I'm in Love with a Killer von Sakami-Mx (Sie leben unter uns) ================================================================================ Kapitel 21: Hilfe in letzter Sekunde ------------------------------------ Hilfe in letzter Sekunde Pira: „Was macht denn ein Kind hier?“, sprach ich meine Gedanken laut aus. „Ich bin kein Kind! Ich bin schon 756 Jahre alt, du Spasti!“, fauchte der kleine Racker vor mir. „Was zum-“, begann nun auch Baka und sah das Kind irritiert an. Ich konnte nicht wirklich sagen, ob es eine sie oder ein er war, da das Kind kurzgeschnittene, graublonde Haare hatte und weite, ausgeleierte Klamotten trug, die überall Löcher hatten. Ich tippte ja auf einen Jungen. „Was wollt ihr hier? Ihr seid Touristen, oder? Ihr kommt nicht von hier“, meinte das Kind skeptisch und prüfte uns mit seinem Blick. „Warum siehst du aus wie ein Kind, wenn du doch so alt bist?!“, hakte Baka nach, der immer noch nicht verstand, dass wir eigentlich hier die Jüngeren waren und einen gewissen Respekt der Person vor uns zeigen sollten. „Was?“, fragte es verständnislos und schüttelte den Kopf. Dann, als wäre ihm ein Licht aufgegangen, wich es einen Schritt von uns. „Wer seid ihr und wie seid ihr hier hergekommen?“, wollte es wissen, seine Stimme wurde immer skeptischer. Ich sah meinen Kumpel kurz an. Wir durften unsere Tarnung nicht auffliegen lassen. Itinier hatte auch schon so komisch reagiert, als er rausbekommen hatte, dass wir früher einmal Menschen gewesen waren. Wir antworteten einfach nicht, sondern starrten das Kind einfach an. „Ihr seid unrein!“, fauchte es plötzlich, stolperte weiter zurück, fast schon so, als sei es verängstigt und wollte fliehen. Der Braunhaarige reagierte sofort und griff nach dem Saum des Pullovers, um es daran zu hindern, vor uns wegzulaufen. „Hey, was soll der Scheiß?! Lass mich los, du Dreckskerl!“, schrie es wild mit den Armen fuchtelnd und schlug mit seinen Krallen nach uns. „Zuerst wirst du uns ein paar Fragen beantworten“, knurrte ich bedrohlich und funkelte das Kind mit meinen glühenden, dämonischen Augen an. Es sah mich, ebenfalls mit glühenden, dämonischen Augen an. „Ich werde gar nichts sagen! Ihr solltet verschwinden, sonst rufe ich die Wächter!“ „Untersteh dich!“, knurrte nun auch Baka, hob das Kind hoch, warf es sich über die Schulter und ging zurück zu den anderen. Ich folgte ihnen mit etwas Abstand und behielt unsere Umgebung im Auge. Piwi: Aus der Ferne konnte ich die leichten Schemen einer Person erkennen und stellte mich sofort in Verteidigungsposition. Hinter mir wimmerte Anna nur vor Angst und schmiegte sich weiter an Peys Körper. Neben mir hatte Bana nun auch die schemenhafte Person bemerkt und machte sich bereit zum Kampf, doch noch bevor wir irgendwas machen konnten, erkannten wir, dass Baka zu uns zurück kam. „Alter! Du kannst doch nicht einfach wegrennen!“, fauchte der Schwarzhaarige mit den roten Strähnen aufgebracht neben mir. Baka sagte nichts, kam einfach weiter auf uns zu gelaufen und hatte einen eher wackligen Schritt drauf. Erst als er näher kam erkannten wir, dass er mit aller Kraft versuchte, etwas festzuhalten. Mein Bruder folgte dem Braunhaarigen aus einiger Entfernung und sah sich immer wieder um. „Was ist das?“, fragte ich den Jungen neben mir und fixierte meinen Blick weiterhin auf den Näherkommenden. Neben mir zog Bana nur unwissend die Schultern hoch und schaute sich um. Es war ja nicht sicher, dass wir nicht doch angegriffen wurden. Als Baka vor uns zum Stehen kam, setzte er das Etwas vor uns ab und zwang es in die Knie. „Dreckiger Bastard! Ihr seid alle unrein!“, keifte das Etwas, was sich als Kind herausstellte. „Ein Kind?!“, meinte ich verwundert und blickte es musternd an. „Verdammte Scheiße! Ich bin KEIN Kind!!“, schrie es mich an. „Halt die Fresse, du Knirbs“, fuhr Baka das Kind an, worauf es nur trotzig vor sich hin auf den Boden sah. Als es den Blick jedoch hob und die beiden Bewusstlosen bemerkte, erstarrte es sichtlich. „Majestas“, hauchte es und starrte Rel an. „Du kennst ihn?“, fragte Pira verwundert, als er endlich zu uns stieß. „Was habt ihr dreckigen Bastarde Seiner Majestät angetan??“, schrie er auf und erhob sich. Baka's Versuche, das Kind festzuhalten, scheiterten und es kämpfte sich durch meine und Bana's Barriere hindurch. Dann fiel es vor Rel's bewusstlosen Körper auf die Knie und ergriff seine Hand. „Pfoten weg!“, zischte ich, doch er hörte nicht. „Was ist mit Ihnen geschehen?“, fragte es besorgt und fuhr mit seiner Hand über Rel's Brust. „Expergisci“, murmelte es und die Augen des einst Blondhaarigen begannen zu flackern. „Nein! Du darfst ihn nicht aufwecken!“, schrie Pira aufgebracht! Das Kind zog erschrocken seine Hand von Rel's Brust und blickte Pira fragend an. „Warum?“, wollte es wissen. „Er wird sterben, wenn er jetzt noch einmal die Augen öffnet“, meinte Pira sofort und riss sich mit aller Gewalt von seinem Platz los. „Aber... Warum schläft Seine Majestät hier auf dem dreckigen Boden? Warum ist Seine Majestät nicht im Palast? Warum ist Seine Majestät mit Bastarden wie euch unterwegs? Was fällt euch eigentlich ein, so respektlos mit Seiner Majestät zu sprechen?“ „Scheiße man, was labert das Ding da fürn Scheiß?!“, fragte Baka verständnislos. „Ich bin kein Ding! Mein Name ist Kisin!“, meckerte das Kind verärgert. „Und was bist du?“, fragte mein Bruder gerade heraus und beäugte das Kind abschätzig. „Was ich... Was soll der Scheiß denn bedeuten? Ich bin ein Junge, du Spast!“, keifte der Kleine zurück. „Also gut, Kisin. Du scheinst Rel zu kennen. Kannst du uns dann helfen, ihn zu einem Arzt zu bringen?“ Der Junge sah uns nach dem Motto ich-versteh-nur-Bahnhof an. „Arzt? Was soll das sein?“ Bana sah ihn aus weit aufgerissenen Augen an. Ist das sein ernst? Rel hat doch gesagt, dass hier ein Arzt ist, der ihm helfen kann! „Wa-was? Ein Arzt?! Jemand der einem hilft, wenn man krank ist!“ „Sowas wie ein Medicus?“, fragte Kisin nach. „Nenn es wie du willst, aber ja so jemanden suchen wir. Wenn Rel nicht so schnell wie möglich behandelt wird, krazt er ab!“ „Rel?“ Der Kleine schien verwundert. „Meine Fresse! Wir meinen ihn, du hohle Nuss!“, zischte Bana verärgert. „Was fällt dir ein? Seine Majestät heißt mit bürgerlichen Namen Churel, du Pfosten! Erst so respektlos und dann auch noch ein falscher Name? Wo kommt ihr denn her? Aus der Menschenwelt??“, lachte der Kleine zum Schluss und sah uns dann verdattert an, als niemand was sagte. „Eh? Ernsthaft?“ „Jetzt hör auf mit deinen Spielchen! Rel- ich meinte natürlich Churel benötigt dringend ärztliche Hilfe. Also hör auf uns hier auszuhorchen, sondern bring uns zu deinem dämlichen Medicus, verdammt!“ Der Braunhaarige mit den blonden und violetten Strähnen war ziemlich ungehalten und hatte den Jungen am Kragen gepackt. „Na schön. Und was genau ist passiert?“, wollte der Kleine wieder wissen. „Er wurde von nem Kleriker angegriffen! Wenn du nicht willst, dass er abkratzt, dann solltest du uns schleunigst zeigen, wo wir hin müssen!“ Bana raufte sich verzweifelt die Haare. Da hatten wir endlich jemanden gefunden, der uns helfen konnte und dann war dieser Knirbs auch noch so begriffsstutzig? Das konnte doch einfach nicht wahr sein. Kisin stand auf und klopfte sich den Staub von seinen Klamotten. Er sah etwas hin und hergerissen aus, doch er schien sich dazu durchzuringen, uns zu helfen. Hatte Itinier etwa den kleinen Jungen gemeint? Hatte er gewusst, dass wir auf ihn treffen würden? „Tze, Unreine und dann auch noch aus der Menschenwelt. Ich könnte kotzen“, murmelte er vor sich hin und ging einige Schritte voraus. Dann drehte er sich um und blickte uns auffordernd an. „Worauf wartet ihr? Der rote Mond wird bald aufgehen. Wenn alle aufwachen, dann habt ihr gelitten und werdet sofort in den Kerker geschmissen. Seine Majestät wird sicherlich nicht begeistert sein, seinen Sohn in diesem Zustand zu empfangen…“ Es dauerte einen Moment, bis es bei uns Klick machte und wir schnappten uns die Bewusstlosen, um dem Kleinen zu folgen. „Und wer ist das?“, fragte Kisin, als wir einige Schritte gegangen waren und er in Pey’s Richtung nickte. „Ein Freund von uns“, meinte ich wahrheitsgemäß und ging weiter. „Und warum habt ihr ihn auch mit hierher geschleppt? Er sieht ja mehr tot als lebendig aus.“ Pira lachte verächtlich und verfestigte seinen Griff um Rel’s Körper. „Als ob es bei Rel anders aussehen würde…“, grummelte Bana neben mir. Kisin nickte eifrig. „Das ist ja auch der Prinz höchstpersönlich. Er wird nicht so leicht sterben. Immerhin trägt er das Blut des Adels in seinen Adern.“ Verächtlich schnaubte Baka. „Ich raff’s einfach nicht. Warum hat Rel uns nie etwas über sich erzählt? Ich glaub langsam, dass alles was wir über ihn wissen gelogen ist.“ „Aber er meinte zu mir, dass sein Vater der Teufel höchstpersönlich sei. Damals hielt ich es noch für einen Witz. Selbst, nachdem er mir die Tätowierungen an seinen Handgelenken gezeugt hat… aber jetzt…“, meldete sich Anna zu Wort. Kisin, welcher sie wohl kaum als Gefahr wahrnahm, stimmte ihr zu. „Ja, so ist es. Meister Luzifer ist der oberste Teufel in unserem Reich und somit der König aller Dämonen.“ „Warte, was? Was meinst du für Tätowierungen am Handgelenk?“, wollte Pira wissen und beäugte Rel’s Arme, welche über seinen Schultern nach vorne hingen. „Die, welche sich unter dem Armband befinden“, meinte das Mädchen in unserer Mitte und deutete auf das Armband. „Das… ist mir bisher noch nie aufgefallen“, stellte der Braunhaarige mit den blonden und violetten Strähnen fest. „Ich hab auch so eins“, sagte Kisin stolz und zog seinen rechten Ärmel nach oben. Zum Vorschein kam das umgedrehte Pentagramm, welches sich mittig unter der Handfläche befand. „Damit können wir identifizieren, wer ein reinrassiger und wer kein reinrassiger Dämon ist. Ihr seid unrein, daher habt ihr das nicht. Egal wer euch hierher geschickt hat, er hat ganz schön hoch gepokert.“ Der kleine Junge hielt plötzlich vor einer Ruine an. „So, da wären wir, hier wohnt der Meister“, meinte er zufrieden und klopfte gegen die Tür. „Aber das sind doch die gleichen Ruinen, wie zuvor. Hier wohnt doch nie-“, Pira wurde mitten im Satz unterbrochen, denn ein junger Mann mit bläulichen Haaren und türkisen Strähnen öffnete die Tür. Seine dämonischen Augen glühten in einem wunderschönen türkis, genau wie seine Haare. „Kisin, weißt du eigentlich wie früh es ist? Um diese Tageszeit solltest du schlafen!“, brummte er und wollte die Tür wieder schließen, doch der Junge stellte seinen Fuß dazwischen. „Meister, der Prinz benötigt dringend eure Hilfe!“ Der Mann seufzte und rümpfte die Nase. „Welcher ist es diesmal?“, fragte er missgelaunt und musterte unseren Trupp. „Der Siebte, Meister!“ Verwundert blickte er auf. „Er ist wieder da? Wo ist er?“ Pira drehte sich zu dem Medicus um und gab den Blick auf Rel frei. „Shit, das sieht ja gar nicht gut aus, wie lange ist er denn schon in dieser Verfassung?“ Wir mussten einen Moment überlegen. „Fast eine Woche“, meinte ich dann, als ich mich an den Tag, oder besser die Nacht, zurück erinnerte. „Das ist gar nicht gut, bringt ihn sofort rein!“, meinte er und ließ uns sofort eintreten. Waren Dämonen wirklich so nett und ließen einfach fremde Leute in ihre Wohnung, oder war das hier nur der Bonus, dass wir Rel mit uns herumschleppten. Wir fackelten nicht lange und traten ein. Anna: Ich war seit unserem Aufbruch nicht mehr von Pey’s und somit auch Bana’s Seite gewichen. Der Schwarzhaarige mit den roten Strähnen hatte mich die ganze Zeit keines Blickes gewürdigt, auch nicht als ich die Sache mit Rel’s Tätowierungen erwähnt hatte. Wie die Jungs mittlerweile zu mir standen, wusste ich nicht. Mal waren sie nett, dann wieder abweisend… Das war langsam echt nervig. Ich wollte einfach nur, dass es Pey wieder besser ging und dass wenigstens etwas Normalität wieder in unseren Alltag einkehren konnte. Der Türkisäugige musterte jeden von uns, der über seine Türschwelle trat und schloss diese, als der Letzte eingetreten war. „Was genau ist passiert?“, wollte er wissen und wies Pira an, Rel auf eines der Sofa’s zu legen, welches vor uns stand, da wir uns anscheinend in einer Art Wohn- und Esszimmer befanden. Das Licht war dämmrig, aber man konnte noch genug sehen. Eigentlich genauso wie draußen. „Und wer seid ihr alle? Es ist wirklich ungewöhnlich, dass der Prinz mit einer Horde Untertanen durch die Gegend wandelt. Außerdem schließe ich darauf, dass ihr geradewegs aus der Menschenwelt zu stammen scheint, denn es schafft kein Kleriker in diese Welt zu dringen, ohne von den Wächtern geortet zu werden. Außerdem wurde noch nicht bekannt gegeben, dass die Majestäten aus der Menschenwelt zurückgekehrt seien. Apropos… Wo ist denn der sechste Prinz?“ „Er war nicht dabei“, antwortete Kisin, nun ebenfalls verwundert. „Wir sind Freunde von Rel“, meinte Piwi’s Bruder knapp und senkte den Blick. Er wollte bestimmt nichts von der Sache mit Raym erzählen. Der Braunhaarige mit den blonden und violetten Strähnen erzählte dem Mann, welcher sich als Hiisi vorstellte, dass Rel von einem Klerikerlehrling angegriffen wurde, welcher natürlich bei dem Kampf draufgegangen war, und erwähnte, dass Pey ebenfalls in den Fall verwickelt gewesen war. Der Arzt hatte bis dato nur Augen für Rel gehabt, doch nun begutachtete er auch Pey’s Zustand. „Wirklich sehr kritisch, aber ich denke, ich kann ihnen helfen. Das wird sehr anstrengend werden…“ „Meister, was haben Sie denn vor?“, wollte Kisin gebannt wissen. Die beiden schienen sich gut zu kennen, fiel mir auf. „Nun ja, wenn ich es richtig verstanden habe, dann wurden beide von der Quelle des weißen Lichts berührt, jedoch war dies nur eine schwache Form, denn der Prinz und euer Freund wäre sonst sofort geläutert worden. Ich werde also versuchen, die Läuterung, welche sich unmissverständlich noch im vollen Gange befindet, zu stoppen und die läuternde Macht der Kleriker zu extrahieren und zu versiegeln. Ich habe diese Operation bis jetzt nur zweimal durchgeführt und die Erfolgschance liegt leider nur bei 50%.“ Ich schluckte. „Heißt dass… das einer der beiden sterben wird?“, hauchte ich beinahe meine Frage in den Raum. Der Türkisäugige schwieg einen Moment, doch dann räusperte er sich. „Wenn man es faktisch betrachtet, dann würde man darauf schließen. Doch da ich es erst zweimal versucht habe, kann es auch gut möglich sein, dass es nun besser klappt, als beim Letzten.“ Ich nickte verstehend. Warum musste ich auch immer alles so schwarz sehen? Hiisi wies Bana und Pira an, ihm zu folgen. Das Behandlungszimmer dieses Arztes oder Medicus‘ oder was er jetzt auch immer war, befand sich ein Stockwerk über uns. Ich war schon sehr erstaunt, dass diese Wohnung so groß, geräumig und vor allem gemütlich eingerichtet war. Von außen sah sie wirklich wie eine Ruine aus, aber das äußere Erscheinungsbild trügte ja bekanntlich jede Sinne. Es dauerte eine Weile, bis einer der beiden zurückkehrten. „Was ist los?“, fragte Piwi, welcher sich wie wir anderen auf eines der Sofa’s gesetzt und gebannt auf die Rückkehr der beiden gewartet hatte. „Hiisi hat die beiden auf den Betten festgeschnallt. Er meinte, er könnte wahrscheinlich doch Hilfe von uns gebrauchen und wir sollen alle nach oben kommen“, richtete der Braunhaarige mit den blonden und violetten Strähnen aus. Als ich mich auch erheben wollte schüttelte er den Kopf. „Du sollst hier unten warten“, wies er mich an und ich ließ mich auch sogleich wieder auf meinen Platz fallen. „Kisin kann dir ja Gesellschaft leisten. Wir gehen nach oben.“ Kisin, welcher zuerst protestieren wollte, ließ sich schlussendlich genauso wie ich auf seinen Platz fallen und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. Nachdem die Jungs nach oben verschwunden waren, herrscht eisige Stille zwischen Kisin und mir. Ich wusste nicht, über was ich mit dem Jungen reden sollte oder eher konnte. Niemand durfte wissen, dass ich eigentlich eine Klerikerin war, oder zumindest ein paar Fähigkeiten einer hatte. „Bist du auch ne Unreine?“, fragte Kisin aus heiterem Himmel. Ihm war wahrscheinlich auch langweilig, daher fragte er einfach gerade heraus, was er dachte. „N-nein. Ich bin ein gewöhnlicher Mensch“, antwortete ich. Oh man, warum hab ich denn jetzt das gesagt? Menschen sind doch eine Hauptnahrungsquelle… Wenn er jetzt über mich herfällt, wars das! „Echt? Cool!“, entfuhr es ihm und er sah mich mit funkelnden Augen an. Ich verstand nicht Recht, warum fand er das jetzt so faszinierend? „W-was ist daran so cool ein Mensch zu sein? Werden wir nicht von euch gegessen?“ Der Graublondhaarige lachte verächtlich. „Ja, das stimmt leider, aber ich bin ein Anti-Menschenfresser“, verkündete er stolz. „Aha… Und was isst du dann?“, wollte ich interessiert wissen. Dann war er also nicht mein Feind? „Tiere“, erzählte er. Ich weitete verwundert meine Augen. „Hier gibt es Tiere?“ Der Junge nickte. „Aber klar, ganz viele sogar! Bovem, Porcos, Anates…“, begann er aufzuzählen. Ich hatte keine Ahnung wovon er da sprach. Vielleicht waren es ähnliche Tiere, wie sie in meiner Welt existierten, hießen hier jedoch anders. Mir fiel auf, seit wir auf die neuen Dämonen getroffen waren, verwendeten viele von ihnen Latein als Verständigungssprache. Auch bei manchen Sachen, welche ich bei Pey mitbekommen hatte, wurden lateinische Formeln verwendet. War es hier etwa genau wie auf meiner Schule? Wegen der Traditionen sprach man alles auf Latein? Aber Latein war doch eine tote Sprache! Niemand verwendete sie heutzutage noch... Außer… Den Religionsanhängern… „Sag mal Kisin, sprecht ihr viel Latein hier?“ Er schien nicht ganz zu verstehen was ich meinte, sondern sah mich mit einem fragenden Blick an. „Was ist Latein?“ „Die Sprache, mit der du Rel aufwecken wolltest“, meinte ich verständlich. „Der Spruch? Aber das war doch nur eine Formel. Alle Formeln werden in der Sprache gesprochen. Wir nennen sie Formsprache.“ Ich nickte verstehend. „Okay, in unserer Welt nennt man das Latein, aber eure Welt existiert ja schon viel länger, als meine“, lachte ich leicht. „Wie alt bist du denn?“, wollte er dann gespannt wissen. „16“, antwortete ich. Sein Mund klappte erstaunt auf und er sah mich entgeistert an. „Aber das kann doch nicht sein! Du bist jünger als ich, aber siehst älter aus!“ „Ihr seid ja auch alle schon sehr… alt…“ Der Junge vor mir lachte. „In der Schule haben wir letztes Jahr gelernt, dass ein Mensch nur ungefähr das ein Hundertstel von unserem Alter erreichen kann. Das heißt doch dass ich dann… ähm…“ Er begann zu rechnen. „Du wärst dann also, wenn du ein Mensch wärst, fast acht Jahre alt“, lächelte ich ihm die Lösung entgegen. Pira: Ich verspannte mich sichtlich, als wir oben am Behandlungszimmer ankamen. Jetzt würden wir sehen, ob die Behandlung tatsächlich anschlagen würde. Sie musste einfach! Piwi, welcher hinter mir stand, legte stärkend eine Hand auf meine Schulter. Jeder von uns hatte momentan wahrscheinlich das gleiche oder zumindest ein ähnliches Gefühl. Würde es klappen? Würde alles scheitern? Wenn ja, dann wäre unser Weg und die damit einhergehenden Strapazen total sinnlos gewesen. Der Braunhaarige vor mir öffnete die Tür und unser Blick fiel sofort auf unsere, am Bett gefesselten, Freunde. Der Arzt hatte ihnen die Oberteile ausgezogen und ihre Arme seitlich neben den Körper gelegt. Sie sahen so friedlich aus, doch der Schein trügte. Beide hatten schneeweiße Haare und ihre Haut war auch schon ganz bleich. Ihre Tattoos hoben sich unnatürlich davon ab. An Rel’s Mundwinkeln klebten noch vereinzelte Blutreste von dem letzten Mal, als er aufgewacht war. Hisii stand an einer Art Servierwagen, auf dem er ein paar Utensilien ausgebreitet hatte, die er für diese ‚Operation‘ benötigte. Zu sehen waren ein Skalpell und zwei kleine, silbernen Schälchen in denen sich eine trübe Flüssigkeit befand. Außerdem lagen dort auf dem Wagen noch zwei, graublaue Blätter auf denen Runen abgebildet waren. Die erste Rune sah aus wie ein umgedrehtes, schrägstehendes Z, danach kamen ein I, ein M, ein X, ein M und ein Art kleines r. „Was bedeutet das?“, fragte ich interessiert. Ich wollte ganz genau wissen, was er machen wollte. „Siegel. Ich muss die läuternde Macht aus ihren Körpern extrahieren. Wie waren die Symptome, nachdem sie mit dem weißen Licht in Kontakt getreten waren?“ „Rel meinte, dass er Bauchscherzen hätte und dass ihm schlecht wäre. Ein paar Tage später hat er Blut gebrochen und noch stärkere Magenkrämpfe bekommen. Bei Pey hat dass alles erst später angefangen…“, begann Bana zu erzählen. „Und Rel hat abwechselnd sein Bewusstsein verloren und wiedererlangt. Als er zu sich kam, hat er versucht uns anzugreifen und kurze Zeit danach hat er Blut gehustet und ist wieder zusammengebrochen“, fügte Piwi hinzu. Der Türkisäugige nickte verstehend. „Rel hat immer wieder gesagt, es fühle sich an, als würden seine Organe schmelzen“, meinte ich dann noch, als es mir wieder einfiel. „Ja, das kann gut möglich sein. Die läuternde Kraft eines Klerikers wurde geschaffen, um uns Dämonen zu töten. Wahrscheinlich wurde er am Bauch getroffen, daher auch die Schmerzen. Das Erbrechen von Blut lässt darauf schließen, dass sich wirklich seine Organe angefangen haben aufzulösen.“ Ich stutzte. „Wie jetzt?! Das kann echt passieren?“ Hiisi nickte. „Die Läuterung wird einfach nur langsamer vollzogen, beinahe nur in Zeitlupe. Also spürt man alles, was eigentlich innerhalb von ein paar Minuten passiert.“ Mir wurde bei dem Gedanken richtig übel. Was hatten die beiden nur für Qualen durchlitten? Jetzt würde es ihnen hoffentlich besser gehen, wenn alles klappte. „Und was sollen wir machen?“, fragte Baka, der sich in den Türrahmen gelehnt hatte. „Ihr werdet sie festhalten, es wird sehr schmerzhaft für sie werden“, wies er uns an und teilte uns auf die beiden Betten auf. Piwi und ich gingen an Rel’s Bett, Bana und Baka zu Pey. Der Medicus stellte sich mit seinem Wägelchen in die Mitte zwischen die Betten und nahm die Zettel in die Hand, welche er auf die Brust von den Jungen legte. Als nächsten Schritt stellte er je ein silbernes Schälchen auf einen Zettel, tunkte einmal seine Finger darin und zeichnete auf den Bauch ein umgedrehtes Kreuz. „Ab hier solltet ihr sie festhalten“, befahl er uns und wir stellten uns in unsere Position. Ich hielt die Schultern des einst Blondhaarigen fest, mein Bruder seine Beine. Hiisi nahm das Skalpell in die Hand und wandte sich zuerst Rel zu, dann schnitt er ihm ins Handgelenk und hielt dieses über das silberne Schälchen. Sein beinahe schwarzes Blut tropfte langsam in das Schälchen hinab und färbte es komischerweise rot. Der Medicus führte das Gleiche noch bei Pey durch, dessen Blut sich auch schon sehr dunkel verfärbt hatte. Hiisi tunkte seine Finger in die nun rotgefärbte Flüssigkeit und malte damit ein umgedrehtes Pentagramm auf die Stirn der Jungen. Zuletzt stellte er sich zwischen die Kopfenden, drehte sich in Richtung der Tür und legte beiden eine Hand auf die Stirn. Er schloss die Augen und begann sich zu konzentrieren. „Spiritum“, sprach er und wie bei Itinier zuvor begann um unsere Körper herum ein rotes Licht zu leuchten. Die Körper der beiden Weißhaarigen waren in ein kräftiges Violett gehüllt, was mich darauf schließen ließ, dass sie bald ihr Limit erreicht hatten. Der Türkisäugige begann undeutliche Worte vor sich hinzumurmeln und zog kleine Kreise auf den Stirnen der Jungen. Plötzlich begannen sich die Körper der beiden zu bewegen und wir mussten mit aller Kraft versuchen, sie auf den Betten liegen zu lassen. Auch wenn sie gefesselt waren, war es eine schwierige Aufgabe. Pey’s Kopf flog von einer zur anderen Seite und er begann vor Schmerzen aufzukeuchen. Bana standen schon sichtlich die Schweißperlen im Gesicht, musste er ihn an den Schultern festhalten. Ich blickte hinab zu Rel, dessen Hände sich nur in das weiße Laken gekrallt hatten. Er zuckte zwar etwas mit den Füßen und stieß gedämpft die Luft aus, aber er bewegte sich nicht so hektisch. Ich ließ ihn etwas lockerer doch ich musste ruckartig meinen Griff wieder verstärken. Der Weißhaarige unter mir schrie auf! Zuerst nur leise, doch dann wurde es immer lauter. Seine Augen rissen auf und starrten die Decke an. „Was passiert mit ihm?!“, fragte ich panisch und drückte ihn wieder ins Kissen. „Die läuternde Macht wird aus seinem Körper gezogen, es ist ganz natürlich, dass das passiert“, rief Hiisi und versuchte das Gebrüll zu übertönen. Der Weißhaarige spannte sichtlich seine Muskeln an und stemmte sich gegen mich und meinen Bruder und plötzlich begannen die Seile zu reißen, die ihn eigentlich auf dem Bett hätten halten sollen. „Haltet ihn fest! Er darf sich nicht losreißen!“, schrie Hiisi und nahm seine Finger von den Stirnen der Jungen. Dadurch dass sich nun beide in einer solchen Bewegung und Unruhe befanden, musste er diese Operation oder wie man das auch nennen mochte unterbrechen. „Leichter gesagt als getan“, rief Piwi und verstärkte nun auch seinen Griff. Die Schmerzensschreie nahmen immer weiter zu und selbst der Arzt sah etwas überfordert aus. „Meine Fresse, mach was!“, rief nun auch Bana von seinem Platz aus und hätte fast die Kontrolle über Pey verloren. Der einst Schwarzhaarige mit eisblauen Strähen hatte seine Fesseln ebenfalls gelöst und schlug wild um sich. Es war das reinste Chaos! „Inversio!“ Hiisi’s Stimme ertönte laut und hallte von den Wänden des Zimmers wieder. Urplötzlich wurde alles still und auch die Jungen begannen sich zu beruhigen. Der Zettel auf ihrer Brust begann zu leuchten und die komische Flüssigkeit in den Schälchen zu blubbern. Bei den Füßen angefangen begann sich das Licht um ihre Körper wieder rot zu färben und es schien, als würde das Blau, welches sich mit ihrem Rot vermischt hatte, von dem graublauen Zettel aufgesogen zu werden. Gebannt verfolgte ich die Verwandlung mit den Augen und vergas beinahe, dass ich Rel noch weiter festhalten sollte. Seine Verkrampfungen hatten sich langsam gelöst und auch sein angestrengter Blick war verschwunden. Hieß dass, das es endlich anschlug? Würde es den beiden gleich wieder besser werden? Mit einem Seitenblick stellte ich fest, dass das Leuchten um Pey’s Körper viel schneller rot wurde, als bei Rel. Der Prozess verlief um einiges langsamer und schien sich auch nicht zu beschleunigen. „Krass“, entkam es dem Braunhaarigen am anderen Bett. Langsam sog sich auch die weiße Farbe aus Pey’s Haarsträhen und nach wenigen Minuten sah er wieder aus, wie der alte. „Warum geht es bei ihm nicht so schnell?“, wollte ich wissen und blickte auf den unter mir Liegenden herab. Piwi betrachtete von seiner Position den Verlauf auch eher kritisch, sagte jedoch nichts. „Der Prinz muss wohl um einiges heftiger getroffen worden sein. Ihr könnt von Glück reden, dass er überhaupt noch am Leben ist. In diesem Stadium hätte er sich eigentlich schon auflösen müssen.“ Ich schluckte. „Wir müssen zurück!“, schrie Piwi und drehte sich immer wieder um. „Red keinen Scheiß! Wir müssen abhauen!“, antwortete Pira gehetzt und zog den Jüngeren mit sich. Rel stand, genau wie die anderen drei ein paar Meter weiter vorne und starrte den Ort hinter uns mit weitaufgerissen Augen an. „Er ist dein Bruder! Wie kannst du ihn da zurücklassen?“, wandte sich der Rothaarige an den Blondhaarigen. Seine Erschrockenheit hatte sich in eine ernste Miene umgewandelt und er blickte dem Jüngeren stumm entgegen. „Er ist tot. Hast du nicht gesehen, wie er sich aufgelöst hat? Sie haben ihn geläutert“, war alles, was er zustande brachte. Dann drehte er sich um und rannte, gefolgt von den anderen, in den Wald davon. Weit weg von den Klerikern, auf der Suche nach einem Unterschlupf bis alles vorüber war. Warum musste mir auch ausgerechnet das wieder einfallen? Rel würde nicht so enden, niemand würde so enden! Mein Geist kehrte wieder in das Hier und Jetzt zurück, als sich unter mir wieder was zu bewegen begann. Sein rotes Leuchten war noch nicht so kräftig wie das unsrige, aber dennoch war keine Spur von Blau zu sehen. Seine Haare hatten wieder seine natürliche Farbe angenommen und auch seine Hautfarbe sah wieder etwas gesünder aus. Vielleicht war es auch nur dieses unnatürliche Weiß gewesen, was ihn hatte so krank aussehen lassen. Erleichtert huschte mir ein Lächeln über die Lippen. Es war überstanden und mit ein wenig Ruhe waren wir alle wiedervereint und wir konnten in unseren Alltag zurückkehren. Wir würden in eine andere Stadt ziehen und dann würde alles wieder von vorne Anfangen. Vielleicht konnten wir diesmal einen richtigen Wohnsitz finden, wenn wir uns nicht erwischen ließen, bei unserer kleinen Mahlzeiten und dann wäre alles perfekt. Nicht mehr weglaufen, sondern immer einen Ort haben an den man zurückkehren konnte. Ja… das wäre perfekt und dann- „Ist das normal, dass Rel Nasenbluten bekommt?“, fragte mein Bruder verwundert. „Oh nein, das ist gar nicht gut“, bemerkte Hiisi und wandte sich dem Blondhaarigen zu. Mein Herz setzte einen Schlag aus. Ist etwa etwas schief gelaufen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)