Das zweite Gesicht von _Nele_ ================================================================================ Kapitel 9: ----------- Gellert saß in seinem Büro, vor sich einen großen Stapel mit Papieren auf dem Schreibtisch und einen Bericht über den aktuellen Zustand der jungen Chimären in seiner Hand. Die Entwicklung der Chimären verlief äußerst zufriedenstellend und optimal. Ein einziges Jungtier war etwas kleiner und schwächer als die anderen, doch die Chancen standen gut, dass es den Entwicklungsrückstand noch aufholen würde. Die Sozialisation und das Training der Jungtiere verlief jedoch alles andere als zufriedenstellend. Die Elterntiere, die er damals zusammen mit Newt aufgezogen und trainiert hatte, machten sich ausgesprochen gut und waren sogar hin und wieder bereits einsetzbar. Aber die Jungtiere...   Als sein damaliger Plan bezüglich dem Obscurus schief gelaufen war, hatte sich die Entdeckung der Chimären als durchaus nützlicher Ersatz erwiesen. Nicht umsonst hatte Gellert damals seine Position beim MACUSA für ein paar Monate aufgegeben um Newt auf seiner Reise zu begleiten und gemeinsam die Chimären zu züchten, aufzuziehen und zu trainieren. Es war vor allem nötig gewesen um sich das notwendige Wissen selbst anzueignen, denn irgendwann musste er schließlich ohne Newt mit ihnen klar kommen. Doch jetzt wo es soweit war, merkte er, dass er sich offenbar verschätzt hatte. Langsam aber sicher verzweifelte er an den gezüchteten Jungtieren. Zwar würde er es so niemals offen zugeben, aber ihm fehlte einfach das Talent von Newt im Umgang mit diesen Geschöpfen. Er befand sich in einer tatsächlichen Zwickmühle und das wo sein Ziel einer Chimären-Armee zum Greifen nah schien. Seufzend lehnte sich Gellert zurück und massierte sich mit seiner freien Hand die Schläfen. Auf Newts Hilfe konnte er definitiv nicht zurück greifen. Schließlich war derzeit nicht mal ein normales Gespräch mit dem Rotschopf möglich ohne dass die Situation eskalierte. Und das war langsam wirklich... frustrierend.   Ein weiterer Punkt bei dem sich Gellert offenbar gewaltig verschätzt hatte. Das an sich kam sehr selten vor und war etwas, was ihn fast noch mehr ärgerte als das Verhalten des Jüngeren an sich. Natürlich hatte er damit gerechnet, dass Newt ihm nicht begeistert um den Hals fallen würde sobald sie sich wieder sahen. Aber dass er sich derart anstellte nach allem was zwischen ihnen gewesen war, überraschte selbst Gellert – und das nicht im positiven Sinne. Ja, er hatte Newt für seine Ziele ausgenutzt. Er war nicht begeistert davon gewesen die zweiwöchige Reise mit dem Magizoologen nach Arizona anzutreten und hatte sich vehement gewehrt. Wäre es nicht die direkte Anordnung der Präsidentin gewesen, dann hätten ihn keine zehn Hippogreife dazu bewegen können mit dem rothaarigen Zauberer quer durch die Pampa zu reisen um einen verdammten Donnervogel frei zu lassen. Am Ende hatte sich Gellert jedoch fügen müssen, wenn er seine Rolle als Percival Graves nicht aufgeben wollte. So hatte er also beschlossen das beste aus der Situation zu machen und die Reise zumindest dazu zu nutzen, an ein paar wichtige Informationen zu kommen. Schließlich hatte Newt offenbar Erfahrung mit Obscurien gehabt und vielleicht sogar eine Idee wo sich noch einer finden ließe. Die Naivität des Rotschopfs und der Fakt, dass er 'Percival Graves' offenbar nicht so abgeneigt gewesen war, wie Gellert zuerst vermutet hatte, hatten ihm dabei nur noch mehr in die Karten gespielt. Umso begeisterter war Gellert gewesen als er nach ihrer Reise von der Chimära erfahren hatte. Solch ein Tierwesen wäre vielleicht sogar fast besser als ein Obscurus. Credence war schließlich eine Ausnahme gewesen in Alter und Ausmaß seiner Kräfte. Wer wusste schon ob Gellert jemals wieder so viel Glück haben würde, ein solches Obscurial zu finden. Mal abgesehen davon wäre ein Tierwesen deutlich einfacher zu kontrollieren und er müsste sich nicht ständig Gedanken machen, das Obscurial emotional an sich zu binden. Natürlich war es trotzdem ein Risiko gewesen, schließlich galten Chimären als unzähmbar. Und doch hatte sich recht schnell gezeigt, dass es durchaus möglich war. So hatte sich Gellert also alles von Newt zeigen lassen im Umgang mit den Chimären, hatte sich stetig sein Vertrauen ergattert und ihm Gefühle für ihn vorgespielt. Eigentlich hatte er ursprünglich vorgehabt den Rotschopf am Ende einfach umzubringen. Es wäre die unkomplizierteste, logischste und risikoloseste Variante gewesen. Außer, dass Newt recht hübsch anzusehen war und bereitwillig und enthusiastisch das Bett mit ihm teilte, hatte Gellert schließlich nichts an ihn gebunden. Eher im Gegenteil. Newt unterschied sich in so vielen Dingen grundlegend von ihm selbst, die ihn selbst bis heute maßlos irritierten. Er war über alle Maße naiv und gutgläubig, in seinen moralischen Grundsätzen völlig verfahren, besaß kaum Weitblick, handelte fast ständig impulsiv und ohne nachzudenken und war sozial begabt wie ein Höhlentroll. Dazu trug Newt seine Gefühle und Schwächen auch noch vor sich her wie ein offenes Buch, lud so ziemlich jeden dazu ein ihn auszunutzen und zu manipulieren. All das waren Dinge, die Gellert im besten Fall dazu brachten zweifelnd den Kopf zu schütteln und im schlimmsten Fall das Verlangen in ihm weckten, ihn auf der Stelle zu erwürgen. Gellert konnte nicht genau sagen, wann er dennoch so etwas wie Respekt für den Jüngeren entwickelt hatte. Er war selbst angenehm überrascht gewesen, als er bemerkte, dass Newt gar nicht so dumm war, wie er oftmals schien. Er hatte tatsächlich eine Menge Ahnung von den magischen Geschöpfen, was man durchaus als nützlich einstufen konnte und über eine verblendete Vernarrtheit hinaus ging. Zudem konnte er wahnsinnig ehrgeizig sein. Hatte sich Newt etwas in den Kopf gesetzt, so verfolgte er sein Ziel ohne wenn und aber. Dazu kam, dass er unglaublich loyal war und seine Prinzipien selbst dann vertrat wenn es unangenehm wurde. All das waren Eigenschaften, die Gellert durchaus zu schätzen wusste und bis zu einem bestimmten Punkt auch bewundern konnte. Und irgendwann hatte er dann tatsächlich begonnen ihn zu mögen, hatte das endlose Vertrauen genossen, welches ihm von dem devoten, harmoniebedürftigen Zauberer entgegen gebracht wurde. Ja, sie waren wirklich recht gut miteinander klar gekommen und Gellert hatte überrascht festgestellt, dass er sich tatsächlich sehr ungezwungen in Newts Gesellschaft geben konnte. Der Rotschopf akzeptierte nicht nur Gellerts Eigenheiten und Verhalten, nein, er schien ihn auch noch genau dafür zu mögen.   Umso schlimmer und unverständlicher war es für den blonden Zauberer, dass sich Newt jetzt dermaßen anstellte. Es brachte ihn förmlich zur Weißglut. Er war die letzten Monate, in denen sie sogar in 'Percivals' Wohnung zusammen gelebt hatten, immer ehrlich und er selbst gewesen und Newt hatte ihn gerade zu dafür vergöttert. Das musste doch selbst Newt mit seiner unterdurchschnittlichen Auffassungsgabe bemerken, dass er sich nicht anders benahm als damals. Und dennoch wendete Newt sich von ihm ab, nur weil er Gellert Grindelwald war und anders aussah als zuvor. Newt hatte ein festes Bild von dem ach so bösen Gellert Grindelwald im Kopf und weigerte sich vehement es zu verwerfen und es durch das zu ersetzen, was er selbst von ihm gesehen und erlebt hatte während ihrer gemeinsamen Zeit! Dabei verlangte er doch wirklich nichts unmögliches von dem Rotschopf. Kein einziges mal hatte er von ihm erwartet, dass er sich aktiv auf seine Seite stellte und ihm half seine Ziele zu verwirklichen. Im Gegenteil, er gab ihm alles, was er brauchte und sich wünschte, solange es dem größeren Wohl nicht im Wege stand. Gellert war bewusst, dass Newt seine Motive und sein Handeln vermutlich niemals verstehen würde. Aber er hatte erwartet, dass es ihm zumindest möglich sei, es zu akzeptieren und ihn nicht als Monster zu sehen.   Er wusste, dass seine Gegner ihn nur all zu gerne als sadistischen, egozentrischen Wahnsinnigen hinstellten. Dabei war es doch offensichtlich, dass er all dies nicht zum Spaß tat. Gäbe es tatsächlich einen einfacheren und friedlicheren Weg als einen Weltkrieg, dann würde er ihn doch allein der Logik wegen beschreiten. Auch Gellert hielt nichts von sinnlosem Blutvergießen, doch wenn dies die einzige Möglichkeit war, die sich ihm bot, dann würde er sie nutzen. Doch viele schienen einfach nicht zu sehen, dass es höchste Zeit für Veränderung war. Die Muggel schadeten nicht nur den Zauberern, sondern entwickelten sich zu einer immer größer werdenden Gefahr für die ganze Welt. Sie richteten sich selbst zugrunde, verwüsteten ihre eigenen und fremde Lebensräume und waren bereit die ganze Welt mit sich in den Abgrund zu ziehen. Und wofür? Für sinnlose Kriege bei denen es um Besitz, Macht und Glaubenssätze ging. Sie waren einfach nicht fähig verantwortungsbewusst zu regieren und gleichzeitig so unglaublich ignorant und ängstlich bezüglich allem, was sie nicht verstanden. Sie waren wie Kinder und Kindern durfte man solch eine große Verantwortung nicht unbedacht in die Hände legen. Er wollte die Muggel weder ausrotten, noch ihnen um jeden Preis schaden. Die Zauberer waren ihnen von Natur aus überlegen, mächtiger und weitblickender und sollten dementsprechend die Geschicke der Menschheit leiten. Es war nur vernünftig, dass die Stärkeren die Führung übernahmen. Und doch wehrten sich so viele gegen das, was doch einfach nur logisch war. Aber so waren nun mal die Menschen. Sie stellten sich prinzipiell gegen Veränderungen und leider zeigte die Vergangenheit, dass sich nötige Veränderungen im Endeffekt doch nur mit Blutvergießen durchsetzen ließen. Zudem war Gellert der einzige, der dies bewerkstelligen konnte, der dazu fähig wäre, diese Verantwortung auf sich zu nehmen. Er war fähig und bereit all dies ohne Skrupel und Reue für das größere Wohl, für den Fortbestand der Zauberer und für eine Zukunft für alle, durchzuziehen. Aber auch er war nicht unsterblich. Er konnte einfach nicht ein, zwei Jahrhunderte warten und diskutieren bis auch wirklich alle Idioten einverstanden waren. Und die Massen seiner Gefolgsleute gaben ihm in diesem Punkt recht. Natürlich war Gellert nicht so naiv zu glauben, dass sie alle dasselbe edle Ziel wie er selbst vor Augen hatten. Die meisten waren im Endeffekt wie alle anderen auch auf ihre eigenen Vorteile bedacht. Aber auch das zeigte Gellert, dass es notwendig war, dass ER diese Revolution leitete und alles in die richtigen Bahnen lenkte. Jeder andere würde unter dieser Bürde zusammenbrechen oder der Verführung von Macht erliegen und im Endeffekt doch nur seinen eigenen Interessen nachgehen. Gellert hingegen war bereit alles für das höhere Wohl zu tun, selbst wenn dies bedeutete seine eigenen Interessen, Bedürfnisse und Wünsche zu opfern.   Plötzlich wurde der blonde Zauberer von einem Klopfen aus seinen Gedanken gerissen. Nach einem Herein betrat einer seiner Offiziere das Büro und verbeugte sich knapp. „Wir haben die Wachen, die ihren Posten verlassen haben in die Arrestzellen verfrachtet, Sir.“ Ach ja... die zwei Wachen, die eigentlich dafür abgestellt waren um Newt zu beaufsichtigen und es letztendlich möglich gemacht hatten, dass dieser unbeaufsichtigt in den unteren Ebenen herumstreunen konnte. Gellert machte eine kurze, abwinkende Geste während er den Bericht in seinen Händen auf seinen Schreibtisch legte. „Exekutiert sie.“ Der Offizier verbeugte sich augenblicklich und antwortete mit einem kurzen „Jawohl, Sir.“ bevor er den Raum wieder verließ. Genau so würde er die neue Ordnung herstellen. Es war weder Platz noch Zeit für Querschläger. Wer sich nicht fügte und dem höheren Wohl im Wege stand, der musste verschwinden, egal welcher Seite er schlussendlich angehörte.   Gellerts Blick wanderte erneut zu dem Bericht auf seinem Tisch. Newt war ihm tatsächlich mehr als nützlich gewesen und er konnte nicht abstreiten, dass er die Gesellschaft des Rotschopfs durchaus genoss. Und doch fragte sich Gellert, ob all dies überhaupt noch Sinn machte oder ob Newt bereits so festgefahren war in seinem Wahn, dass alles nur eine große Lüge gewesen und Gellert ein grausames Monster sei. Wenn das tatsächlich der Fall war, dann wäre es sinnlos sich weiter auf die Idee eines Miteinanders zu versteifen. Er konnte weder unnötige Energie, noch Gedanken in etwas investieren, was ihn und vor allem das größere Wohl nicht weiter brachte sondern nur behinderte und ablenkte. Er wollte Newt definitiv nicht verlieren, doch wenn es so weiter ging, dann wäre Gellert bereit auch dies zu opfern. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)