Wie man es noch sagen kann von Yosephia ([Romance OS-Sammlung/ Prompt-Liste]) ================================================================================ 36. “We’ll figure it out.” (Natsu-Lucy-Yukino) ---------------------------------------------- Allein schon mit seinen rosafarbenen, wilden Haaren fiel Natsu auf wie ein bunter Hund, aber sah man ein zweites und drittes Mal hin, erkannte man noch mehr außergewöhnliche Details: Der auffällig muskulöse Körperbau, der von harten Trainingsjahren kündete. Die großen Narben an Hals und Wange, die einen scharfen Kontrast zur sonnengebräunten Haut bildeten. Die Tätowierungen am rechten Arm: Auf der Schulter das Zeichen seiner Einheit, über dem gesamten Unterarm ein aufsteigender, roter Drache. Natsu Dragneel trug seine Lebenserfahrung und seine Lebenseinstellung spazieren, ließ sie für jedermann sichtbar – einfach weil er sich nicht darum scherte, was irgendjemand über ihn dachte. Er war stark und unbezwingbar und… laut! Sein Lachen übertönte die abendliche Geräuschkulisse des Fairy Tail vollkommen mühelos, sodass selbst Yukino, die ganz am Ende der Theke – und damit gut und gerne zehn Meter und ein halbes Dutzend lautstarker Tischgespräche von Natsu entfernt – saß, ihn laut und deutlich hören konnte. Ein Umstand, der ihr Herz ein ums andere Mal wild flattern ließ, nur damit sich gleich darauf ihr Magen vor Schuld verkrampfen konnte. Seit Natsu vor zwei Wochen gemeinsam mit einigen Kameraden in seine alte Heimatstadt zurück gekehrt war, stand Yukinos Gefühlswelt kopf. Vorher war alles so vollkommen klar gewesen. Sie hatte sich glücklich geschätzt, endlich mit der Frau zusammen zu sein, die sie ein Jahr lang heimlich angehimmelt hatte. Vor zwei Monaten waren sie sogar zusammen gezogen und sie hatten über Zukunftspläne gesprochen – über die Zeit nach Yukinos Studienabschluss, über gemeinsame Reisen. Yukino hatte sogar von Familiengründung geträumt. Nie im Leben hätte sie angenommen, dass all das ins Wanken geraten könnte. Niedergeschlagen senkte Yukino ihren Blick auf ihren Cocktail, den sie noch gar nicht angerührt hatte, seit Mirajane ihn ihr mit der üblichen Herzlichkeit hingestellt hatte. Eigentlich wäre Yukino jetzt viel lieber Zuhause, wo sie sich sicher und geborgen fühlte, aber sie hatte nicht das Gefühl, dieses Zuhause noch verdient zu haben. Deshalb war sie letzte Woche in die Wohnung von Sting und Rogue geflüchtet. Ihre Freunde hatten sie bereitwillig aufgenommen, hatten immer ein offenes Ohr und eine Schulter zum Anlehnen für sie. Nicht ein einziges Mal hatten sie angedeutet, dass Yukinos Anwesenheit eine Belastung für sie sein könnte. Aber Yukino hatte ständig das Gefühl, die Beiden zu stören. Als Studenten konnten Sting und Rogue sich auch nur eine winzige Wohnung leisten. Mit einer Mitbewohnerin blieb da im Grunde kaum noch Privatsphäre. Um ihren Freunden eben diese wenigstens für ein paar Stunden wieder zu geben, war sie heute nach der Abendvorlesung, von der sie eigentlich sowieso nichts mitbekommen hatte, ins Fairy Tail gegangen. Wahrscheinlich hätte sie damit rechnen müssen, Natsu hier zu sehen, aber es hatte sie dennoch mit voller Wucht getroffen, als sie beim Betreten der Bar als Erstes seine Stimme gehört hatte. Beinahe wäre sie an Ort und Stelle in Tränen ausgebrochen und sie hatte ernsthaft erwogen, die Flucht zu ergreifen, aber da hatte Mirajane sie bereits entdeckt gehabt. Die Weißhaarige hätte unter Garantie genau die Person angerufen, der Yukino sich nicht mehr unter die Augen traute, wenn Yukino sich auffällig verhalten hätte. Also hatte sie tief Luft geholt, innerlich bis Zehn gezählt – und dann noch bis Zwanzig und schließlich bis Dreißig, nur um ganz sicher zu sein – und sich die ruhigste Ecke in der Bar ausgesucht, um mit ihrem Elend alleine zu sein… Als sich jemand auf den Hocker neben ihrem setzte, hob Yukino erschrocken den Blick. Neben ihr saß ausgerechnet die Person, der Yukino in den letzten Tagen aus dem Weg gegangen war, aber sie war kaum wieder zu erkennen. Äußerlich war Lucy immer noch dieselbe: Die frauliche Kleidung, die ihre Reize so gut in Szene setzte, die langen, blonden Haare zu einem seitlichen Pferdeschwanz gebunden, das dezente Make up. Aber obwohl die Augenringe perfekt abgedeckt worden waren, sah Yukino den großen, braunen Augen ihrer Freundin – Exfreundin? – die Übernächtigung an. Die vollen Lippen waren zu einem dünnen Strich zusammen gepresst. Die schlanken Finger zitterten leicht, als sie sich an die Kante der Theke klammerten. Meine Schuld, dachte Yukino und sie musste heftig blinzeln, um den aufkommenden Tränen Einhalt zu gebieten. Wenn sie nicht so wankelmütig wäre, ginge es Lucy jetzt nicht so schlecht! „Wusstest du, dass ich mal mit Natsu zusammen war?“ Lucys Stimme klang heiser, war viel leiser und kraftloser, als Yukino sie kannte. In ihr klang all die Müdigkeit und Verzweiflung mit, die auch Yukino in den letzten Tagen gequält hatte. Es dauerte einige Sekunden, bis die Bedeutung von Lucys Worten in Yukinos Verstand eingesickert war. Dann stockte ihr der Atem und ihre Augen weiteten sich. „D-du warst…?“ Die Blonde nickte matt. „In der Schule. Fast zwei Jahre lang. Es war… Ich dachte, er wäre es…“ Eine der zitternden Hände löste sich von der Theke, um die rechte Haarsträhne, die nicht im Pferdeschwanz zusammen gefasst war, um das Gesicht einzurahmen, hinters Ohr zu streichen. „Natsu wollte keinen Zivildienst machen, also ist er für die Wehrpflicht zur Armee gegangen. Wir haben eine Fernbeziehung geführt, aber es hat mich fast wahnsinnig gemacht, ihn immer nur am Wochenende zu sehen. Und dann… hat er sich entschieden, sich für sieben Jahre verpflichten zu lassen, und wir haben uns getrennt…“ Als Yukino die Tränen in den braunen Augen der Älteren erkannte, griff sie ganz automatisch nach ihrer Hand. Sonst war immer Lucy die Gefasste, hatte immer alles im Griff. So hatte sie ihr Studium in Regelstudienzeit absolviert, so bekam sie ihren Job als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Historischen Institut, ihr Zweitstudium und ihre Recherchen für eine Doktorarbeit unter einen Hut und hatte dennoch immer Zeit für Yukino, wenn diese an den absurden Anforderungen von Professor Michello verzweifelte oder wieder darüber in Panik geriet, dass sie immer noch kein Thema für ihre Masterarbeit hatte. Lucy war die Starke von ihnen Beiden. Sie so erschüttert zu sehen, bereitete Yukino beinahe körperliche Schmerzen. „Ich… ich habe wirklich sehr lange gebraucht, um darüber hinweg zu kommen“, fuhr Lucy mit schwacher Stimme fort. „Als Natsu dann auch noch ins Ausland versetzt worden ist, war er ganz und gar weg und… und ich…“ Lucys freie Hand legte sich über die Augen und ihr ganzer Körper streckte sich mit einem langen, tiefen Atemzug. Als sie sich wieder im Griff hatte, zog sie Yukinos Hand an sich und drehte sich zu der Jüngeren herum. Der Blick ihrer geröteten Augen war auf einmal eisern. „Dann habe ich dich getroffen, Yukino, und ich war endlich wieder glücklich! Das mit unseren Plänen, das habe ich alles ernst gemeint und das tue ich immer noch!“ Yukino konnte weder den Worten noch dem Blick standhalten. Sie sackte in sich zusammen und starrte zu Boden. Sie machte sogar einen halbherzigen Versuch, ihre Hand zurück zu ziehen, aber Lucy ließ sie nicht los. „L-lucy, bitte“, flehte sie schwach. „I-ich kann nicht… ich darf nicht…“ „Yukino, ich war bei Sting und Rogue“, unterbrach Lucy sie. „Natürlich war mir sofort klar, dass du zu ihnen gegangen bist, aber ich brauchte selbst Zeit, um mir über etwas klar zu werden. Als ich vorhin bei ihnen war, haben sie sich standhaft geweigert, mir irgendetwas zu verraten. Sie haben nur gesagt, dass ich dich fragen soll, also… bist du in Natsu verliebt?“ Die direkte Frage entlockte Yukino ein gepeinigtes Wimmern. Wieder versuchte sie, ihre Hand zu befreien, wieder scheiterte sie. Die Tränen brannten in ihren Augen und sie kniff sie zu, ehe sie einmal ruckartig nickte. Ja, sie war in Natsu verliebt. In dem Moment, als er vor zwei Wochen auf einmal vor ihrer und Lucys Wohnungstür gestanden hatte, um sich bei Lucy „zurück zu melden“, war es um sie geschehen gewesen. Die Gefühle für den charismatischen Ex-Soldaten hatten sie regelrecht überrollt. Das alles war schon verwirrend genug, hatte sie doch bis zu jenem Moment, bevor sie Natsu unwissenderweise die Tür geöffnet hatte, felsenfest daran geglaubt, dass sie nur Lucy liebte. Aber das wirklich Verwirrende war, dass ihre Gefühle für Lucy sich dadurch nicht geändert hatten. Sie liebte die Blonde immer noch, aber gleichzeitig waren da diese wilden, stürmischen Gefühle für Natsu… „Ich auch…“ Überrascht riss Yukino die Augen auf und sah zu Lucy auf. Die Blonde lächelte gequält. „Als er auf einmal vor unserer Tür stand, waren alle Gefühle wieder da, und wenn du nicht da gewesen wärst, hätte ich ihn wahrscheinlich noch auf der Türschwelle geküsst.“ Die Worte verursachten einen grauenhaften Stich in Yukinos Herzen. Sollte das etwa heißen, dass- Bevor ihre Gedanken in dunkle Gefilde abdriften konnten, ließ Lucy ihre Hand los und umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen, um sie zu einem Kuss hoch zu ziehen. Es war ein ungeschickter Kuss, zittrig und nass von Yukinos Tränen, aber dennoch zärtlich und aufrichtig. Unwillkürlich rutschte Yukino von ihrem Barhocker, um näher an Lucy heran treten zu können. Sofort schlangen sich Lucys Arme um ihren Körper und der Kuss wurde drängender, der Druck der Lippen geradezu verzweifelt. Als sie endlich voneinander abließen, standen sie Beide neben der Theke und hielten einander fest umarmt. Zaghaft blickte Yukino wieder in Lucys Augen, die immer noch gerötet und immer noch voller Unsicherheit waren. „Aber ich habe nicht nur für Natsu Gefühle“, fuhr Lucy heiser fort. „Frag’ mich nicht, warum das so ist, ich bin selber schrecklich verwirrt und unsicher und zermatere mir seit zwei Wochen den Kopf darüber, aber ich komme immer wieder nur zu einem einzigen Ergebnis: Ich will keinen von euch Beiden aufgeben.“ „Aber wie…“ Yukino rang um die richtigen Worte und ihr Blick huschte kur zu Natsu hinüber, der sich mit Gray, der mit ihm bei der Armee gewesen war, ein Duell im Armdrücken lieferte. Als ihre Blicke einander begegneten, wich das siegesgewisse Grinsen aus Natsus Zügen und seine dunklen Augen flackerten. Für den Bruchteil einer Sekunde kam hinter der immerheiteren Miene etwas anderes zum Vorschein, aber bevor Yukino auch nur versuchen konnte, es zu definieren, nutzte Gray die Ablenkung seines Kontrahenten und drückte seinen Arm auf die Tischplatte. Sofort richtete Natsu seine Aufmerksamkeit wieder auf seine unmittelbare Umgebung und begann, lautstark eine Revanche zu verlangen. Schon wieder flatterte Yukinos Herz. Hatte sie sich das nur eingebildet? Machte sich der Schlafmangel der letzten Tage nun endgültig bemerkbar? Nun noch viel unsicherer richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Lucy. Lucy, die ihre Gefühle so klar in Worte gefasst hatte. Lucy, die weder Yukino noch Natsu aufgeben wollte. So wie Yukino sich nicht zwischen Lucy und Natsu entscheiden konnte. Wenn sie nicht so aufgewühlt wäre, hätte Yukino über die Absurdität ihrer Situation lachen mögen. „Ich… i-ich will dich auch nicht aufgeben“, krächzte sie schließlich und verstärkte ihre Umarmung, um ihren schwachen Worten Nachdruck zu verleihen. „Ich habe auch Gefühle für euch Beide, aber… wie soll das bloß funktionieren…?“ Statt sofort zu antworten, küsste Lucy sie. Noch immer war der Kuss salzig und nass, aber er war tiefer und fester und bot Yukino endlich einen sicheren Halt. Es war immer noch alles furchtbar verwirrend und sie Beide wussten noch nicht einmal, wie Natsu zu all dem stand, aber zumindest konnte Yukino sich sicher sein, Lucy nicht zu verlieren. Sie war nicht alleine mit dieser absurden Situation! „Ich weiß es nicht“, gestand Lucy leise, nachdem sie den Kuss gelöst hatte. Ihr Blick war unverhohlen müde, aber auch eine neue Sicherheit spiegelte sich darin nieder. „Aber uns wird schon etwas einfallen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)