Wie man es noch sagen kann von Yosephia ([Romance OS-Sammlung/ Prompt-Liste]) ================================================================================ 79. “I’ll still be here when you’re ready.” (IgneelGrandine) ------------------------------------------------------------ Fünf Jahre. Das war viel und doch wieder nicht. Grandines Bruder war fünf Jahre älter als sie, der zweite zehn Jahre älter – und dennoch hatte Grandine nie wirklich das Gefühl gehabt, hinter den Beiden zurück zu stehen. Grandine hatte fünf Jahre auf einem naturwissenschaftlichen Internat verbracht und es mochte nicht gänzlich ihre Entscheidung gewesen sein – vielmehr war sie dem Ehrgeiz ihrer Eltern geschuldet gewesen –, aber im Nachhinein betrachtet war die Zeit wirklich wie im Flug vergangen. Ganz zu schweigen von den fünf Jahren Medizinstudium, die für Grandine in erster Linie von der schieren Freude am Lernen erfüllt gewesen waren. Aber es gab eine Sache, die fünf Jahre zu einer sehr langen Zeit machen konnten – nämlich wenn es den Altersunterschied zu dem Mann betraf, den sie liebte. Grübelnd saß Grandine in der Krankenhauscafeteria und blickte auf das leere Wordokument, das sie auf ihrem Laptop geöffnet hatte, um den Bericht über ihren ersten Monat im Praxisjahr zu schreiben. Eigentlich gäbe es dazu eine Menge zu erzählen – wie viel sie hier jeden Tag lernen durfte, wie vielen Menschen sie helfen konnte, was für eine Herausforderung es war, das Wissen aus dem Studium in der Praxis umzusetzen… Allein, sie war mit ihren Gedanken ganz woanders. Solange sie sich auf ihre Patienten auf der Kardio-Station hatte konzentrieren müssen, war sie von dem Vorfall gestern Abend abgelenkt gewesen, aber in dem Moment, da ihr auf dem Weg zur Cafeteria ein junges Pärchen ins Auge gefallen war, hatte sie an nichts anderes mehr denken können. Als sich jemand zu ihr an den Tisch setzte, blickte Grandine nur flüchtig von ihrem Bildschirmschoner auf, der mittlerweile angesprungen war, doch dann schreckte sie auf. Ihr gegenüber saß niemand geringerer als der Grund für all ihre Grübeleien seit Beginn des Tages. Igneel trug noch seine Uniform, auch wenn er die Krawatte, die er sowieso so gut wie nie richtig band, bereits abgenommen und vermutlich lieblos in irgendeine Tasche gestopft hatte. Seine breiten Schultern füllten die schwarze Lederjacke voll aus und seine pinken Haare sahen so abenteuerlich wie eh und je aus. „Darf ich?“, fragte er ruhig und legte eine Hand auf Grandines Laptop. Als sie belämmert nickte, klappte er das Gerät zu und schob es beiseite, ehe er Grandines Hände ergriff. Seine Hände waren viel größer und rau von all seinen Trainingseinheiten, die er mit einigen Kollegen – inklusive Grandines Bruder Weißlogia – mehrmals in der Woche abhielt. Aber ihr Griff war ganz sanft, perfekt kontrolliert in ihrer Stärke. Grandine fühlte sich von dieser vertrauten Berührung wunderbar beruhigt und ganz unwillkürlich strich sie mit ihrem Daumen über Igneels. „Ich glaube, wir müssen reden, Dine“, begann Igneel. Der Kosename verursachte ein angenehmes Kribbeln. Dabei kannte Grandine das schon von Kindesbeinen an. Wahrscheinlich schon allein aus einem damals eher pubertären Protest gegenüber ihren Eltern hatte ihr ältester Bruder sich immer geweigert, sie und Weißlogia bei ihren vollen Namen zu nennen. Dennoch fühlte es sich anders an, wenn Igneel sie Dine nannte. Vertrauter. Intimer. Allerdings wurde das Kribbeln dieses Mal durch das sich anbahnende Gesprächsthema gedämpft. Für einen Moment versuchte Grandine, sich zurück zu ziehen, aber noch bevor sie den Hautkontakt zu Igneel verlieren konnte, hielt sie inne, hielt lediglich den Blick weiter gesenkt. „Du bist heute Morgen sehr viel früher aufgebrochen, als du eigentlich müsstest“, fuhr Igneel leise fort, ohne zu erkennen zu geben, ob er Grandines kurzzeitigen Fluchtreflex bemerkt hatte. „Liegt das an der Sache, die ich gestern Abend angesprochen habe?“ „Nein!“, platzte es aus ihr heraus, aber bevor sie auch nur zu einer Erklärung ansetzen konnte, geriet sie ins Stocken. Irgendwie lag es eben doch an der Sache von gestern, oder nicht? Weniger ganz genau an der Sache, sondern eher an dem, was das für Fragen nach sich zog. Fragen, die eigentlich noch gar nicht ausgesprochen worden waren und die Grandine dennoch seitdem im Kopf herum spukten. „Hey…“ Ein sanfter Druck an ihren Händen ließ sie wieder den Blick heben. Igneel hatte sich vorgebeugt, um ihr in die Augen sehen zu können. Seine eigenen roten Augen wirkten so sanft und geduldig, dass Grandine einmal mehr der enorme Altersunterschied zwischen ihnen bewusst wurde. „Wir müssen nicht zusammen ziehen. Es war nur ein Vorschlag, weil du seit dem Beginn deines Praxisjahrs sowieso fast nur noch bei mir übernachtest, weil ich näher am Krankenhaus wohne. Außerdem wird Lily nach seinem Antrag wohl kaum noch ewig lange darauf warten, Nägel mit Köpfen zu machen.“ Das waren alles gute Argumente. Seit Pantherlily vor zwei Wochen ihrer Mitbewohnerin einen Heiratsantrag gemacht hatte, hatte Grandine sich bereits mit dem Gedanken vertraut gemacht, dass ihre alte Schulfreundin wohl bald ausziehen würde. Sie hatte schon überlegt, ob sie sich einen neuen Mitbewohner oder lieber eine kleinere Wohnung suchen sollte… Nur daran, mit Igneel zusammen zu ziehen, mit dem sie schon seit neun Monaten zusammen war, hatte sie bis zu seinem Vorschlag gestern irgendwie nicht gedacht. „Es ist nicht so, dass ich dagegen bin“, murmelte Grandine und ganz unwillkürlich senkte sich ihr Blick auf die Tischplatte. „Ich habe nur vorher nie darüber nachgedacht…“ Während sie sich unsicher auf der Unterlippe herum kaute und nach den richtigen Worten suchte, wartete Igneel geduldig. Wenn er neben Weißlogia stand, der laut Acnologias Spötteleien schon mit fünf Jahren erwachsen und spießig gewesen war, wirkte Igneel wie ein abenteuerlustiger Draufgänger. Da vergas Grandine leicht, dass er schon 27 Jahre alt war. Aber hier und jetzt merkte sie nur zu deutlich, wie viel reifer und erfahrener er im Vergleich zu ihr selbst war. „Ich bin erst 22“, begann sie zögerlich. „Ich habe noch das Praxisjahr vor mir, dann die Approbation und dann die Assistenzarztzeit und dann die Facharztausbildung und…“ „Woah, warte mal, Dine!“ Igneel schob seinen Stuhl zurück und rutschte auf den direkt neben Grandines, um einen Arm um ihre Schultern schlingen und mit der freien Hand behutsam nach ihrem Kinn greifen zu können. Mit sanftem Nachdruck zwang er sie, den Blick zu heben. In seinem Blick lag eine Mischung aus Verwunderung und Überforderung. „Du weißt schon, dass ich nur übers Zusammenziehen gesprochen habe, ja?“, sagte er und sein rauer Daumen strich so zärtlich über Grandines Wange, dass die angehende Ärztin schwer schlucken musste. „Das sollte gestern kein Heiratsantrag sein, geschweige denn ein Schlachtplan für die Familiengründung.“ Die Hitze schoss in Grandines Wangen, als ihr Freund so zwanglos das aussprach, was ihr seit letzter Nacht so schwer zu schaffen machte. Mit einem weichen Lächeln strich Igneel wieder über Grandines Wange. „Nicht, dass ich mir all das nicht mit dir vorstellen könnte… Aber so weit sind wir noch nicht. Lily und Shagotte sind gefühlt schon seit dem Urknall zusammen, aber wir noch nicht einmal ein Jahr. Okay, ich hätte dich gerne schon früher gesagt, aber sich in die kleine Schwester des eigenen Partners zu vergucken, war schon ein bisschen… furchteinflößend… Ganz zu schweigen von Acno.“ Aller Verlegenheit zum Trotz stieß Grandine ein abgehacktes Kichern aus. Ihre Brüder waren in ihren Augen die besten Brüder der Welt, aber sie waren auch ein wenig die Glucken, die ihre gemeinsamen Eltern anscheinend nie hatten sein wollen. Die Beiden hatten sich in der Anfangszeit von Grandines Studium regelmäßig bei ihr erkundigt, ob alles in Ordnung wäre. Sie hatten sich Sorgen gemacht, dass ihre damals gerade einmal siebzehnjährige Schwester sich zwischen all den älteren Studienanfängern nicht durchsetzen könnte. „Egal…“, wischte Igneel das für ihn offensichtlich so peinliche Thema beiseite. „Jedenfalls weiß ich ganz genau, was du noch alles vor dir hast, und ich habe nicht vor, dich daran zu hindern.“ „Aber willst du denn nicht…“ Grandine brach ab, die Wangen schon wieder rot. Igneel war jetzt genau im richtigen Alter für Familiengründung. Sein bester Freund war schon seit letztem Jahr Vater eines Mädchens, seine beste Freundin würde in sechs Wochen Weißlogia heiraten… „Irgendwann sicher, aber das läuft uns nicht weg, wenn wir noch ein bisschen warten“, erwiderte Igneel leise und beugte sich runter, um Grandine küssen zu können. Er schmeckte nach Kaffee und diesen Pfefferminzbonbons, die er bei der Arbeit andauernd lutschte. Ein wohltuend vertrauter Geschmack, der Grandine endlich dabei half, sich zu entspannen und sich in Igneels halbe Umarmung zu schmiegen. Ihr Herz flatterte wie ein befreiter Vogel, freute sich einfach über die Zärtlichkeiten, die ihm zuteil wurden. Als er den Kuss unterbrach, lehnte Igneel seine Stirn gegen Grandines und blickte ihr tief in die Augen. Seine nächsten Worte waren nur ein sanftes Wispern, ganz alleine für Grandines Ohren bestimmt. „Mach’ dir keine Sorgen, Dine. Ich werde immer noch hier sein, wenn du bereit bist.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)