Lieben und geliebt werden von Saph_ira ================================================================================ Kapitel 24: Unterredung ----------------------- In einer Woche sollte Oscars neuer Dienst beginnen. André verschwand wieder jeden Abend aus dem Haus und suchte die Gasthöfe auf, die er bereits kannte - bis er endlich in einem von ihnen fündig wurde. „Alain!“ Er erkannte seinen Freund unter den anderen Söldnern sofort - dessen rotes Halstuch verriet ihn schon von Weiten.   „Sieh einer an!“ Alain lachte und seine Kameraden winkten dem Neuankömmling auch gleich zu. „Komm zu uns, André! Wir haben dich hier schon lange nicht mehr gesehen!“   „Das stimmt.“ André gesellte sich gerne zu ihnen und auf ein gutes Wiedersehen ließ er sich sogar auf ein Bierchen überreden.   „Wie geht es dir?“, löcherte ihn Alain sogleich aus. „Du strahlst so in einem neuen Glanz.“   „Alles bestens.“ André grinste über beide Ohren wie ein frischverliebter Jüngling. Dann sah er von Alain in die Runde und wirkte etwas ernster. „Ich wollte dich, beziehungsweise euch, um einen Gefallen bitten...“   Alain und seine Kumpanen spitzten sogleich die Ohren. André holte tief Luft. „Ich werde nächste Woche euch in die Kaserne beitreten.“   „Das ist doch gut! Wir freuen uns sehr auf dich!“ Die Gesichter der Männer hellten sich auf. Bis auf Alain. „Hmmm... Und nächste Woche bekommen wir einen neuen Befehlshaber. Für einen Moment dachte ich, dass du es vielleicht sein könntest, aber dafür passt einiges nicht zusammen. Zum Beispiel, der soll adliger Herkunft sein.“   „Nein, Alain, ich bin nicht der neue Kommandant.“, klärte André ihn auf. Er war geneigt, etwas preisgeben zu müssen, damit sein Vorhaben wenigstens ein bisschen funktionierte. „Aber ich weiß, wer das sein wird. Ich kenne sie und deswegen wollte ich euch um einen Gefallen bitten...“   „Sie?“ Alain wunderte sich, aber sogleich ging ihm ein Licht auf. „Du meinst doch nicht etwa deine...“   „Ganz genau, Alain, wir beide treten den neuen Dienst in der Kaserne an.“ André achtete sorgsam auf die Reaktionen bei den Soldaten am Tisch.   „Wir bekommen eine Frau als Kommandant?“, staunte einer.   „Und was für einen Gefallen soll das sein?“, wollte Alain dagegen stutzig wissen.   „Nun, sie ist zwar eine Frau und gehört dem Adel an, aber sie ist gutherzig und ganz anders als Ihresgleichen.“ André war bewusst, dass er womöglich auf eine Ablehnung stoßen würde, aber versuchen könnte man es ja trotzdem... „Deshalb wollte ich euch bitten, sie nicht nach ihrem Stand zu beurteilen und ihr es etwas leichter machen...“   „Aber sie gehört doch dem Adel an!“, erboste sich ein anderer Söldner.   André versuchte so gut wie möglich die Sache zu verharmlosen. „Wie ich bereits sagte, Oscar ist nicht wie alle Adligen, sie setzt sich für die Armen und Schwachen ein...“   „Nenne uns ein Beispiel!“, verlangte ein dritter am Tisch misstrauisch.   „Also gut...“ André überlegte nicht lange und offenbarte ihnen oberflächlich die Sache in Arras. „...und zu dem noch, sind wir zusammen.“, fügte er hinzu. Auch das stand zwar bei ihm nicht auf dem Plan, aber vielleicht würde das die Männer über Oscar eine andere Meinung bilden lassen.   Die Gesichter der Söldner starrten ihn erst einmal verdattert an. „Sag das doch gleich...“, brachte einer von ihnen verblüfft von sich.   Alain hielt sich derweilen aus dem Gespräch heraus. Er überlegte, beobachtete seine Kumpanen und dann erst äußerte er seine Bedenken: „Das werden wir sehen, ob wir dir diesen Gefallen erfüllen können. Denn sie ist eine Frau und in der Kaserne sind viele auf Adlige nicht gut zu sprechen. Besonders wenn es um aristokratischen Frauen geht.“   Das klang für André schon nach einem kleinen Hoffnungsschimmer. „Mir würde es ausreichen, wenn ihr das tun würdet.“   „Du bist ein guter Kerl, Kumpel.“ Einer der Söldner, der direkt neben ihm saß, legte ihm die Hand auf die Schulter. „Wir können dir nicht viel versprechen, aber wir werden es versuchen.“   „Ich danke euch!“ Andrés Gesicht erhellte sich. Das war mehr als er erhofft hatte.   „Keine Ursache!“ Alain grinste listig. „Aber nur wenn du mit uns noch ein Bier trinkst und uns auf deine Oscar vorbereitest! Immerhin wollen wir wissen, mit wem wir es zu tun bekommen und im Gegenzug schwöre ich dir, dass ihr zwei zusammen seid, bleibt nur hier im Raum.“   „Ja, André, das schwören wir auch!“, erklang es aus einem Mund nach dem anderen. „Auf uns kannst du dich verlassen!“   „Und wie klingt das Kumpel? Bist du einverstanden?“ Alain zwinkerte ihm dabei zu und hob schon sein Bierglas zum Anstoß.   André überlegte nicht lange, denn das würde noch mehr Sicherheit und Gewissheit bedeuten und dass diese Männer hier am Tisch zu ihm stehen würden. „Mit vergnügen.“ Er hob auch sein Bier und stieß kräftig mit allen an.       - - -       So wie sich André es erdacht hatte, so wurde das auch. „Ich bin schon sehr gespannt, diese Truppe anzuführen“, vertraute ihm Oscar an, als er sie am ersten Tag ihres neuen Dienstes im Offizierszimmer aufsuchte. Die Truppeninspektion war auf dem Exerzierplatz gut verlaufen und die Söldner hatten sie ordnungsgemäß begrüßt.   André war zufrieden und hatte sich danach bei Alain und seinen neuen Freunden dafür bedankt. Diese hatten ihm nur beglückwünschend auf die Schulter geklopft und meinten, so schlecht sähe Oscar nicht aus. Sie waren neugierig und gespannt darauf, wie sie sich weiter als Kommandant erweisen würde und würden jederzeit zu ihm als Freund und Kamerad stehen. Auf diese Männer konnte sich André blindlings verlassen. Es gab nur ein kleines Hindernis. Die anderen Söldner, die nicht über ihren neuen Kommandanten eingeweiht waren, akzeptierten Oscar als ihren Befehlshaber nicht. Nicht nur weil sie eine Frau, sondern auch noch weil sie eine Adlige war und früher dem königlichen Garderegiment gedient hatte. Sie begannen Oscar das Leben schwer zu machen und zeigten ihr deutlich deren Abneigung. Oscar nahm das gelassen hin, sie stellte sich halt gerne neuen Herausforderung.   Etwa in der zweiten Woche ihres neuen Dienstes schrieb ein Söldner sogar eine Beschwerde an den König. Dieser bestellte den General de Jarjayes zu sich und Reynier nahm sich vor, mit seiner Tochter ein ernstes Wörtchen wegen den Problemen in der Söldnertruppe zu wechseln.   „Sei aber nicht streng zu ihr, mein Gemahl.“, bat ihn seine Frau an einem späten Nachmittag, als sie beide gerade dabei waren, nach Versailles aufzubrechen.   „Wie ich zu Oscar bin, hängt von ihr selbst ab.“, brummte der General ausweichend. Er hatte es ja geahnt, dass sie nicht lange alleine klar kommen würde und dies bestätigte sich nun deutlich!   Emilie zog nachdenklich ihre Brauen zusammen. „Denkst du nicht, dass Oscar sich in der letzten Zeit verändert hat?“   „Das liegt bestimmt, weil ihre neue Truppe ihr nicht gehorchen will. Ich hoffe, dass sie mir noch zuhören und mir nicht widersprechen wird. Sonst muss ich dem Rat seiner Majestät folgen und sie der Last als Befehlshaber entbinden. Für immer!“   „Das meinte ich nicht.“ Emilie überlegte, ob sie ihrem Mann gegenüber das überhaupt erwähnen sollte. Aber andererseits... „Ich meine, dass Oscar in die Breite geht... Und Sophie sagte, dass sie mehr als sonst isst, was ganz und gar nicht ihre Art ist...“   „Das liegt bestimmt an der fehlenden Beschäftigung und weil die Söldner sie nicht akzeptieren...“ Der General legte sich bereits das Gespräch mit Oscar zurecht.   Emilie seufzte, das meinte sie auch nicht. Sie hatte den Verdacht und versuchte es ihrem Gemahl nur schmackhafter zu machen. „...kannst du dir vorstellen, dass unsere Tochter vielleicht schwanger sein könnte?“   „Welche Tochter meinst du?“ Reynier sah sie wunderlich von der Seite an. Konnte sie nicht etwas genauer sprechen? Sie hatten doch insgesamt fünf Töchter, wenn man Oscar nicht dazu zählte! „Soweit ich weiß, hat jede von ihnen schon einen Haufen Kinder.“   „Alle bis auf Oscar...“, entfuhr es Emilie so leise und vorsichtig von den Lippen, dass ihr Gemahl Mühe hatte, sie zu verstehen.   Reynier verstand nur den Namen seiner Tochter und ihm dämmerte es langsam, worauf seine Frau eigentlich hinaus wollte. Er starrte sie vorerst belustigt an. „Du willst mir doch nicht weiß machen, dass Oscar schwanger ist?! Ausgerechnet Oscar, die ich wie einen Mann erzogen habe?“   „Sie ist und bleibt aber trotzdem eine Frau.“ Emilie ließ sich nicht beirren. Dass ihr Mann nicht gleich wütend aufbrauste, betrachtete sie als ein gutes Zeichen. „...und Sophie meinte, Oscar habe schon seit fünf Monaten keinen Monatsfluss...“   „Das bedeutet noch gar nichts!“ Reynier lachte ungläubig auf. „Sophie hat sich bestimmt geirrt, sie ist alt, und du glaubst jedem erdenklichen Tratsch.“   Als hätte man sie gerufen, klopfte die alte Haushälterin an der Tür und nach einem „Herein“ trat sie in den Salon. „Monsieur, ein gewisser Graf de Girodel ersucht Euch. Er bietet um eine Unterredung.“   „Führe ihn in mein Arbeitszimmer, ich komme gleich.“ Reynier beachtete seine Frau nicht mehr weiter.   „Ja, General.“, sagte Sophie und huschte hinaus.   Reynier rückte noch die Brosche an seinem Halstuch vor dem Spiegel zurecht und verließ selbstherrlich den Gemeinschaftssalon. Emilie sah ihm besorgt nach. Ihr mütterliches Herz besagte ihr, dass etwas Schreckliches passieren würde, wenn sie nicht rechtzeitig einschritt...       - - -       „Was führt Euch zu mir, Graf de Girodel?“, fragte der General nach der formellen Begrüßung seinen Gast musternd.   Victor legte auf einmal sich die Hand aufs Herz und senkte ehrerbietig sein Haupt. „Ich möchte Euch um die Hand Eurer Tochter bitten.“   „Wie bitte?“ Reynier weiteten sich die Augen und gleichzeitig kamen ihm die Worte seiner Frau durch den Kopf. „Also stimmt es doch noch...“   „Was meint Ihr?“ Girodel richtete sich auf. Er verstand nichts.   Reynier wurde immer grimmiger, aber er beherrschte sich noch und behielt krampfhaft seine höfischen Manieren. „Deswegen wollt Ihr also meine Tochter zu Frau nehmen, weil Ihr sie geschwängert habt... Gebt es zu!“   „Wie bitte?“, Girodel war vor den Kopf gestoßen, was man ihm da unterstellte. „Nein, ich schwöre, das stimmt nicht!“, protestierte er empört. „Ich habe nie Eure Tochter angerührt!“   Das reichte! Die Geduld des Generals war am platzen. „Wenn Ihr sie nicht aus Vernunft heiraten wollt, weswegen denn sonst?!“   „Weil ich sie liebe, seit ich ihr begegnet bin...“, gestand Girodel im gedämpften Tonfall.   Damit hatte Reynier nicht gerechnet. So etwas wie Liebe und derartige Gefühle existierten in seinen Augen nicht und waren meistens leeres Geschwätz. „So, so...“, brummte er verstimmt. „Ich werde über Euere Bitte nachdenken.“   „Ich danke Euch.“ Girodel wirkte auch etwas beruhigt, aber eine erwähnte Tatsache ging ihm doch nicht mehr aus dem Kopf. „Aber wenn Ihr sagt, dass Lady Oscar ein Kind erwartet und wenn das stimmt, dann würde ich meinen Antrag zurückziehen... Ich möchte nicht eine Frau heiraten, dessen Herz schon vergeben ist und die schon von jemand anders schwanger ist...“   „Ich verbiete solche Ausdrücke über meine Tochter!Sie ist kein leichtfertiges Mädchen!“ Trotz dass Reynier innerlich auf Oscar wütend war, gab es immer noch so etwas wie Anstand und dies musste bewahrt werden. „Aber wenn die Sache stimmt und Ihr nicht der Vater seid, wer denn dann?!“   „Wenn ich das wüsste, General...“ Girodel hob und senkte seine Schulter. „Oder wartet..“, In ihm kam auf einmal eine Vermutung. „Lady Oscar ist doch immer in Begleitung ihres Freundes André...“   „Was unterstellt Ihr! André ist kein Adliger...“ Reynier stockte. Deshalb also hatte Oscar das königliche Garderegiment verlassen! „Ich werde der Sache trotzdem nachgehen und mehr in Erfahrung bringen!“   „Darf ich auf Eure Tochter warten?“, erklärte sich Girodel aus unerklärlichen Gründen bereit, ihm bei den Nachforschungen behilflich zu sein. „Vielleicht stelle ich dabei etwas fest, was uns weiter hilft...“   Reynier sah ihn kurz an. „Kein schlechter Gedanke, Graf.“, entschied er sich. „Ihr entschuldigt, ich muss nach Versailles.“   „Danke, General.“       ---       „Ich muss etwas unternehmen... Was für eine Schande, wenn das überhaupt wahr ist!“, brummte der General in der Kutsche und konnte seinen Missmut kaum noch zügeln.   „Reg dich nicht auf, mein Gemahl. Oscar müsste sich verliebt haben, um sich auf so etwas einzulassen. Sie ist doch sonst überlegen und vernünftig...“, versuchte Emilie ihn zu beschwichtigen.   „Wenn es wahr sein soll, dass Oscar mit André eine Affäre hatte und tatsächlich schwanger ist, dann werde ich über sie beide richten!“, schäumte er beinahe außer sich vor Wut.   „Du willst doch nicht über eine Schwangere richten?“ Emilie bewahrte äußerlich eine Ruhe, aber innerlich zitterte sie vor Angst. „Das ist unehrenhaft.“, fügte sie mit der Hoffnung hinzu, ihn milder zu stimmen.   Der scharfe Blick von ihrem Mann jagte ihr die Gänsehaut über den ganzen Körper, aber sie würde nicht aufgeben. Reynier las das ihrem Gesichtsausdruck ab – das waren typische Fraueninstinkte, sein Kind mit allen Mitteln zu schützen. „Da hast du recht...“, gab er doch noch etwas nach. „Ich werde mit dem König sprechen und mich dann entscheiden!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)