I'm in Love with a Killer von Sakami-Mx (Sie leben unter uns) ================================================================================ Kapitel 5: Wer verarscht hier eigentlich wen? --------------------------------------------- Am nächsten Morgen wachte ich mit leichten Rückenschmerzen auf. Piwi hatte mir tausendmal angeboten, dass er auf dem Sofa schlafen könne und ich dafür in seinem Bett, doch ich war stur geblieben und hatte verlangt, selbst auf dem Sofa zu schlafen. Als ich mich umsah, lag der Rothaarige immer noch in seinem Bett. Sein Shirt war ein Stück hochgerutscht, die Decke hatte er aus dem Bett getreten und das Kissen lag auch auf dem Boden. Hätte ich ihn so als erstes gesehen und die anderen nie kennengelernt, dann hätte ich ihn für einen ganz normalen Jungen halten können. Plötzlich bewegte er sich und ich zuckte erschrocken zusammen. Piwi hatte sich auf den Bauch gedreht. Erleichtert stieß ich die Luft aus. Leise und auf Zehenspitzen stand ich auf und ging ins Bad. Dort betrachtete ich mich im Spiegel und schob mir das viel zu große T-Shirt von meinem Gastgeber über die Schultern und betrachtete meine Wunden. Sie waren nun gänzlich verschwunden. Eigenartig… das es so schnell heilt… wirklich komisch. Als ich im Bad fertig war, tappste ich leise wieder zum Sofa zurück und Piwi pennte immer noch. Wer weiß, vielleicht waren sie ja alle eher nachtaktiv und ich konnte doch abhauen. Bei Pey war das was anderes gewesen. Bei ihm fiel es gar nicht erst auf, ob es Tag oder Nacht war, so dunkel wie es dort größtenteils war. Der Rothaarige wälzte sich unruhig hin und her. Was er wohl träumt? Komischerweise hatte ich diesmal keinen Alptraum… ob das mit meinen beinah Toderfahrungen etwas zu tun hatte?! Ich konnte nicht anders und beobachtete ihn. Es war schon ein seltsames Phänomen, seinen eigentlichen Feind beim Schlafen zu beobachten… Auch wenn ich Piwi nicht als meinen Feind kategorisieren konnte. Er sah einfach, auch wenn er sich so hin und her wälzte, irgendwie friedlich aus. Als es mir langsam zu langweilig wurde, stand ich wieder auf und schlich mich zu seinem Kühlschrank. Als ich ihn öffnete, fiel ich beinahe aus allen Wolken. Der Kühlschrank war bis oben hin mit Essen gefüllt! Zuerst zögerte ich, aber dann nahm ich mir doch etwas raus. Mein Magen knurrte schon und ich wollte nicht, dass Piwi wegen so etwas aufwachte. Immer wieder sah ich zu dem Bett, doch Piwi schien nichts mitzubekommen. Ich setzte mich mit dem Brot auf das Sofa, welches in Blickrichtung von seinem Bett stand. So konnte ich essen und ihn beobachten. Mit einem kurzen Blick auf eine Uhr, welche ich neben seinem Bett sah, fand ich heraus, dass es schon kurz vor elf war. Hoffentlich ist er nicht nachtaktiv… Sonst kann ich mich die ganze Zeit selbst beschäftigen… Ich könnte ihn aber auch aufwecken… ODER ich suche den Schlüssel und haue von hier ab! Der letzte Gedanke gefiel mir am besten. Besser ich riskierte mein Leben, indem ich hier irgendwie raus kam oder ich würde wieder zu Pey zurück müssen. Und bei aller Liebe… Das wollte ich sicherlich nicht. Nachdem ich fertig gegessen hatte, stellte ich den Teller, welchen ich mir aus irgendeinem Schrank zuvor geholt hatte, leise in die Spüle. Vorsichtig näherte ich mich dem Bett. Davor lagen Piwi’s Klamotten wild auf dem Boden verstreut. Und ich wusste ganz genau, dass er den Schlüssel in seine Jeans gesteckt hatte. Ich begann die Hosentaschen zu durchsuchen, doch sie waren leer. Deprimiert setzte ich mich auf den Boden und überlegte. Wo konnte er den verdammten Schlüssel nur hingetan haben? Ich blickte mich um und erhaschte einen kurzen Blick auf seinen, jetzt, nackten Oberkörper. Sein Shirt war ihm bis zum Hals hinauf gerutscht. Ich musste schwer schlucken. Nicht nur, dass er verdammt gut durchtrainiert war, nein… Er trug den gesuchten Schlüssel um eine dünne, silberne Halskette. Also konnte ich mir meinen Fluchtplan gleich abschminken. Mit meinen zerstörten Hoffnungen auf baldige Freiheit, stand ich auf und wäre beinahe über das Kabel, was unter seinem Bett hinaus guckte, gefallen. Perplex starrte ich den Anschluss an. Aber… das ist doch genau das Kabel, was ich zum Aufladen brauche! Schnell eilte ich zu meiner Tasche und zog mein leeres Handy heraus. Dann schloss ich es mit zitternden Händen am Kabel an und siehe da, es passte. Wie hypnotisiert starrte ich auf meinen Display, bis der Startbildschirm aufleuchtete. Mir fiel ein großer Stein vom Herzen. Jetzt musste ich nur noch Internet haben und ich konnte Rachel schreiben! Ich tippte eilig den Code ein und wartete einen Augenblick. Dann ploppten tausende von Nachrichten auf. 10 verpasste Anrufe 56 Nachrichten in Abwesenheit Die meisten Anrufe waren von Rachel, doch ich konnte keinen davon Abhören. Meine Angst war viel zu groß, dass Piwi die Geräusche hörte. Die Nachrichten überflog ich nur kurz. Auch hier waren die meisten von Rachel, aber auch von ein paar anderen Leuten, die ich aus der Schule kannte. Sie machten sich alle sehr große Sorgen und wollten wissen wo ich war. Schließlich war ich schon seit fünf Tagen spurlos verschwunden. Meine Lippen bebten. Rachel’s aktuellste Nachricht war vom gestrigen Tag. Rachel: Maus… wo bist du nur? Ich vermisse dich und mache mir so große Schuldgefühle. Wären wir doch nur am Freitag im Internat geblieben, dann wärst du jetzt nicht verschwunden. Es tut mir leid, aber ich gehe nicht davon aus, dass du abgehauen bist, dafür kenne ich dich zu gut. Süße, du hast bestimmt Angst, da wo du jetzt bist und ich schwöre dir, ich werde dich finden und da raus holen! Solltest du diese Nachricht irgendwann lesen, dann um gotteswillen SCHREIB MIR SOFORT! Ich hab Angst dich nie wieder zu sehen… Die Polizei sucht schon nach dir, also keine Sorge, wir sehen uns bald wieder. :) Ich hab dich ganz doll lieb und bitte gib die Hoffnung nicht auf. Ich war zu Tränen gerührt. Schnell tippte ich ihr kurz eine Nachricht. Ich hatte ja weder eine Ahnung, wo ich war, noch wie ich hier weg kam. Aber die Polizei könnte mein Handy orten und dann würden sie mich finden… Anna: Rachi. Ich hab keine Ahnung wo ich bin! Momentan bin ich in einem Hochhaus und die Aussicht ist riesig. Ich kann von hier aus die Stadt sehen, also kann ich nicht so weit weg sein. Der Typ, gegen den du mich geschubst hattest, er hat mich verschleppt und ich weiß noch nicht einmal was für ein Typ er ist. Ich glaube sie sind das, was die Schwestern als Teufelsbrut bezeichnen… Sie sind nicht menschlich… Bitte du musst mir helfen, hier raus zu kommen! Es gibt 6 von ihnen. Einer scheint der Anführer zu sein. Er ist brutal und grausam. Rachi sie haben versucht mich zu töten! Aber sie hatten keine Chance… Ich glaube deinen Worten und vertraue dir. Bis bald… Gerade als ich die Nachricht abschicken wollte, wurde mir das Handy aus der Hand gerissen. Rotglühende Augen funkelten mich an. „Hab ich dir nicht gesagt, du sollst keinen Ärger provozieren?“, zischte der Rothaarige mich an. Meine Augen hatten sich vor Schreck geweitet. Piwi sah aus wie Pey! Seine Augen, welche in seinem normalen Zustand so freundlich und verständnisvoll wirkten, waren wutverzerrt und es schien, als bestünde das Rot seiner Iriden aus Blut. Seine Augäpfel hatten sich wie zuvor bei Rel und Pey schwarz verfärbt. Er knurrte mich an und bleckte seine Reiszähne. „Ich hatte dich gewarnt!“, knurrte er bedrohlich und stand auf. Seine Hände ballte er zu Fäusten und zertrümmerte damit auch mein Handy. Jetzt waren wirklich alle meine Hoffnungen auf meine Freiheit verblasst. Ich kniff meine Augen fest zusammen und machte mich ganz klein. Wie konnte ich nur so dumm sein… Er wird mich töten! Doch anstatt sich auf mich zu stürzen, stand er auf und ging an mir vorbei. Ich hörte, wie er im Bad verschwand und den Wasserhahn aufdrehte. Langsam öffnete ich die Augen. Was um Himmelswillen war das denn gewesen? Piwi war sauer, das hatte man sofort gemerkt, doch anstatt sich auf mich zu schmeißen und mich zu zerfetzen, ging er an mir vorbei und verschonte mich? Vor seinem Bett kauerte ich mich zusammen und vergrub mein Gesicht zwischen meinen Beinen und begann zu weinen. Ich konnte einfach nicht mehr! Ein paar Minuten später kehrte der Rothaarige in das Zimmer zurück. Er sah wieder ganz normal aus. Langsam hob ich den Kopf und blickte in seine Richtung. Er jedoch ignorierte mich völlig, ging zum Kühlschrank und nahm sich einen Saft heraus, der sehr an Blutorangen erinnerte. Bei dem Wort Blut fuhr mir ein Schauer kalt den Rücken hinunter. „Es… es tut mir leid“, stammelte ich beinahe tonlos. Piwi schwieg und goss sich seinen Saft in einen großen, durchsichtigen Becher und schraubte einen Deckel darauf. Zum Schluss steckte er einen Strohhalm hinein und nahm ihn in die Hand. Dann drehte er sich endlich zu mir und musterte mich. „Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass du etwas schlauer bist…“ Ich schluckte. Was hatte er wohl mit mir vor? „Sei froh dass du so gesehen noch mit einem blauen Auge davon kommst. Aber du kannst dir auch sicher sein, dass ich dich nicht in Schutz nehmen werde, wenn sie einen Weg finden, dich kalt zu machen.“ Seine Stimme hatte den Klang der Dunkelheit angenommen. Da war kein Funken Freundlichkeit wieder zu finden. Bedrückt nickte ich. Den Schlamassel hatte ich mir ja nun wirklich selbst eingebrockt. Piwi kam zu mir herüber, hockte sich vor mich und schlürfte sein Getränk. Was es auch immer war, es sah aus der Nähe betrachtet echt komisch aus. „Willst du mal kosten?“, fragte er, mit einer zuckersüßen Stimme. Ich wusste nicht so Recht, ob ich Ja oder Nein sagen sollte. Nach kurzem hin und her nickte ich vorsichtig und er hielt mir den Strohhalm hin. Schon als die ersten Tropfen in meine Mundhöhle fielen, hätte ich es am liebsten sofort wieder ausgespuckt. Diesen leicht metallischen Geschmack, auch wenn er einen Hauch von Süße enthielt, würde ich unter tausenden wiedererkennen. Blutorgangensaft war das keineswegs. Piwi kicherte leicht. „Nicht gerade das, was du erwartet hast, stimmt‘s?“ Ich schüttelte heftig den Kopf und hielt mir eine Hand vor den Mund. „Schön runterschlucken!“, sagte er mit einem beharrlichen Ton in der Stimme, der keine Wiederrede duldete. Er starrte mich so lange an, bis ich es wirklich runtergeschluckt hatte, dann nickte er zufrieden. „Geht doch.“ Jetzt war mir schlecht. Dieser verrückte Kerl hatte mir gerade wirklich Blut angeboten. Dieser Bastard! Ich hätte es mir denken können. Aber was genau war er? Ein Vampir? Nein, er sah keineswegs so aus, wie ich es aus Büchern oder aus Filmen kannte. „Der Tagesplan sieht wie folgt aus:“, begann der Rothaarige, stand auf und stellte sich vor eines der großen Fenster, „Entweder wir bleiben hier, ich kann weiter schlafen und du kannst meinetwegen Fernsehen oder wir fahren jetzt schon zu Pey. Ich liefere dich da ab, kann nach Hause und in Ruhe weiterschlafen.“ Stellte er mir gerade wirklich zur Auswahl, ob ich lieber jetzt, als später zu Pey zurück wollte? War er denn nur bescheuert? Er konnte sich doch denken, dass ich nie im Leben freiwillig zurück in dieses Geisterhaus wollte. „Ich werde keine Schwierigkeiten mehr bereiten, wenn wir hierbleiben können…“, sagte ich kleinlaut. „Andernfalls tust du was?“, fragte er mit einem belustigten Unterton. Ich schwieg. Nichts… was soll ich denn auch großartiges machen? So ein Spaßvogel. Innerlich verdrehte ich die Augen. Piwi entschied sich dann doch zu meinen Gunsten und wir blieben in seiner Wohnung. Der Rothaarige verzog sich auf eines der Sofa’s und ich konnte es mir auf seinem Bett gemütlich machen. Dann schaltete ich den Fernseher ein und zappte durch die Programme. Im Internat gab es nicht sehr oft die Möglichkeit, dass wir fernsehen durften. Wenn, dann nur Dokumentationen oder diesen scheiß BibelTV. Die restlichen Programme hielten die Schwestern für das Werk des Teufels und waren uns demnach verboten. Rachel und ich hatten uns aber an manchen Tagen, wenn wir mal außerhalb des Geländes herum streiften, bei einem ihrer Kumpels eingenistet und konnten dort fernsehen. „Komm ja nicht auf die Idee nach meinem Handy zu suchen oder wieder irgendwas um hier raus zu kommen. Sonst schlitz ich dich auf, verstanden?“ Seinen letzten Satz sagte er mit so einem freundlichen Lächeln auf den Lippen, dass man die Drohung fast überhört hätte. Ich nickte artig und blickte wie gebannt auf die Flimmerkiste. Nein, ich würde wahrlich nicht noch eine solche Dummheit an diesen Tag begehen. Und ab heute Abend konnte ich meinem geliebten Leben eh Adieu sagen, also konnte ich es jetzt noch ein wenig genießen. Gegen halb sieben am Abend stand Piwi auf und machte sich im Bad fertig. Am Morgen war er nur dorthin gegangen, um sich abzureagieren. Der Rothaarige ging Duschen und ließ sich reichlich viel Zeit. Vorher jedoch hatte er mir ein paar Sachen von sich gegeben, die ihm zu klein waren. Klar, sie schlabberten sehr an meinem Körper herunter, aber so würde mich eh keiner mehr sehen, außer den seltsamen Kreaturen, die mich als ihre Gefangene hielten. Gegen acht Uhr fuhren wir los… Zurück in mein Verderben. Von Minute zu Minute wurde ich nervöser und als wir dann endlich vor der Haustür von Pey’s Geisterhaus standen, bibberte ich am ganzen Körper. Ich wäre auch gar nicht im Stande gewesen, aus dem Wagen auszusteigen, hätte Piwi mich nicht herausgeholt… Und das nicht mehr auf die sanfte Weise. Ich hätte ja einen Verbündeten haben können, doch ich hatte es mir mit ihm reichlich verscherzt. Gerade als wir zur Tür hinein wollten, rief eine Stimme Piwi’s Namen. „Hey, Piwi. Na, wie war die Nacht mit dem Frischfleisch? Hast du’s schön ausgenutzt?“, lachte ein Schwarzhaariger mit roten Strähnen. Wenn ich mich Recht erinnerte, war sein Name Bana gewesen. „Glaubst du wirklich, ich würde mich an etwas abgelegten von Pey bedienen? Wohl kaum“, antwortete er monoton. „Na, nicht gut geschlafen? Was hast du denn mit unserer Frohnatur hier gemacht?“, fragte ein anderer Typ kichernd, der plötzlich direkt hinter mir aufgetaucht war. Es war der Braunhaarige. Sein Name war Baka. An diesen Namen konnte ich mich noch sehr gut erinnern. Er war derjenige gewesen, der mich lebendig begraben wollte… Gott, ich weiß, ich war nie wirklich eine gute Gläubigerin, aber wenn du mir hilfst, dass alles zu überstehen, dann hast du was gut bei mir. „Scheiße man, was ist das?“, keuchte Baka auf und hielt sich schmerzend den Kopf. „Hört ihr das auch?“, fragte er seine beiden Freunde. Auch Piwi und Bana schienen etwas bemerkt zu haben, denn sie verzogen ebenfalls ihr Gesicht. „Argh… Diese Töne… Mach das es aufhört!“, schrie Baka auf und sackte zu Boden. Was ist hier los? Was haben sie auf einmal?? Mit weit aufgerissenen Augen taumelte ich einen Schritt zurück. „Sie darf nicht abhauen!“, knirschte Bana mit zusammengebissenen Zähnen und machte einen Schritt auf mich zu. Ihm schien es deutlich besser zu gehen als dem Braunhaarigen. Dieser krümmte sich nun auf dem Boden und hatte seine Finger in seine Haare gekrallt. „Was machst du mit mir? Hör auf mit der Scheiße!“, schrie er gequält in meine Richtung. „Ich mache gar nichts!“, piepste ich zurück. Was ging hier nur vor sich. „Piwi, mach das es aufhört! TÖTE SIE, VERDAMMTE SCHEIßE!“, schrie Baka nun in die Richtung des Rothaarigen. „Man kann sie nicht töten, Vollidiot!“, zischte Piwi, kam dennoch auf mich zu. Was er wohl vorhatte. „Bei Rel hat es funktioniert, also sollte es klappen…“ Er umfasste meinen Hals und drückte zu. Also versuchte er mich zu erwürgen. Dass hatte ich ja schon mal hinter mir gehabt… Vor meinen Augen tauchten wieder diese schwarzen Punkte auf und ich sackte in mich zusammen. Genau wie Rel ließ Piwi mich im letzten Moment schlagartig los. Ein sanftes Rauschen um mich herum erweckte mich. Ich lag an einem langen Sandstrand. Vor mir rauschte das Meer in sanften Wellen. Immer und immer wieder schlugen sie sanft gegen meine nackten Füße. Moment, nackt? Ich sah an mir herunter und bemerkte, dass ich nur ein weißes Gewand an hatte. Fast schon wie die Nachthemden im Internat. Ich rappelte mich langsam auf und sah mich um. Der Strand war menschenleer. In einiger Entfernung konnte ich eine kleine Muschel entdecken, die wahrscheinlich angespült wurde. Langsam stand ich auf und tappste auf meinen Fund zu. Es war so eine Muschel, in der man das Meeresrauchen hören konnte. Ich hielt sie mir ans Ohr, doch ich hörte kein sanftes, beruhigendes Rausche, sondern einen Schrei! Er klang so qualvoll und so schmerzhaft, dass ich die Muschel weit von mir weg schmiss. Warum mussten diese beschissenen Träume immer so gut anfangen und sich dann zu einem Alptraum entwickeln? Ich atmete tief durch. Was kam wohl als nächstes? Plötzlich erschien vor mir ein Regenbogen. Er sah wunderschön aus. Und wie ich ihn so betrachtete, bemerkte ich gar nicht, wie sich ein bunter Strahl näherte. Er endete genau vor meinen Füßen und erst da sah ich, dass der Regenbogen eine Treppe war. Mein Blick richtete sich in den Himmel, wo der leuchtend, bunte Strahl verschwand. Wer weiß, vielleicht würde endlich alles vorbei sein, wenn ich diese Treppe empor stieg?! Also zögerte ich nicht lange und setzte einen Fuß auf eine Stufe. Immer und immer weiter stieg ich empor und es passierten keine seltsamen Zwischenfälle. Ich hatte mein Ziel fast erreicht und das strahlende Licht der Himmelstore blendete mich. Ich machte den letzten Schritt und dann… tappte ich in Leere. Den Blick unter mir bestätigte, dass der Regenbogen sich um mich in Luft aufgelöst hatte. Ich hatte einfach nicht bemerkt, dass er von Zeit zu Zeit verblasste und somit seine Wirkung verlor. Ich hingegen, die ihrem Ziel so nah gewesen war, fiel hinab. Wie einer von tausend Regentropfen viel ich aus den Wolken, hinein in das tosende, graue Wasser des unendlich tiefen Meeres aus vergossenen Tränen der Schmerzen. In meinem Kopf hallte der Schrei wieder und dann war wieder alles schwarz um mich und ich spürte nichts, außer Dunkelheit. Ich keuchte, hustete und prustete. Was war nur verdammt noch einmal falsch mit mir? „Scheiße, sie kommt zu sich…“, sagte eine panische Stimme. Ich drehte mich auf dem alt, bekannten Sofa um und blickte in Baka’s vor Schreck geweitete Augen. Einen Moment starrten wir uns nur an, dann senkte er den Blick. „Ein Glück, es hat aufgehört.“ Erleichtert blies er die Luft aus. „So, da du nun auch endlich mal wieder unter den Lebenden bist, könne wir ja anfangen“, sagte Rel, der auf einen Stuhl vor dem Fernseher saß. Die anderen fünf saßen auf dem Sofa. Piwi wich meinen Blicken aus. Erst gestern hatte er mir noch versichert, dass er anders als seine Freunde war und jetzt hatte er selbst versucht mich zu töten. „Wie lange war ich diesmal weg?“, fragte ich leise. „Knappe fünf Stunden“, beantwortete Rel gleichgültig. „Wie lautet dein Name?“, fragte er. Ich verstand nicht Recht. Was sollte das nun werden? „A-Anna“, stammelte ich. „Und weiter?“, fragte er barsch. Was wollte er jetzt mit meinem Namen? „Russo“, sagte ich. „Muss man dir alles aus der Nase ziehen? Wie lautet dein kompletter Name?!“ Rel wirkte sichtlich genervt. Woher weiß er, dass ich einen Doppelnamen habe? „Anna-Maria Russo. Aber warum willst du das wissen?“ Meine Stimme hatte sich ein wenig gefestigt. „Ich stelle die Fragen. Du beantwortest sie nur. Wie alt bist du?“ Ich schluckte. Pey hatte ich gesagt, dass ich schon volljährig war. Aber ich bezweifelte, dass Rel mir meine Flunkerei abkaufen würde. „16“, sagte ich knapp. Pey schienen fast die Augen aus dem Kopf zu fallen. Ich wich seinem Blick sofort aus. „Pey… So viel dazu“, knurrte der Blondhaarige und schüttelte den Kopf. „Zu mir sagte sie, sie sei 19!“ „Du glaubst ja auch jeden Scheiß, den man dir erzählt“, murmelte Pira ein paar Plätze neben ihm. „Schnauz, Flachwichser!“ Rel sah die beiden mit einem mordlustigen Funkeln in den Augen an. „Gut jetzt?“ Beide nickten. „Oke Anna. Und wo kommst du her?“ Seine Stimme wirkte so ungewohnt freundlich. „Aus der katholischen Privatschule, aus der Stadt.“ Es würde mir eh nichts bringen, jetzt noch irgendwelche Märchen zu erfinden. „Scheiße, eine Nonne“, sagte Bana und sprang auf. „Setzt dich!“, zischte der Blondhaarige und Bana setzte sich sofort. Rel selbst rutschte ein Stück mit seinem Stuhl von mir weg. „Das erklärt auch so langsam, warum du nicht stirbst…“, murmelte er vor sich hin. Ich verstand nur Bahnhof. „Okay. Wir haben keine andere Wahl. Entweder wie lassen sie laufen, oder halten sie auf ewig hier fest.“ Alle sahen ihn, inklusive mir, gebannt an. Hatte er gerade wirklich vorgeschlagen, mich frei zu lassen? „Aber, Rel?! Bist du irgendwie durchgeknallt? Du kannst sie doch nicht einfach laufen lassen!“, sagte Pira entrüstet. „Hast du schon vergessen, wozu diese scheiß Gottesanbeter im Stande sind?“, fuhr Rel den Braunhaarigen mit den blonden und violetten Strähnen an. Pira schluckte und sah zu Boden. Die Jungs verbargen ein großes Geheimnis und irgendwie war ich doch sehr davon angetan, herauszufinden, was es war. Aber, sollte ich meine Freiheit dafür aufs Spiel setzten, nur um meine Neugierde zu stillen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)