Behind Reality von Ookami-no-Tenshi (Hinter der Wirklichkeit) ================================================================================ Kapitel 9: 9. Ertappt --------------------- 9. Ertappt Es ist furchtbar stickig im Inneren des dunklen Gebäudes, was wahrscheinlich daran liegt, dass alle Fenster mit den verschiedensten Stofffetzen zugeklebt sind. Warum das so ist, weiß ich nicht. Vielleicht hat es ja mit der Krankheit zu tun. Freddy und ich, immer noch als Lux verkleidet, steigen die unendlich langen Treppen bis zum obersten Stockwerk hinauf. Dort wollen wir mit der Krankenversorgung anfangen. Zum Glück hat der Arzt noch nicht gemerkt, dass in meinem Schutzanzug eigentlich kein Mädchen steckt. Zusammen betreten wir das erste Zimmer und zu meinem Schrecken sind nur Kinder darin. Kinder, die so blass und krank aussehen, dass man sie schon fast als Leichen bezeichnen könnte. Mitten auf dem Boden sitzen sie und starren mit leeren Augen ins Nichts. Die tiefschwarzen Augenringe lassen auf gewaltigen Schlafmangel schließen. Fast muss ich würgen, als mir der extreme Geruch von Erbrochenem und Verwesung entgegen strömt. Freddy beugt sich zu dem ersten Kind hinab, welches das nicht einmal zu realisieren scheint. Seine Taschen legt der Arzt ab und öffnet die, von der ich nicht wirklich weiß, was drinnen ist. Umso erstaunter bin ich, als alle möglichen Tücher und Decken heraus quillen. Freddy gibt mir mit einem Handwink zu verstehen, dass ich mit dem großen Tablet näher kommen soll. Ich folge seiner Anweisung und gebe ihm auch gleich eine Flasche Wasser. Zu meiner Verwunderung gibt er sie nicht dem Kind weiter, sondern befeuchtet damit eines der Tücher. Anschließend beginnt er den Jungen vorsichtig abzutupfen. Das Hemd wurde diesem dazu ausgezogen. Kurz überprüft der Doktor den schmächtigen Jungen nochmal und legt abschließend einen frischen Pfirsich neben ihn. Ohne irgendwelche Worte zu verlieren, wiederholen wir diese Prozedur bei den restlichen Kindern. Ein letzter prüfender Blick von Freddy und wir verlassen den Raum. Sobald die Tür von meinem ‚Freund‘ zugemacht worden ist, entfährt mir ein tiefer Seufzer. „Schrecklich“, flüstere ich in Richtung des verschlossenen Raumes, ohne eine Reaktion von dem Arzt zu erwarten. Diese kommt jedoch unerwartet. „Ich weiß. Seit dieses Monstervieh hier aufgetaucht ist, können wir keine Nacht mehr ruhig schlafen. Es schnappt sich die Leute, wie eine Kröte die Fliegen, ohne Rücksicht auf Kinder und Alte zu nehmen.“ Trotz der Sicherheitskleidung kann ich den jungen Mann problemlos verstehen, was ein Glück ist. So kann ich, hoffentlich unbemerkt, noch ein bisschen weiter bohren. „Wie überträgt sich die Krankheit eigentlich von der Teufelsschlange auf uns Menschen? Darüber habe ich bis jetzt noch nie richtig nachgedacht.“ Reumütig senke ich den Kopf und hoffe, dass Freddy mir diese Geste abnimmt. „Dass du das immer noch nicht weißt, … Aber egal, die Schlange schießt mit fingergroßen Stacheln nach allem, was sich bewegt. Wenn einer von denen dich trifft, bist du verloren. Immer noch fehlt uns ein Heilmittel und die betroffenen Menschen werden erst zu leeren Hüllen, wie die Kinder vorhin, bis sie irgendwann einfach Nichts mehr zu sich nehmen und wehrlos verdursten oder verhungern. Wasser gibt es hier in Hülle und Fülle, doch wenn die Kranken es nicht mehr trinken, können auch wir nichts mehr für sie tun.“ „Ich verstehe“, meine ich betroffen und bin insgeheim froh, über die zusätzlichen Informationen. Jetzt versuche ich es lieber mit einer Aussage, als mir einer Frage, um an Infos zu gelangen. Ansonsten würde meine Fragerei mich auffliegen lassen. „Wenn dieses grauenhafte Vieh doch nur einen Schwachpunkt hätte!“, zische ich erbost und hoffe gleichzeitig, dass Freddy mir in irgendeiner Weise widerspricht. Leider kommt jedoch nur ein zustimmendes Nicken und ich verstehe, dass auch er in dieser Beziehung nicht mehr weiß, als ich selbst. Während ich schon meinen nächsten, gut durchdachten, Satz äußern will, ertönt Sams Stimme plötzlich extrem laut an meinem Ohr. „TAK !! Du musst dich sofort zurückziehen! Die richtige Lux ist uns blöderweise entwischt. Sie müsste in knapp fünf Minuten bei euch sein! Beeil dich, wir versuchen sie so gut aufzuhalten, wie es geht!“ Mein Gesicht wird kreidebleich, was sogar einen Vorteil hat. So kann ich Freddy besser vortäuschen, dass mir schlecht geworden ist. Mit hochgezogener Augenbraue und prüfendem Blick lässt er mich schlussendlich einige Minuten lang an die frische Luft gehen. Das nutze ich sofort aus und renne, sobald ich die Tür erreicht habe, schnell weg. Das Tablet mit den Früchten und Wasserflaschen habe ich oben, bei ihm, gelassen. Es würde mich nur behindern. Dabei fällt mir in diesem unpassenden Moment ein, dass ich eigentlich weder hungrig, noch müde bin, in dieser Welt. Hat das mit meiner Tätigkeit als Weltenspringer zu tun? Bei Gelegenheit muss ich Em, oder Einen der Anderen danach fragen. Jetzt jedoch zählt ganz allein die Flucht. Da ich noch nie gut in Sport war, komme ich nur langsam in der flussähnlichen Straße voran. Viel zu früh kommt daher die wütende Stimme aus einem der Hochhäuser: „Dort unten ist sie! Sie hat sich für mich ausgegeben um an Informationen zu kommen. Schnappt sie euch!“ Da es jetzt eh keinen Sinn mehr macht, reiße ich mir das Kopftuch vom Leib. Ebenso lasse ich die viel zu enge Mädchenjacke von meinen Schultern gleiten. Zum Glück hat die echte Lux extrem wenig Oberweite. Ansonsten hätte ich meine Kleidung auch noch ausstopfen müssen. Bei dem Gedanken werde ich leicht rot. Argh! Wieso muss ich nur immer in den unpassendsten Momenten an so einen Quatsch denken! Schon höre ich Schüsse und ducke mich automatisch. Es klingt, als würden hunderte Waffen auf einmal feuern und ich frage mich, warum um Himmels Willen erwischt mich nicht eine Kugel? Nicht, dass ich nicht froh darüber gewesen wäre. Als ich meinen Körper wieder komplett aufgerichtet habe, sehe ich, dass vor mir eine bläulich schimmernde Wand aufgebaut ist. Sie sieht fast aus, wie ein Hologramm, nur dass dieses Trugbild echt ist. Anscheinend kommt es von Chris, der über mir, auf einem Dach an seinem Computer herum tippt. Super, zuerst reise ich jede Nacht in eine Fantasywelt und jetzt taucht auch noch ein Science Fiction Psycho auf. Nichts gegen Chris, aber dieser ganze ‚unmögliche‘ Kram, der hier so passiert, fängt an, mich zu nerven. Kann nicht eine einzige Sache normal ablaufen? Diese Frage scheint sich selbst zu beantworten, als plötzlich die gesamte Einheit dieser Wassermenschen zu schreien beginnt. Mit einer schlimmen Vorahnung drehe ich mich daraufhin um und kann, oh wer hätte sich das nur gedacht, die riesige Teufelsschlange auf mich zu kriechen sehen. Was für ein Klischee, wenn das hier ein Film wäre. Natürlich laufe ich weg, ist doch klar. Leider habe ich dabei aber die Holowand vergessen, an die ich erst schmerzhaft erinnert werde, als ich dagegen laufe. Echt jetzt? Leicht torkle ich ein Stück zurück und danke meinem unendlichen Glück wieder einmal. Sofort vergeht mir der Sarkasmus, als ich sehe, dass dieses Schlangenvieh nur noch wenige Meter von mir entfernt ist. Ich reiße die Augen auf und schließe schon mit meinem Leben ab, als ich plötzlich von hinten umklammert werde und mit einem Ruck schmerzhaft auf dem nächstgelegenen Dach lande. Erleichtert möchte ich Sam schon danken, dass er mich heraufgezogen hat, als mir der Atem plötzlich stockt. Es war nicht Sams Enterhaken, der mich gerettet hat. Jemand, von dem ich dachte, ihn nie wieder sehen zu müssen, hat mir geholfen. Ungläubig blicke ich direkt in die graugrünen Augen von Freddy. Da man mir meine Verwirrung anscheinend deutlich ansieht, beantwortet der Arzt mir meine ungestellte Frage. „Wenn uns schon jemand ausspionieren konnte, dann sind es immer noch wir, die ihn erledigen.“ Ob ich diese Antwort nun gut finde, oder nicht, kann ich nicht genau sagen. Doch das schmale Lächeln des Doktors lässt mich darauf schließen, dass ich VORERST in Sicherheit bin. Jedenfalls solange die Schlange da ist. Diese ist übrigens genauso, wie ich mitten in die Scheibe geknallt. Jetzt scheint das kopflose Vieh wütend zu sein und plötzlich bilden sich rote, glänzende Stacheln auf ihrem Körper. Irgendeiner der Männer weiter hinten schreit noch: „Vorsicht!“, da lässt die Teufelsschlange auch schon die Giftpfeile fliegen. Knapp vor mir trifft einer in den Boden und ich muss hart schlucken. Dabei hoffe ich auch, dass es meinen Freunden gut geht. Zur Zeit kann ich nur Chris und etwas weiter entfernt Sam wahrnehmen. Wo die Anderen sind, kann ich nicht genau sagen. Im Moment bin ich einfach nur froh darüber, dass ich mich rechtzeitig vor diesen roten Stacheln schützen konnte. Da sich ein Großteil der Menschen, die hier leben mittlerweile schon zurückgezogen haben, ist es recht still, als die Riesenschlange mit einem ohrenbetäubenden Schrei die Mauer durchbricht. Woher dieser Schrei kam, wenn das Tier doch keinen Mund hat, kann ich nicht sagen. Um genau zu sein, erscheint mir zur Zeit vieles hier recht merkwürdig. Das Vieh verschwindet plötzlich, ohne nochmals von uns Notiz zu nehmen und ich frage mich schon wieso, dabei sollte ich doch lieber nur froh darüber sein. Endlich außer Gefahr atme ich erleichtert auf und winke Sam zu, der in einem Affentempo zu mir herüber sprintet. Wieso rennt er nur so? Dabei fällt mein Blick nach hinten und mir wird bewusst, dass Freddy noch immer dort steht. Sein Blick zeugt nicht gerade von Wohlwollen, als Sam sich schlussendlich mit gezückter Waffe vor mich stellt. Ich, der noch immer sitze, schaue leicht verwirrt vom Einem zum Anderen. „Wieso hast du ihn gerettet?“, fragt der Blonde auch gleich in harschem Tonfall nach. Die Frage beantwortet der junge Mann nicht. Seine ganze Aufmerksamkeit scheint auf den Verbänden von Sam zu liegen, durch die schön langsam das Blut durchsickert. Natürlich hat er sich wieder zu viel bewegt und das hat seinen Verletzungen überhaupt nicht gut getan. Endlich kommen auch die Anderen auf unserem Dach an. Während Emily mich erleichtert umarmt, schenkt Luna mir nur ein glückliches Lächeln, welches mein Herz zum Schmelzen bringt. Chris drückt wieder einmal irgendwelche Tasten auf seinem Notebook und Jo stellt sich schützend vor Sam hin. Er überragt den durchaus groß gewachsenen Arzt nur um wenige Zentimeter. Als Jo einen Blick zur Seite wirft, da er den Augen des Doktors folgt, sieht auch er das Blut. Leicht grummelnd gibt er Sam erneut eine Kopfnuss, wie schon früher am Tag. „Autsch!“ „Sagte ich nicht, du sollst dich nicht mehr als nötig bewegen?“ Schief lächelt der Kleinere, während er gequält antwortet: „Aber es war doch notwendig! Ich würde dich doch niemals verärgern wollen.“ So freundlich wie das auch geklungen hat, trotzdem zuckt eine Augenbraue von Jo gefährlich und hätte Sam sich nicht noch schnell geduckt, hätte er gleich noch eine Kopfnuss abgekriegt. Luna verdreht nur die Augen über seine Sturheit und Em seufzt leise. Sogar von Chris kommt ein: „Unverbesserlich.“ Ob damit nun Sam, Jo, oder gar Beide gemeint sind, kann man anhand der Aussage nicht bestimmen. Derweil hat Freddy sich keinen Millimeter bewegt und starrt weiterhin unentwegt auf die Verletzungen an Schulter und Bein. Als ich mir schon denke, er ist eingefroren, erscheint plötzlich ein fast sanftes Lächeln auf seinem Gesicht. „Wie wärs, wenn wir einen Deal machen. Da ich nicht so engstirnig bin, wie so manche meiner Freunde, würde ich gerne mehr über euch Besucher erfahren. Im Gegenzug verarzte ich euren Freund richtig und auch ihr könnt mir Fragen stellen. Wie ich schon bemerkt habe, seid ihr an der Teufelsschlange interessiert.“ Der wissende Blick in meine Richtung lässt darauf schließen, dass Freddy meine ‚unauffälligen‘ Fragen, doch aufgefallen sind. Beleidigt wende ich meinen Blick ab, eigentlich nur um die verräterische Röte in meinem Gesicht zu verbergen. Den Mädchen entfährt ein Kichern und auch Sam schmunzelt, wie immer. Was würde der nur tun, würde er irgendeine Muskelkrankheit haben, so dass er nicht mehr Grinsen könnte? „Na schön“, entscheidet Jo nach kurzem Überlegen. „Aber nur, wenn wir dafür an einen Ort gehen, wo deine ‚netten‘ Freunde uns nicht finden“, fügt Chris leicht genervt hinzu. „Einverstanden“, meint Freddy und fügt gleich noch etwas hinzu. „Ich fange jetzt einfach nochmal von Vorne an. Hallo, ich bin Freddy, meines Zeichens Arzt. Wenn ihr möchtet, zeige ich euch gerne ein Versteck, wo euch nicht einmal der Klügste unter uns finden würde.“ Lächelnd, wer hätte das gedacht, stimmt auch Sam sofort mit ein. „Ich bin Sam, freut mich dich kennen zu lernen und da der Herr neben mir sich sicher nicht von alleine vorstellen wird, das hier ist Jo.“ Eben genannter ignoriert diese Aussage und beobachtet nur weiter den Doktor. „Ich bin Emily, aber nenn mich ruhig Em! Freut mich.“ „Luna mein Name.“ Misstrauisch wird Freddy von der Silberhaarigen beäugt, bis sie beschließt, sich scheinbar gelangweilt abzuwenden. Die kurzen, neugierigen Blicke, die sie ihm trotzdem immer wieder zuwirft, scheint außer mit keiner zu bemerken. „Chris.“ Eine sehr aussagekräftige Vorstellungsrunde, aber mir soll es recht sein. „Und du ‚Lux‘?“, fragt der Arzt mich grinsend. Leicht verlegen antworte ich: „Takeshi, aber alle hier nennen mich nur Tak.“ Es ist mir immer noch unangenehm, dass dieser Mann mich in Mädchenklamotten gesehen und mit mir in diesem Aufzug geredet hat. „Na gut Tak. Dann lasst uns mal zu meinem Versteck gehen“, meint er, immer noch schmunzelnd. To be continued… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)