Dead End von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Dead End ------------------- "Sir, wir haben etwas gefunden", informierte ihn ein Mitarbeiter. Besorgnis stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. "Was ist es?", fragte Mr. Dickenson, ehemaliger Vorsitzender der BBA. Der junge Mann zog die Brauen zusammen und senkte entschuldigend den Blick. "Sie sollten sich das lieber selbst ansehen, Sir", antwortete er ausweichend. "Ein Helikopter steht bereit." Seufzend erhob Mr. Dickenson sich und folgte ihm, der Papierkrieg musste warten.   Das bedeutete nichts Gutes.   Schnellen Schrittes verließen sie das alte BBA Gebäude in Moskau über das Dach, auf dem bereits der Helikopter wartete, um sie zur Abtei zu bringen, die seit ein paar Wochen vermeintlich leer stand.   Nachdem die BioVolt alles hinter sich gelassen hatte und einen Neuanfang als BEGA-League in Japan wagte, stellten diejenigen, die von der BBA noch übrig waren, Ermittlungen an, die beweisen sollten, das Boris mehr als nur eine Leiche im Keller hatte.   Zu diesem Zeitpunkt ahnte noch niemand, wie viel Wahrheit in dieser Metapher steckte.   oOoOoOo   Mr. Dickenson kletterte aus dem Helikopter. Eisiger Wind blies ihm um die Ohren und er stellte den Kragen seines dunklen Mantels auf. Schützend kniff er die Augen hinter der runden Brille zusammen und ging einige Schritte auf die Mitarbeiter zu, die den äußeren Bereich der Abtei durchkämmten. Im hinteren Teil war ein ungepflegter, sumpfiger Teich.   "Mr. Dickenson", rief eine junge Frau. Sie war überrascht ihn zu sehen, winkte ihn jedoch sofort zu sich. Mit gedämpften Stimmen wechselten die beiden einige Worte.   "Wir haben Knochen gefunden", sagte sie betroffen. "Sind es-...?" Er wagte es gar nicht, es auszusprechen. "Wahrscheinlich, ja. Von Kindern.", antwortete sie düster und warf einen flüchtigen Blick auf den Teich. Entsetzen machte sich auf Mr. Dickensons Gesicht breit. Das hatte er Boris nicht zugetraut.   Nicht einmal ihm.   Er hielt ihn für Gerissen, eloquent und gebildet. Selbstsicher, nicht selten sogar arrogant. Aber das er buchstäblich über Leichen gehen würde, um seine Ziele zu erreichen...?   Kinderleichen.   Sie führte ihn zu dem Teich und zeigte ihm die bisherigen Funde. Mr. Dickenson wurde bleich, als er einen teil der geborgenen Knochen erkennen konnte. Er trat einige Meter zurück.   "Ein paar von uns sind in der Abtei. Erster Stock, geradeaus und dann links", informierte sie ihn, als sie merkte, dass es dem sonst so hilfsbereiten alten Mann erschütterte, mit was sie es zu tun hatten.   Mr. Dickenson nickte eilig und lief auf das Gebäude zu. Er war vor einer Woche das erste mal hier gewesen. Stanley Dickenson trat durch die Tür und stellte erneut fest, dass das Gemäuer von außen genauso schaurig und unheimlich wirkte, wie von innen.   Verlassen und kaum beleuchtet, doch sie wollten nicht mehr Aufmerksamkeit erregen, als nötig. Schließlich handelte es sich hier nicht um offizielle Untersuchungen.   Ein leises Rascheln war zu hören. Er warf einen hastigen Blick über seine Schulter und vergewisserte sich, das niemand hinter ihm war. Aus irgendeinem Grund fühlte er sich ständig beobachtet und allein der Gedanke daran, dass die BioVolt tote Waisenkinder in einem Teich versenkt hatte, jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken.   Plötzlich knackte es laut. "Ist da jemand?", fragte er sofort. Die Unsicherheit war deutlich in seiner Stimme zu erkennen und er sah sich in alle Richtungen um.   Da war nichts. Nichts und niemand. Zugeben wollte er es nicht, doch er fühlte sich unwohl.   Sehr unwohl.   Die hohen Mauern der Abtei strömten eisige Kälte aus. BioVolt hatte das Gebäude aufgegeben, dennoch hatte er keinen Zweifel daran, dass er so kurz nach dem Verlassen hier noch einige Dinge finden konnte, die ihnen etwas gegen Boris in die Hand geben konnten. Die alte Abtei war prädestiniert dafür, ein Geheimnis in sich zu bergen – oder mehrere.   Etwas wie Experimente an BitBeasts – und an Menschen.   Vor einiger Zeit hatte Mr. Dickenson eine Akte auf dem Tisch, die medizinische Versuche an einem Jungen namens Artjom dokumentierte. Ein beklemmendes Gefühl überkam ihn, wenn er daran dachte, dass darin vermutlich nur die halbe Wahrheit stand. Mr. Dickenson schüttelte den Kopf und stieg eiligen Schrittes die Treppenstufen empor, die ihn zum Rest des Untersuchungsteams führen sollten. Er ging geradeaus und bog nach einigen Metern links in den unbeleuchteten Gang ein. Stanley Dickenson blieb wie angewurzelt stehen.   Kein einziges Fenster. Er wusste, das die Abtei in den meisten Teilen nur mit Fackeln beleuchtet wurde, doch es wunderte ihn, das keine einzige von ihnen hier brannte.   Nicht eine.   Zweifel machten sich in ihm breit, das er hier richtig war. Unbewusst rieb er an seinen Armen, um sich aufzuwärmen und zu beruhigen. Er überlegte lange, bevor er den ersten Schritt wagte.   "Bestimmt sind sie am Ende des Ganges", sprach er sich Mut zu und ging weiter, obwohl es ihm seltsam vorkam. Der ganze Gang kam ihm merkwürdig vor – ob er sich nicht doch verlaufen hatte?   Doch er war im ersten Stock – geradeaus und dann links, genau wie sie gesagt hatte. Unsicher warf er erneut einen Blick über die Schulter. Es war wirklich niemand hinter ihm – oder?   Kein Mensch – und auch keine Geister untoter Kinder.   Der Gedanke daran ließ ihn bereits schaudern. Er war nie ein Fan von Horrorfilmen, doch gerade fühlte er sich wie der Hauptdarsteller in einem.   Ein Blick zurück sagte ihm, dass sich auf der gegenüberliegenden Seite auch kein Gang befand. Er war doch nur einen Treppenabsatz hochgegangen – im ersten Stock.   Geradeaus. Links.   Er war – nein, er musste – hier richtig sein.   Wo waren alle?   Knack. Knack. Knack...   "Hallo?", rief er, nachdem er bereits einige Meter gelaufen war. Niemand meldete sich.   Natürlich nicht.   Stanley Dickenson war jemand, der stets zur Stelle war, um zu helfen. Auf den immer verlass war. Er war wirklich kein Mann, der grundlos Angst hatte, doch die gespenstische Stille im inneren der Abteimauern, die gelegentlich von einem lauten Knacken durchbrochen wurde, trieben ihm den Angstschweiß auf die Stirn.   Er musste sich der Realität stellen – er war allein hier.   War er das wirklich?   "Ist hier jemand?", fragte er laut. Natürlich wusste er, das ihm niemand antworten würde, doch er versuchte so, seine eigene Angst zu verscheuchen.   Gerade, als er den Rückzug antreten wollte, sah er etwas am anderen Ende der Wand aufblitzen. Kurz, hell, wie das weiße in den Augen eines tollwütigen Tieres. Pfeilschnell schoss etwas auf ihn zu und surrte an seinem Kopf vorbei.   Er riss die Augen weit auf. "Was war das?", flüsterte er und sah hinter sich. Er konnte es nicht erkennen. Ob Beyblade oder Pfeil, es hätte beides sein können.   Ehe er sich zurückdrehen konnte, hörte er ein weiteres mechanisches Klicken. Und noch eins. Und noch eins. Wie aus dem Nichts ertönte ein Surren, als würde ein Bienenschwarm auf ihn zustürzen. Immer wieder blitzte etwas in einigen Metern entfernung auf.   Und er wusste, dass es ihn diesmal nicht verfehlen würde...   oOoOoOo [LEFT] [/LEFT] Stanley Dickenson wurde plötzlich fest an die Wand gedrückt. Hinter ihm tauchte wie aus dem Nichts ein hochgewachsener Mann auf, der ihn grob gegen die Wand geschoben hatte und nun direkt hinter ihm stand. Der fremde Körper fühlte sich fest an, muskulös.   Dreißig Sekunden, vielleicht war es auch eine Minute. Er wusste nicht, wie lange sie hier standen.   Als die Geräusche verstummten, atmete er erleichtert aus. Er hatte nicht einmal bemerkt, dass er den Atem angehalten hatte. Hinter ihm wurde es wieder kalt.   Er zögerte einen Moment zu lange, dem Mann ins Gesicht zu sehen, der ihn gerettet hatte, um ihm zu danken. Ein leichter Duft von Moschus – mehr war nicht hinter ihm.   Auch ohne sein Gesicht gesehen zu haben, wusste er sofort, wem er diesen Geruch zuordnen musste. Als die BBA ihren Platz als Beyblade-Liga in Japan verlor, hatte er es mehr als einmal mit ihm zu tun bekommen. Doch erst jetzt, als ihm der Geruch wieder in die Nase stieg, wurde ihm bewusst, das er ihn schon damals wahrgenommen hatte.   Der hochgewachsene Mann, den immer eine fein holziger frischer Duft umgab.   Boris Balkov.     oOoOoOo   Balkov verschwand ungesehen in einen der geheimen Gänge der Abtei, einige Akten unter seinen Arm geklemmt. Er hatte Wind davon bekommen, dass die BBA in der Abtei rumschnüffelte und stand unter Zugzwang. Er fragte sich, was der alte Mann im Zwischenstock wollte, während der Rest seiner Mitarbeiter im ersten Stock herumgeschnüffelte...   Und er fragte sich noch viel mehr, warum er Dickenson vor den automatischen Bey-Shootern gerettet hatte?   Er wusste es nicht.   Balkov war ein Mann, der früher einmal Ideale hatte - lange, bevor er auf Voltaire Hiwatari traf.   Heute konnte er nur noch auf sie zurückblicken und bereuen, dass er eine falsche Abzweigung genommen hatte. Das es zu spät war – der Satz, es wäre nie zu spät, war lachhaft.   Er hatte seinen Weg eingeschlagen. Einen falschen Weg. Einen dunklen. Genau wie Dickenson heute, doch der tat das falsche aus den richtigen Gründen.   Ihm zu helfen war die erste Fackel, die seinen langen dunklen Weg wieder ein wenig erhellte. Kapitel 2: Guilty ----------------- Die gefährlichsten Lügner waren die, die glaubten, sie sagen die Wahrheit.   Stanley Dickenson schaltete den Fernseher aus. Er hatte eines der zahlreichen Interviews mit Boris auf einem Nachrichtensender angesehen. Hochgewachsen und gut gekleidet stand er dort mit einer kleinen japanischen Reporterin. Sie fragte ihn, was man von der BEGA zu erwarten hatte.   "Wir wollen den Kindern die Chance geben, profesionelle Beyblader zu werden. Wir wollen den Sport groß machen. Olympiareif", betonte er lächelnd.   Beinahe hätte Stanley Dickenson ihm die Scharade abgenommen – doch er wusste es besser. Manchmal fragte er sich, ob Boris tatsächlich an die Worte glaubte, die seinen Mund verließen.   Neue Talente. Profisport. Hoffnung.   Läge irgendetwas davon in Boris Absicht, hätte er jetzt nicht diesen Termin -   Es klopfte an der Tür. "Herein", rief der ehemalige Chef der BBA und erhob sich seufzend von seinem Schreibtischstuhl, um seinen Gast zu begrüßen. Ein dunkel gekleideter Mann mit markantem Gesicht betrat den Raum. Seine tiefen Augen huschten im Zimmer hin und her, ehe sie den rundlichen Mann vor sich fixierten. "Bykow", stellte sich der Mann knapp vor und schüttelte ihm die Hand. "Sie wissen, warum ich hier bin, nehme ich an?" Mr. Dickenson atmete tief ein und aus, ehe er nickte. Er war unruhig.   Ja, er wusste genau, wieso jemand von der russischen Kriminalpolizei in seinem Büro saß. Vor drei Wochen hatte sein Team in der Abtei einige Knochen gefunden, die wie vermutet von Kindern und Jugendlichen aus der Abtei stammten.   "Haben Sie etwas Neues herausgefunden?", erkundigte Mr. Dickenson sich. "Einiges", antwortete Bykow. Kein besonders gesprächiger Typ. Kein Smalltalk, nur Geschäftliches. "Die Knochen, die dort gefunden wurden, stammen von sieben verschiedenen Personen. Alles Kinder oder Jugendliche im Alter von acht bis vierzehn Jahren. Unklar ist im Moment nur, ob noch mehr Leichen in dem Teich hinter der Abtei versenkt wurden. Weiter ergaben die Untersuchungen, dass die Kinder etwa vor einem halben Jahr durch intensive Gewalteinwirkung auf den ganzen Körper gestorben sind. Alle – bis auf einen."   Stanley Dickenson bemerkte, dass der Mann die Stirn runzelte, als er in das kleine schwarze Buch sah, das er aus seiner Manteltasche hervorzog.   "Vielleicht können Sie ein wenig Licht in die Angelegenheit bringen", murmelte er mehr zu sich selbst, als zu Mr. Dickenson, bevor er ihn wieder ansah. "Im Bericht stand, dass die Vermutung nahe liegt, es habe sich um eine Bombe gehandelt, deren Druckwelle die Kinder erfasst und mit unglaublicher Wucht zu Boden und gegen Wände gedrückt hat. Soweit ich mich erinnere, war die Abtei aber weitestgehend intakt. Haben Sie eine Vermutung, was die Ursache sein könnte?"   "Nun...", sagte Mr. Dickenson ausweichend, "ich bin mir nicht sicher, ob ich der Richtige bin, um Ihnen weiter zu helfen." Nervös knetete er die Hände. Als er bemerkte, da Bykow ihn scharf beobachtete, flüchtete er sich zurück hinter seinen Schreibtisch.   "Sie wissen mehr, als Sie zugeben wollen", stellte Bykow nüchtern fest. Stanley Dickenson war nie ein Lügner gewesen - geschweigedenn ein guter.   Es hatte keinen Zweck, zu leugnen. Sie wussten beide, dass er nicht die Wahrheit sagte – und das half niemandem. "Ja", stimmte er zu. Er öffnete die oberste Schublade seines Schreibtisches und zog eine abgegriffene braune Papierakte hervor. "Hier." Bykow nahm sie entgegen und schlug die erste Seite auf. Mit geübtem Blick hatte er in wenigen Sekunden alle relevanten Informationen aufgenommen. Es war der Lebenslauf eines Jungen namens Artjom. "Er ist einer der Jugendlichen, die im See gefunden wurden", gab Mr. Dickenson zu.   "Woher wissen Sie das?" Eigentlich hatte er erwartet, dass der Polizeibeamte verblüfft klingen würde, aber sein Beruf ließ es wohl nach jahrelanger Erfahrung nicht mehr zu, dass er noch überrascht wurde.   Stanley Dickenson war kein Spieler – nie gewesen. Doch er pokerte hoch, als er einen unschuldigen Schuldigen mit diesen Worten verriet:   "Weil ich ganz sicher weiß, wer es war."   oOoOoOo   Er saß auf der Anklagebank.   "Die Staatsanwaltschaft wird gebeten, ihr Schlussplädoyer zu halten", sagte der vorsitzende Richter. Aus seiner Stimme konnte man deutlich jahrelange Autorität heraushören. Der Gerichtssaal war bis auf den letzten Platz besetzt und trotzdem herrschte Totenstille. Jeder wollte den Prozess mitverfolgen.   Der Staatsanwalt in seiner schwarzen Robe erhob sich und sprach das hohe Gericht und den die Verteidigung direkt an.   Er päldierte auf schuldig.   Lebenslang.   Auf der Anklagebank saß zweifelsohne jemand, der in seinem Leben schon lange nicht mehr unschuldig war.   Dennoch verlangte die Verteidigung Freispruch.   Für einen Mord, den er begangen hatte. Den er vor allen hier im Saal gestanden hatte.   Freispruch.   oOoOoOo   Nach einer schier endlosen Stunde kamen sie alle nacheinander zurück in den Gerichtssaal. Acht Robenträger. Acht Menschen, die über seine Zukunft entscheiden würden.   Acht Worte: "Der Angeklagte, Tala Ivanov, ist schuldig des Mordes."   Lebenslang.   Ja, er war schuld am Tod des Jungen. Sein BitBeast war außer Kontrolle geraten und alles was Tala tat, war Schlimmeres zu verhindern.   Er stoppte sein BitBeast, indem er Artjom stoppte.   Das war sein Fehler – und das er dem alten Dickenson vertraut hatte.   Die Wahrheit war, dass er nur helfen wollte – und die Wahrheit war, dass er und Wolborg dafür ein Leben ausgelöscht hatten; um die zu retten, die noch zu retten waren. Dafür wurde er nun verurteilt.   Schuldig.   Es war ungerecht – doch war es das wirklich?   Eine richtige oder falsche Antwort auf die Frage gab es nicht, doch eines konnte man über Russland sicher sagen: es gab ebenso wenig hundertprozentige Wahrheit wie hundertprozentigen Alkohol. Kapitel 3: Twenty one-O-five ---------------------------- Rauchschwaden stiegen aus einer der Konsolen im Labor auf und vernebelten die Sicht.   "Da ist noch jemand drin", schrie ein Mann im weißen Kittel aufgebracht. "Das Experiment!" "Nicht da rein – das ist zu gefährlich!", rief ein anderer.   oOoOoOo   Glas splitterte und Artjom spürte, wie er plötzlich aus der Röhre gezogen wurde. Mit einem Arm streifte er eine scharfe Kante.   Blut tropfte.   Desorientier kauerte er am Boden und sah sich um, atmete flach.   Es war heiß im Raum. Heiß und stickig.   Sein Blick blieb schließlich an dem jungen Mann mit den roten Haaren haften, der ihn aus der Glasröhre rausgezogen zu haben schien. Konzentriert versuchte er den sichersten Weg aus den Flammen auszumachen. Artjom wollte fragen, was passiert war, doch er blieb stumm.   "Wir müssen hier raus, gleich fliegt alles in die Luft", sagte der Rotschopf und drückte ihn schroff noch tiefer auf den Boden.   Das Gesicht des jungen Mannes kam ihm so vertraut vor – und doch konnte er sich an seinen Namen nicht erinnern. Sein Gedankengang wurde jäh unterbrochen, als dieser einen Fluchtweg gefunden hatte.   "Mir nach – und halt deinen Arm über Nase und Mund", wies er ihn an, ehe er zielstrebig an einigen heißen Flammen vorbeihuschte, Artjom vor sich hertreibend.   oOoOoOo   Er atmete tief durch, als die Luft um ihn herum kühler und klarer wurde und ließ sich auf den einst Boden fallen, der grau und verdreckt war.   Gar nicht mehr weiß und steril, wie sonst.   Sie hatten es geschafft, der Flammenhölle zu entkommen. Kaum zwei Minuten hatte es gedauert. Neben ihm stand der Rothaarige, der ihn gerettet hatte.   "Wie heißt du?", fragte er und beugte sich zu Artjom herunter. "Artjom."   "Artjom, ich bin Tala", sagte er und sofort fiel ihm wieder ein, woher er den Rothaarigen kannte. Natürlich, die Demolition Boys.   Sie trainierten nicht mit den anderen zusammen in der Abtei, sondern hatten separate Trainingsräume und bisher kannte Artjom sie vom Hören, kaum vom Sehen. Während der Zeit, in der Abtei war er ihnen vielleicht ein- oder zweimal begegnet.   "Du bist doch Teamcaptain der Demolition Boys", stellte Artjom fest. Tala sah ihn zuerst verständnislos an, bevor er lachte.   "Nein. Ich bin Ersthelfer beim Brandschutz – und die Demolition Boys sind das beste Team in der Abtei. Ich habe in meinem ganzen Leben noch keinen Beyblade benutzt", antwortete er. "Ich habe nur Einsätze, wenn es brennt. Buchstäblich." Sein Mund verzog sich zu einem breiten Grinsen.   "Aber du und Wolborg-", setzte Artjom an, verstummte aber, als Tala den Kopf schüttelte.   "Die Demolition Boys bestehen aus Tyson und Dragoon, Max und Draciel, Ray und Driger – und Kai und Dranzer."   "Was?", flüsterte Artjom ungläubig.   Tala sah nicht aus, als hätte er einen Scherz gemacht, aber das konnte nicht sein. Entgeistert sah Artjom sich um und stellte zum ersten mal fest, dass er sich nicht in der Abtei befinden konnte. Alles hier erinnerte eher an ein Krankenhaus, als an ein altes Gemäuer, in dessen Keller BitBeasts und Menschen verschmolzen werden sollten.   "Ist das hier die Abtei?", wollte er schließlich wissen. "Ja", antwortete Tala knapp. Besorgt sah er den Jungen vor sich an und bemerkte, dass er am Arm blutete. "Ich hol dir einen Verband."   Was war hier los?   Wo war er?   Wann war er?   Warum war er hier?   Einige der Männer in den weißen Laborkitteln kamen auf ihn zu, als Tala verschwunden war.   "Erstaunlich", bemerkte einer der Männer. "Junge, weißt du, wie du heißt?", wollte ein anderer wissen. "Artjom", antwortete er. "Woher kommst du?", fragte ein anderer. "Aus Moskau", sagte Artjom.   Langsam fühlte er sich in dieser Situation unwohl. Er wusste nicht, wieso er plötzlich so viel Interesse auf sich zog – schließlich war er wie jeder andere auch.   Oder?   Plötzlich beugten sich die Männer verschwörerisch in seine Richtung, ihr Gerede wurde zu einem Flüstern.   "Welches Jahr haben wir?" Gespannt warteten sie auf seine Antwort. Artjom überlegte. 2006? Oder war es schon 2007? Artjom entschied sich und sagte: "2007."   Die Männer tauschten untereinander vielsagende Blicke aus, ehe man ihn korrigierte.   "Wir haben das Jahr 2105. Du wurdest in einem der Glastanks von BioVolt konserviert. Die BioVolt Forschungsabteilung wollte dein Bewusstsein umwandeln in dunkle Materie", erklärte einer der Forscher, "allerdings hat sich die BioVolt in den letzten 100 Jahren gewandelt – zum besseren. Wir haben versucht, diesen Prozess rückgängig zu machen. Scheinbar ist es uns gelungen..."   oOoOoOo   Ian lief an einem blonden Jungen vorbei. "Hast du seinen leeren Blick gesehen?", fragte er und sah Spencer aus dem Augenwinkel an. "Ja", antwortete er, "BioVolt hat sein Bewusstsein gespalten – in dunkle Materie."   "Klingt ganz nach Balkov", bemerkte Ian spitz.   Sie waren froh, dass es nicht ihr Bewusstsein war –   ihnen war noch bewusst, wer sie waren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)