Mein Blick schweifte zum lodernden Feuer. Unrecht hatte sie damit nicht, schließlich machte hier jeder nur das was Nicholas wollte. „Sag mal Kelly wie kamst du eigentlich hierher... bist du freiwillig hier?" lenkte ich das Gespräch auf ein anderes Thema, was mich ebenfalls interessierte. „Ah Emily... ich habe Mister Norton so vieles zu verdanken. Meine Familie ist früh gestorben und ich war ein Waisenkind. Mister Norton kam immer mal wieder vorbei und nahm sich Jugendliche mit, die schon bald das Kinderheim verlassen mussten, weil sie zu alt waren." Ich lauschte ihren Worten, die mich an eine andere Zeit erinnerten, nicht an die Gegenwart, in der es solche Geschichten doch gar nicht mehr gab. „Ich hatte gehofft, dass er auch mich mitnehmen würde. Als er dann eines Tages kam hatte er Valentin dabei, das ist jetzt zwei Jahre her. Damals hatte sich Valentin für mich entschieden. Ab diesem Zeitpunkt waren wir Freunde nicht mehr und nicht weniger. Das war der Moment, in dem ich mich bereits unsterblich in ihn verliebte... das Gefühl hält bis heute." Sie starrte ins Feuer so wie ich zuvor und teilte ihre Erinnerungen mit mir. „Hast du nie den Wunsch gehabt einfach zu gehen?" Nun sah sie zu mir und schenkte mir einen empörten Blick. „Was? Nein niemals, Emily er hat mich aufgenommen was soll ich dort draußen in der Welt, in der ich als ungebildetes Mädchen keinen Platz habe. Es mag sich für dich seltsam anhören aber die Welt ist manchmal wie im Mittelalter... ich musste mich nicht zwingen hier zu bleiben. Meine Loyalität und meine Liebe zu sowohl Mister Norton als auch zu Valentin sind nach wie vor unermesslich." Es war nicht zu übersehen, sie meinte die Worte, die so absurd klangen, so wie sie diese sagte. Ein wenig Neid stieg in mir auf, wenn auch ich mich damit abfinden könnte. Ich lächelte. „Naja gut, aber jetzt müssen wir dafür sorgen, dass Valentin endlich mitbekommt, dass du in ihn verliebt bist." „Wenn es nur verliebt sein wäre, dann würde mein Herz nicht so schmerzen." Seufzte sie und schnappte sich wieder den Eisbecher. „Ich würde alles für ihn tun... auch sterben!" Jede einzelne Silbe dieses Satzes bereitet mir eine Gänsehaut. Solch ein Gefühl musste sicherlich unbeschreiblich sein. „Ist es nicht das, was wir uns insgeheim alle wünschen... das Gefühl für jemanden sterben zu wollen, weil die Welt ohne diese Person nicht lebenswert wäre?" flüsterte ich und umschlang meine Beine mit meinen Armen. Für mich war dieses Gefühl ein unbekanntes aber Kelly schien genau das jeden Tag zu empfinden. Ein trauriges Lächeln erwachte auf ihren Lippen. "Es ist nur dann schmerzhaft... wenn es niemanden gibt, der das Gefühl erwidert!" hauchte Kelly "Weißt du Emily, irgendwann arrangiert man sich irgendwie... man nimmt es hin und genießt jede Sekunde, die man mit der Person die das Herz bewohnt, teilen kann. Mag sie noch so unterkühlt sein!" Kapitel 38: Oh, Tannenbaum -------------------------- Auch wenn Kelly Angst vor Ablehnung hatte musste ich nachhelfen. Mein Wunsch war es den Ort zu verlassen mit dem Wissen, dass Valentin über Kellys Gefühle Bescheid wusste. Meine Wut ihm gegenüber war keineswegs abgeflacht aber ich musste sie überwinden und dem wirklich wichtigen Aufmerksamkeit schenken. Als ich am nächsten Morgen zum Frühstück kam, herrschte bereits ein buntes Treiben. Es roch nach Gebäck und frischen Tannennadeln. Gefühlt liefen hier tausende Menschen rum und brachten allerlei Schnickschnack ins Innere des Herrenhauses. Ich weichte den herumlaufenden Weihnachtswichteln aus und ging zur Haustüre. Ein riesiger Laster stand vor dem Haus und wurde entladen. Weihnachtszeug wo man nur hinsah. Nicolas hatte wohl die Anweisung zur Vorbereitung der Gala gegeben. Stimmt, die würde ja schon in zwei Tagen stattfinden. In zwei Tagen würde ich hier rauskommen. Wenig Zeit um Kelly zu verkuppeln und Nicolas...? Ich unterbrach den Gedanken. Im Prinzip sprach doch nichts dagegen, mit Nicolas zumindest einmal ins Bett zu gehen. Danach würde ich ihn ja eh nie wiedersehen. Ich stockte wieder. Valentin war mein Schleuser, konnte ich mich überhaupt noch auf ihn verlassen?! Ich wusste, dass auch Ivan eingeweiht war. Zur Not musste ich mich auf ihn einlassen. Ich setzte mich in Bewegung und betrat das Esszimmer. Nicolas saß mit einer Zeitung am Tisch und trank Kaffee. „Guten Morgen." Sagte ich und setzte mich zu ihm. Er sah auf und nickte. „Hast du gut geschlafen?" wollte er wissen. „Sicher und du?" „Danke ich auch! Wie du siehst wird alles vorbereitet, damit die Gäste in einem angemessenen Umfeld feiern können...!" fing er an und faltete seine Zeitung zusammen. „Ja habe ich bemerkt!" meinte ich und beugte mich über den Tisch zur Kaffeekann um mir eine Tasse zu füllen. „Ich würde gerne meinen Teil dazu beitragen!" fuhr er fort. „Ok und wie?" wollte ich wissen und setzte mich mit der gefüllten Tasse auf den Stuhl hinter mir. Brauchte er meinen Rat? „Wie wäre es wenn wir gemeinsam den Weihnachtsbaum schmücken würden?" fragte er und wirkte dabei vorsichtig. Ich sah ihn musternd an. „Dürfen Valentin und Kelly auch mitmachen?" Keine Reaktion, er schien darüber nachzudenken. „Ok!" sagte er schließlich und nahm seine Tasse Kaffee in die Hand. Ich konnte mir das Grinsen nicht verkneifen. Das war eine super Gelegenheit, die beiden auf den richtigen Weg zu bringen. Das Schmücken eines Baumes konnte durchaus romantisch sein. Nach dem Frühstück durfte ich Kelly Bescheid geben und sie informierte Valentin. Die Hemmung Valentin in ein Gespräch zu verwickeln herrschte weiterhin. Ich konnte so stur sein! Bevor ich jedoch ans Werk durfte, musste ich mir den Verband wechseln lassen. Aus irgendeinem Grund war Nicholas dabei. Er wirkte angespannt wie einige Tage zuvor mit Mister Lane und drückte seine Unterlippen mit dem Zeigefinger zwischen die Zähne. Mister Brown wickelte den Verband ab und musterte den Schnitt. Er war rot und erhitzt. „Eine kleine Entzündung ansonsten ist alles in Ordnung." Er hob seinen Blick, den er nicht an mich richtete, sondern sofort an seine Arbeitgeber. Nicholas nickte, wieder wirkten die beiden als würden sie eine Verschwörung vertuschen wollen. „Ich werde dir eine Creme auftragen und den Verband neu anlegen!" berichtete mein Gegenüber nun an mich gerichtet. „Ist gut..." murmelte ich nur und biss die Zähne zusammen um nicht wieder in eine Welle von Fragen zu geraten. Wir hatten einen Deal, ich würde Nicholas erst einmal nicht weiter belästigen. War im Prinzip doch eh egal. In zwei Tagen war ich hier weg. Gemeinsam machten der Hausherr und ich uns auf den Weg zum Kaminzimmer, dort stand der Baum und wartete darauf geschmückt zu werden. Diese Tradition war mir aus meinem alten Leben bekannt. Ich erinnerte mich daran wie meine Familie und ich gemeinsam die Tanne schmückten. Den Stern für die Spitze setzte jedes Jahr mein Vater auf. Ebenfalls eine Tradition, dann gab es ein Bild für das Erinnerungsbuch und dann wurde gegessen. Diesmal gab es keine Familie, keine Bilder. Ich linste zu Nicholas, der einige Schritte vor mir herging. Für den Moment war er alles was ich hatte. Ein Mann, den ich so gut wie gar nicht kannte und der dafür sorgen wollte, dass kein weiteres Bild in das Erinnerungsbuch geklebt wurde. Meine Gedanken schweiften zu meiner Familie. Wie ging es Ihnen nach der ganzen Zeit? Würden sie auch den Baum ohne mich schmücken, so wie jedes Jahr? Würden sie weitermachen, so als wäre ich nie verschwunden? Je mehr ich darüber nachdachte, desto größer wurde der Wunsch, sie würden weitermachen so als hätte es mich nie gegeben. Ich hatte zwar vor den Ort des Schreckens zu verlassen aber wer gab mir die Garantie, dass ich Zuhause ankommen würde? Niemand gab mir die Gewissheit! In meinem Hals bildete sich ein Kloss! Er war so groß, dass ich nicht mal beim Erblicken des riesigen Baumes etwas sagen konnte. Er war mindestens 3 ½ Meter und wunderschön. Ich hatte noch nie solch eine prachtvolle Tanne gesehen. Es überraschte mich nicht, dass selbst die einfachste Tanne wundervoll sein musste in diesem Haus. Alles schien auf den ersten Blick perfekt. Nach wie vor passte ich hier kein bisschen rein. Ich schluckte schwer und versuchte die aufkommende Trauer einfach zu verdrängen, so wie sonst auch. „Alles in Ordnung?" fragte mich mein Begleiter und stellte sich vor mich. „Ich fand die Idee zuerst wirklich schön aber ich weiß nicht ob ich das kann." Sagte ich und zwang mir ein Lächeln auf. Warum versuchte ich meine Trauer zu überspielen? Er sollte sie ruhig sehen, er sollte ruhig erkennen was er mir angetan hatte und doch beließ ich es bei dem lächerlichen Versuch meine Trauer durch ein Lächeln zu vertuschen. „Emily... was soll ich sagen oder machen?" Diese Frage wirkten hilflos und verzweifelt. Ich hatte eher mit Ungeduld gerechnet aber dieses Gefühl war aus seinen Worten nicht zu entnehmen. Ich ging an ihn vorbei und schnappte mir die ersten Kugeln. „Alles gut Nicholas. Ehrlich das vergeht schon!" Ich drehte mich zur der Tanne und hing die erste goldene Kugel auf. Stumm folgten die nächste und eine weitere. Der Hausherr widmete sich daraufhin ebenfalls dem Baumschmuck und gemeinsam, schmückten wir in Stille gehüllt, den Baum. Als ich bereits einige Packungen leer gemacht hatte, beehrten uns Valentin und Kelly mit ihrer Anwesenheit. Die Schwarzhaarige stellte sich neben mich und konnte sich das zufriedene Grinsen nicht verkneifen. „Danke!" murmelte sie und nahm mir einige Kugeln ab. Ich nickte nur und warf einen flüchtigen Blick zu Valentin, dieser kramte eine Lichterkette aus dem Karton hervor. Ich musste mich auf den Augenblick konzentrieren und der war nicht der Schlimmste. Tatsächlich tat die Musik, das Gebäck und die Anwesenheit der drei gut. Mit Freude beobachtete ich wie Kelly und Valentin tatsächlich vorsichtige Zärtlichkeiten austauschten. Ich war zufrieden, wenn ich schon mein eigenes Leben nicht im Griff hatte konnte ich ja wenigstens unterstützend tätigt werden. Die Zeit verstrich und die Stimmung wurde immer gemütlicher. „Wie geht es dir jetzt?" fragte Nicholas und reichte mir eine Tasse heißen Kakao. Ich nahm das Getränk dankend entgegen und wippte mit dem Kopf zur Musik. „Vorsicht, es ist heiß!" Die Warnung aufnehmend, starrte ich zu dem Baum und war für einen Moment in meiner ganz eigenen Welt. Mir fiel etwas ein! Etwas, was sich erst jetzt an mein Bewusstsein wendete. „Als ich beinahe gestorben bin, habe ich an dich gedacht!" kam es gedankenlos über meine Lippen. „Ich habe dich gesehen Nicholas." Wiederholte ich und sah auf. „Du hast meine Hand genommen und mich zurückgebracht ins Leben!" „Ich habe deinen Namen gerufen..." sagte er trocken. „Das ist bestimmt der Grund für mein Erscheinen!" versuchte er meine Ehrlichkeit zu überspielen. „Das glaubst du ja?" forschte ich nach und spürte, wie er mich nicht ernst nahm. „Da gibt es keine andere Erklärung für!" wies er meine Frage emotionslos ab. „Oh, ich bitte dich... Nicholas du kannst die Worte nicht hören? Du kannst es nicht ertragen, wenn ich über meine Gefühle rede oder?" Ich drückte die linke Hand zu und spürte das heiße Porzellan. „Was für Gefühle Emily... du kennst mich so gut wie gar nicht! Was für Gefühle außer Hass und Wut sollst du schon empfinden können?" wurde er nun ernster und hob eine Augenbraue. „Wie Recht du hast, dich kann man nur hassen!" ich warf die Tasse auf den Boden und ging an ihm vorbei, doch weit kam ich nicht. Er packte meinen Ellbogen und zog mich zu sich zurück. Er packte unsanft meine Schultern und schüttelte mich. Ich weitete geschockt meine Augen, diese Facette war mir neu. Wann würde ich seine wahre Gestalt endlich erfassen können? „Dein Benehmen ist untragbar!" „Du hast doch angefangen, du hast mich als eine kleine Göre abgestempelt!" wurde ich nun lauter und versuchte mich aus seinem Griff zu befreien. Er tat mir weh und schien keineswegs Rücksicht darauf nehmen zu wollen. „Ich versuche wirklich alles um es dir hier heimisch zu machen und du bist nur undankbar." Fuhr er fort. Kelly war zu Valentin gerückt, das konnte ich aus dem Augenwinkel erkennen. „Du spinnst doch, wie oft sollen wir diese absurde Diskussion noch abhalten! DU hast mir das hier angetan, das ist doch wohl das mindeste! Du hast mir alles genommen!" Er hörte auf mich zu schütteln und warf mich zu Boden. Ich landete auf dem Parkett und sah auf. Als Kelly auf mich zugelaufen kam, hob Nicholas eine Hand und sie blieb sofort stehen. Ich strich mir die Haare aus dem Gesicht. „Das ist deine Meinung ja?" wollte er plötzlich ganz ruhig wissen und kam einen Schritt auf mich zu, so dass er ganz nah vor mir stand. „Ja so ist das und so wird es immer bleiben!" knurrte ich und erwiderte seinen kalten Blick. „Warum also solltest du etwas Anderes als Hass und Wut für mich empfinden?" Er hatte mich überlistet. Er hatte mein anfängliches Geständnis in der Luft zerrissen. Ich schluckte und mir wurde klar, dass er diese Worte niemals zulassen würde, dass er meine positiven Gefühle niemals zulassen würde. Warum? Weil er mich sonst nicht wegschicken konnte? Er drehte mir den Rücken zu und setzte sich in Bewegung Richtung Türe. „Ich weiß es doch auch nicht, ich weiß doch auch nicht was ich sagen soll... Du willst meine Abhängigkeit aber meine Zuneigung willst du nicht, warum?" Er blieb stehen und senkte den Kopf. „Weil mir Zuneigung nichts bringt!" „Ist es nicht dasselbe?" rief ich und erhob mich langsam. „Nein liebe Emily, das ist es nicht. Deine Zuneigung ist nicht echt, sie basiert auf einen Schutzmechanismus deiner Seele. Abhängigkeit jedoch ist eine erzwungene Einstellung." Er machte mich wütend, das schaffte er wirklich gut. Ich stürmte auf ihn zu doch bevor ich ihn erreicht und ihm in den Rücken fallen konnte, stellte sich Valentin zwischen uns und fing mich ab. Ich versuchte mich gegen den Griff zu wehren doch selbst der schmale Blondschopf war stärker als ich. Durch den Blutverlust vom Vortag war ich bei weitem nicht so fit wie sonst. „Beruhig dich..." flüsterte er mir ins Ohr. „Einen Scheiß werde ich. Sieh mich an, wenn ich mit dir rede so wie es sich gehört, es geht mir auf den Geist, dass du immer meinst das Gespräch beenden zu können!" schrie ich aufgebracht und bäumte mich gegen die Arme, die Valentin um meine Taille geschlungen hatte. Doch er tat es wieder, er beendete unsere Diskussion und verließ den Raum. Erst als die Türe ins Schloss fiel, ließ Valentin mich los. Ich drehte mich zu ihm um, schubste ihn und gewann Abstand. „Warum?" wollte ich wissen. „Warum mischst du dich ein?!" „Weil es für dich besser ist glaube mir!" „Als hättest du auch nur die geringste Ahnung! Du belügst mich doch auch du bist nicht besser als er!" „Emily!" er hob beschwichtigend die Arme. „Das mag für dich alles so aussehen aber so ist es nicht!" versuchte er mir zu erklären aber ich wollte nichts hören. MeinBlick suchte Kelly, ich hatte ihr versprochen nichts zu sagen und das tat ich auch nicht. „Ihr könnt mich alle mal!" flüsterte ich und verließ ebenfalls den Raum. Kapitel 39: Die letzte Aktion ----------------------------- In meinem Zimmer bekam ich mich nur schwer beruhigt. Ich katapultierte Kissen durch die Gegend, ließ eine wohl sehr teuere Vase auf den Boden laden und schrie so laut ich konnte in meine Bettwäsche. Die Verzweiflung war wieder da, sie nahm mich gefangen und schnürte mir die Kehle ab. Es dauerte sicherlich eine halbe Stunde bis ich meine Hände löste und das Stoff, in das ich gebrüllt hatte losließ. Langsam erhob ich mich und ging zu dem großzügigen Fenster. Tausend Gedanken und doch nichts haltbares schossen durch meine Synapsen. Am Ende blieb doch nicht mehr viel. Am Ende würde ich wieder außerhalb dieser Mauern sein. Nur Schemenhaft erkannte ich die gewaltige Hürde in der Ferne. Mit der Frage, ob Nicholas mich vermissen würde ließ ich meine Finger zu den Gardinen gleiten und umfasste diese sachte. Das war doch mal eine Idee. Er sollte leiden, er sollte mich vermissen und ewig damit leben müssen mich nie wieder zu finden denn dafür würde ich sorgen. Kein zweites Mal würde ich meinem inneren Ich, das mich ganz klar gewarnt hatte kein Gehör schenken. Ab dem Moment an, ab dem ich hier verschwand würde ich alles anders machen. Mein Griff wurde fester und ich spürte die feinen Fäden der Gardinen. Auch wenn ich auf der einen Seite diesen Wunsch hegte war dort vergraben unter Wut und Angst, dass Gefühl mich versöhnen zu wollen. Ich seufzte und war von mir und meinen Gefühlswahnsinn genervt. "Warum Emily...? Warum bist du nur so ein dummes Stück?!" Murmelte ich und erblickte mich in der Scheibe vor mir. Warum wollte ich mich mit ihm verstehen? Warum war der Drang stärker als die Wut? Langsam ließ ich die Gardinen los, frischte mich auf und machte mich auf den Weg Nicholas aufzusuchen. Ich würde diese beiden Gefühle schon noch vereinen. Ich fand ihn nach längerem Suchen am Pool unterhalb des Herrenhauses. Ich betrat die feuchte und warme Umgebung. Nicholas schwamm einige Bahnen ich hoffte, dass auch er etwas Wut abbauen musste und diese ganzen Diskussionen nicht ganz kalt ließen. Ich setzte mich auf eine der Liegen faltete meine Hände vor meinen Knien und beobachtete ihn einfach nur bei seiner Sporteinheit. Er nahm mich gar nicht wahr so vertieft war er. So hatte ich die Gelegenheit eine ganze Weile seinen Körper in Aktion zu erleben. Er war wirklich atemberaubend schön. Alleine bei diesem Gedanke hätte ich mich etränken können. Erst als er eine Pause einlegte und sich aus dem Wasser zog erblickte er meine Person. Das Wasser tropfte von seinem nackten Oberkörper auf die blauen Fliesen. Das dämmrige Licht, ließ seine Gestalt mysteriös und ungemein attraktiv wirken. Er stieg komplett aus dem Wasser und kam auf mich zu. Jede Muskelbewegung nahm ich wahr. Seine anmutige Art sich zu bewegen machte aus seiner gesamten Erscheinung ein Meisterwerk. Ich stand von der Liege auf und blieb kerzengerade stehen. Während ich auf die generell wichtigen Fragen bisher keine Antworten erhielt, hatte ich auf die simple Frage warum ich ebenfalls keine Antwort erhalten. Was wollte er mit einer Schülerin, die ihm nicht mal im Traum das Wasser reichen konnte? Nicholas sagte nichts. Er streckte seine Hand nach meiner aus und zog mich zu sich. Ohne auch nur ein Wort küsste er mich. Ich schloss die Augen und ließ ihn mit mir spielen. Er drückte seinen nassen Körper an meinen. Ich legte meine Hände auf seine Brust und spürte den Drang, ihm seine Badeshorts vom Leib zu reißen. Er vergrub seine rechte Hand in meinen Haaren während er mit der linken meine Taille umfasste und mich noch näher an sich herandrückte. Was sollte mir sein Verhalten sagen? Wenn er nicht auf Sex aus war, warum teilte er solche Zärtlichkeiten mit mir? „Warum hörst du nicht einmal auf zu denken?" hauchte er in den Kuss. Ich fühlte mich ertappt und zuckte zusammen. „Was muss ich machen um dir deine Gedanken für einen Moment zu nehmen?" hauchte er weiter und löste sich von meinen Lippen um mir ins Gesicht sehen zu können. „Du könntest mir einen Tag mit dir schenken... schon morgen an dem du weder eklig noch zurückhaltend bist nur ein Tag und ich verspreche dir keine weiteren Gedanken an das alles zu verschwenden." Flüsterte ich und rechnete mit einer gemeinen, ablehnenden Reaktion. „Das ist dein Wunsch?" „Von mir aus auch mein Weihnachtswunsch!" fügte ich leise hinzu und erblickte das was mich zum Aufatmen brachte ein Lächeln auf seinen perfekt geformten Lippen. „Wie soll der Tag aussehen?" „Ein ganz normales Date, das länger als nur zwei Stunden dauert!" flüsterte ich weiter und hob eine Augenbraue. Er schien ein schlechtes Gewissen wegen der Sache im Kaminzimmer zu haben, das nutzte ich eiskalt aus. „Nun gut so machen wir es!" stimmte er meinem Plan zu. Er strich mir noch einmal über die Wange und ging dann wieder zum Becken. Jeder andere hätte mich gepackt und mit ins Wasser gezogen, so aber nicht er. Er war anders, er war undurchschaubar und das in allen was er tat. Kapitel 40: Kalter Kakao ------------------------ Ich blickte auf die Gräber derer, die die Anwesenheit von Nicholas nicht überstanden hatten und fragte mich warum er sich überhaupt Mühe mit mir gab. War er nicht derjenige der sich immer dann zurück zog wenn es emotional intim wurde? Was sollte dieses Date schon mit sich führen? Intimität war sicherlich kein absurder Gedanke. Standard für ein Date. Zumindest kannte ich diese Äußerungen von meinen Freundinnen. Seufzend, führt ich die Tasse an meine Lippen und nahm ein Schluck Kakao. Auf der einen Seite ertrug ich diesen Ort kaum und doch schien er mir gerade in diesem Moment gut zu tun. Ich hatte das Gefühl, dass ich genau hier die Möglichkeit hatte mit Gleichgesinnten zu kommunizieren auch wenn sie stumm blieben und mir keine meiner quälenden Fragen beantworten konnten. Jede einzelne hatte Nicholas auf eine Art und Weise kennengelernt wie nur sie ihn kannte. Keine hatte sicherlich dasselbe durchgemacht wie die andere. Oder waren wir uns doch vielleicht ähnlicher als ich es ahnte. „Was machst du hier?" hörte ich eine Stimme hinter mir. „Ich begutachte meine Zukunft, die auf mich wartete wenn ich es nicht schaffe abzuhauen." Murmelte ich und zog den Mantel zu. Es war wieder eiskalt, dieser Winter war härter als jeder den ich bereits erleben durfte. Hier schien alles viel intensiver und grausamer sein. „Du haust aber ab also was machst du hier?" ließ der ungebetene Gast nicht locker und stellte sich neben mich. Ich roch Alkohol und Zigarettenrauch. „Eines verstehe ich nicht du scheinst mich wirklich nicht ausstehen zu können und doch hilfst du mir!" flüsterte ich und führte wieder die Tasse erneut an meine Lippen. Die Hitze des Getränks war vergangen und übrig blieb eine süße, kalte Flüssigkeit. „Oh, Emily du kannst dir gar nicht vorstellen wie gerne ich deinen Körper genau hier unter die trostlose Erde bringen will!" sagte Ivan als würde er alleine durch den Gedanken daran glücklich sein. Mit einem leisen Knacken in meinem Nacken drehte ich den Kopf zu meiner rechten und sah den Russen erschreckt an. Kein Lachen nicht mal ein Zucken seiner Mundwinkel war zu erkennen. „Du meinst das ernst..." stellte ich mit einer aufkommenden Nüchternheit fest. Erst jetzt wandte auch er sein Gesicht zu mir und fixierte mich mit seinen glasigen Augen. „Jedes Wort ... jede Silbe...!" hauchte er und steckte sich die Zigarette zwischen die Lippen. „Nur leider würde mich der Hausherr lynchen, sobald ich dir auch nur eine Haarspitze krümme." Diese Aussage ließ mich aufatmen, er hatte Recht. Nicholas würde ihn sicherlich bestrafen. Diese Sicherheit tat gut. Kurz darauf beobachtete ich jedoch seine rechte Hand die auf mich zukam, ich konnte nicht zurückweichen so schnell ging das. Er schnappte sich meinen Arm und zog mich zu sich. Ich ließ meine Tasse fallen und blickte in das kalte Gesicht des Mannes, der mir als Einziger die Wahrheit offenbarte. Seine Gedanken, seine Wünsche. Selbst wenn diese nur verstörend auf mich wirkten. Ich roch seinen Atem. Der Geschmack von Alkohol und Zigaretten legte sich auf meine Zunge. Mit der anderen Hand, mit der er zuvor noch den Glühstengel gehalten hatte, umfasste er einer meiner Haarsträhnen und legte den Daumen auf meine Spitzen. Mein Blick glitt zu meinen Haaren, die er in meinen Blickwinkel zog und fixierte dabei weiter mein Gesicht. Er knickte sie um. Mir war klar was er mir damit symbolisieren wollte. Mit einem unguten Gefühl sah ich wieder in sein Gesicht, sein markantes, bleiches Gesicht. „Ups." Hauchte er und ein selbstgefälliges Lächeln legte sich auf seine Lippen. „Das macht dir Spaß, mich zu verunsichern!" murmelte ich und griff nach seiner Hand, die meine Haare weiterhin festhielten. „Mir ist nicht viel mehr Spaß geblieben als das hier." Grinste er. Ich zog meine Strähne durch seine Finger und wollte mich aus dieser Situation befreien. Doch das ließ er nicht zu. Er hielt mich weiterhin fest und legte dabei das Grinsen nicht ab. „Weißt du Emily ich bin schon ziemlich lange hier..." Er hielt inne. „Du willst doch immer die Wahrheit, hier hast du meine!" „Kannst du mir die Wahrheit nicht mit ein wenig mehr Abstand offenbaren?" meinte ich und drückte mich gegen die Brust des Größeren ab. „Ich bin der Meinung, dass genau das hier perfekt ist... soll doch sonst keiner mitbekommen was ich dir jetzt erzählen werde!" Er kam mir mit seinem Kopf noch etwas näher. „Ok." Willigte ich ein und versuchte den Größeren nicht zu verärgern. „Ich bin seit einer gefühlten Ewigkeit hier und genieße es... aber ganz ehrlich ich habe sämtliche Weiber gevögelt... irgendwann wird es langweilig und immer wenn ein neues Opfer von Mister Norton ihren unfreiwilligen Weg hierher fand habe ich mich gefreut... das hieß für mich endlich Frischfleisch!" Damit hatte ich nicht gerechnet, das Gesagte überforderte mich und genau das schien Ivan zu merken. „Vor dir gab es eine ziemlich lange Durststrecke..." „Ich dachte du und Chloe!" unterbrach ich ihn und versuchte nicht verunsichert zu wirken. „Sie ist gut aber auf Dauer... weißt du ich bin nicht geeigent für eine feste Beziehung... ich brauche Abwechslung. An dem Dag, an dem du dann hierher kamst musste ich mich mit dem Gedanken erst einmal anfreunden... du entsprichst nicht ganz dem Frauenbild, das ich gut finde... aber nach und nach habe mich an die Fantasie gewöhnt." „Ok Ivan was genau willst du mir sagen?!"knurrte ich nun und merkte wie mir die Lust verging dieses Spielchen weiter zu spielen. „Ganz einfach Emily... übermorgen bist du weg und damit ich dir helfe will ich was von dir... ich werde übermorgen Abend zu dir kommen, sagen wir drei Stunde vor Abfahrt und dann kannst du mir beweisen wie wichtig dir die Flucht wirklich ist!" Das Grinsen war verschwunden was blieb war ein ernster Blick der mich durch bohrte. Das war kein Scherz, das war sein vollster Ernst. Ich holte aus und gab ihm eine Ohrfeige. Ohne das ich reagieren konnte, holte auch er aus und traf meine linke Wange mit seiner Hand. Ich drehte automatisch meinen Kopf zur Seite und spürte das Pochen. „Gewalt find ich gut Emily, sehr sogar nur lass dir eins gesagt sein, ich bin derjenige der prügelt!" erst jetzt ließ er mich los, ich ging sofort einige Schritte zurück und sah ihn an. Er sollte keine Schwäche sehen und doch kämpfte ich mit größter Mühe gegen die Tränen. "Kein Wort Emily... kein Wort!" mahnte er mich und legte seinen Zeigefinger auf die Lippen. Kein Buchstabe schaffte es über meine Lippen. Ivan ließ mich glücklicherweise alleine vor den Gräbern stehen und verschwand mit einem zufriedenen Pfeifen. Ich starrte ihm mit verschwommener Sicht nach und ballte die Fäuste. Warum? Kapitel 41: Macht man das nicht so? ----------------------------------- Auch wenn die Begegnung mit Ivan einen Schatten auf das bevorstehende Date warf und mich in der schlaflosen Nacht durchgehend beschäftigt hatte, wollte ich mich ganz darauf einlassen. Es war der letzte Abend mit Nicholas und den wollte ich genießen, danach konnte ich mir um den durchgeknallten Russen Gedanken machen. Irgendwie würde ich das auch ganz ohne Körpereinsatz schaffen. So kurz vor dem Ziel durfte mich der Einschüchterungsversuch eines betrunkenen Mannes nicht beeindrucken. Damit die Ablenkung auch glückte bat ich Kelly mir bei der Auswahl des Outfits zu helfen. Sie war sofort mit Feuer und Flamme dabei und beriet mich. Sie saß mit einer Tasse Glühwein auf dem Sofa in meinem Zimmer und wartete auf eine weitere Darbietung meiner Klamotten. Wie eine verrückte durchforstete ich meinen begehbaren Kleiderschrank und stellte schnell fest ich hatte einfach gar nichts zum Anziehen. „Emily ehrlich, dass Mister Norton wirklich vorhat dich heute Abend auszuführen finde ich atemberaubend..." schwärmte sie und konnte den Funken Neid nicht unterdrücken. „Vielleicht solltest du mal Valentin um ein Date bitten." Schlug ich vor und zog die letzte Alternative an, die mir blieb. „Ah was... das mit dem Schmücken des Baumes war schon mehr als wir je geschafft haben..." hörte ich eine deprimierte Kelly sagen. „Du hast doch nichts zu verlieren!" meinte ich und kam aus meinem Versteck hervor. Kelly sah mich von unten bis oben an. Ein Daumen hoch nahm mir die Sorgen. „Sehr gut!" Mein Weg führte zum Ganzkörperspiegel, indem ich mich beäugte. Ich nickte zufrieden, warum musste auch immer die letzte Wahl die beste sein? Kelly tauchte hinter mir mit einem Glühwein auf. „Bist du aufgeregt?" Ich nahm das Getränk an und nickte. „Und wie... ich hatte bisher noch nie ein Date gehabt... ich weiß nicht einmal, was Nicholas vorhat." Mit einem flauen Magen trank ich den Alkohol und drehte mich zu der Schwarzhaarigen. „Was erhoffst du dir denn eigentlich?" grinste die Ältere und auch ich konnte mir das Grinsen nicht verkneifen. „Ich weiß es nicht." Murmelte ich in meine Tasse und leerte sie daraufhin. „Es ist doch absurd... den ganzen Tag über hatte ich gehofft ihn zu sehen um etwas aus ihm heraus zu kitzeln! Doch wenn ich ihn sehen will ist das Haus wie ein endloses Labyrinth will ich ihn hingegen nicht sehen ist es wie ein Nähkästchen!" seufzte ich und ging zum Sofa auf das ich mich niederließ. Kelly drehte sich mit mir und blieb stehen. „Du weißt aber schon, dass du nur noch 5 Minuten hast!" Erschreckt sah ich auf die Standuhr. Sie hatte Recht, mein Herz fing sofort an zu rasen, die Übelkeit überkam mich und meine Hände fingen an zu schwitzen. Nach all dem reagierte mein Körper immer noch so empfindlich auf Nicholas. Ich sprang auf und blieb kerzengrade stehen. „Ganz ruhig Emily..." ermahnte ich mich. „Alles wird gut du siehst klasse aus und du wirst einen wundervollen Abend haben!" ermutigte mich Kelly und kam auf mich zu um mich zu umarmen. Sie drückte mir einen Kuss auf die Wange und ging zur Türe. „Ich verschwinde damit er dich ungestört abholen kann!" „Bleib doch!" kam es hilfesuchend über meine Lippen. „Viel Spaß!" mit diesen Worten ließ sie mich alleine. Ich atmete tief ein und stockte als ich Nicholas Stimme vernahm. Gleich würde er klopfen um mich abzuholen. Dann war es auch schon soweit, das Aufeinandertreffen von seiner Hand und der Türe war zu vernehmen. Ich beendete meinen Atemzug und nährte mich wie in Zeitlupe dem Holzgebilde, das Nicholas von mir trennte. Mit Herzklopfen, drückte ich die Klinke runter und öffnete ihm die Pforte. Sein Antlitz raubte mir den Atem, passend zu mir trug er eine Jeans und ein Pullover. Wir hatten beide zum Glück denselben Gedanken gehabt. Er sah perfekt aus, wer würde nicht für ein Date mit solch einem Mann töten? Warum konnte ich nicht immer solche positiven Gedanken ihm gegenüber haben?! Mit einem charmanten, aufrichtigen Lächeln sah er mich an. „Bist du fertig? Ich bin zwei Minuten zu früh!" sagte er und brach damit sofort das Eis. „Alles gut auch wenn ich unpünktliche Menschen nicht ausstehen kann." Scherzte ich und schnappte mir meine Jacke. Gemeinsam gingen wir runter und verließen das Haus. Wir unterhielten uns nur oberflächlich über den Tag und die Aufregung verging. Ich war bereit und freute mich auf das Kommende. Mein erstes richtiges Date. Er führte mich zu dem, auf uns wartenden, Wagen und öffnete mir die Türe. Ich stieg ein und war verwundert. „Wohin geht es?" fragte ich und konnte meine Neugierde kaum zurückhalten. „Lass dich überraschen. Ich habe einiges für uns geplant." Antwortete er knapp als sich der Wagen in Bewegung setzte und er mir ein Glas Champagner reichte. Ich nahm das Blubberwasser und wir stießen auf einen schönen Abend an. Als ich den ersten Schluck meine Kehle runterjagte spürte ich kurz darauf ein Schwindel. „Alles ok Emily... keine Sorge es wird dir nichts geschehen." Als ich meine Augen öffnete sah ich in ein lächelndes Gesicht. Ich hörte Musik und ein Geruch von Weihnachten lag in der Luft. Unbekannte Stimmen drängten sich mir auf. Wo genau befanden wir uns? Auch wenn mein Kreislauf nicht richtig mitkam wollte ich aus dem Fenster sehen und erforschen wohin mich Nicholas gebracht hatte. Ich legte meine Hände auf das kalte Glas, ließ den Kopf leicht hängen und versuchte die Schwärze vor meinen Augen zu verdrängen. Langsam sah ich auf und erblickte Menschen, fremde Menschen. Ich war nicht mehr auf dem Anwesen von Nicholas ich war außerhalb unter normalen Leuten. Viel zu schnell wandte ich mich an mein Date und sah ihn mit großen Augen an. „Was ist das hier?" Mein Gegenüber lachte auf. „Das ist ein Weihnachtsmarkt inmitten eines Waldes. Ich dachte dir könnte so etwas gefallen!" „Gefallen? Ich liebe die Idee!" Meine Freunde wurde umgehend gedrosselt. „Du wusstest, dass das ein Wunsch von mir war... richtig?" „Wollen wir wirklich jetzt darüber reden?" forschte der gutaussehende Mann vor mir nach. „Nein." Gestand ich und griff nach der Tür um auszusteigen. „Über eines müssen wir jedoch noch reden." Hielt mich Nicholas zurück. Ich verharrte und sah aus dem Fenster. „Ich werde nicht versuchen abzuhauen und ich werde auch nicht versuchen jemanden nach Hilfe zu bitten!" flüsterte ich und wollte einfach nur raus. „Gut aber das war nicht alles." „Was noch?" „Ich wünsche mir, dass du Spaß hast." Ein Lächeln wuchs auf meinen Lippen. „Den werde ich haben!" versprach ich und hörte das entriegeln der Tür. Sofort öffnete ich diese und trat in die kalte Luft. Der Geruch war noch intensiver und die Musik viel lauter. Ich konnte es kaum glauben, wir waren umringt von Bäumen und vor mir eröffnete sich ein Weihnachtsmarkt wie ich ihn nur aus dem Internet kannte. Nicholas tauchte neben mir auf und nahm meine Hand. Ich sah verwundert auf. „Macht man das nicht so?" lächelte er und ging vorweg. „Doch so macht man das!" murmelte ich und folgte ihm in das bunte Treiben. Kapitel 42: Wir sollten gehen ----------------------------- „Wie fühlst du dich?" Fragte mich Nicholas als wir gemeinsam vor einem der unzähligen kleinen Hütten standen und ich mir die handgeschnitzten Holzfiguren genauer ansah. „Es ist wie zuhause." Sagte ich und griff nach einem Reh. „Damals habe ich mit meiner Familie beinahe jeden Weihnachtsmarkt besucht der einigermaßen leicht zu erreichen war... nur einer fehlte...!" flüsterte ich. Er wusste, dass ich oft genau solch einen Markt besuchen wollte diesen Wunsch hatte er mir erfüllt. Nur fehlten meine Eltern und meine Geschwister. Ob sie auch auf einem Markt herumliefen und sich auch diese Holzfiguren ansahen? „Gefällt es dir?" fragte er sofort und riss mich damit aus meinen Gedanken. Ein Nicken meinerseits signalisierte ihm die eindeutige Antwort. Ohne ein weiteres Wort kaufte er mir das Reh und wir gingen weiter unseres Weges, dabei hielt er meine Hand und schenkte mir das Gefühl zu ihm zu gehören. Das tat ich schließlich auch auf eine kranke Art und Weise. Seit etwa zwei Stunden schlenderten wir bereits durch den Wald, es wurde dunkel und die Lichter umhüllten uns in einen angenehmen Kreis von Wärme. Wir hielten am Süßigkeitenstand kauften dort Mandeln, tranken einen Glühwein und redeten über Banalitäten. Wir benahmen uns wie Menschen, die ernsthaftes Interesse an dem jeweils anderen hatten. Wie Menschen, die kein Geheimnis, so dunkel wie die Nacht, hüteten. Wir bewegten uns zwischen all den fröhlichen und ahnungslosen Mitmenschen als wären wir welche von Ihnen. Die Frage blieb dabei offen, gab es hier vielleicht noch mehr Menschen die Grausamkeiten ihr Eigen nannten? Wie normale Menschen musste meine Begleitung die Toilette aufsuchen und ließ mich vollem Vertrauens alleine inmitten der Lichter und Eindrücke. Ich stand dort mit der Tüte in der Hand und beobachtete spielende Kinder, Paare, Eltern, Omas und Opas, wie sie allesamt ein Ziel hatten einfach diesen magischen Ort zu genießen. Es gab auch wirklich einiges zu sehen. Neben den normalen Weihnachtsbuden herrschten ausreichend Essgelegenheiten und bei näherer Betrachtung bekam ich Appetit. Doch meine Aufmerksamkeit wurde kurzerhand von zwei Menschen angezogen, die hier für Sicherheit sorgten. Zwei Polizisten kamen auf mich zu und unterhielten sich. Mein Herz begann zu rasen, das wäre die Möglichkeit. Sie könnten den Dieb, der mich meiner Familie entwendet hat sofort mitnehmen. Sie kamen immer näher und die Aufregung stieg. Die Polizisten gingen an mir vorbei und einer von den beiden lächelte mich höflich an. Es wäre nur ein „Hilfe" nur ein Hallo mehr nicht. Eine Erklärung und ich wäre frei. Wäre ich das? Nicholas hatte genügend Geld um alles zu unternehmen um mich zu behalten. Vielleicht kannten sie ihn? Ich drehte mich mit ihnen und bekam kaum Luft. Selbst das kürzeste Worte würde keinen Weg aus meinem Körper finden, so trocken war mein Mund. Nein der Plan für morgen war besser so würde Nicholas mich ers einmal suchen müssen um mir mein Leben ein zweites Mal zu ruinieren. „Sollen wir etwas essen?" wollte mein Date von mir wissen und tauchte hinter mir auf. Ertappt drehte ich mich zu meinem Gastgeber und nickte. Ich versuchte meine Gedanken hinter einem Lächeln zu verstecken. „Worauf hast du denn Lust?" „Nein sag du mir was du essen willst!" forderte ich ihn auf mir seinen Wunsch mitzuteilen. Er war aufrichtig nett und sehr zuvorkommend, bis jetzt verlief dieses Treffen wie es besser nicht laufen konnte. Es war wie ein Traum ein realer Traum und ich genoss jede Sekunde. Nicht nur das, ich genoss die Blicke, die Blicke, die ihm galten. Es gefiel mir wie die Frauen verstohlen zu uns rüber sahen und ihn musterten. Egal wie sehr sie sich anstrengten um es zu verbergen. Keine Chance ich spürte sie und musste ihnen beipflichten. Er war eine Augenweide. „Ein Mistelzweig, Sie müssen Ihre Herzdame küssen." Sang ein aufgekratzter großer Mann im Wichteloutfit und hielt den Zweig über unsere Köpfe. Ich sah Nicholas rotwerdend an. Er hingegen schenkte mir ein besänftigest Lächeln und streckte seine Hand nach meinem Gesicht aus. „Ich wollte eigentlich bis nach dem Date damit warten aber..." bevor er seinen Satz beendete spürte ich seine nach gebrannten Mandel schmeckenden Lippen auf meinen. Er raubte mir erneut den Atem und küsste mich hier vor all den Fremden, für die wir sicherlich wie ein normales Paar rüberkamen. Sie sollten es alle sehen, jede Frau, die hier rumlief und vor Neid platzte, weil mich der wahrlich schönste Mann auf dem Platz küsste. Als ich seine Lösung spürte öffnete ich meine zuvor geschlossenen Augen und konnte mir das Kichern nicht verkneife. Der Mann mit dem Mistelzweig klatschte und reichte uns ein Flyer. Ich begutachtete das laminierte Blatt Papier und hob es hoch. „Hast du vielleicht Lust auf das hier?" schlug ich Nicholas, das abgebildete Diner vor. „Burger und Bier du scheinst mich gut zu kennen." Neckte er mich und griff in seine Tüte mit Mandeln. „Vielleicht besser als du denkst." Konterte ich, klaute ihm kurzerhand die Mandel aus den Fingern und steckte sie mir in den Mund. Nicholas lachte auf und nahm meine Hand. „Du bist wirklich einzigartig." Dann setzte er sich wieder in Bewegung und ich folgte. Der Fahrer brachte uns zu dem besagten Diner, auch hier herrschte buntes Treiben. Betrunkene und einfache Familien suchten hier die Stillung des Appetits. Wir betraten das Gebäude und nahmen an einem der vielen Tische Platz. Nicholas reichte mir eine Karte und las sich selber die Gerichte durch. „Burger und ein Bier!" daran hielt er fest und legte die Bestellkarte zur Seite. So einfach machte ich es mir nicht. Salat, Burger, Hotdogs. Ich hatte Hunger und hätte alles essen können. „Ein Cheeseburger und eine Cola." Entschied ich mich schließlich und war froh, dass die Kellnerin kurz darauf kam und die Bestellung aufnahm. So war ich nicht der Schmach ausgesetzt meine Meinung noch fünfmal zu ändern. Mein Gegenüber lehnte sich zurück und sah mich musternd an. „Hast du dir dein erstes Date so vorgestellt?" wollte er wissen und ich brauchte einige Sekunden um zu antworten. „Irgendwie schon... und irgendwie ganz anders." Versuchte ich meine Gedanken in Worte zu packen. Doch er verstand mein Kauderwelsch nicht, das war an seinem Bick ganz klar zu erkennen. „Ich meine, dass wir auf einen Weihnachtsmarkt gegangen sind und nun hier sitzen war kein Teil meiner Vorstellung aber das ist ja auch nur nebensächlich. Mir waren die Gefühle in meiner Vorstellung immer wichtiger..." gestand ich und lehnte mich ebenfalls zurück. „Deine Empfindungen sind aber schon so, wie du sie dir ausgemalt hast?" ließ er nicht locker. Ich musste zugeben, sie waren es. Ohne etwas zu sagen sah ich aus dem Fenster. Es begann wieder zu schneien. Meine Wortlosigkeit war für Nicholas Antwort genug. „Ich muss zugeben, mein letztes Date ist auch schon eine ganze Weile her. Ich war mir nicht sicher ob ich das hinbekomme." Diese Aussage verwunderte mich. Der Mann, der sich doch immer so sicher war zweifelte an seiner eignen Person? Ich sah zu meinem Gegenüber und hob eine Augenbraue. „Ah wirklich, das sagst du doch jetzt nur so, damit ich mich besser fühle!" meinte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. Nicholas lächelte blieb jedoch hart. „Nein, es ist die Wahrheit, ich war mir wirklich nicht sicher ob dir das alles gefallen würde!" „Wie könnte es nicht ,du hast doch genau diesen Ort ausgesucht, weil er perfekt war. Du wusstest um meinen Wunsch." Versuchte ich ihn zu entlarven. „Auch wenn du damit Recht hast, heißt das noch lange nicht, dass die Wahl gut war. Ich meine ich konnte nicht wissen, ob du ausrastet und mich wieder beschimpfst!" Ich lachte auf. „Stimmt dem kannst du dir nie sicher sein." Die Kellnerin unterbrach mein Lachen durch das Hinstellen des Essens. Sie sah gut aus, hatte lange blonde Haare und strahlend blaue Augen. Ich konnte kaum wegsehen und beobachtete wie sie Nicholas ansah und ihm überfreundlich das Essen servierte. Als ich jedoch meinen Blick von ihr zu meinem Gastgeber gleiten ließ, trafen sich unsere Blicke. Er hatte sie keines Blickes gewürdigt und lächelte wieder. „Lass es dir schmecken." Die junge Dame zog etwas irritiert ab. Sicherlich kannte sie diese Reaktion so gut wie gar nicht. Das Gefühl war kaum zu erklären, es war so etwas wie Stolz. Stolz? Ich schnappte mir die Cola und schluckte dieses Gefühl runter. Nicholas setzte sich unterdessen aufrecht hin und schnappte sich den Burger. „Den bekommst du niemals in den Mund!" meinte ich und stellte die Cola hin. „Sieh zu und lerne!" Er drückte den Burger zusammen und biss ohne größere Mühe hinein, dabei kleckerte er auf den Teller. Ein Lachen kam aus mir heraus, dieses Bild war einfach herrlich. Er wirkte wie ein ganz normaler Mitte Dreißiger, ganz ohne seine Hemden und Jacketts war er noch attraktiver. Ich versuchte mich nicht in meinen Gedanken über mein Begleiter zu verlieren und widmete mich meinem Burger. Im Gegensatz zu ihm bekam ich es gar nicht hin. Nach etwa 15 Minuten, voller Unwissenheit wie ich den Burger essen sollte und kleineren Lachanfällen, von beiden Seiten aus, waren wir jedoch beide fertig und Nicholas widmete sich seinem Bier. „Ich hatte ganz vergessen wie gut das hier schmeckt." Sagte er und sah auf das Glas. „Fleisch und ein gutes Bier... damit ist der Mann von Welt zufrieden. Egal wie reich oder arm, wie hässlich oder gutaussehend..." scherzte ich und stopfte die letzte Pommes in den Mund. „Ich hoffe, du meintest mich mit gutaussehend." Sponn er meinen Scherz weiter. „Wie könnte ich nicht." Antwortete ich nüchtern und erkannte wie das Grinsen von seinen Lippen verschwand. „Es hat mir wirklich sehr gut gefallen... bis jetzt!" fing ich an. Der braunhaarige nahm einen Schluck. „Wir sollten aufbrechen!" meinte er plötzlich. „Nein Nicholas! Das kannst du knicken du musst nicht wieder anfangen deine Wand hochzuziehen!" unterbrach ich ihn sofort in seinem Plan. „Der Abend gehört mir und du bist ein Teil davon!" machte ich ihm klar und stand auf. „Was machst du?" „Ich geh auf Klo!" unterrichtete ich ihn aus dem Zusammenhang gerissen und ging. Wie ich es ahnte versuchte er locker zu bleiben folgte mir jedoch. Als ich fertig war und aus der Toilette trat lehnte er an der Wand mir gegenüber. Ich blieb stehen. „Hast du geglaubt ich haue ab?" wollte ich wissen, doch die Antwort blieb aus. Er stützte sich ab und überbrückte den sowieso schon geringen Abstand zwischen uns. Mit einem Mal packte er meinen Nacken und drückte mich gegen die kalte Wand. Er zwang mir seinen Kuss auf und ich rang nach Luft, diese Chance nutzte er und drang mit der Zunge in meinen Mund ein. Meine Beine verwandelten sich in Pudding, ich hatte Mühe stehen zu bleiben. Ich krallte mich in seine Arme und ließ die Situation in ihrem vollen Ausmaß auf mich wirken. Damit hatte ich nicht gerechnet, nicht mal im Traum hätte ich mir das vorstellen können. Ich verlor mich in diesen erotischen Kuss und wollte mehr. Ohne wirklich darüber nachzudenken ging ich meiner Neugierde nach und führte meine rechte Hand in seinen Schritt. Nicht nur ich verlor mich in dieser Situation auch er zeigte mir eindeutig, er wollte mehr. Wir küssten uns wie ein verknalltes Pärchen, das nichts mehr wollte als miteinander zu schlafen und genau dieses Gefühl machte mir urplötzlich Angst. Er schien meine Unsicherheit zu spüren und zog sein Gesicht zurück. Ich erkannte, er versuchte zu lesen was in mir vorging aber das ließ ich nicht vor. „Du hast Recht wir sollten aufbrechen!" hauchte ich noch komplett benebelt. „Oh Emily, ja das sollten wir!" Kapitel 43: Die unumgängliche Aussprache ---------------------------------------- Die Fahrt über ratterte mein Gehirn. Ich war dankbar als Nicholas mir ein Glas Champagner reichte. Der Alkohol würde meine Gedanken ertränken. Mein ganzer Körper wollte nur noch eines, dass mich seine Hände überall berührten. Ich hielt das Glas an meine Lippen und hielt inne. „Ich werde schlafen richtig?" fragte ich obwohl die Antwort bekannt war. „Es ist wichtig, dass du nicht weißt wo sich unser Zuhause befindet." Sagte er dennoch auch wenn das Schweigen genug Antwort gewesen wäre. „Unser Zuhause?" wiederholte ich leise kaum hörbar, doch er hatte es gehört. Er lehnte sich zu mir rüber und legte seine linke Hand unter mein Kinn. „Ganz genau unser Zuhause..." er lächelte friedlich und gab mir das Gefühl, dass es ok war. Das, dass was geschehen war hinter uns lag und uns zusammengebracht hatte. Als müsste ich dafür dankbar sein. Ich nahm einen beherzten Schluck und merkte sofort das Zeug in dem Alkohol. Mir wurde schummrig und als ich wieder zu mir kam fuhren wir gerade unter dem Torbogen her auf unser Anwesen. Ich hörte wie das Tor hinter uns geschlossen wurde und die Leichtigkeit vom Abend verschwand langsam. Ich rieb mir die Augen und richtete mich auf. Ich war auf Nicholas Schoss eingeschlafen und er hatte mich nicht umgelegt. „Da wären wir wieder." Sagte er und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. Auch wenn die Wehmut in mir aufstieg blieb dieses andere Gefühl, das ich bisher so stark ausgeprägt nicht kannte. Verlangen nach dem Mann, der mir tief in die Augen sah und offen zeigte, dass auch er den Willen nicht verdrängen konnte. Der Wagen parkte vor dem Herrenhaus und wir stiegen aus. Er nahm für das letzte Mal an diesem Abend meine Hand und ging mit mir ins Innere. Stumm machten wir uns auf den Weg zu meinem Zimmer. Vor der Türe blieb er stehen und drehte sich zu mir. Mir wurde warm und die Überforderung überkam mich. Was würde jetzt passieren? Was musste ich tun? Ihn auf einen Kaffee einladen war dumm, ich hatte gar keinen Kaffee. Brauchte ich denn Kaffee wenn es sich bei der Frage gar nicht um Kaffee handelte? „Willst du noch mit reinkommen?" räusperte ich mich und sah kurz weg. „Emily ich würde dich am liebsten packen und mit zu mir in mein Bett zerren... dort würde ich dich entführen... erneut nur diesmal würdest du freiwillig mitkommen..." sagte er leise, die Unterdrückung seiner Erregung war nicht ganz gelungen. Diese Worte bereiteten mir eine Gänsehaut. Seine Stimme rau und tief, sie gab mir einen Vorgeschmack von dem was mich erwarten würde. „Warum machst du es dann nicht einfach?" murmelte ich und sah ihn wieder an. Er beugte sich vor und presste seine Lippen auf meine Stirn, dabei packte er meine Arme und zog mich ein wenig zu sich. Alleine dieser Kuss war schwer zu ertragen sowohl für ihn als auch für mich. Erst als er seinen Mund von meiner Haut löste, trafen sich unsere Blicke. „Weil das nicht zu einem ersten Date gehört..." lächelte er provokant und ließ mich los. „Gute Nacht und vielen Dank für diesen fantastischen Abend." Er ging rückwärts und fixierte mich dabei weiterhin lächelnd, dann drehte er sich um und ging. „Wie viele Dates sind dafür nötig?" rief ich ihm hinterher und wirkte sicherlich wie eine unreife Jugendliche. „Mindestens drei." Hörte ich ihn noch sagen bevor er um die Ecke verschwand. Ich lehnte mich gegen die Wand neben meiner Türe und versuchte wieder zu atmen. Ich legte den Kopf in den Nacken und konnte kaum glauben was er mit mir anstellte. Er rief etwas in mir hervor, dass ich bisher nicht kannte. Eines stand fest, ich mochte das Gefühl. Noch eine schlaflose Nacht peinigte meinen Geist. Wie sollte ich mit klaren Kopf abhauen wenn ich kein Auge zu bekam? Als die Sonne aufging saß ich bereits angezogen auf meinem Bett und wechselte von Ivan zu Nicholas. Gestern war die letzte Chance gewesen, mit dem Hausherren Erfahrung zu sammeln. Heute war die letzte Chance mit Ivan keine Erfahrung zu machen. Es musste ein Plan her aber wenn ich den Russen abservierte würde er mir nicht helfen. Nur wer wäre dann für mich da? Ich seufzte auch auf das Problem wusste ich die bittere Lösung. Ich brauchte Valentin auch wenn ich es nicht gerne zugab, ohne ihn hatte ich keine Chance. Zumindest war er die bessere Alternative. Ich stand auf und begab mich in den Essenssaal. Dort gab es wieder Allerlei Leckereien doch Nicolas fehlte. Als Chloe den Kaffee brachte biss ich die Zähne zusammen und fragte:" Weißt du wo Mister Norton ist?" ich versuchte die Frage so beiläufig wie möglich zu stellen. Ein böser Blick traf mich geradewegs, als sie mich ansah. „Er ist unterwegs!" zischte sie und ließ die Kanne lauter als notwendig auf den Tisch knallen. Dann stöckelte sie davon. „Ok danke..." murmelte ich und lehnte mich zurück. Auch wenn die verschiedenen Törtchen und Waffeln gut aussahen hatte ich keinen Appetit und schob den Teller weg. „Alles ok mit dem Essen?" fragte Valentin der am anderen Ende des Tisches auftauchte. Ich sah ihn ertappt an und schüttelte den Kopf. „Alles super." „Warum isst du dann nicht?" Mein Hirn fand meinen Verstand nicht wieder und ich stand auf. „Ganz ehrlich Valentin was geht es dich an! Geh irgendetwas putzen!" sagte ich abfällig und behandelte ihn wie ein Bediensteter. Für mich war er schließlich nicht mehr. „Emily!" rief er mir nach als ich mich zur Tür begab. „Was ist los?" fragte er ahnungslos. Die Türklinke umfassend blieb ich stehen. „Was soll los sein? Ist doch alles toll! Oder fällt dir irgendetwas ein was du mir vielleicht erklären willst?!" meinte ich provokant. „Ok...!" Ich war dem Blondschopf doch gefolgt, schließlich war er mein Ticket in die Freiheit. Er hatte eine Chance verdient endlich die Karten auf den Tisch zu legen. Die Wahrheit hatte ich bereits durch Kelly erfahren, ich war gespannt was er mir nun auftischen würde. Gemeinsam saßen wir vor dem Pferdestall auf einer Bank und sahen in den schneegeschwängerten Himmel. „Ich bin dir wirklich eine Erklärung schuldig... das ist mir klar aber." Ich unterbrach ihn sofort. „Kein aber, es reicht mir schon das Nicholas kein Sterbenswörtchen über den wahren Grund meines Aufenthalts verliert!" Valentin zog die Luft scharf ein und setzte wieder an. „Ich bin kein Angestellter ich gehörte zur Familie... ich bin Nicholas Bruder." Dieses Geständnis ließ mir die Kinnlade runterknallen. „Bruder?" Gut, dass er mit Nicholas verwandt war, wusste ich bereits aber Bruder? „Ich habe es für mich behalten, damit du dich in meiner Gegenwart wohlfühlst und nicht glaubst du könntest mir nicht vertrauen, weil ich mit ihm unter einer Decke stecke." „Oh Valentin... genau das denke ich auch ohne dieses Geständnis!" sagte ich aufgebracht und sprang auf. "Ich habe dir vertraut... wer weiß was du alle weitererzählt hast?!" Jetzt stand auch Valentin auf. "Nichts Emily! Nicht ein Wort meinst du ich würde dir die Flucht ermöglichen wollen geschweige denn können, wenn ich hinter deinem Rücken mit meinem Bruder darüber reden würde?!" Leider machten seine Worte Sinn und ich fuhr eine Stufe runter. „Ich hatte gehofft, dass du keineswegs die Richtige bist und das Thema mit dir schnell vorbei sei!" fuhr er fort und ich hob eine Augenbraue. „Das wäre für mich aber ziemlich schlecht gewesen!" fing ich an und dachte an Ivan und seine Schauergeschichten. „Du hättest mich verscharrt mit all den anderen!" fügte ich hinzu. „Verscharrt? Ich habe dir doch erzählt was passiert ist... wir hätte dich zwar nicht gehen lassen aber dir wäre hier nichts geschehen! Das mit den anderen waren Unfälle... grausame Unfälle..." „Ganz egal was habt ihr mit mir vor? Wenn du wirklich willst, dass wir uns wieder verstehen sagst du mir was die mit mir vorhaben!" Jetzt war die Gelegenheit gekommen, ganz ohne Nicholas an die Informationen zu kommen, die ich brauchte. „Ok... Mister Lane war nicht umsonst hier... er untersucht die Mädchen auf ihre körperliche Gesundheit." „Weiter..." Ungeduld herrschte über mich. Valentin zog die Luft scharf ein. „Er will die perfekte Frau haben... die ihm Kinder schenkt!" „Soll ich hier von der verkackten Bank fallen?" knurrte ich. Das passte nicht zu der Aktion von gestern. Mit meiner linken Hand glitt ich zu meinem Kopf und massierte meine Schläfe. „Ok, sagen wir du erzählst die Wahrheit..." den Sarkasmus konnte ich nicht unterbinden. „Ist das nicht absurd?" „Ist die ganze Sache an sich nicht schon absurd genug...?!" Da musste ich ihm beipflichten, das war sie. „Valentin ich will heute Abend fliehen das bist du mir schuldig... du musst mir helfen!" sagte ich nun offen und drehte mein Gesicht zu dem blonden Jungen der verständnisvoll nickte. „Das habe ich dir versprochen und das werde ich auch halten!" das Lächeln, ließ mich den Worten leichter Glauben schenken. „Wie ist der Plan?" Kapitel 44: Der Anfang vom Ende ------------------------------- Jetzt wo die Aussprache mit Valentin den ersten Schritt in die richtige Richtung symbolisierte war es als nächstes notwendig einen Weg zu finden wie ich Ivan loswerden würde. Dafür blieben mir nicht mehr als zu viele Stunden. Die Zeit raste und bald hieß es schon „Willkommen auf der heutigen Weihnachtsfeier!" Ich stand auf dem Balkon und sah in die Ferne. Ich hatte einen guten Blick auf den Weg vom Tor zu dem Herrenhaus. Ein prunkvoller Wagen nach dem anderen. Ich wollte gar nicht wissen, wie viele Menschen von Nicholas und meiner Entführung wussten. Sie mussten es wissen, wie sollte ich sonst unter ihnen wandern können ohne dass sie mich befreiten. Oder.... oder es war ihnen schlicht und einfach egal wer ich war und ob es Menschen gab, die mich vielleicht immer noch suchten. Der Gedanke bereitete mir eine Gänsehaut. Die Welt war viel zu oft ignorant. Sie würden mich sicherlich nicht einmal erkennen. Ich seufzte und zog den Mantel etwas fester zu. Nicholas sagte mir ich soll dazukommen wann immer ich mich danach fühlte. Ich ging einen Schritt näher umfasste das Geländer und presste mich gegen den kalten Stein. Wann ich mich danach fühlte? Ich war nicht mal in der Lage mein derzeitigen Gefühle auch nur im Geringsten zu erklären. Bei dem Gedanken, dass ich bereits bei Anbruch des nächsten Morgens nicht mehr hier sein würde fühlte sich seltsam an. Befremdlich sogar! Ich hatte mehr mit Freude als mit Unsicherheit gerechnet. Etwas in mir würde ihn vermissen, etwas in mir war vollkommen gefangen von diesem Mann. Er hatte das geschafft was ich nicht zugeben wollte und doch war es glasklar. Etwas in mir hatte sich in ihm verloren und wollte mehr als nur ein Date in einem Diner. Etwas wollte sein weiteres Leben mit ihm verbringen und ihn noch besser kennenlernen. Etwas in mir wollte von ihm berührt werden, es sehnte sich nach seinen Lippen, seinen Augen und seiner Stimme. Ich presste die Augen zusammen. Dieses etwas, das ganz offensichtlich vollkommen verrückt geworden war, würde mich nicht abhalten heute Nacht zu fliehen. Ich hatte mir vorgenommen Nicholas nicht mehr alleine zu begegnen, so würde das verrückte Ich keine weiteren Argumente für das Bleiben finden und vielleicht seinen vorlauten Rand halten. Ich musste mich ablenken und das ging am besten, indem ich an Ivan dachte. Alleine der Gedanke daran, dass ich Ivan körperlich näherkommen sollte brachte mich zum Würgen. Er war auf eine ganz seltsame Art und Weise abstoßend. Es war nicht mal körperlich, was mich so abschreckte. Es war sein Auftreten, sein Charakter der ihn unattraktiv und für mich zum Alptraum werden ließ. Am Ende brachte es mir nichts, verletzt in die Freiheit zu entkommen. Ich öffnete meine Augen und ganz plötzlich schoss eine Idee durch meine Synapsen. Überrascht über meine eigene Intelligenz schlug ich mit der flachen Hand auf die Brüstung. "Das ist doch mal ein Plan Emily...!" lobte ich mich selber und nickte bestärkend. Ich warf noch einen Blick auf die heranfahrenden Gäste, von denen schon bald einer mein Ticket in die Freiheit darstellte und ging zurück in mein Zimmer. Jetzt musste alles schnell gehen. Ich blickte auf die Uhr. Ivan wollte seine Belohnung um 0:00 abholen und die Uhr zeigte bereits 20:00. Ein Klopfen riss mich aus meinen Vorbereitungen für Ivan. Ich stand sofort kerzengrade im Zimmer und war froh, das soweit alles vorbereitet war. „Herein!" rief ich und setzte mich lässig auf das Bett, damit kein Verdacht entstehen konnte. Kelly trat ein und hielt ein wirklich schönes Kleid hoch, dabei war ich nach wie vor kein Fan von diesem Mädchenkram. Doch dieser Fummel war dezent und sogar irgendwie sexy. „Das soll ich dir bringen." Erklärte sie freudestrahlend und schloss die Türe hinter sich. Jetzt schien sie sicher zu sein, stürmte auf mich zu und blieb knapp vor mir stehen. Das Kleid landete dabei auf dem weinroten Ohrensessel. "Ich muss alles wissen!" Ich erkannte, wie sehr sie sich nach Informationen sehnte und beschloss sie nicht verhungern zu lassen. „Es war atemberaubend..." so ausführlich wie nötig und dabei so wenig Informationen wie möglich. Wir reisten einmal im Zimmer herum, saßen auf der Couch, lagen auf dem Boden und landeten schließlich auf meinem Bett. Kelly hing wie gebannt an meinen Lippen und saugte die Worte auf wie ein vertrockneter Schwamm der Wasser brauchte. Sicherlich war die ganze Geschicht mit mir und Nicholas etwas, was ihr Leben hier in diesen Mauern spannender machte. Viel mehr geschah hier schließlich nicht. „Emily... wie in einem Märchen!" seufzte Kelly sehnsüchtig und stand auf von unserer bequemen Unterlage. „Ein Märchen mit HappyEnd." Fügte ich hinzu und behielt meine Gedanken für mich. Ein HappyEnd für nicht jeden hier in diesem Haus. "Ich wünschte mir, dass du ihn wirklich aufrichtig lieben könntest..." murmelte mein Gast und zog das Kleid aus der Plastikhülle. Ich stand ebenfalls auf und folgte ihr. "Wie, Kelly? Wie?" "Ich weiß, dass es schwer ist aber vielleicht mit etwas Zeit!" Sie sah mich aufbauend an und reichte mir das Stück Stoff, das ich entgegen nahm und genauer ansah. "Ungewohnt..." murmelte ich und dachte an die ersten Kleider, die ich tragen musste. "Er will dich vorführen! Er will dich allen vorstellen, für ihn bist du die Richtige." freute sich die Schwarzhaarige und klatschte in die Hände. Ich sah von dem Traum in weinrot auf. "Die Richtige für was? Kelly für was?" kam es aufgebrachter als gewollt über meine Lippen. Die Reaktion ließ das Lächeln meines Gegenübers verschwinden. "Ich weiß es doch auch nicht...! Ich wünsche mir nur so sehr, dass du hier glücklich bist und Mister Norton als denjenigen erkennst, der er in Wirklichkeit ist, hinter seiner Fassade. Liebevoll, zuvorkommend und einer der großzügigsten Menschen auf dieser Erde!" Bei den Worten wurde mir schwindelig, auf der einen Seite brachten mich die Aneinanderreihung von Silben zur weißglut auf der anderen Seite hatte auch ich bereits die Gelegenheit gehabt Nicholas kennenzulernen wie er wirklich ist und zugegebenermaßen war er in den hellen Momenten gar nicht so übel. "Wie auch immer... ich werde mich bemühen!" sagte ich und zwang mir ein Lächeln auf. Die Stimmung sollte nicht kippen und ich wollte Kelly nicht vollends entmutigen. Sie wusste von dem ganzen Plan nichts und das war auch gut, das merkte ich jetzt. Sicherlich war ich eine gute Freundin für sie geworden und meine Flucht würde in Gefahr sein wenn sie davon wissen würde. „Wir sollten mich fertigmachen!" lachte ich auf und brachte Kelly dazu mit mir zu lachen. Sie nickte eifrig und gemeinsam legten wir los. Ich wusste, dass diese Spielereien bald ihr Ende haben würden und schenkte meiner Bezugsperson einen letzten Moment mit mir. Kapitel 45: Wie der Tiger im Zoo -------------------------------- Nachdem Kelly mich was Gesicht und Haare anging, passend für die Feier hergerichtet hatte, machte ich mich auf den Weg. Das Kleid gefiel mir angezogen tatsächlich noch besser als vorher. Der Blick in den Spiegel hatte mir zur Abwechslung den Atem geraubt. Ich hatte mich beinahe nicht wiedererkannt und ich war schon gespannt wie Nicholas darauf regieren würde. Als dieser Gedanke durch meine Gehirnwindungen zuckte biss ich mir auf die Unterlippe. Dieses vernarrte Ich in mir drin musste wirklich zur Strecke gebracht werden. Dieser Gedanke war auch der Grund warum ich umgehend das Zimmer verließ um das letzte Puzzleteil für meinen Plan "Wie werde ich Ivan los und das innerhalb zwei Minuten" zu besorgen. Dieses Teil führte mich durch die langen Gänge fernab der bereits gut beschallten Kulisse der Weihnachtsfeier. Mittlerweile hatten wir 21:30 und die Zeit wurde immer knapper. Ich würde mich ein letztes Mal bei Nicholas sehen lassen und Ivan auf eine Art und Weise beglücken, die er mit Belohnung sicherlich nicht gemeint hatte. Der Geruch von Weihnachten mit all seinen Auswirkungen hatte sich in den gesamten Räumlichkeiten dieses Hauses ausgebreitet. Ich freute mich, dass ich die Weihnachtstage zuhause verbringen würde. Alleine diese Vorstellung bestärkte mich in meinem Vorhaben zu gehen. Selbst der duschgeknallte Teil meiner selbst konnte dieser traumhaften Vorstellung rein gar nichts entgegenbringen. Vorsichtig wand ich mich durch die Flure und landete Schließlich vor dem Arztzimmer. Zur meiner Überraschung war es offen. Das war in diesem Haus nicht die Regel. Lieber verschloss man sämtliche Zimmer vor mir als mir Zugang zu gewähren. Das Schicksal meinte es gut mit mir und ich schlich mich hinein. Den wahren Grund warum die Tür offen stand erkannte ich erst im Inneren. Prompt blieb ich stehen und hielt die Luft an. Marcus drehte sich zu mir um als er merkte, dass er und eine junge Frau nicht mehr alleine waren. „Emily." Sagte er überspitzt freundlich und löste sich von seiner Gefährtin, die sich den Träger des goldenen Kleides wieder hochzog. Ich hob eine Augenbraue und meine Lunge nahm ihre Arbeit wieder auf. „Kein schöner Ort um Zärtlichkeiten auszutauschen." Sagte ich nüchtern und sah eine Gefahr in der Anwesenheit es Psychodoktors. „Was genau suchst du hier?" lenkte er ab richtete seine Fliege. Die Blondine stand von der Krankenliege auf und zog ihr Kleid glatt. „Du musst die Herrin des Hauses sein... Nicholas sagte dir sei nicht gut und du würdest erst später vorbeisehen." Ich nickte. „Genau aus diesem Grund bin ich auch hier, ich brauche Tabletten gegen Kopfschmerzen." Ich ging zum Medikamentenschrank und öffnete diesen. Er war ebenfalls offen auch das verwunderte mich im ersten Moment als ich jedoch eine kleine Tüte mit Gras erblickte, die sich zuvor mit Sicherheit in dem Inneren des Schrankes verbarg, wurde mir einiges klar. Marcus vergriff sich an den Mittelchen, die Nicholas hier hortete. Ich zuckte innerlich mit den Schultern, das spielte mir schließlich ziemlich gut in die Karten. Ich hörte die beiden tuscheln, dann ging die Tür zu ich schnappte mir was ich brauchte steckte es in meinen Ausschnitt gut versteckt und drehte mich mit einer Packung Aspirin um. Marcus stand mir gegenüber der Türe und ich schluckte. „Emily, wie schön dich so schnell wiederzusehen." „Die Freude ist leider nur bedingt auf meiner Seite!" murmelte ich und bemühte mich nicht verunsichert zu wirken. Gar nicht so einfach, denn dieser aalglatte Mann verunsicherte mich sehr wohl. „Ich hatte zwar damit gerechnet dich heute zu sehen aber nicht alleine. Das Leben meint es gut mir mit." Er kam langsam auf mich zu. Ich roch sein aufdringliches Aftershave und wich zurück. „Nicholas wartet auf mich." Kam es wie aus Reflex über meine Lippen. Marcus lächelte charmant. „Natürlich tut er das, jeder der heute hierhergekommen ist wartet auf dich... Jeder will wissen, wer die neue junge Frau an der Seites Milliardenschweren Mannes ist." Sagte er und verwandelte sein Lächeln in ein hämisches Grinsen. „Es wird folgendermaßen ablaufen." Er ging um mich herum und ich drehte mich direkt mit ihm. Nicht mal einen Sekunde wollte ich ihn aus den Augen lassen. Er zog einen fertigen Joint aus der Innentasche seines Sakkos und steckte ihn zwischen seine Lippen, dabei sah er mich nicht an. „Die Weiber werden sich fragen, wie eine 0815-Göre es geschafft hat den großartigen, reichen, attraktiven Mister Norton zu angeln. Sie werden dir vorwerfen, dass du nur auf sein Geld aus bist. Was natürlich total widersprüchlich ist, weil..." er hielt inne und zündete sich den Joint an. „Für was braucht Nicholas denn Geld bei dem Aussehen... Sie werden dich hassen, ohne dich zu kennen. Sie werden dir nett zulächeln mit ihrer gespielten Heuchelei und dir sagen wie atemberaubend du aussiehst." Er jetzt blieb er stehen und sah zu mir auf, dabei ließ er das Feuerzeug in dem Inneren seiner Hosentaschen verschwinden. „Das tust du allerdings wirklich. Sie werden es jedoch nur gespielt zugeben, denn im inneren zerbrechen sie an dem Neid... Kommen wir zu den Männern, sie werden sich fragen was Nicholas machen musste um so eine süße Schülerin abzugreifen. Sie werden sich vorstellen wie sie es mit dir treiben..." Ich lauschte seinen Worten und schluckte. „Dabei haben sie alle keine Ahnung... sie alle wissen nichts von dem grausamen Geheimnis, dass dich hierhergebracht hat. Zu ihrer Verteidigung, das interessiert auch niemanden, der heute anwesenden..." Er nahm einen tiefen Zug und sah mich zufrieden an, dann reichte er mir das Drogenpaket und grinste wieder. „Aber mal ehrlich hast du überhaupt Lust darauf, wir könnten den ganzen Abend hier rumsitzen und Spaß haben... oder du gehst nach unten und lässt dich begaffen wir ein Tiger im Zoo!" Ich merkte, wie seine Worte etwas in mir bewirkten, wie sie es schafften ihn als einen normale Mann darzustellen, der es vermeintlich gut mit mir meinte. Ich sah auf das Gift, das er in seinen Fingern hielt als er mir die Frage stellte und sah schließlich wieder auf. Er war ein Arsch und nur weil er nun so tat als würde er mir helfen wollen war er kein Deut besser als vorher. Ich blickte ihm selbstsicher in seine eisblauen Augen und schüttelte leicht den Kopf. „Lieber ein Tiger im Zoo als ein Kaninchen im Schlangenkäfig!" Dann drehte ich mich um und ging zur Türe. „Wie du meinst Cinderella... nur glaube mir, dein Märchen ist noch lange nicht vorbei!" Ich hielt inne. Warum schaffte er es, alleine mit seinen Worten immer wieder ins Schwarze zu treffen? Warum vermittelte er mir das Gefühl, dass er meine Gespräche Gedanken kannte? „Wie werden sehen!" sagte ich so unbeeindruckt wie möglich und ließ ihn alleine zurück. Eine kurte Pause vor der Türe konnte ich mir jedoch nicht nehmen. Ich atmete tief ein und wieder aus. Nicht ganz so sicher, wie ich es gerne hätte machte mich auf in den Kampf gegen die Weibsbilder, die mich laut Marcus hassten ohne mich zu kennen und den Gaffern, die mich lieber nackt sehen wollten. Kapitel 46: Darf ich vorstellen ------------------------------- Die Musik wurde lauter, das Gelächter nerviger. Ich näherte mich dem Schauplatz und hätte am liebsten mein Handy genommen um Nicholas zu schreiben, dass er rauskam um mich langsam und vorsichtig in das Innere zu geleiten. Es gab kein Handy und es gab in diesem Moment kein Nicholas. Nur mich und meine Unsicherheit. Das Gefühl, das ich vor dem Spiegel hatte hielt nicht mehr an und Zweifel, ob ich gut genug war, machten sich breit. „Was spielt das für eine Rolle?" murmelte ich und hob mein Kinn ein wenig höher. Das hier war doch nur eine Szene in dem Leben voller Absurditäten, sollten die doch denken was sie wollten. Die Tatsache, dass mein Herz dennoch beinahe stehen blieb, konnte ich nicht vertuschen. „Bereit für den Zirkus?" hörte ich eine mir leider bekannte Stimme. Der russische Akzent war nicht zu überhören. „Was machst du hier, hat man dich aus deinem Stall gelassen?" fragte ich genervt und hatte nicht vor mich umzudrehen. Dieses Vorhaben gefiel dem Russen nach seiner Reaktion zu Folge kein bisschen. Er ergriff meine Schulter und drehte mich gewohnt unsanft zu sich. „Noch hast du eine große Klappe aber du weißt was auf dem Spiel steht!" „Ohha... wo hast du denn die Klamotten her?" fragte ich wirklich überrascht und hatte nicht damit gerechnet einen gepflegten Mann zu erblicken, der einen Anzug trug und wie eine zivilisierte Person wirkte. Ich war schon vor meiner Gefangenschaft beeindruckt, was ein Anzug aus einem Mann machen konnte. „Tja ich dachte mir, heute ist ein guter Anlass um mal die schicken Klamotten aus dem Schrank zu kramen." Das Grinsen folgte zugleich. Ich zog meine Schulter zurück und wich einen Schritt von ihm weg. „Ich muss zugeben für eine nervige Göre steht dir das Kleid sehr gut... Du wirkst erwachsen, das macht es mir später einfacher dir Qualen zu bereiten!" das Grinsen wurde breiter. Ich tobte im Inneren, alleine durch seine Aussage produzierte er Bilder in meinem Kopf, die mir keineswegs gefielen. Er verringerte den von mir zuvor aufgebauten Abstand und drängte mich an die Wand. Uns trennten zwar nur wenige Meter von dem Ball, doch die reichten aus, sodass niemand mitbekam wie Ivan mich bedrängte. Er strich mir über meine linke Wange und legte den Kopf leicht schief. „Du weißt ja wie es in der Bibel geschrieben steht -wenn dich einer auf die linke backe schlägt, dann halt ihm auch die andere hin-!" „So jemand wie du kennt die Bibel?" zischte ich und drehte mein Gesicht weg. Er packte mein Kinn und zwang mich ihn anzusehen, seine grünen Augen verfinsterten sich. „Pass auf Emily, pass einfach auf. Das was du sagst macht die Sache für dich nicht besser!" Ich roch seinen Atem, der mal nicht nach Bier stank. Den Geruch von Zigaretten war allerdings wie zuvor gut zu entnehmen. „Kaugummi?" fragte ich provokant und grinste. Der Druck auf meinen Unterkiefer wurde stärker. „Am liebsten würde ich dich sofort..." „Kann ich dir irgendwie helfen?" fragte Valentin, der neben uns erschien an den groben Gorilla gerichtet. Ivan ließ sofort von mir ab und wich zurück. Er warf mir noch einen düsteren Blick zu bevor er fürs erste von der Bildfläche verschwand. „Alles gut?" fragte der Blondschopf und kam auf mich zu, im Schlepptau Kelly. Auch er hatte sich in einen edlen Anzug gesteckt und wirkte erwachsender als sonst. Heute war der Abend, an dem man die Menschen, die hier lebten, mal ganz anders erlebte. „Er ist halt ein Psycho..." murmelte ich rieb mir das Kinn. „Wollen wir gemeinsam reingehen?" fragte Kelly und strahlte über beide Ohren. Sie trat heute wohl als Begleitung von Valentin auf, was mich sehr freute. Wortlos nickte ich und war erleichtert, dass ich nicht alleine in die Höhle des Löwen musste. Kelly hackte sich bei dem Hausherrn ein, dann hielt er mir den anderen Arm hin. Ich tat es der Schwarzhaarigen gleich und gemeinsam machten wir uns auf den Weg. Als sich die schwere Doppeltüre auf ging, eröffnete sich mir ein prunkvoller Saal voller gutaussehender Menschen, die mehr Geld als Verstand besaßen. Die Frauen trugen prachtvolle Roben und die Männer Anzüge, Sakkos und Fracks. Die Dekoration, die Speisen, die Musik. Alles fügte sich zu einem perfekten Gesamtbild zusammen, das mich beeindruckte. Ich musste kurz stehen bleiben um diesen Anblick auf mich wirken zu lassen. Bestimmt tanzten, redeten und aßen hier um die 200 Leute. Valentin merkte wohl meine Begeisterung und sah zu mir. „Gefällt es dir... ist es nicht schön die Showbühne mit einer riesigen Feier zu verlassen? So gehört es sich doch für den Star." Ich musste bei den Worten schmunzeln und wandte mein Gesicht zu ihm. „Danke." Flüsterte ich und bekam die Annahme mit einem Lächeln zurück. „Jetzt wollen wir dich mal zu Nicholas bringen." Bei dem Namen stockte mir der Atem. Sofort und ohne Vorwarnung fingen meine Handflächen an zu schwitzen. Die Aufregung vor der letzten Begegnung war kaum auszuhalten. Ich wollte ihn gar nicht sehen, ich wollte mich nicht ein letztes Mal in seinen Augen verlieren. Die Krankheit des Stockholm Syndroms zeigte starke Symptome, die es mir nicht einfacher machen würden, das Anwesen zu verlassen. Unbeirrt setzte sich Valentin in Bewegung und ich folgte ihm samt Kelly. Diese freute sich sichtlich über ihre Teilnahme an dieser Feier. Warum konnte ich nicht so sein wie sie? So glücklich mit allem? Ich spürte wie meine Beine wacklig wurden als Valentin die Sichtung seines Bruders verkündete. Ich sah zu Boden und merkte dabei, dass sich kaum jemand für mich interessierte. Diese Tatsache ließ mich den Kopf heben, niemand nahm mich war. Marcus Worte waren falsch. Was auch immer der Grund meines Kopfhebens war, als ich Nicholas erblickte, so wie er vor dem pompösen Kamin stand, vergaß ich alles um mich herum. Er hielt ein Glas Wein in der Hand und unterhielt sich mit einer Gruppe junger Frau. Ohne Zweifel, wollte jede Frau in diesem Raum mit ihm reden. Sie waren so alt wie ich und vermeintlich perfekt. Vielleicht Töchter von irgendeinem reichen Mann, der das Geld gerne mit dem Geld anderer vermehren wollte. Er lächelte gewohnt charmant und hörte den Damen höflich zu. Sein Blick glitt von der Runde in die Weite des Saales und fing meinen Blick auf. Ich erkannte es, für einen Moment, für eine Sekunde hatte ich es gesehen. Sprachlosigkeit. Ich löste mich von Valentin und blieb stehen während der Blondschopf samt Begleitung weiterging. Er wusste wohl, dass er mich besser alleine ließ. Nicholas stellte das Glas auf den Kaminsims und kam auf mich zu. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Er sah überwältigend aus. Ich kannte ihn in seinen Anzügen aber jetzt wirkte er so viel unwiderstehlicher. Das Hemd, die Weste, seine ganze Erscheinung sorgte für ein Prickeln in meinem gesamten Körper. Jeden Schritt, den er auf mich zu kam sorgte dafür, dass sich immer mehr Anwesende zu mir umdrehten. Nach einer gefühlten Ewigkeit, des Blickkontaktes stand er letztlich vor mir und gab mir ohne Worte einen Kuss. Sanft, wie ein echter Gentleman. Ich erwiderte die Geste und schloss für den Kuss die Augen. Alles um uns herum war still, nichts interessierte mich, weder das Gerede noch die Musik. Ich genoss die Zärtlichkeit, die er mir schenkte und wie er mich berührte. Sachte hatte er eine Hand um meine Taille gelegt und hielt mich fest. Würde er doch nur niemals damit aufhören. Langsam löste er seine Lippen von meinen und ich öffnete meine Augen wieder. Nicholas gab dann das zu, was ich zuvor erkannt hatte. „Mir fehlen die Worte... ich war mir sicher, dass das Kleid dir schmeicheln würde, dass es dir aber so gut steht und mich sprachlos machen würde, war mir nicht bewusst." Mir wurde heiß und meine Wangen rot. „Danke." Kam es krächzend aus mir heraus. „Möchtest du uns deine neue Gefährtin nicht vorstellen?" hörte ich Marcus sagen, der mit einem Glas Champagner und der Blondine von vorhin neben uns aufgetaucht war. Nicholas nickte und drehte sich von mir zur der Menge. „Darf ich vorstellen! Das ist Emily Norton, sie ist die neue Frau an meiner Seite." Ich stockte. Hatte er mich mit seinem Nachnamen vorgestellt? Warum? Warum log er? Hatte er vor mich zu heiraten? Tausend neue Fragen! Ich versuchte mich auf die Gäste zu konzentrieren. Wohin ich auch sah, Lächeln und Klatschen. Bitter war die Erkenntnis, dass Marcus doch die Wahrheit gesprochen hatte, wenn Blicke hätten töten können wäre ich auf der Stelle umgekippt. Doch auch das war mir egal, als ich die Hand des Mannes spürte, der mir Sicherheit schenkte. Er hatte meine Hand genommen und zog mich etwas zu sich. Er hatte mich dieser Meute als Miss Norton vorgestellt und es fühlte sich zugegeben gut an. Doch das durfte es nicht! Kapitel 47: Du gewinnst zwar die Schlacht aber nicht den Krieg -------------------------------------------------------------- Nach dem wohl notwendigen Spießrutenlauf durch den riesigen Saal, suchte ich die Stille und entschuldigte mich für eine ungewisse Zeit. Nicholas verstand, dass die Situation nicht einfach für mich war und ließ mich ziehen. Es war bereits kurz vor 0:00 Uhr und somit Zeit Ivan eine Lektion zu erteilen. Nervös ging ich in meinem Zimmer auf und ab. Der Russe würde sicher gleich auftauchen und mir mein Leben zur Hölle machen wollen. Ich wusste der Plan zwar war einfach jedoch sehr effektiv. Warum war ich also so aufgeregt? Das bedrohliche Klopfen an der Türe ließ mich zusammenzucken. Ich drehte mich blitzschnell zu der Richtung aus der die Gefahr langsam auf mich zukommen würde. „Herein." Rief ich und sah noch einmal kurz zu dem kleinen Tisch zu meiner linken. Alles war vorbereitet, der Vodka war kaltgestellt, die K.O.-Tropfen griffbereit. Die Türe öffnete sich und der breitschultrige Mann betrat das Zimmer. Gemächlich ließ er die Holzkonstruktion ins Schloss fallen und drehte den Schlüssel um. „Wir wollen doch nicht gestört werden..." flüsterte der ungebetene Gast und sah mich mit einem verschwörerischen Grinsen an. Ich erkannte, die Gier in seinem Gesicht. Mir war nicht klar, wie lange er schon darauf gehofft hatte mich körperlich zu misshandeln doch seine Vorfreude war genauso wenig zu übersehen wie seine Ungeduld endlich loslegen zu können. „Ich dachte mir, dass der Abend mit einem letzten Getränk wunderbar beginnen würde." Warf ich frech ein und deutete auf die Flasche, mit dem Wissen, dass genau dieser Wodka seine Lieblingssorte darstellte. Nicht abgeneigt nickte er und setzte sich in den Ohrensessel. Er schien sich selber beruhigen zu wollen und ich war für diese Entscheidung dankbar. Die Kleine Flasche, die das Schlafmittel beinhaltete, zog so leise und vorsichtig wie ich konnte aus einer Schublade. Ich linste verstohlen über meine Schulter zu dem Russen, der sich in alter Manier eine Zigarette anzündete. Er bekam nichts mit, das war mit die wichtigste Voraussetzung für das Gelingen des Plans. Ich präparierte sowohl sein Getränk als auch meines mit den K-O-Tropfen. Wenn er nicht ganz dämlich war nahm er sich sicherlich mein Glas um sicher zu gehen, dass kein Gift drin war. Man würde wohl sagen, ich hatte zu viel Zeit und es gab zu viele Krimis aber so lief es doch. Die ganze Geschichte glich einem Thriller, der nur auf einem Sender im Fernsehen laufen konnte. Meiner selbst ziemlich sicher, drehte ich mich zu dem Wartenden, der aufsah als ich mich in Bewegung setzte. Ich reichte ihm den eisgekühlten Vodka. Ivan richtete sich auf und sah mich skeptisch an. „Auf einen wunderbaren Abend!" sagte ich ironisch und musste schließlich so tun, als würd er wirklich zu seinem Einsatz kommen. Er streckte zwar die Hand zu dem Getränk aus, nahm sich jedoch meines. Ich war überwältigt über meine Cleverness und wusste, der Spuk würde in wenigen Sekunden vorbei sein. Er würde wie ein nasser Sack umkippen und in den Schlaf ohne Träume fallen. „Was hast du eigentlich vor?" fragte ich und setzte das kalte Glas an meine Lippen an. Ohne eine Antwort oder Vorwarnung, sah ich wie Ivans Glas an der Wand zerschellte. Meines folgte zugleich. Er hatte mit den Alkohol aus der Hand geschlagen und nur ein erschreckte Blick blieb in meinem Gesicht zurück. Kurz darauf spürte ich den harten Boden unter mir. Durch einen heftigen Stoß gegen meinen Körper hatte er mich auf den Grund befördert. Bevor ich es schaffte mich zu erheben, spürte ich einen Fuß auf meiner Brust. „Was glaubst du eigentlich wie dumm ich bin?!" knurrte der nun finster blickende Mann über mir. Mein Rücken schmerzte und der Druck auf meiner Brust, den er erhöhte, raubte mir den Atem. „Es wäre so einfach... dir deinen Brustkorb zu zerschmettern." Ein riesiger Kloss bildete sich in meinem Hals. Diesen Hass hatte ich nicht erwartet. Er beugte sich runter und griff meinen linken Arm. Grob zog er mich vom Boden zu sich empor. Aus Reflex wehrte ich mich gegen seinen Übergriff, was sofort mit einem Schlag auf meine rechte Wange vergütet wurde. Ich biss mir auf die Zunge um nicht zu schreien. Die Genugtuung würde ich ihn nicht geben. „Deine frechen, provokanten Äußerungen brachte meine Ohren sofort zum Klingeln! Mir war klar du hattest einen Plan, sonst hättest du nicht so vorlaut reagiert! Die Idee mit dem Vodka war gut aber nicht gut genug!" Er ließ von meinem Arm ab und packte meinen Nacken. Seine Finger bohrte sich in mein Fleisch. Ich umfasste seine Handgelenke als er meinen Kopf nach hinten zog. Ein Aufschrei entwich meinem Mund. „Ich weiß auch, dass du nicht dumm bist. Aus diesem Grund habe habe ich mich dafür entschieden gar nichts zu trinken! Nun weißt du, dass ich kein Bauer bin, der auf Spielereien einer kleinen Hure reinfällt!" Er zog mich ganz nah an sich. Ich spürte seinen Atem auf meinem Gesicht. „Du bist selber schuld... aber weißt du auch mit gebrochenen Knochen kannst du noch abhauen... Du hast dir das alles selber eingebrockt!" verkündetet er mit einem aufkeimenden Grinsen. „Was wirst du tun?" fragte ich ungewollt angsterfüllt. Der Plan war nicht aufgegangenen. Was würde mich nun erwarten? Er zerrte mich zu meinem Bett und ich versuchte erneut dagegen anzugehen. Ich holte aus und traf ihn an einer sehr verwundbaren Stelle. Die Aktion zeigte eine Reaktion, Ivan ließ mich los. Ich stürmte zur Türe, stolperte beinahe fing mich jedoch und drückte die Klinke runter. Stimmt, er hatte abgeschlossen. Blitzschnell drehte ich mich zu dem sich krümmenden der den Schlüssel hochhielt und aufsah. „Suchst du den hier?" fragte er provokant und richtete sich auf. „Emily... das war ein riesen Fehler!" Hilfesuchend sah ich mich in meinem Zimmer um, etwas musste doch zu finden sein. Ich hastete zum Kamin und packte nach dem Kaminbesteck. Abwehrend hielt ich die Kamingabel vor mich und zeigte Ivan, ich würde ihn abstechen, wenn es sein musste. „Verzieh dich!" schrie ich und deutete einen Angriff an zog das Besteck jedoch wieder zurück. „Ich brauche deine Hilfe nicht mehr... ich habe genügend Menschen, die mich hier rausbringen werden!" Diese Aussage sorgte für das Zusammenziehen seiner Stirn. „Genau! Richtig gehört ich wollte dich nur außer Gefecht setzen damit du einfach die Schnauze hältst und mir nicht weiter auf den Sack gehen kannst!" „Töricht. Verlässt du dich etwa auf Valentin?" Darauf antwortete ich nicht. „Los geh!" Ivan richtete sich unbeeindruckt von meiner Aufforderung sein Hemd, zog eine neue Zigarette hervor und zündete diese seelenruhig an. Erst als er den ersten Zug genommen hatte sah er auf und fixierte mich mit seinen grünen Augen so wie ein Raubtier seine Beute. „Wenn du meinst, ich denke das Opfer, das du hier hättest bringen müssen wird dir am Ende lächerlich vorkommen... du wirst dir wünschen du hättest mich einfach machen lassen und ich hätte deine Flucht geplant." Er versuchte mich zu verunsichern, das war mir klar. Doch ich würde ihm keine Chance bieten meinen Verstand mit seinen hohlen Phrasen zu manipulieren. „Geh jetzt!" wiederholte ich mich. Zu meiner Überraschung setzte sich der Russe tatsächlich in Bewegung Richtung Türe. Ich spürte die Erleichterung und das schien auch er zu merken. Er änderte seinen Kurs und stürmte auf mich zu, mit einer schnellen Bewegung riss er mir meine Waffe aus der Hand, warf diese quer durch den Raum und presste mich gegen die kalte Wand neben dem Kamin. Ich keuchte auf als meine Wirbel ungebremst auf den Widerstand stießen. „Du magst diese Schlacht gewonnen haben aber den Krieg verlierst du!" hauchte er mir mit einer markerschütternden Stimme ins Ohr. Er ließ von meinem Ohr ab und widmete sich meinem Gesicht, dabei kam er mir mit seinen Lippen gefährlich nahe. Wenige Zentimeter trennten seinen Mund von meinen. „Ah Emily...!" Ich wehrte mich nicht und gab ihm freie Bahn. Ich wollte einfach, dass er ging und mich alleine ließ selbst wenn ich das Opfer in Form eines Kusses über mich ergehen lassen musste. Ich spürte, wie sich seine Mundwinkel nach oben zogen und das bekannte Grinsen erschien, ein Kuss blieb jedoch aus. Dann spürte ich einen brennenden Schmerz auf meiner Hand. „Ein kleines Andenken an unsere gemeinsame Zeit." Erst jetzt nahm er Abstand zu mir und ging zum Ausgang. Er schloss auf und öffnete die Türe. Ich starrte ihn an, ich würde erst wieder blinzeln, wenn er weg war. „Прощай! Viel Spaß mit deinem weiteren Leben!" wünschte er mir noch und verschwand endlich aus meinem Blickfeld. Mein Brustkorb hob und senkte sich viel zu schnell und ich sackte zusammen. Mein Kreislauf verabschiedete sich und ich hatte Mühe nicht umzukippen. Ich hockte an der Wand gelehnt und sah auf die schmerzende Stelle. Er hatte die Zigarette auf meinem Handrücken ausgedrückt. Ich strich mir über die gerötete Stelle und lächelte vielleicht aus Verzweiflung, vielleicht aus Erleichterung. Wenn das alles war, was von Ivan blieb, das und ein paar Prellungen hatte ich den Abend ohne KO-Tropfen besser überstanden als ich hätte hoffen dürfen. Kapitel 48: Schlaf gut Emily ---------------------------- Zusammengekauert lag ich auf meinem Bett und starrte an die Wand mir gegenüber. Es war beinahe stockdunkel in meinem Zimmer. Alleine der Mond spendete genügend Licht um meine Person zu offenbaren. Alles in mir brach zusammen, die Flucht stand kurz bevor und dennoch hatte ich das Gefühl, jegliche Kraft, die ich dafür brauchte war verschwunden. Mit ihr der Mut und meine Hoffnung. Die Begegnung mit Ivan hatte mich ziemlich mitgenommen. Mein ganzer Körper schmerzte und erinnerte mich daran, wie eiskalt er war. Alleine bei dem Gedanken, wie es hätte weitergehen können ließen mich zusammenzucken. Ich musste hier weg! Meine Tasche war bereits gepackt und ich war Prinzip startklar. Das Kleid hatte ich bereits gegen eine Jeans und einen Pulli getauscht. Ich wartete nur noch auf Valentin, der mich zu dem Wagen bringen sollte, der mein Ticket für die Freiheit symbolisierte. Nicholas würde ich nicht mehr sehen, ich wusste nicht wie ich das verkraften würde und wollte mich dieser Situation erst gar nicht stellen. Er sollte im Glauben bleiben, dass es mir nicht gut ging und ich im Zimmer lag. Mindestens bis morgen früh musste er in diesem Glauben bleiben. Ein letzter Kuss blieb aus. Nichts durfte darauf hinweisen, dass ich heute Abend verschwinden würde. Als es kurz nach halb eins an meine Tür klopfte, kniff ich die Augen kurz zusammen. Es ging los. „Reiß dich zusammen!" ermahnte ich mich selber und setzte mich auf. Die Türe ging auf und der Blondschopf steckte den Kopf durch den Spalt. „Emily bist du bereit?" fragte er leise. Ich machte das Licht neben mir an und Valentin blinzelte. „Ok, ich dachte schon du wärst bereits abgehauen!" lächelte er und versuchte so die Stimmung zu verbessern. Müde zwang ich meinen Körper das mollige Bett zu verlassen und schleppte mich zur meiner Tasche. „Ist alles ok?" fragte der junge Mann, der mich in wenigen Minuten hier rausbringen würde. Ich nickte. „Gut wir müssen uns beeilen!" Er nahm mir die Tasche ab, nahm meine Hand und wir verließen das Zimmer. Gemeinsam liefen wir die Gänge entlang und erreichten die Türe zum Hinterhof. Valentin öffnete diese und wir traten in die kalte Nacht. Hier standen unzählige Wagen, die meisten modern und aufgemotzt. Ich war gespannt mit was für einen Wagen er meinen Abgang geplant hatte. Er brachte mich zu einem Oldtimer und ließ den Kofferraum aufschnellen. Ich sah in das Innere und das Gefühl von Hoffnung keimte wieder in mir auf. „Das Schloss ist mit einem Klebeband präpariert, so geht der Kofferraum nicht richtig zu und du kannst später rausklettern. Der Oldtimer ist perfekt, der zeigt dem Fahrer nicht, dass etwas nicht stimmt." Fing er an zu erklären. Das machte Sinn, alle neumodischen Wagen würden sofort aufschreien, dass die Klappe nicht zu war. „Hier sind einige Papiere. Ausweis, Reisepass, ein Zugticket und Geld." Er reichte mir einen Umschlag, den ich ohne mir das Innere anzusehen in meine innere Jackentasche steckte. Es war also soweit, es war an der Zeit Abschied zu nehmen. Das fiel mir wirklich schwerer als gedacht. Ich sah in das freundlich lächelnde, junge Gesicht meines Gegenübers und schluckte. „Danke!" sagte ich mit zittriger Stimme. „Emily, ich wollte das alles nicht. Ich kann nur versuchen auf diese Art und Weise alles wieder gut zu machen, nur so kann ich ein wenig Schadensbegrenzung begehen!" "Keine Sorge, ich weiß, dass du nicht der Kopf der Sache warst, das war Nicholas!" Als der Name meine Lippen verließ wurde mir anders. Ich sah sofort in Gedanken versunken zu dem Herrenhaus, in dem die Feier im vollen Gang war und mein Entführer im Glauben lebte, ich sei morgen früh noch da. Ich dachte an unser Date und haute mir danach selber gegen die Wange. Dies schien Valentin zu irritieren. "Alles gut!" murmelte ich und setzte mir eine Mütze auf. "Pass auf, in dem Umschlag ist ein Plan. Wenn Mister Porten auf seinem Anwesen ist und du aussteigen kannst wird dir die Karte der Region den Weg weisen. Warte bis es still ist und verlasse erst dann den Wagen." Ich versuchte jedes seiner Worte für später zu speichern und sah ihn dabei einfach nur an. „Ich hoffe, dass du nicht nur schlechte Erinnerungen von diesem Ort mit dir nimmst!" beendete er seine Ausführungen leiser werdend. „Das werde ich nicht... es gab auch viel Gutes und unter anderen Umständen wäre das Leben hier auf diesem Anwesen ein Traum gewesen." Antwortete ich und lächelte. „Werden wir uns wiedersehen?" fragte nun ich dann. Ein Kopfschütteln zeigte mir die Antwort. „Es ist besser so und sicherer. Wenn du Zuhause bist solltest du dafür sorgen, dass du wegziehst. Am besten so weit weg, dass Nicholas dich nicht finden kann!" „Gibt es dieses so weit weg überhaupt?" Auf diese Frage schien Valentin keine Antwort zu haben. „Wir können es nur hoffen... Wir können nur hoffen, dass wir uns nie wieder sehen Emily!" Ich schluckte wieder schwer und warf schließlich ein letztes Mal um dem Hals des Größeren. Er erwiderte die Umarmung und für einige Sekunden standen wir einfach nur da. „Nochmal Danken..." wisperte ich und löste meine Arme. Valentin strich mir eine Strähne aus dem Gesicht und sagte:„Pass auf dich auf!" Ich nickte und gab ihm einen Kuss auf die Wange, dann wandte ich mich an meinen fahrbaren Untersatz und legte meine Tasche in den Wagen. Als ich mich umdrehte streckte mir Valentin ein kleines Fläschchen entgegen. „KO-Tropfen?" kam es überrascht aus mir heraus. „Sie werden dich beruhigen und dich zum Schlafen bringen... das ist sicherer, damit du nicht auffällst. So eine Fahrt im Kofferraum kann aufregend sein!" Die Idee war nicht schlecht. „Etwa 40 Minuten lang wirst du schlafen. Mister Porten verlässt immer um Punkt 1:00 Uhr jede Feier also auch diese!" Ich nahm das kleine Ding entgegen und stieg in das Innere des Wagens. Valentin stellte sich vor mich und reichte mir noch etwas. Ich sah auf das Bild herab und musste schmunzeln. Darauf waren Kelly er und Sky zu sehen. „Damit du mich nicht vergisst!" „Mensch Valentin, wenn du so weiter machst gehe ich am Ende doch nicht." lachte ich auf, steckte das Foto zu den andere Papieren in meine Jacke und öffnete das Gefäß in meiner Hand. "Warte ich habe noch etwas für dich!" Ich hielt inne und war gespannt womit er mich noch überraschen wollte. Ein weiteres Foto, doch diesmal erblickte ich Nicholas, wie er nachdenklich aus dem Fenster schaute und das alles in schwarz und weiß gehalten. "Willst du es haben?" fragte der Bruder des Mannes, der mich in meinen Grundfesten erschüttert hatte. Ja ich wollte und nahm es entgegen. Ohne weitere Worte setzte ich an und trank die bittere Flüssigkeit, dabei verzog ich mein Gesicht. Wenn ich aufwachte würde ich nicht mehr hier sein, nicht mehr an diesem Ort. Was blieb waren alleinig die Erinnerungen und die beiden Fotos. Wehmütig reichte ich Valentin die geleerte Flasche und legte mich hin. Mein Helfer griff nach der Kofferraumklappe und sah auf mich herab. „Nur noch eines." Fing er an und seine Stimme kam nur gedämpft bei mir an. Das Mittelchen wirkte bereits. „Der Grund warum du hier warst war gelogen, es ist besser wenn du den wahren Grund deines Daseins nicht kennst!" Ich wollte etwas erwidern, es dauerte unendlich lange bis die Informationen meinen Verstand erreichten und als es endlich soweit war, konnte ich nicht mehr reden. „Schlaf gut Emily!" --- So, bis hierher haben wir es nun endlich geschafft! Was meint ihr wie es weitergeht 😁? Bin neugierig was ihr so denkt! Kapitel 49: Freiheit?! ---------------------- Panisch riss ich die Augen auf. Ich brauchte einen kurzen Moment um zu realisieren wo ich mich befand. Ich stieß die Arme gegen das Metall der Kofferraumklappe und atmete viel zu schnell. Mir wurde schwindelig. „Ganz ruhig Emily...ganz ruhig..." murmelte ich wie ein Mantra vor mir her und versuchte meine Atmung wieder runterzufahren. Dies gelang mir zum Glück in wenigen Minuten. Währenddessen überlegte ich mir wie es weitergehen würde. Ich nahm die Karte hervor, steckte mir die Taschenlampe in den Mund und wollte so durchgehen wohin ich musste. Meine Finger waren eingefroren und das Bewegen war mühsam. Mein ganzer Körper war kalt. Ich legte die Taschenlampe neben meinen Kopf, faltete die Hände und versuchte sie mit meinem warmen Atem zu beheizen. Nur brachte das nicht viel. „Scheiß drauf..." murmelte ich wieder und unternahm den zweiten Versuch die Karte auseinander zu falten. Ich drehte mich auf den Bauch und ging den Weg von meinem Standpunkt aus durch. Wie spät war es? Ich zückte meine Armbanduhr und war erleichtert. Es war bereit 4:00 Uhr! Mister Porten schlief sicherlich schon. Draußen war es still wie auf einem Friedhof, der perfekte Zeitpunkt um sich von dem Grundstück zu stehlen. Ich verpackte die Unterlagen in meinen Taschen und spürte dabei das Foto, das ich daraufhin hervorzog. Ich erblickte Nicholas und schluckte mühevoll. Das Wissen darüber, dass ich nun frei war fürs erste, erfüllte mich mit einem Gefühl, das tatsächlich Wehmut nahekam. Ab heute Morgen war Nicholas kein Teil mehr von meinem Leben. Ab heute konnte ich wieder ganz alleine über das entscheiden was ich tat und was ich ließ. Dieser Gedanke zauberte ein Lächeln auf meine Lippen. Ein zweischneidiges Schwert, mir war klar, dass ich ihn gegen meinen Willen noch einige Tage vermissen würde aber das würde vergehen und dann war ich in der Lage meine neugewonnene Freiheit so zu nutzen wie ich es für richtig fand. Der erste Schritt war getan jetzt folgten die nächsten bis der Letzte bevor stand. Das drücken unserer Klingel. Ich stellte mir vor wie meine Mutter aufmachte und in Tränen ausbrach, weil sie mich sah. Wie sehr sie sich freute, dass ich noch lebte und wie glücklich sie war, dass sie niemals die Hoffnung aufgegeben hatte. Mir kam mein Vater in den Sinn, wie er mich in seine starken Arme einschloss und mir versprach mich nie wieder loszulassen. Meine Geschwister, die mich so sehr vermissten und überglücklich waren, dass ich wieder da war. Wir würden für immer zusammen sein. Ich wischte mir die Träne weg, die meine Wange herabglitten und fasste den Entschluss jetzt aus diesem Kofferraum zu steigen und endlich nach Hause zu kommen. Vorsichtig ließ ich die Klappe hoch und eröffnete mir die Sicht auf einen riesigen Vorgarten. Nebel hatte sich gebildet und verschlang die Bäume von denen nicht mehr als eine blasse Silhouette zurückblieb. Bis hierher hatte alles wie am Schnürchen geklappt. Ich stieg aus dem Wagen, nahm meine Tasche und sah über das Auto zu dem Gebäude, das in einen Nebenschleier gehüllt vor mir stand. Die Leute hatten alle Geld ohne Ende. Auch Mister Porten lebte in einem ansehnlichen Herrenhause. Adrenalin stieg in mir auf als ich den Rucksack aufsetzte und mich Richtung Fluchtweg drehte. Laut der Karte waren es nur wenige Minuten bis zur Ausfahrt. Ich setzte mich in Bewegung, zuerst langsam dann immer schneller werdend bis ich schließlich lief. Je schneller ich das Anwesen verließ desto schneller war ich auf der Straße Richtung Heimat. Ich lief und lief und dennoch fand ich kein Ende des betonierten Weges. Nach 10 Minuten machte ich eine kleine Pause. Dieser Plan stimmte nicht, er konnte nicht stimmen! Ich nahm die Karte hervor und sah mir die Markierung genauer an. Laut diesem Papierding hätte ich schon längst an der Hauptstraße rauskommen müssen. Die Auffahrt war Kilometer lang und noch war kein Ende in Sicht. Plötzlich wie aus dem Nichts vernahm ich Hundegebell. Ich sah mich erschreckt um und bekam Panik. Ich erkannte schwache Lichter in der Ferne, die unkoordiniert von links nach rechts leuchteten. Sofort lief ich unter den schneebedeckten Bäumen entlang, die ihre Äste über die Auffahrt austreckten und bekam kaum Luft. Das Gebell kam immer näher und schon kurz darauf erblickte ich zwei große Hunde die auf mich zugelaufen kamen. Ich erhöhte mein Tempo noch ein wenig mehr. Ich nahm den Rucksack und warf ihn den bedrohlichen Tieren entgegen. Einer ging auf die Ablenkung ein, doch der andere verfolgte mich weiterhin. Ich erkannte ein riesiges Tor und sah darin meine Rettung. Ich hatte genügen Schwung, so das ich mit einem gezielten Absprung die horizontal verlaufende Stahlstrebe erwischte und mich hochziehen konnte. Doch es kam anders! Mein Körper hatte nach dem Absprung gerade den Boden verlassen, da spürte ich einen stechenden Schmerz in meiner Wade. Ich verlor das Gleichgewicht und fiel mit einem Aufschrei zu Boden. Der Hund fiel nicht wie erwartete über mich her. Er hockte hechelnd neben mir und schien mich nur zu bewachen. Ich hielt mir die stark blutende Verletzung und wollte aufstehen, doch sobald ich mich bewegte fing der Rottweiler an zu knurren und ich blieb mit den Händen schützend vor mein Gesicht gehalten liegen. „Da ist jemand!" hört ich einen Mann rufen. Die Stimmen kamen immer näher und das Licht der Taschenlampen umhüllten meinen Körper. Drei Fremde tauchten aus dem Nebel auf und kamen näher. „Gut gemacht Bonnie!" lobte einer der drei den Hund. „Ich kann alles erklären!" fing ich sofort an und blinzelte gegen das Licht an. „Nehmt sie mit!" wies der Mann, der als erstes gesprochen hatte die anderen beiden an. Diese folgten der Anweisung und jeder schnappte sich einen meiner Arme. Sie hoben mich keineswegs unsanft hoch. Ich musste ruhig bleiben, bestimmt konnte ich die Angelegenheit klären und Mister Porten half mir sogar. Ein Wagen kam auf uns zu gefahren und hielt vor unserer Nase. Die beiden Männer setzten mich ins Innere. Ich wehrte mich nicht, was hätte ich davon? Erst mal brauchte ich jemand der mein Bein verband und mir die Möglichkeit gab von hier weg zu kommen. Ich war mit einem braunhaarigen Mann alleine, der den Wagen Richtung Gebäude fuhr. Ich sah von der Rückbank aus dem Fenster und versuchte etwas mehr zu erkennen, doch der Nebel gab mir kaum eine Chance. Anders wie zu Fuß erreichten wie bereits in wenigen Minuten den Vorhof. Er wurde langsamer und als ich meinen Blick Richtung Gebäude lenkte stockte mir der Atem. Mir wurde plötzlich ganz heiß und die Panik stieg wieder in mir auf. Ich las auf einem Stein eingemeißelt „Psychiatrie von Lakeforest". „Nein!" murmelte ich und drückte meine Hände an die Scheibe als wir an diesem vorbeifuhren. Ich öffnete sofort die Türe und warf mich aus dem fahrenden Wagen. Aufgrund des geringen Tempos verletzte mich nicht und rappelte mich sofort auf. Ich konnte nicht hier sein. Ich durfte nicht hier sein! Während der Fahrer bremste und ebenfalls ausstieg war ich schon losgelaufen. Ich rannte so schnell ich konnte, das Adrenalin unterdrückte die Schmerzen und half mir dabei Entfernung aufzubauen, die nicht lange hielt. Der Mann war schnell, zu schnell. „Bleib stehen!" schrie er mir nach und baute in nur wenigen Sekunden den zuvor gewonnenen Abstand ab. Er stürzte sich auf mich und wir fielen gemeinsam hin. Ich landete auf den Grund und keuchte auf. Der Fremde drehte mich auf den Rücken und erfasste meine Handgelenke ich wollte mich wehren kam gegen die Kraft des Mannes nicht an. Er zerrte mich vom Grund empor und zog mich hinter sich her wie ein wildes Tier. Ich folgte dem Zug ungewollt bis zum Haus, dort beleuchteten zwei helle Scheinwerfer den Eingang. Der Jäger schubste mich auf den eiskalten Boden. Ich sah auf, als die schwere Doppeltüre vor mir aufging und eine mir bekannte Person erschien. Sie blickte auf mich herab und ich erkannte, wie zufrieden sie war. Wie sie meinen Anblick genoss und ich wusste das Sprichwort vom Regen in die Traufe war zutreffender als je zuvor. Jetzt war ich in der wahrhaftigen Hölle gelandet, das erkannte ich unmissverständlich als ich in Marcus Augen sah. Kapitel 50: Thomas ------------------ „Herzlich willkommen auf meinem bescheidenen Anwesen." Nahm mich der Mann, der mich offensichtlich bereits erwartet hatte in Empfang. Er stieg die vier Stufen herab und betrat den schneebedeckten Grund. Ich hatte mich mittlerweile wieder aufgerichtet und blutete das unschuldige weiß unter mir voll. Sein Blick ruhte auf meiner Person, die kaum glauben konnte was hier geschehen war. Hatte mich meine Flucht wirklich in die Arme des Irren getrieben? Steckte Valentin mit ihm unter einer Decke? Bevor weitere Fragen mein Hirn fluten konnten stand Marcus nahe bei mir und beäugte mich von unten bis oben. „Dir wird er hier gefallen. Eine Anstalt für kleine, verwirrte Mädchen und so eines bist du doch oder?" „Ist das dein ernst?" knurrte ich leiser vor mir her. „Bitte?" „Ob das dein Ernst ist? Glaubst du nicht, dass Nicholas mich finden wird." Diese Aussage bereitete dem Mann vor mir nur Freude. „Deine Hoffnung in allen Ehren aber er wird dich hier nicht finden! Dafür werde ich sorgen!" Er streckte seine Hand nach meinem Gesicht aus und ich fragte mich was alle mit meiner Wange hatten! Ich spürte seine warme Haut auf meiner und presste die Zähne zusammen. „Du bist verletzt wir sollten uns um deine Wunde kümmern!" Er deutete auf den Biss, den ich langsam wieder zu spüren bekam. Danach drehte er mir den Rücken zu und stieg die Stufen wieder empor. Das Adrenalin verflüchtigte sich und eine schlagartige Müdigkeit überkam mich. Die Gewissheit, dass ich nur noch auf Nicholas hoffen konnte um dem Wahnsinn hier zu entrinnen bereitetet mir kein wohliges Gefühl. Der Fremde, der mich eingefangen hatte packte mich am Arm, ungewohnt vorsichtig. Von Ivan war ich mit ganz anderen Vorgehensweisen vertraut. Er führte mich hinter Marcus her, ins Innere des riesigen Hauses. Es roch nach Lavendel und auf den ersten Blick erkannte man gar nicht, dass dies hier eine Psychiatrie war. Alles in einem rustikalen und warmen Stil gehalten. Ich senkte den Blick, ich wollte mir die Umgebung gar nicht genauer ansehen. Ich wollte sterben hier und jetzt! Ich fühlte mich so müde und ausgepowert, dass ich nicht mal genug Kraft mobilisieren konnte um mich zu befreien und einen weiteren Fluchtversucht zu starten. Lange liefen wir durch die endlos vielen Gänge, bis ich schließlich stehen blieb und mich an meinem Halter festkrallte. Mein Bein schmerzte und ich konnte keinen Schritt weitergehen. Ich ging auf die Knie und blieb einfach hocken. Der Mann, der mich hielt folgte meinem Sog und hockte sich vor mich. „Es ist nicht mehr weit, wir sind gleich da!" sagte er und lächelte mich motivierend an. „Können Sie mich nicht einfach hier lassen bis ich eventuell wegen meiner Wunde verblute oder einer Sepsis unterliege?" murmelte ich und hörte schwere Schritte, die auf mich zukamen. Marcus hat mein Zusammensacken bemerkt und stellte sich vor mich. „Ich kann wirklich nicht mehr." Darauf gefasst, dass er mich schon irgendwie wieder in Bewegung setzen würde und wenn dies hieß mit Kraft und Gewalt, saß ich wenig später in einem Rollstuhl und wurde geschoben. Darüber war ich sogar in meinem müden Zustand überrascht. Es ging vorbei an weiteren Türen und außer zwei Krankenschwestern in weißen Hemdchen begegneten wir niemanden. Es war ja auch reichlich spät oder früh, wie auch immer man das halten wollte. Vor einer weißen Türe blieben wird stehen. „Hier wird man um sich kümmern." Verkündete Marcus und eröffnete mir ein großzügiger Arztzimmer. An einer Kommode stand eine Frau, mit dem Rücken zu uns. Ihr langes pechschwarzes Haar ging ihr bis beinahe zur Hüfte. „Isabella." machte Mister Lane sie auf uns aufmerksam. Die schlanke Frau drehte sich zu uns um und machte mich mit ihrer Schönheit sprachlos. Ein Lächeln lag auf ihren perfekt geformten Lippen als sie auf mich zu kam und ihre Gummihandschuhe auszog. „Emily. Wie schön, dass du hier bist!" Begrüßte sie mich und ging vor mir in die Hocke. Sie hielt sich an meinen Knien fest und sah zu mir empor. „Marcus sagte du seist bildhübsch aber wie ich sehe hatte er untertrieben!" Aus welchem Grund auch immer fühlte ich mich trotz der bizarren Situation, geschmeichelt. Ihre giftgrünen Augen funkelten in dem Licht der Lampe auf, als sie sich wieder erhob. Sie wandte sich an den Leiter dieser Anstalt. „Als erstes versorge ich die Wunde, dann entfernen wir den Chip!" „Nein erst den Chip dann die Wunde." Kehrte Marcus die Reihenfolge um, ging zu einem Servierwagen und schüttete sich etwas Alkoholisches ein, dabei sah er mich nicht an und ich traute mich wieder zu atmen. Seine Blicke waren mit das Schlimmste. Isabella ging zu einem Schrank und kramte etwas hervor. Ich brauchte einige Momente um zu realisieren, dass sie etwas von einem Chip gesprochen hatte. Als diese Information letztlich doch meinen Verstand erreichte glitt ich mir direkt an den Nacken. Das war doch immer die perfekte Stelle für einen Chip. Hatte ich wirklich einen? „Nicholas nimmt für das Implantieren lieber eine andere Stelle." Verkündete Isabella und drehte sich wieder zu mir um. „Ich wusste gar nicht, dass ich so etwas habe..." murmelte ich und sah auf das, was sie in der Hand hielt. „Mit einem Skalpell?" „Es wird nur ganz kurz weh tun." Warum glaubte ich ihr das auch noch? Sie wirkte beruhigend auf meine Person und machte selbst die Anwesenheit von Marcus erträglich. Dieser beobachtete das Geschehen von einem weinroten, englischen Sofa aus. Der Mann, der mich geschoben hatte stand an der Türe und hielt wache. Ich war wieder mal gefangen und schloss die Augen. Ich würde es über mich ergehen lassen und die Hoffnung, dass Nicholas mich doch fand aufgrund des Chips wuchs wieder. Ich zuckte zusammen als sich die scharfe Klinge in meine Haut bohrte. Es war nicht der Nacken es war direkt an meiner Wunde. Ich sah erschreckt auf. „Die Hunde sind so abgerichtet, dass sie direkt in die Wade beißen und mit etwas Glück ist der Chip sofort freigelegt... und geht kaputt." Erklärte Marcus, als er meinen fragenden Blick auffing. „Ist eigentlich alles bis aufs letzte Detail durchdacht?" kam es ungläubig über meine Lippen. „Nicht alles aber wir geben unser Bestes." Mischte sich die Ärztin ein und richtete sich mit einem kleinen Metallteil zwischen den Fingern auf. „Bring sie zur Liege." Wies sie den dritten im Bunde an. Der Fremde half mir, wie befohlen und erst jetzt erblickte ich das Schild mit seinem Namen drauf. „Thomas..." las ich murmelnd vor mir her. Dieser nickte. „Sehr erfreut." Ich sah ertappt auf und bekam nur ein Lächeln entgegen gebracht. Er setzte mich auf die Liege und half mir dabei mich auf den Bauch zu legen. „Das kann nun etwas mehr weh tun. Ich muss die Wunde desinfizieren und nähen, der Biss ist sehr tief." Erklärte die Schwarzhaarige. „Was auch immer gemacht werden muss um mich zu retten unterlassen sie es einfach!" seufzte ich und war dem Wunsch zu sterben immer noch näher als dem Wunsch zu leben. Wieder die Augen geschlossen lag ich nun da ließ mich einer schmerzhaften Tortur unterziehen und vergrub meine Zähne in unregelmäßigen Abständen in meine rechte Handfläche. Die Tränen, die mit vollem Einsatz rauswollten, versuchte ich mit aller Kraft daran zu hindern. Sobald ich das hier überstanden hatte und etwas Schlaf bekam würde ich mir Gedanken darüber machen ab wann genau mein Leben so einen grausamen Weg eingeschlagen hatte und wie ich ihn wieder verlassen konnte um die langweilige Normalität zu erlangen. Kapitel 51: Ivan in weiblich ---------------------------- Müde richtete ich meinen schmerzenden Körper auf. Nachdem Isabella mich verarztet hatte wurde ich in ein kahles Zimmer gebracht, das ich als mein Reich betrachten durfte. Hier war nichts zu finden außer einem Bett, einem Holzschrank und einem Schreibtisch mit einem Stuhl. Das Fester über meinem Bett war mit dicken Stäben aus Eisen vergittert. Der zuvor freundliche Eindruck durch die Einrichtung war genau ab hier verschwunden. Man erkannte nun sehr wohl wo man sich befand und das war in einer Anstalt. Grübelnd lag ich auf dem Bett und starrte an die weiße Decke. Unbewusst wartete ich sicherlich darauf, das etwas passierte. „Bist du wach?" hörte ich eine grantige Stimme von draußen an mich herantreten. Kurz darauf ging eine kleine Luke an der Türe und ein genervtes Augenpaar blickte mich an. Ich nickte und stand auf. „Nimm die Sachen, die auf dem Schreibtisch liegen und komme zur Türe!" Wie befohlen befolgte ich die Anweisungen fürs erste und stand wenig später in einer Gemeinschaftsdusche für Frauen. Die mich weckende war wohl schon länger hier, was Anderes konnte mir ihr unausgeglichenes Gemüt nicht erklären. Sie war korpulent und wirkte als würde sie mich sofort in Grund und Boden hauen, wenn ich mich ihren Worten widersetzen würde. „Zieh dich aus und geh duschen!" wies sie mich weiterhin an und verließ den Duschraum. Der Ort erinnerte mich an die Duschen eines Schwimmbades und so schafften es der kahle, geflieste Raum Erinnerungen hoch zu würgen. „Nein Emily... nein!" ermahnte ich mein Innerstes und zog mich aus. Die verdreckten, kaputten Sachen warf ich in einen Korb und duschte dann das getrocknete Blut und den Dreck von mir ab. Das Gefühl vollends verloren zu sein war mit keinem Wasser der Welt abzuspülen. Wie sollte mich irgendjemand finden? Ich glaubte Marcus Worten, wenn er sagte er würde schon dafür sorgen, dass mich niemand fand nicht mal Nicholas. Das Wasser spülte die Rückstände der vergangenen Nacht von mir herab und ließ für einen Moment die Idee in mir aufflackern mich einfach zu ertränken. Doch die Idee wurde das Erscheinen der Aufseherin verdrängt. „Fertig?" Ich drehte mich zu der Dusche und nickte. „Dann zieh dich um!" Ob Nettigkeit mehr kostete als Unfreundlichkeit? Fertig angezogen gingen wir zum Speisesaal so wie die dralle Frau mit dem Namen Melissa mir erklärte. Noch immer hatte ich keine Menschenseele gesichtet. Gab es überhaupt Patienten in diesem Haus? Die Frage wurde nur wenige Sekunden später beantwortet. Melissa entließ mich in einen riesigen mit Tischen und Stühlen gefüllten Raum. Hier aßen die Patienten unter den Augen der Pfleger und unterhielten sich nicht. Meine Aufpasserin brachte mich zu einem Tisch an dem ich alleine sitzen sollte. Die Blicke der anderen durchbohrten meinen Körper und ich fühlte mich wie nackt. Das lag vielleicht auch an den grauen Klamotten, die ich trug. Die anderen hier sahen ganz normal aus. Eine Tatsache war jedoch prägnant nur junge Frauen. „Ich bring dir was zu essen." Erklärte die kurzhaarige und entfernte sich von mir. Ich hatte mir vorgenommen nicht aufzusehen und doch ließ ich ungewollt meinen Blick schweifen. Bleiche Gesicht, die wie unter Drogen einfach nur vor sich hinstarrten. Leben suchte man vergebens. Ich fing den Blick einer Blondine auf, die mich bewusst wahrnahm und fixierte. Sofort unterbrach ich den Blickkontakt und widmete mich meinen Fingern. Warum wollte Marcus mich hier haben? Was passierte mit den Anwesenden hier? „Dein Essen!" Melissa stellte mir ein Tablett vor die Nase mit Graubrot etwas Käse und Wurst, dazu eine Tasse Tee. Ich schluckte schwer als meine Gedanken zu Nicholas schweiften. Wäre ich nicht abgehauen dann würde ich nun bei ihm sitzen und mich nur wieder über seine Art aufregen. Doch jetzt fehlte mir sein gewohnt charmantes Lächeln, seine Stimme. Ich schluckt wieder und wusste ich würde keinen Bissen runterbekommen. „Ich habe keinen Hunger..." murmelte ich. „Du bleibst so lange hier sitzen bis du aufgegessen hast!" knurrte die Frau, die sich vor mich hingesetzt hatte. „Immer das gleiche mit euch verwöhnten Weibern!" Sie war das passende Gegenstück von Ivan. Bei dem Gedanken musste ich lächeln. „Was gibt es zu lachen?" keifte sie mich sofort an. „Das könnte lange dauern!" setzte ich sie in Kenntnis und lehnte mich mit verschränkten Armen zurück. „Ich habe Zeit kleines!" nun lehnte auch sie sich zurück. Eine ganze Weile verharrten wir in unseren gewählten Positionen und starrten uns an. Jetzt wo ich den Vergleich zu Ivan gezogen hatte, hatte sie ihre Wirkung auf mich verloren. Er konnte mir nichts uns die grimmig aussehende Frau erst recht nicht! Die Anzahl der Anwesenden verringerte sich von Zeit zu Zeit bis nur wir und drei weitere Mädchen hier saßen, die ebenfalls Probleme mit dem Essen hatten. Ich schätzte die Gründe waren dabei andere. Bei ihnen spielte sicherlich eine Krankheit die entscheidende Rolle für den Verzicht. Mit den zwei kranken Mädchen saß auch die Blondine noch in diesem Saal. Warum sie nicht aß wusste ich nicht. Mein Blick glitt zur Uhr mittlerweile waren 1 ½ Stunden vergangen und tatsächlich bekam ich Appetit. Ich löste meine abwehrende Haltung und lehnte mich zu dem Essen, doch bevor ich das Brot packen konnte zog Melissa das Tablett zu sich. „Schade, die Essenszeit ist um!" ich sah verwundert auf und schenkte ihr gegen meinen Willen einen verunsicherten Blick. Sie hob eine Augenbraue und grinste breit. „Gewonnen!" Alleine dieses Wort brachte mich zur Weißglut noch war gar nichts entschieden. Ich sprang auf und hechtete mit den Armen voraus auf das Tablett zu, damit hatte sie nicht gerichtet. Ich packte mir das Brot, richtete mich auf dem Tisch auf und setzte mich in Bewegung. Ich lief vor ihr weg und sie hastete mir hinterher. Während sie mit ihrer Körpermaße meine Wenigkeit nicht eingeholt bekam stopfte ich mir das Brot in den Mund und sprang auf den nächsten Tisch. Ich hörte Klatschen von den wenigen Anwesenden und sah mich kurz um, zu lang wie es schien. Ich spürte einen Schlag in die Kniekehle und sackte auf dem Möbelstück zusammen. Melissa ergriff meine Haare und zerrte mich runter. „Fick dich, das Brot ist weg!" grinste ich nur und öffnete den Mund. „Das werden wir sehen!" Sie nahm mich zwischen ihre Beine packte mein Unterkiefer so, dass ich meinen Mund nicht schließen konnte. Dann steckte sie mir ihren Finger soweit in den Hals, dass ich mich übergeben musste. Ungewollt kam das Brot wieder zum Vorschein. „Nicht mit mir!" zischte sie und schubste mich zur Seite. Ich sah nicht auf, sondern wischte mir den Mund ab. Ok, die hatte was drauf und die Ähnlichkeit zwischen ihr und Ivan wurde immer deutlicher. Er hätte mich wahrscheinlich mit einem Schlag in die Magengrube zum kotzen gebracht. Damit war Melissa die Nettere von beiden. „So muss das nicht laufen!" fing meine Aufsichtsperson an und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Hastig atmend sah ich auf und kniff dabei ein Auge zu. „Wenn du dich an meine Worte hältst wird es dir hier an nichts fehlen!" Diese Worte wirkten wir ein Friedensangebot. Ich nickte. „Na komm!" sie reichte mir die Hand und ich nahm diese entgegen. Sie half mir zwar auf aber das Essen war dennoch vorbei. Gemeinsam gingen wir wieder in mein Zimmer, indem sie mich mit der Einsamkeit hinter einer schweren Stahltür einsperrte. Kapitel 52: Der Retter? ----------------------- „Hast du eine Ahnung warum dir hier bist?" fragte Marcus dabei stand er an dem vergitterten Fenster und sah in die Dunkelheit hinaus. Ich saß auf meinem Bett und hatte die Arme um meine Beine geschlungen. Seit zwei Tagen war ich nun schon hier und hatte seither keinen Kontakt mehr mit Mister Lane gehabt. Die Frage, die er mit gestellt hatte, quälte mich bereits Tag und Nacht. Hatte Valentin nicht verraten? War das ein fieser Plan gewesen um mich loszuwerden? Hatte man keine Lust mehr, den weiteren Weg mit Leichen zu pflastern? War ich naiv genug gewesen um geradewegs in Valentins Falle zu laufen? Sein letzter Satz: "Der Grund warum du hier warst, war gelogen. Es ist besser wenn du den wahren Grund deines Daseins nicht kennst!" ging mir ebenfalls nicht aus dem Kopf. „Nein!" murmelte ich und war mir nicht sicher ob ich eine Antwort auf seine Frage überhaupt hören wollte. Einen harmlosen Grund konnte mein Dasein nicht haben. Er hatte mich quasi Nicholas entwendet. Er wusste über den Plan Bescheid und hat alles so eingefädelt, dass ich am Ende hier rauskam. Dieses Wissen bestärkte die Annahme, dass er mit Valentin unter einer Decke steckte. Ich machte mir keine Mühe eine Erklärung für das Geschehene zu finden. Die Suche war sinnlos und raubte mir nur notwendige Ressourcen, die ich für eine spätere Flucht noch benötigen würde. „Weißt du Emily, ich bin nicht wie Nicholas ich werde dich nicht dumm sterben lassen." Der großgebaute Mann setzte sich in Bewegung und wandte sich von dem Loch in der Mauer ab. Ich spürte seinen Blick, den ich unter keinen Umständen auffangen wollte. „Kein Ding... lass mich ruhig sterben!" murmelte ich nur und zog meine Beine noch ein wenig fester an meinen Körper. Die Wunde an meinem Oberschenkel schmerzte bei dem Vorhaben so entschied ich mich dazu, meine Beine doch auszustrecken und meine abwehrende Haltung notgedrungen aufzugeben. „Immer für einen Scherz zu haben die kleine Emily." Hörte ich Marcus auflachen. Witzig war daran rein gar nichts, man konnte es eher als traurig bezeichnen. Der Mann in meinem Zimmer verringerte die Distanz zu mir und tauchte in meinem Blickfeld auf als er sich genau vor mich stellte und in die Hocke ging. Ich sah auf ihn herab, in sein erfreutes Gesicht. Sein Dreitagebart ließ ihn älter wirken als er tatsächlich war. „Ich rette junge, intelligente Frauen aus den Fängen kranker Bastarde... dafür bereichern sie mein Leben für eine gewisse Zeit! Ein Geben und ein Nehmen!" Diese Aussage schockierte mich doch mehr als ich vorerst geglaubt hatte. Natürlich war unbewusst die Neugier bereits erwacht was genau ich hier zu suchen hatte aber die Auflösung gefiel mir nicht. „Das musst du mir genauer erklären..." ließ ich mich auf das Gespräch ein. „Es ist ganz einfach... hier in dieser Anstalt gibt es bisher drei junge, dynamische Frauen, deren Leben ich gerettet habe. Sie verbringen im Gegenzug Zeit mit mir, sind meine Geliebte meine Seelenverwandte. Als Nicholas mich rief um an dir die Untersuchungen durchzuführen wusste ich, dich muss ich ebenfalls aus den Händen dieses Mannes befreien." ich würde nicht nach dem warum fragen, diesmal nicht. Das hatte mir in der Vergangenheit schon rein gar nichts gebracht. „Es tut mir für Nicholas leid, da wir im Prinzip Freunde sind aber ich kann auf seine Interessen keine Rücksicht nehmen..." Ein Blick erwachte in seinem Gesicht, der mich verwunderte. Er erhoffte Verständnis. Das konnte wiederum nicht sein Ernst sein. Kurz darauf spürte ich seine Hände auf meinen Knien. „Es wird ein wenig dauern aber du gewöhnst dich an diesen Ort und wirst dich auch an mich gewöhnen und in einigen Wochen wird dir das Ganze rein gar nichts mehr ausmachen dafür werde ich höchstpersönlich sorgen." „Wie?" hauchte ich. „Schön, dass du fragst." Begrüßte er meine Frage und lächelte charmant, dabei entblößte er mir seine weißen, geraden Zähne. „Ich bin Psychologe... das sollte dir als Antwort reichen naja und ich werde dir schon helfen deine Entspannung zu finden!" mit diesen Worten schlug er mir sachte auf die Knie, nach dem Motto, das war es dann mit der Geschichtsstunde und richtete sich wieder auf. Ich fixierte weiterhin seine Augen und versuchte ihn durch meinen fordernden Blick zu weiteren Aussagen zu bewegen, doch er schwieg. „Weißt du was Emily? Die nächsten Tage wirst du die Umgebung ein wenig mehr kennenlernen und dann wirst du die anderen drei treffen!" Sein Plan stand offensichtlich. „Er wird mich finden... und dann wird er dir die Hölle heiß machen." Knurrte ich als Marcus zur Türe ging und klopfte. Kurz darauf öffnete sich die Stahlkonstruktion und er sah über seine Schulter zu mir herüber. Ein selbstsicheres Lächeln lag auf seinen schmalen Lippen. „Nein wird er nicht." Ich hätte schreien können blieb jedoch stumm und ließ ihn ziehen. Erst als die Tür wieder geschlossen war und einige Minuten der Regungslosigkeit verstrichen waren zog ich das Bild von Nicholas unter der Matratze hervor. Ich strich mit dem Zeigefinger die Konturen seines Gesichtes nach und musste zugeben, ich vermisste ihn. Ich vermisste seine Stimme, seine Anwesenheit und sein Lächeln. Würde ich ihn wirklich nie wiedersehen? Kapitel 53: Wann würde ich es schaffen? --------------------------------------- Wie Marcus versprochen hatte durfte ich mich innerhalb der Mauern weitestgehend frei bewegen. Doch genau diese Chance nutzte ich nicht. Für mich bestand keine Notwendigkeit, die einzelnen Räume oder gar andere Menschen kennenzulernen. Der Drang in meinem Zimmer zu liegen und zu verhungern war so viel größer als meine Umgebung zu erkunden. Doch diese Rechnung hatte ich ohne meine Pflegerin gemacht. Ganze zwei Tage ließ sie mich beinahe in Ruhe, reichte mir nur das Essen und etwas Wasser. Doch am dritten Tag riss ihr wohl der Geduldsfaden! Sie zwang mich regelrecht dazu mich zu bewegen. Nach etlichen Diskussionen und handgreiflichen Übergriffen gab ich schließlich nach und setzte mich widerwillig in Bewegung. Die dickliche Frau im Schlepptau fand ich die Waschräume, den Aufenthaltsraum, die Cafeteria und sonstige unwichtige Räume. Melissa beobachtete jeden Schritt von mir genauestens. Ihr war wohl noch nicht aufgefallen, dass ich keine Anstalten machte auch nur im Geringsten Unsinn anzustellen. Leblos trug ich mich zwischen den anderen Patienten hindurch an Zimmer vorbei, die offen standen. Im Inneren befanden sich hier lebende junge Frauen und Männer. Ob sie krank wirkten oder nicht mochte ich zu diesem Zeitpunkt nicht beurteilen, für mich gab es nicht mehr als mich und meine Einsamkeit. Die weihnachtliche Dekoration wurde allmählich aufgeräumt und genau das erinnert mich an die schmerzliche Realität, dass ich Weihnachten nicht mit meiner Familie verbracht hatte. Kein heißer Kakao mit Marshmallows für Emily. Keine Familie, keine Liebe, keine Geborgenheit. Nichts blieb mir bis auf Melissa, die mich auf Schritt und Tritt verfolgte. Nach der Situation in der Cafeteria war das Verhältnis nicht mehr ganz so verbittert, dennoch konnte sie es nicht lassen mir ab und an provokante Kommentare an den Kopf zu werfen. Sie erhoffte sich sicherlich eine Reaktion meinerseits, doch da musste ich sie enttäuschen. Nach einem überschaubaren Rundgang kamen wir in der Küche an. Was genau ich hier sollte wusste ich nicht, als sich Melissa jedoch einige Donuts schnappte war mir der Grund plötzlich klar. "Willst du auch einen?" fragte sie und streckte mir einen fettigen Gebäckkringel entgegen. Ich schüttelte den Kopf und sah mich um während meine Aufpasserin "Hättest eh keinen bekommen" von sich ließ. Mein Blick glitt durch die Großküche, die aussah wie die aus meiner alten Schule bis er an einem Messer halt machte. Ich hatte es bereits einmal versucht und nicht gewollt und doch beinahe geschafft. Vielleicht war das der Wink mit dem Zaunpfahl, die wenige Kraft zusammenzukratzen und eine letzte Aktion zu starten. Langsam und vorsichtig bewegte ich mich zu der Waffe. Melissa redete mit dem Koch und es war mir nicht möglich zu übersehen wie sie ihn anhimmelte. Sie biss so erotisch wie es ihr möglich war in ihren Donut und versuchte den Augenkontakt nicht zu unterbrechen. Alles hier spielte mir in die Karten, das musste der Plan für mein Leben sein. Das hier musste alles geschehen um endlich zu entkommen. Ich schaffte, das Messer unbemerkt zu greifen und es hinter meinem Rücken zu verstecken. Diese burschikos wirkende Person schien auf den ersten Blick zwar pflichtbewusst doch so verlässlich war sie gar nicht. Ivan wäre so ein Fehler nicht unterlaufen. Noch bevor die Verknallte reagieren konnte setzte ich mich in Bewegung und stürmte zu der Doppeltüre, die ich aufstieß und loslief. Niemand konnte sich mir in den Weg stellen, dafür sorgte das Messer in meiner Hand. Die Pfleger sprangen zur Seite und auch die Patienten machten mir Platz als ich auf sie zu gelaufen kam. Ich versuchte die nächste Ecke zu bekommen und rutschte dabei weg. Mit einem schmerzhaften Stoß landete ich an der Wand das Messer einige Meter von mir entfernt. Ich sah zu der Richtung aus der ich gekommen war und ich erblickte Melissa, die schwitzende auf mich zu gehetzt kam hinter ihr zwei mir fremde Männer. Ich sah zum Messer, das eine junge Frau aufgehoben hatte und mir hinhielt. Unter Schmerzen rappelte ich mich auf und ließ mir meine einzige Waffe reichen. "Danke!" sagte ich schnell und setzte meinen Weg fort. Sie jubelte mir hinterher und klatschte. Ahnungslos wohin ich musste rannte ich so schnell ich konnte. Das Adrenalin tat seine Arbeit und brachte mein Körper auch Hochtouren. Ich hatte nichts verlieren! Das Schild, das den Ausgang symbolisierte erschien in meinem Blickwinkel. Das musste Schicksal sein! Wenn Marcus mich haben wollte würde er nicht wollen, dass ich mir etwas antat! Das würde ich aber wenn sie mich nicht laufen ließen. „Haltet sie fest!" Männer in weißen Kitteln stellten ihre Arbeit ein als ich an ihnen vorbeigelaufen kam und versuchten mich zu greifen. Es war mir möglich den Händen zu entkommen auch wenn das ein oder andere Mal das Messer einsetzen musste. Ich schaffte es bis zum Ausgang und brachte sogar den Kerl, der für das öffnen zuständig war meinem Willen nachzukommen. Kurz darauf empfing mich die kalte Luft der Außenwelt. Es war vorbei! Ich wollte weiterlaufen Richtung Tor, als zwei Scheinwerfer meine Person erfassten. Reflexartig blieb ich stehen, als ein Mercedes genau vor mir hielt und mich mit seinem Licht gefangen nahm. Mein Herz schlug mir bis zur Brust und ich atmete hastig ein und aus. Das Messer fest im Griff bereit jeden abzustechen, der mir zur nahe kam. Marcus stieg aus dem Wagen aus aus und kam langsam auf mich zu, dabei hielt er beschwichtigend die Hände hoch. Warum kam er ausgerechnet jetzt? Hatte das Schicksal mich verarscht? Hatte es mir eine Illusion aufgezeigt, die nicht dem entsprach, was wirklich? Bestand nie eine reelle Chance abzuhauen? „Verzieh dich." Zischte ich und hielt das Messer wie eine Waffe vor mich. Mein Puls raste und das Adrenalin schoss durch meine Adern. Ich würde nicht aufgeben, ich würde es nicht wieder verpatzen. „Mister Lane..." stellte Melissa das offensichtliche fest und ich drehte mich so, dass ich den Hausherrn und die Dicke im Blick hatte. „Ein Schritt und..." Ich hielt mir die Klinge an die Kehle. „Was willst du damit bezwecken?" fragte Marcus und nahm die Hände runter. „Ich bringe mich um, wenn du mich nicht sofort gehen lässt!" An seiner Reaktion konnte ich erkennen, dass er seine kurzzeitige Unsicherheit abgelegt hatte und meine Aktion nur noch belächelte. Es machte mich rasend, die Hilflosigkeit steckte in meinem Knochen. "Du glaubst mir nicht!" schrie ich weiter und setzte die Klinge an meine Kehle. "Auch davon hättest du nichts!" entgegnete er nüchtern. "Lieber sterben als hier zu bleiben!" sagte ich nun leiser. "Ich weiß, ich werde nie wieder frei sein. Was soll das sinnlose kämpfen dann noch?" Ich drückte die Klinge in mein Fleisch und kniff die Augen zu, Tränen pressten sich an die Oberfläche. Ich wollte sterben, in diesem Moment wollte ich einfach nur noch sterben um diesem nie enden wollenden Alptraum zu entkommen. Ich dachte an Nicholas, wie er sein Versprechen mich zu finden nicht eingelöst hatte und es vielleicht niemals getan hätte. Bevor ich mir die Kehle aufschlitzen konnte spürte ich einen starken Ruck und den Aufprall meines müden Körpers auf dem kalten Grund. Zwei Männer waren auf mich gestürzt und hatten mich zu Fall gebracht. Das Messer wurde mir aus der Hand gerissen und ich öffnete die Augen. „Lasst mich." Schrie ich hysterisch und schlug und trat, ich versuchte alles was ich konnte doch das war nicht mehr sonderlich viel. Einer hielt meine Arme auf meinen Rücken fest und der andere zog eine Spritze hervor. „Lass mich sterben!" schrie ich und bekam kaum Luft, meine Lunge zog sich zusammen und kam ihrer Aufgabe meinen Körper mit Luft zu versorgen nicht mehr richtig nach. Ich schrie, weinte und spürte wie sich Speichel in meinem Mund bildete und beim schreien genau diesen verließ. Mir war viel passiert, ich hatte viele Tiefs und dennoch hatte ich immer diesen einen Funken der Hoffnung. Doch der war weg. Da war nichts mehr! Marcus ging vor mir in die Hocke. „Du wirst eine Runde schlafen, dann wird es dir besser gehen! Deine Erfahrungen haben dich in die Irre geleitet. Deine jetzige Situation mag dir aussichtslos scheinen aber das ist sie nicht und genau das wirst du auch noch begreifen." Der Stich der Nadel war die Folge seiner Worte. Ich merkte, wie meine Arme schwer wurden, mein Körper müde und wie mir selbst das Weinen vergönnt war. Ich schaffte es kaum meine Augen offen zu halten und doch versuchte ich krampfhaft gegen die Ohnmacht anzukämpfen, die mich schließlich schonungslos mit sich riss. Alles wurde schwarz und der Kampf war verloren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)