Wie man es noch sagen kann von Yosephia ([Romance OS-Sammlung/ Prompt-Liste]) ================================================================================ 104. “You can trust me.” (F!RogueStina) --------------------------------------- Für gewöhnlich war es Rogue lieber, sein Leben einfach zu gestalten. Deshalb distanzierte er sich von dem heutzutage so beliebten Konzept, dass Firmenleiter ihre Mitarbeiter persönlich kennen lernen sollten, und hielt sich allein an Zahlen bei der Leitung seiner Firma. Deshalb pflegte er keine richtigen Freundschaften – Rakheid zählte nicht, er war mit seinem Super-Ego so einfach zu lesen, dass seine Handlungen wenig Interpretationsbedarf hatten. Deshalb hatte in seiner Wohnung und in seinem Tages- und Wochenablauf alles einen festen Platz. Eigentlich hatte sich diese Philosophie auch auf seine sexuellen Bedürfnisse erstreckt. Es war einfacher, gelegentlich ein darauf spezialisiertes Etablissement aufzusuchen, dort ein angemessenes Trinkgeld auf den eigentlichen Stundenpreis aufzuschlagen und danach ungestört seinen gewohnten Rhythmus wieder aufzunehmen. Eine vorlaute und beinahe schon schamlose Kellnerin aus seinem Freitag-Abend-Restaurant regelmäßig für eine Nacht ins nächste Hotel mitzunehmen, war jedoch nicht Teil dieser Philosophie… Schweigend saß Rogue auf dem großen Ledersessel, zu seiner Linken eine lange Fensterfront mit einem hervorragenden Blick auf die nimmermüde Großstadt. Zu seiner Rechten das großzügige Hotelappartement mit Sitzecke an einem elektrischen Kamin, einem Arbeitsplatz und einem geradezu obszön großen Bett. Rogue blickte aus dem Fenster, aber er achtete nicht auf die unzähligen Lichter draußen, sondern nur auf die Reflexion des Bettes. Zwischen zerwühlten Laken räkelte sich dort eine schlafende Schönheit. Ihre Blöße waren nur zur Hälfte bedeckt, ihre langen, blonden Haare breiteten sich über dem schwarzen Satinstoff aus und ihr Gesicht war entspannt, richtig friedlich, als wäre nichts dabei, mit einem de facto Fremden in einem Hotel zu übernachten, dessen Zimmerpreise ihren halben Monatslohn schlucken würden. Sie war sportlich. Ihre Waden waren straff, ließen auf regelmäßiges Lauftraining schließen. An den Oberarmen deuteten sich Muskeln an. Ihr Bauch war flach. Sie war weniger kurvig als der Frauenschlag, der Rogue normalerweise zur Befriedigung seiner Bedürfnisse diente, eher sehnig und schlank wie eine junge Birke, aber doch so viel verführerischer mit festen Brüsten und einem delikaten Hintern. Das wirklich Faszinierende an ihr war jedoch ihr Gesicht: Die hauchfeine Narbe, die ihre rechte Augenbraue schräg spaltete, der einzelne Kristallanhänger an ihrem linken Ohr, die unzähligen Sommersprossen, die sich über Nasenrücken und Wangen ausbreiteten. Und wenn sie wach war: Ihre tiefblauen Augen, die immer abenteuerlustig zu funkeln schienen. Ihr Name war Stina Eucliffe und sie hatte etwas an sich, was Rogue davon abhielt, seine selbst auferlegten Regeln in Bezug auf seine Gespielinnen einzuhalten. Er fühlte sich von ihr angezogen und in einer Weise befriedigt und unterhalten, die tiefer ging als seine früheren Intermezzi. Vor allem aber suchte ihn dieses Bild von Stina, wie sie da zwischen den Laken lag wie eine sehr zufriedene Katze, immer häufiger heim. Rogue versuchte, die Freitagabende mit ihr in diesem Hotelappartement als neue Routine zu betrachten. Es passte gut in seinen Wochenplan und ersparte ihm die Notwendigkeit, andere Frauen aufzusuchen. Da war es zu verschmerzen, dass er nun unterm Strich mehr für seine Befriedigung bezahlen musste – wegen des Hotels, wohl bemerkt, Stina hatte schon in der ersten Nacht klargemacht, dass sie kein Geld von ihm wollte. Als in das Reflexionsbild Bewegung kam, wurde Rogue aus seinen Gedanken gerissen – eine ungewohnte Erfahrung, war er sich normalerweise doch zu jeder Tageszeit voll und ganz seiner Umgebung bewusst und ließ sich nie überraschen. Er verdrängte das Gefühl der Verwirrung und richtete seinen Blick direkt auf das Bett, wo Stina sich langsam aufrichtete. Außer einigen goldglänzenden Strähnen ihres Haars verhüllte nun nichts mehr ihren Oberkörper, aber sie machte sich keine Mühe, nach einem der Laken zu greifen, sondern sah sich suchend um, die langen Wimpern noch verschlafen flatternd, zwischen den feinen Augenbrauen eine kleine Falte. Schließlich fiel ihr Blick auf Rogue, aber die Falte blieb. „Steigst du eigentlich jedes Mal sofort aus dem Bett, wenn wir fertig sind?“ Sie klang, als hätte Rogue sie beleidigt. Ja, das tat er. Weil er es nicht gewohnt war, einen warmen Körper neben sich zu spüren. Weil Stina nach dem Sex etwas ausstrahlte, was verwirrende Reaktionen bei ihm hervor rief. Weil er sich selbst im Griff behalten wollte. Aber anstatt das richtig zu erklären, zuckte Rogue ungerührt mit den Schultern und antwortete mit seiner Lieblingswaffe: Trockenem Spott: „Du schienst das Bett für dich alleine zu brauchen.“ „Pah!“, schnaubte Stina äußerst undamenhaft und stellte sich breitbeinig auf das Bett, um das Gleichgewicht auf der weichen Matratze zu wahren. „Du glaubst vielleicht, dass ich blöd bin, aber ich habe sehr wohl verstanden, dass das eine Beleidigung sein sollte!“ „Von Glauben kann keine Rede sein“, murmelte Rogue und richtete seinen Blick wieder auf das Fenster, dieses Mal in der festen Absicht, nur auf die Stadtlichter zu achten, aber die Reflexion von Stina war fesselnder. „Hey! Das mit der falschen Bestellung heute war nicht meine Schuld! Die haben die Nummerierung der Gerichte geändert, ohne mir Bescheid zu sagen!“, verteidigte Stina sich und warf ihm einen empörten Blick zu. Zur Antwort winkte Rogue nur träge ab. Er wusste auch so, dass Stina nicht dumm war. Irgendetwas musste sie ja drauf haben, wenn sie gleich zwei Fächer studierte und sich nebenher in einem so anspruchsvollen Restaurant als Kellnerin halten konnte. Ihr Charakter passte eigentlich eher in eine quirlige Studentenkneipe, aber anscheinend hatte sie sich gut genug im Griff, dass die Gäste mit ihren chicen Abendkleidern und Anzügen Stinas überschäumendes Temperament eher als charmant empfanden. Insbesondere jüngere Männer schienen dazu zu neigen, der Blondine jedes Mal ein stattliches Trinkgeld zu geben. Wahrscheinlich befanden sich auf den kleinen Zetteln, die sie Stina manchmal zusätzlich zusteckten, auch noch ihre Handynummern. In Rogues Augen ein äußerst armseliges Verhalten… Schon wieder wurde Rogue aus seinen Gedanken gerissen, als Stina vom Bett stieg und immer noch nackt auf ihn zu kam. Schamlos setzte sie sich rittlings auf seinen Schoß und sofort hatte Rogue das Gefühl, dass es um mehrere Grad wärmer geworden war. Während er noch überlegte, wie er reagieren wollte, ergriff Stina sein Kinn und drehte sein Gesicht, bis er sie ansehen musste. „Wie lange willst du eigentlich noch den gefühllosen Klotz spielen?“, fragte sie gnadenlos direkt. In ihren tiefblauen Augen lag ein intensives Glühen, von welchem Rogue sich merkwürdig berührt fühlte. Es war verwirrend. Er ergriff Stina an beiden Handgelenken und hielt sie weit genug von sich, dass Stina sich nicht weiter zu ihm runter beugen und ihn noch mehr mit ihrer Nähe verwirren konnte. Zu seiner Überraschung wehrte sie sich nicht. Ausnahmsweise entschloss er sich dazu, seine Gedanken in Worte zu fassen. „Was willst du von mir? War irgendetwas an unserem bisherigen Arrangement missverständlich?“ Stina verdrehte die Augen, wehrte sich jedoch immer noch nicht gegen den Griff an ihren Handgelenken. „Jedes Mal, wenn dir sonst nichts einfällst, benutzt du lauter hochgestochene Wörter. Dabei will ich einfach nur wissen, warum du jedes Mal sofort das Bett verlässt.“ Auch wenn er es nie zugegeben hatte, Rogue war sich durchaus darüber in Klaren, dass er nicht gut darin war, die Gefühle anderer Menschen zu verstehen. Er war mit kalter Logik und strenger Disziplin großgezogen worden, Gefühle hatten in seinem Leben nie wirklich Platz gehabt. Doch seltsamerweise war er sich dieses Mal sicher, dass hinter Stinas Worten noch etwas ganz Anderes steckte. Etwas, dessen sie sich selbst nicht einmal ganz bewusst zu sein schien. Aus irgendeinem Grund wirkte ihr Blick, so intensiv bohrend er im ersten Moment auch war, gleichzeitig auch… verletzlich…? „Weißt du, ich habe da so eine Ahnung“, durchbrach Stina die Stille. „Du bist immer alleine im Restaurant, bestellst immer dasselbe, bist wortkarg und ungesellig und gibst dich gerne als Oberarschloch… Aber mir kannst du vertrauen, Rogue.“ Vielleicht war es nicht einmal Absicht, aber jetzt war Stinas Blick ganz offen verletzlich und ob es dieser Blick oder die Worte waren – Worte, die noch nie jemand an Rogue gerichtet hatte –, es weckte etwas in Rogues Inneren. Dieses Etwas schwoll an und fühlte sich immer überwältigender an. Alles, was Rogue einfiel, um sowohl Stina als auch diesem merkwürdigen Gefühl Paroli zu bieten, war, die Handgelenke der Blondine fallen zu lassen, um sie stattdessen für einen harten, bestimmenden Kuss zu sich runter zu ziehen. Er hatte keine Ahnung, was er erwartet hatte – hatte er Stina verschrecken oder ihr sogar Schmerzen zufügen wollen? –, aber sie schmiegte sich in den Kuss und an seinen Körper, ohne sich von der Grobheit brechen zu lassen. Sie blieb stark und unerschütterlich. Beinahe fühlte es sich an, als würde sie Rogue auffangen. Also… ließ er sich weiter fallen. Nicht wegen ihrer Worte und Taten. Einfach weil er die Macht über sie hatte und weil sein Körper sie wieder wollte. Alles andere wäre nicht seine Art gewesen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)