Der Glasgarten von Gadreel_Coco ================================================================================ Kapitel 26: Spreiz die Beine ---------------------------- ~ …Spreiz die Beine… ~ o~ "Komm hier rein", führte Schuldig Ran wenig später in einen Laden für Herrenmode der oberen Klasse. Sicher würde Ran auch ein Kimono samt Obi stehen. Und das Geld spielte keine Rolle - nicht bei ihm. "Damit machen wir den Anfang", beschloss er gut gelaunt. Aya runzelte nachdenklich die Stirn. Er hatte durch Zufall einen Blick auf das Preisschild geworfen und die Anschaffung dieses Luxusgutes glatt verworfen. Wenn sie in solch großem Stil einkaufen gingen, war er noch Jahre damit beschäftigt, Schuldig das Geld zurück zu zahlen. Nein…das musste nicht sein. Er deutete auf die mehr modernen und auch billigeren Sachen. Die zum Teil weitaus bequemer waren. „Wie wäre es denn damit?“, fragte er und deutete auf die Jeans, die säuberlich gestapelt auf den Regalen lagen. Schuldig warf einen kritischen Blick darauf und hatte gleich erkannt, warum Ran wohl zu diesen Sachen tendierte. Doch er sagte nichts. Er würde sich langsam herantasten. "Klar, warum nicht? Wenn dir etwas gefällt, probier’s an! Ich sag dir schon wie’s aussieht", lächelte er etwas gemein, das amüsierte Funkeln in den Augen nur für Ran präsent. Der eben dieses mit Misstrauen aufnahm. Er konnte sich die Kommentare schon ausmalen, die ihm entgegen wehen würden. Trotzdem oder gerade deswegen nickte er mit einem warnenden Blick und ging auf Jagd. Suchte sich nach einer kurzen, freundlichen Unterhaltung mit dem Verkäufer durch die Regale und Ablagen. Trug das zusammen, was ihm richtig schien und schlich schließlich mit seiner Beute unauffällig zu den Umkleiden. Hauptsächlich Jeans, dafür in allen Formen und Farben. Dazu eher sportliches, aber auch elegantes…für eventuelle Vorstellungsgespräche. Zwar nicht unauffällig genug für Schuldig, doch er wusste nicht, was Ran sich alles erbeutet hatte und so harrte er vor der Umkleide aus um sich die guten Stücke am lebenden Objekt vorführen zu lassen. Die besten Läden hielt er sich natürlich noch in der Hinterhand, die nämlich ausgefallene Sachen anboten. Das erste Outfit fand seinen Weg auf Ayas Körper, wurde schließlich kritisch von diesem in Augenschein genommen. Der weinlaubrote Rollkragenpullover im legeren Schnitt, die schwarze, einfache Bundfaltenhose, passend dazu schwarze Anzugschuhe plus Jackett. Das erste Outfit, was er Schuldig vorführen würde, auch wenn er die Jeans schon durchprobiert hatte. Er drehte sich, beäugte die Sachen stumm. Ihm gefielen sie. Energisch öffnete er die Tür der Ankleidekabine und hob beide Augenbrauen. Und sah das Grauen vor seiner Ankleidekabine stehen, in Gestalt eines Telepathen ... Zumindest hatte Schuldig den Eindruck als er in das wenig erbaute Gesicht des Mannes blickte, der ihn wohl lieber nicht hier zur Begutachtung gehabt hätte. Ein Grinsen stahl sich auf seine Lippen. "Na dann wollen wir doch mal sehen...", unheilte er und ließ seinen Blick über die Zusammenstellung wandern. Zu brav, urteilte er gleich. "Das Rot passt zu den Haaren, der Schnitt der Hose ... dreh dich mal bitte." Er ließ seinen kritischen Blick ernst über die Kleidung wandern. Aya folgte dem fast gehorsam und drehte sich langsam, beinahe schon bedächtig um und streckte die Arme etwas seitlich aus. Schuldigs Blick hatte nichts Gutes ausgesagt…das hatte er schon beim ersten Ansehen gemerkt. Er wusste schon, warum er lieber alleine einkaufen ging, denn in dieser Hinsicht ähnelte Schuldig auf beängstigende Weise Youji. Zu weit, zu brav, zu bieder…wie wäre es mit etwas mehr Leder…oder nein, noch besser Lack. Das Ergebnis dessen hing aber leider im fernen Kleiderschrank. Leider? Aya war sich nicht sicher. Seine Runde beendet, begegnete er wieder den grünfunkelnden Augen und vergrub seine Hände lässig in den Taschen. "So schlimm wie es anfangs ausgesehen hat, ist es gar nicht", fiel das endgültige Urteil aus. Es war schließlich gut geschnitten. "Steht dir." Schuldig lehnte sich wieder zurück und wartete auf das nächste Ensemble - das hoffentlich etwas weniger langweilig war. Aya schüttelte lächelnd den Kopf, konnte dadurch nicht wirklich seine Empörung zur Geltung bringen. Er verschwand wieder in der Kabine und zog sich das nächste Outfit über. Dieses Mal etwas Legeres… eine Jeans, die er Schuldig auch zeigen würde und die – anscheinend nach einem neuen, westlichen Schnitt – am Hintern etwas lockerer saß, dafür die Oberschenkel mehr umschmeichelte. Locker über die Schuhe fiel. Dazu trug er ein bedrucktes, olivegrünes Shirt. Wollte er doch mal sehen, was Schuldig dazu sagte. Schuldig seufzte erleichtert als Ran das nächste Mal herauskam. Ja, das war besser, viel besser. "Ich hatte schon die Befürchtung das würde gar nichts mehr werden", murmelte er. "Hose gefällt mir, Oberteil... muss es etwas mit Druck sein? Wenn ja ... gibt es andere Läden mit mehr Auswahl. Das Shirt ist gut, einen Ton heller und es würde dich krank machen, aber das geht gerade noch. Soo nächstes", ordnete er an und grinste, betrachtete sich den verpackten Hintern, der nur andeutete was verborgen dahinter war. Das gefiel ihm außerordentlich gut. Das war definitiv schlimmer, als alleine einkaufen zu gehen. Alleine war es entspannend, er konnte in Ruhe aussuchen, anprobieren, mit der Schlichte der Dinge zufrieden sein…Aber gut… innerlich grollend zog sich Aya das Shirt über den Kopf und stieg aus der Hose, hinein in die nächste Kombination. Mal sehen, was Schuldig DAZU sagte…er lächelte unwillkürlich. Hier war nichts zu brav, das auf keinen Fall. Das konnte Schuldig ihm nicht erzählen. Allerdings hatte er nicht wirklich vor, das Outfit zu kaufen, es war nur dazu gedacht, dieses rothaarige Ungetüm vor der Kabine zu beschwichtigen. Jesus. Schuldig ließ sich von seiner Begeisterung nichts anmerken. Gelassen betrachtete er sich ... zugegebenermaßen lange das Outfit. Eine Jeans - lässiger Schnitt, darüber ... ein enges schwarzes Shirt, welches knapp einen Spalt zwischen Hose und Shirt freiließ. Das ärmellose Shirt eine Kombi aus feinem Netz und schmalen Lederstreifen, die sich zum Einen quer fünf Zentimeter in Höhe der Brustwarzen darüber legten und zum Anderen längs das Brustbein bis hinunter zum Bauchnabel bedeckten. In der Hand hielt Ran eine Jacke die ähnlich wie eine Motorradjacke geschnitten war. Schwarzrotes Leder. "Das nimmst du auf jeden Fall!", grinste Schuldig begeistert und freute sich. Ran in diesem sportlichen Outfit zu sehen. Das passte viel besser zu ihm, als diese langweiligen Bundfaltenhosen. Na das wurde wohl nicht aus dem das Outfit unschuldig dem Verkäufer zuschustern, damit dieser es zurückbrachte. Aya lächelte mit einem gequälten Touch in sich hinein und schüttelte den Kopf. Dennoch bedachte r Schuldig mit einem spöttischen Blick. Hatte er doch gedacht, dass diesem eben dieses Outfit gut gefallen würde. Er streunte wieder zurück in die Kabine und entledigte sich der neuen Sachen, häufte sie ordentlich nach kaufen und nicht kaufen auf. Er betrachtete sich das einsame Shirt, das er nicht nehmen würde. „Mit dir war der hohe Herr anscheinend nicht zufrieden“, bemerkte er leise. Für einen Moment stand er dort, den Blick auf die Kleidung, die Gedanken jedoch weit weg. Für einen Augenblick war es schwer, hieraus etwas Positives zu ziehen. Der Tod seiner Schwester lastete wie ein schweres Gewicht auf ihm, so sehr, dass er sich am Liebsten verkriechen wollte. Doch das tat er nicht. Er zwang sich dazu zu lächeln und es auch wirklich ernst zu meinen. Erst danach verließ er die Kabine und trat Schuldig entgegen. „Noch etwas? Oder sind wir fertig?“, fragte Aya, wobei ihn jedoch die leise Ahnung beschlich, dass es das für Schuldig nicht gewesen war. "Das war doch erst der Anfang. Du glaubst doch nicht, ich lasse dich so davonkommen", lächelte Schuldig amüsiert und wandte sich der Verkäuferin zu. Es warteten noch ein paar nette Läden, die er Ran nicht vorenthalten wollte. Also zahlte er schnell die Kleidung und kurz darauf waren sie wieder vor der Tür. "So ... mir nach." Die Menschen um sich herum tastete er mit seinen Fähigkeiten ab, was beiweilen nicht so leicht war, da Telepathie eine zielgerichtete Sache war. Das Risiko, dass Kritiker ihnen auflauerte, konnte er bei diesen Menschenmassen nicht ausschließen. Aber er wollte Ran nicht beunruhigen, er wollte das Lachen bald wieder hören... So führte er innerlich leicht angespannt wachsam Ran zum nächsten Laden. Einen Laden, den Aya äußerst wachsam beäugte. Das hier war ein krasses Gegenteil zu dem Geschäft, in dem sie vor kurzem noch waren. Alleine schon die laute, brachiale und schnelle Musik, die ihm entgegenschallte, verhieß, was er hier finden würde. Die besten Accessoires, um mit Youji in einen der S/M-Clubs zu gehen. Lack und Leder soweit das Auge reichte. Nicht, dass ihm derlei Läden gänzlich unbekannt waren…nein. Dafür hatten sie sich schon oft genug in ihnen eingekleidet. Er sah sich mit spöttisch erhobener Augenbraue um und entdeckte in einem abgelegenen Teil des dunklen Raumes auch noch Indie-Sachen. Karomuster, Ketten, Bondagehosen… alles, was das Herz begehrte. Er hätte gestern Abend nicht so viel plaudern sollen… So, da waren sie also und Schuldig freute sich wie ein Dieb auf nächtlicher Erkundungstour. Hatte er sich doch schon einen Plan ausgedacht, wie er Ran möglichst ohne dessen Gegenwehr die attraktivsten Teile zuspielen konnte. Doch während er sich kurz mit der Verkäuferin unterhielt und sich nach Einzelstücken erkundigte, tastete er die Umgebung kurz ab und tat dies auch als er augenscheinlich vorgab, einige der Stücke sehen zu wollen. Dessen ungeahnt seufzte Aya ergeben und suchte sich durch die Reihen der übereinander und nebeneinander gestapelten Sachen, deren Ordnung verdächtig Schuldigs Kleiderschrank entsprach. Ordnung? Wohl eher Endzeitchaos, wie es sich in Aya bissig breit machte. Völlig in Gedanken versunken, lud er auch hier sich stapelweise Dinge auf den Arm, die laut Schuldig vermutlich viel zu brav waren. „Bereit für die nächste Runde?“, ließ er zu Schuldig schallen und verschwand hinter einer der durchaus einen Blick zulassenden, löchrigen Holztüren. Aya tat das mit einem Schulterzucken ab. Schlimmer als Youjis Kommentare konnte es nicht mehr kommen. Die ersten beiden Stücke am Leib, trat er schließlich wieder hinaus. Gut - betrachtete sich Schuldig die Teile - schlicht waren sie, wenn nicht doch einige nette Spielereien diesen Eindruck etwas aufpeppten. Ein betonendes Oberteil, mit hohem Kragen, an den Flanken Reißverschlüsse. Im Übrigen nutzte Rans wiederholtes Herunterziehen auch nichts. Das Teil war nun mal bauchnabelfrei. Um die Beine schmiegte sich eine schimmernde Stoffhose aus schwarzem Satin. Die Hose saß eher auf der Hüfte und ließ die Beckenknochen etwas sehen. Was Schuldig mit düsterem Blick zur Kenntnis nahm, aber nichts sagte. Er würde Ran schon aufpäppeln! "Nicht schlecht, aber mal sehen, was noch so kommt." Irgendetwas schien Schuldig an seinen Bauch nicht zu gefallen, so missfallend wie sein Blick wurde. Doch auch Aya sagte nichts dazu, sondern verschwand mit nachträglichem Schnauben in die Kabine. Ließ sich von der Musik treiben, die scheinbar wie die Faust aufs Auge zu den Sachen passte, die er sich gerade überstreifte. Die eng anliegende Lederhose, deren Beine mit grobgliedrigen Ketten verziert waren und bei jedem Schritt rasselten. Passend dazu das Oberteil, das… Mal sehen, wie es Schuldig gefiel, lächelte Aya in sich hinein und öffnete langsam die Holztüren, stützte sich gönnerhaft an den Flügeln ab. „Besser?“ Schuldig hatte sich unterdessen umgesehen, hielt danach zwei Hosen und ein Oberteil in Händen. "Frechdachs", flüsterte er, als er mit amüsiertem Funkeln die kleine Show sah, die Ran vor ihm abzog. So wie er die Arme abstützte... "Zu viele grobe Ketten", sagte Schuldig. "Probier mal das hier an", reichte er Ran eine Lederhose und eine Stoffhose, die beide seitlich komplett zum Schnüren waren. "Ich such dir unterdessen eine heraus, die weniger Ketten hat. Doch an dem Oberteil kam er nicht vorbei. "Das Teil behältst du", grinste er. War es eine Weste aus grobem, festem Stoff, hochgeschlossen, mit Reißverschluss, gehörten zu der Weste mit Ketten versehene Ärmel, die an diesen abnehmbar waren. Verlieh dieses Outfit Ran eine verspielte Gefährlichkeit, die sich tatsächlich so verhielt und nicht nur der Kleidung zugeschrieben werden konnte. Doch das wussten nur Ran und er selbst. „Und wofür werde ich das brauchen? Als Arbeitskleidung?“, moserte Aya kritisch und nahm die anderen Dinge an. Er konnte sich nicht vorstellen, sich morgens zu duschen und schließlich in halbdurchsichtige Lederkluft zu schlüpfen. Er verschwand wieder in den Untiefen der Kabine und streifte sich Schuldigs Vorschlag über. Gar nicht schlecht….wenn auch etwas eng. Dazu passend wählte er ein anderes Oberteil und verschwand wieder nach draußen. "Perfekt", grinste Schuldig "Als Arbeitskleidung? Hast du denn schon einen Job?", amüsierte er sich weiter und gab Ran die Hose mit den etwas feineren Ketten, dazu noch ein Oberteil das fast nur aus senkrechten Reißverschlüssen bestand, die in dem Licht des Ladens schimmerten. Er war schon lange nicht mehr in Harajuku in diesem Laden gewesen, hatte ihn schon vermisst, vor allem hier nun mit Ran zu sein, der diesen Einkauf trotz sicher schlimmer Vorahnungen zu genießen schien. o~ Ein lautes Magengrollen begleitete Ayas Arbeit, alle Sachen, die sie heute erstanden hatten, in den Kofferraum zu räumen. Und es waren nicht wenige Tüten, die sie erbeutet hatten. Er ächzte. Hier noch ein Laden, da noch einer, da der, in dem Schuldig seine rote Reizwäsche erstanden hatte. Wie gut, dass sich Aya von Anfang an geweigert hatte, die kompetente und nette Verkäuferin kennen zu lernen, die den Telepathen so wundervoll beraten hatte. Auch wenn diese Schuldig durchaus wieder erkannt hatte. Lieber hatte er da seine Aufmerksamkeit einem anderweitigen Geschäft gewidmet… ein großer Fehler. Dort hatte es Mäntel gegeben, in allen Formen und Farben. Viele Mäntel, die Schuldig Anlass gegeben hatten, ihn auch damit einzudecken. Wie viele nannte er jetzt sein eigen? Fünf? Sechs? Sieben? Für jeden Anlass einen. Na das war ja wunderbar. Aya hievte die Tüte mit den Stiefeln und Schuhen in den Wagen. Insgeheim war er doch etwas belustigt. Das reichte für die nächsten drei Jahre, was sie heute alles gekauft hatten…musste es auch, denn genauso lange würde Aya beschäftigt sein, das Geld zurück zu zahlen, was Schuldig heute für ihn ausgegeben hatte. Er ließ die Kofferraumklappe zufallen und platzierte sich neben Schuldig auf dem Beifahrersitz. Nahm das Mitnahmeessen auf seinen Schoß und schnallte sich an. Wie gut, dass sie in der Wohnung des Deutschen aßen…draußen wäre er erfroren, so kalt war es mittlerweile geworden. Kein Wunder, war doch die Wärme spendende Sonne gen Horizont und weit dahinter verschwunden. Schuldig war sehr zufrieden mit sich. Das war doch schon ein guter Anfang gewesen. Ein zufriedener Ausdruck lag auf seinem Gesicht, als er Ran nach längerer Autofahrt einige der Tüten abnahm und sie gemeinsam ins Loft hinauffuhren. "Ich habe jetzt einen Riesenhunger", bekannte er in der Wohnung und ließ sich auf die Couch fallen. „Vielfraß“, lachte Aya und aktivierte verschiedene, gedämmte Lichtquellen in der großen Wohnung. Hatte er Schuldig doch abgeschaut, wofür auf dieser Fernbedienung was stand. Er stellte sorgsam alle Tüten in den Schlafbereich. Reihte sie ordentlich auf, damit sie sie nachher auseinander wirren konnten. Doch schließlich hatte er ein Nachsehen und platzierte das Essen vor Schuldig auf den Wohnzimmertisch, sich selbst dazu weniger dekorativ neben dem Telepathen. Er zog die geschundenen, kalten Füße zu sich auf die Couch und griff sich eine der kleinen Schachteln. Gut, so klein waren sie auch nicht. Obwohl er auf eine Kinderportion bestanden hatte, hatte der Standbesitzer ihm mit den Worten, er ‚könnte doch etwas auf die Rippen vertragen’, eine Extraportion gegeben. Alles Schuldigs Schuld, darauf mochte er wetten. Er würde seine nicht mehr vorhandene Jungfräulichkeit darauf verwetten, dass dieser in die Gedanken des armen Mannes eingedrungen war. Tatsächlich war es Schuldigs Schuld gewesen, doch das war diesem herzlich egal, denn er schaufelte gerade gut gelaunt das Essen in sich hinein, freute sich über den Verlauf des heutigen Tages und fühlte sich rundherum wohl. Wie gut ... wie gut .. dass Ran nichts von Kritiker erwähnt hatte und sie von diesen nicht zufällig entdeckt worden waren. So war dieser Tag nicht mit Schatten behaftet, wie von ihm zwischendurch befürchtet. "Darf ich mal probieren", linste Schuldig neugierig zu Rans Portionen, die in unterschiedlichen Größen auf dem Tisch standen. Aya hielt Schuldig lächelnd sein momentanes Essen hin. Er kam sich vor, als würden sie das schon Jahre tun…als wären sie die besten Freunde. Doch was machte das für einen Unterschied, dass sie eben das nicht waren? Für den Moment fühlte er sich wohl. Für den Moment konnte er vergessen, warum er hier war. Was passiert war. Und so sehr er auch das Andenken an seine Schwester bewahren wollte, so sehr wünschte er sich, dass Augenblicke wie diese sich mehr und mehr häuften und er endlich in der Lage wäre, sein Leben mit mehr Freiheit zu gestalten, als er es je getan hatte. Wozu auch gehörte, dass er sich langsam Gedanken über die Arbeit machte. Über ein neues Leben. Über die Rettung seines Teams. Er wollte sie nicht länger in den Fängen von Kritiker lassen…nicht, wo sie auch Gefahr liefen, getötet zu werden. Doch das würde er jetzt nicht mit Schuldig erörtern, hatte er doch gespürt, wie der Deutsche den ganzen Tag lang glücklich, wenn nicht sogar zahm gewesen war. Außergewöhnlich handzahm…wie immer, wenn er sich über etwas freute und dadurch äußerst zufrieden war. Seine Stäbchen schlichen sich zum Essen eben dieses Mannes und klauten sich höchst unauffällig ebenso eine Probe. "Hmm das war wie immer ein Genuss", lehnte sich Schuldig zurück auf die leeren Schachteln starrend, die noch hin und wieder einen kleinen Rest innehatten. "Und jetzt eine Zigarette ... oder ...?", ließ er den Satz offen und grinste leicht in sich hinein. Doch er erhob sich und schnappte sich seine Zigaretten, ging damit zur Terrasse. Doch Aya blieb zunächst noch auf der Couch sitzen und lehnte sich wohlgenährt zurück. Schlecht war ihm schon…nur ein klein wenig. Doch nicht soviel, dass er sich übergeben musste. Müde strich er sich seine Haare zurück und löste den geflochtenen Zopf. Schüttelte die Flechten aus und stand auf. „Wohin soll ich die Sachen räumen?“, rief er zur Terrasse hinaus und begann bereits, die ersten drei Tüten auf dem Bett auszubreiten, als sein Blick auf den großen, metallenen Tisch unweit dessen fiel. Er runzelte die Stirn. Neugier war es, die ihn dorthin trieb. So war ihm dieses zugegebenermaßen etwas puristische Möbelstück nie aufgefallen. Doch nun… "Ich mach dir Platz, kleinen Moment, die Mäntel kannst du in den Schrank dazuhängen", rief Schuldig zurück und zündete sich die Zigarette an. Was für ein herrlicher Tag, sonnte er sich in der Wärme, die ihn durchfloss. Ein warmes Lächeln gefolgt von einem jungenhaften Grinsen legte sich auf das offene Gesicht. Ran zog in seinen Kleiderschrank ein... …hievte sich zunächst aber auf den metallenen Tisch, der – seinen Beobachtungen zufolge – wohl noch ein Fach für Dinge unter der normalen Platte hatte. Er legte den Kopf schief und beobachtete Schuldig eine Weile lang. Versonnen ließ er die Beine baumeln und strich mit seinen Fingern über die kühle Oberfläche des Tisches. „Was ist hier drin?“, fragte er schließlich in Richtung Balkon. Schuldig zog die Stirn kraus und kehrte zur Tür zurück. Suchte mit misstrauischem Blick nach Ran und fand ihn auch gleich. Die Zigarette noch im Mundwinkel und den Arm lässig an die Tür gelehnt, fand er das Bild fast berauschend welches sich ihm da bot. "Der neugierige Kater hat also das Spielzeug gefunden", flüsterte er dunkel für sich. Überlegte jedoch, ob er das gut fand. Lange stand er da und sah Ran zu, wie er da vergnügt saß und scheinbar sein Recht auf Wissensbefriedigung einforderte. So schnell würde der wohl nicht da runterkommen. Schuldigs Blick loderte auf und fast schon beiläufig schnippte er die Zigarette weg. Ging dann ohne die Terrassentür zu schließen auf diesen zu. "Du willst also wissen, was da drin ist?", fragte er mit der Samtigkeit einer schnurrenden Großkatze, ein sanftes Lächeln auf den Lippen. Aya taxierte Schuldig ebenso wie dieser ihn. Seine Beine baumelten immer noch lässig, als er sich leicht vor- und Schuldig entgegenbeugte. „Würde ich sonst fragen?“, flüsterte er mit einem leicht arroganten Zug um seine Lippen. Oh ja…er ging in diesem Spiel auf, mehr noch sogar. Es machte ihm Spaß. „Also…was hast du hier zu verbergen?“ "Gut", sagte Schuldig und kam eben so nahe, ihre Nasen berührten sich fast als er sich zu Ran beugte, das Violett fixierte. "Dann spreiz die Beine." Die Stimme immer noch dunkel und etwas rau, ließ sie nichts von seiner Absicht erkennen. Für Momente… stille, endlos lange Momente ruhte eben dieses Violett im dunklen Grün und taxierte es. Prägte sich jedwede Regung in den bewegten Augen ein. Er lächelte, wie er im Nachhinein wusste, ebenso spöttisch, wie seine Augen diese Emotion wiedergaben. Schuldigs Atem streifte seine Wange, seinen Hals, als er sich leicht zurücklehnte und Millimeter für Millimeter seine Beine auseinander schob. Dabei den Blick fest verwoben mit Schuldigs. Dieser sah den tanzenden Spott, doch er spiegelte ihn nicht wider. Alles in ihm fühlte sich in diesem Moment zu Ran hingezogen, zu diesem Mann, der tat was er sagte, der auf sein Spiel einging. Ein Spieler. Er hatte in Ran jemanden gefunden, der ebenso gern spielte... Schuldig verfolgte das Spreizen der Beine, kroch mit seinem Blick dann langsam über Rans Schritt hinauf über den Bauch bis hin zu den Lippen, saugte sich für Sekunden fest, bevor er sich den Augen zuwandte. Er trat ganz nahe an den Tisch heran, langsame Bewegungen machend, die die Atmosphäre zwischen ihnen nur mehr verdichteten. Griff unter die Platte und gab den Code ein. Danach beugte er sich zu Ran, legte die Hände fest um dessen Po, zog ihn mit einer kleinen Bewegung näher an seinen Schritt. "Halt dich fest, Kater", sagte er lächelnd, somit seine Scharade etwas aufgebend, da Ran erkennen musste, dass sie lediglich dazu diente ihn vom Tisch zu heben. Doch Schuldig wollte den Mann nicht loslassen. Eben dieser erkannte die Absicht seines Gegenübers und hielt sich an Schuldig fest. Jedoch etwas anders, als der Telepath es vermutlich gedacht hatte. Er schlang seine Beine um die Hüfte des stehenden Mannes und zog diesen näher zu sich heran. So nahe, dass er nun auch seine Arme um den muskulösen Hals schlingen konnte. Sich in die Höhe stemmen und an Schuldig klammern konnte… mit Beinen und Armen. „Und nun…?“, flüsterte er, beugte sich etwas nach hinten, doch gerade nur so, dass er Schuldig in die Augen sehen konnte. „Zeigst du mir jetzt…was du drin hast?“ Schuldig festigte seinen Griff und genoss es wie Ran sich um ihn wand, ihn fast besitzergreifend vereinnahmte. Er genoss die erotische Stimmung, das Knistern welches sich zwischen ihnen aufgebaut hatte und in und um ihre Körper zischte. Aber er hatte auch Furcht, dass diese Stimmung verpuffen könnte, wenn er diesen Deckel anhob. "Dann will ich mal Pandoras Truhe öffnen", sagte er und hob Ran vom Tisch, hielt ihn fest, wusste jedoch auch dass dieser sich festhielt, als er per Knopfdruck die Platte nach hinten gleiten ließ. Seine Hand verließ den Schalter und legte sich wieder unter Rans Hintern. Er wollte ihm so nah wie möglich sein, wollte fühlen, wenn diesem etwas missfiel - wie ihm es auf jeden Fall missfallen würde. Denn dort drinnen lagen auch die Ketten, welche ihn gebunden hatten. Doch die sah Aya nicht. Noch nicht. Er ruhte bequem auf Schuldigs Händen, die ihn abstützten, als er sich zur Seite wandte und einen langen Blick über die Utensilien warf, die hier zu finden waren. Waffen über Waffen, fein säuberlich aufgereiht, allesamt im Halogenlicht der Beleuchtung glänzend. Ein Lächeln huschte über Ayas Züge, als er eine Hand vom Hals des Deutschen löste und sich hinunterbeugte. Einen besonders schönen Dolch aufhob und ihn gegen das Licht hielt. Ihn zu allen Seiten drehte und den Griff bewunderte. „Faszinierend…“, murmelte er und sah Schuldig mit einem dunklen Lächeln in die Augen. „Wirklich…faszinierend…“ Schuldig war derselben Meinung, doch im Gegenzug zu Ran konnte er sich nicht wehren, er hatte keine Hand frei. Doch diesen Nervenkitzel genoss er, war er doch ein Spieler und so saugte er das Lächeln in sich auf und spiegelte es mit der gleichen Intensität wider. "Ein Ritualdolch", sagte er leise, ihre Intimität nicht durch eine zu laute Stimme stören wollend. Seine Hand schlich sich langsam auf die Hüfte und wieder über die Rundung zurück, beobachtete wie Ran darauf reagierte. Dieser war leicht, viel zu leicht – wenn ihn jemand fragte - doch es fühlte sich gut an in seinen Armen... Ran lag gut in der Han... Hatte er dies nicht schon einmal gedacht heute? Oder war es gestern gewesen? Die scharfe Waffe lag fantastisch in Ayas Hand, als dieser sie langsam zu sich nach vorne führte. Zwischen sich und Schuldig. Er lächelte hintergründig und bettete die flache Seite unter Schuldigs Kinn. Hob es leicht mit dem kalten Metall an. Ein metallener Kuss…das war es. Ein gefährlicher, metallener Kuss, den er dem Deutschen dort aufzwang, als er nun den Winkel änderte und die Spitze unter Schuldigs Kinn ruhen ließ. „Ein Ritualdolch….“, sinnierte er flüsternd. „Für das Samhainfest…?“ Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. Undurchschaubar erschienen Schuldig diese Augen, geschliffen und scharf wie ein Brillant wirkten die Iriden und so bröckelte zum ersten Mal das Gefühl des Vertrauens in Ran. Hatte sicher dieser in sein Herz gestohlen um sich nun zu rächen? War es so? Er konnte in diesen Augen nicht lesen, er konnte in gar nichts lesen. Und dies schürte nun doch die Angst in ihm. Er konnte sich auf seine Fähigkeiten verlassen - immer. Nur nicht bei ihm. Und nun? Er antwortete nicht, seine Hände lagen ruhig. Und entgegen seiner Unsicherheit prickelte immer noch die Atmosphäre eben genau deswegen zwischen ihnen. Dennoch ... peitschte sein Puls ihn nach oben, mit dieser Art Situation zum ersten Mal fertig werden müssend. Stille raste ebenso zwischen ihnen wie Schuldigs Herzschlag. Sie ließ Aya innehalten. Erkennen, was er bisher schier übersehen hatte. „Du hast Angst…“, sagte er ruhig, mit einem sanften Lächeln um die Lippen. Er schüttelte den Kopf, wollte diesen davon laufenden Puls wieder einfangen und beruhigen. Wie er ein scheues Tier beruhigen würde. Er ließ den Dolch langsam sinken. „Das brauchst du nicht…dazu besteht keine Veranlassung…nicht mehr.“ Aya drehte sich wieder etwas um und legte die Waffe zurück, warf einen genaueren Blick in das Fach. Fischte sich eine der länglichen Boxen heraus. Dieser Mann war purer Wahnsinn, das wusste Schuldig nun. Ran konnte in ihm lesen wie in einem Buch und er hatte die Angst in ihm gesehen. Etwas in ihm beruhigte sich und etwas anderes fühlte Scham, wollte sich von diesen wissenden Augen verbergen, verkriechen und sobald nicht mehr hervorkommen. Dennoch blieb er, schwieg aber, die Augen blinde Spiegel, verschlossen. Noch hielt er Ran fest in seinen Armen, doch es war als hatte er sich durch die angespannte Situation von eben ... diese Warnung ... in ihrem harmlosen Spiel ... etwas entfernt. Er musste sich wieder einen Weg zurücksuchen. Aya ahnte, was in dem anderen Mann vorging, konnte es schon alleine an der angespannten Gestalt ausmachen, die ihn hielt. „Entspann dich…“, lächelte er und sah ein weiteres Mal in die nun vorsichtigen Augen. „Hältst du mich für so hinterhältig, dass ich…“ Just in diesem Moment hatten seine Finger den Deckel der länglichen Schachtel geöffnet und er staunte nicht schlecht, als er - mit einer pointiert hochgezogenen Augenbraue – den metallenen Buttplug empor und ihnen beiden vor Augen hielt. „Soso…“ Das hatte nichts mit Hinterhältigkeit zu tun, schließlich war Schuldig vor ihm, kein Angriff aus dem Hinterhalt wäre es gewesen… Entspannen sollte er sich? Diese Situation hatte ihn nachdenklich gemacht, wirre Gedanken gingen in ihm vor und zwischen diesen Gedankenfetzen huschte wie schon einmal ein Bild vorbei. Wieder der gleiche Mann, doch wie schon zu vor konnte er es nicht fassen. Doch mit diesem Bild kam ein verstärkter Angstschub, denn der Mann hielt ebenso wie Ran einen Dolch in der Hand. Schuldig blinzelte und täuschte ein Grinsen vor als der Gegenstand vor seinem Gesicht baumelte. "Sex and crime", sagte er, doch innerlich war er aufgefühlt, nur in den Augen zu lesen, die nur kurz einen Einblick gewährten, während sie um Ablenkung im Inhalt des Tisches suchten. Aya lächelte mit, doch nur pro forma. Er hatte es gesehen…hatte gesehen, dass es für Schuldig immer noch nicht gegessen war. Warum dem so war, konnte Aya nur erahnen und die Vorstellung dessen gefiel ihm nicht. Er mochte diese Anspannung zwischen ihnen nicht. Er bettete besagtes Fundstück schweigend zurück in seine Verpackung, legte es vorsichtig zurück und blieb schließlich an etwas hängen, das ihm jetzt, wo er sich darauf konzentrierte, mehr als bekannt vorkam. Ketten. Lang, schmalgliedrig…Manschetten, dazugehörige… Seine Finger bewegten sich aus Eigenantrieb, fuhren mit altbekanntem Ekel über das Metall. Wieso schien es, als kenne er jede Rundung, jeden Verlauf des Metalls nur auswendig? Wieso? Das weißt du ganz genau!, spotteten Ayas alte Angst, die Einsamkeit und die Kälte in ihm, die Verzweiflung, die ihm während dieser…Tage als einzige Gesellschaft geleistet hatten. Er zog seine Hand aus dem roten Samt zurück, als er merkte, dass sie zitterte. Ballte sie unwillkürlich zur Faust. „Lass mich runter“, flüsterte er rau. Sein Gefühl sagte ihm, dass er fliehen sollte...hiervor. Vor diesen Erinnerungen. Und genau diese Erkenntnis, die raue Stimme, das Flüstern, all das erkannte Schuldig plötzlich. Wie ein Peitschenschlag fuhr dies über ihn zusammen, rückte Ran völlig in den Vordergrund und bewirkte, dass er diesem Wunsch nicht nachkam. Die automatische Verschließung veranlasste und mit seiner Last zum Bett ging, Ran darauf absetzte und auf die Knie ging, sich zurücksetzte. "Nein... Ran ...", flüsterte er ebenso wie Ran doch nun den Blick völlig offen in Rans Hände legte. "Pandoras Büchse hat die Stimmung kaputtgemacht", lächelte er traurig zu Ran auf. Der rothaarige Japaner vermochte es nicht, diesem Blick mit einem Lächeln zu begegnen…es ging einfach nicht. Für lange, schweigsame Momente nicht. Er zwang sich, Schuldigs Augen standzuhalten. Dem Wissen darin, der Erinnerung. „Ich… habe doch noch nicht alles gesehen“, murmelte er schließlich in dem schwachen Versuch, die Stimmung wieder zu heben, wusste aber, dass er in diesem Augenblick nicht in der Lage gewesen wäre, einen zweiten Blick hinein zu werfen. Er senkte den Blick, starrte auf seine Hände. "Willst du ... sie mir anlegen, Ran?", bot Schuldig an und seine Hände hoben sich zu Rans Knien, boten die Handgelenke an um sie in Fesseln zu legen. Hilflosigkeit glomm aus seinen Augen. Er wusste nicht wie er nun mit dieser Sache umgehen sollte. "Soll ich sie wegwerfen?" Er wollte das zwischen ihnen aus der Welt haben, doch das ging nicht, wie ein Mahnmal stand es zwischen ihnen und er war nicht in der Lage, es einzureißen. Doch er brauchte jetzt den Kontakt zum anderen, brauchte die körperliche Nähe, hätte es nicht ertragen, wenn Ran sich von ihm entfernte. Eins ums andere Mal hatte die Stimmung in ihm in Sekunden umgeschlagen. War von sicher, spielbereit zu ängstlich, in die Enge getrieben und nun... …nur war sie für sie Beide völlig außer Kontrolle geschlagen. Aya saß auf dem Bett, völlig überfahren von dem Angebot, der Frage des anderen Mannes. Sie Schuldig….anlegen? Sie wegwerfen? Sein Blick hob sich, während sich seine Hände auf die des Telepathen legten und sie ein zweites Mal auf seine Oberschenkel betteten. Er schüttelte stumm den Kopf. „Nichts von beidem…gar nichts. Sie bleiben da, wo sie sind. Und ich werde es nicht tun… es ist Vergangenheit. Nicht mehr erwähnenswert“, sagte er ruhig, aber bestimmt, wusste jedoch tief in seinem Inneren, dass es keinesfalls nur Vergangenheit war. Nein. Ganz im Gegenteil. Er hatte anscheinend nicht verarbeitet, was geschehen war. Schuldig nickte stumm, bettete vertrauend seinen Kopf auf Rans Oberschenkel, legte ihn seitlich und umfasste mit den Armen locker Rans Hüfte. Die Hände hatten sich gut angefühlt, nicht anklagend, sondern annehmend, als luden sie ihn ein den Erinnerungen zu vergeben. Warum war er nur so seinen Gefühlen ausgesetzt? Diesem Wandel? Dieser Unberechenbarkeit? "Ran ... ich habe Angst", sagte er nun von sich aus. „Wovor?“, fragte Aya eben diesen roten Schopf und strich nachdenklich über die langen Flechten. Hieß seine Finger, sich auf ihr Spiel zu konzentrieren, nicht auf die einsamen, kalten Tage hier in der Wohnung. Nicht auf die Angst, die er noch im Nachhinein hegte, wenn er sich der Manschetten bewusst wurde. Oder dem Ring im Boden. Nein, das Zentrum seines momentanen Denkens waren die weichen Strähnen. War seine Frage. Schuldig schloss die Augen, ließ die Gedanken, Gedanken sein und redete wie sie ihm in den Sinn kamen. "Vor der Angst in deinen Augen. Vor der Dunkelheit in mir. Vor ... dem Vergessen ... der Dunkelheit die mit dem Vergessen kommt." Seine Hände legten sich etwas fester um Ran. "Ich wünschte ... wünschte ..." Ja ... er wünschte sich ... NEIN, NEIN, NEIN schrie etwas in ihm und riss ihn aus dem schwarzen Loch, in das er fallen wollte, zurück. NEIN du Feigling, du stiehlst dich jetzt nicht davon! Nein, das würde Schuldig nicht tun. Das hätte auch Aya ihm gesagt, wenn er sich auf die Mimik des anderen Mannes konzentriert hätte. So saß er nur hier, den Blick leer, mit einem kleinen Stich Verzweiflung durchsetzt und hielt Schuldig auf verquere Art und Weise in seinen Armen. Saß auf dem Bett und fuhr mit seinen Händen über dessen Schopf, als wollte er ihn anhand seiner Worte beruhigen. Sekunden später wurde Aya bewusst, dass es genau das war. Seine Gedanken verweilten in der Vergangenheit, tränkten sich mit Erinnerungen. Er ließ sich fallen in den Augenblicken voller Einsamkeit, badete in den Schmerzen. Er wollte nicht mehr meiden, was er bisher totgeschwiegen hatte. Er stellte sich den Schmerzen, der Angst. Dem Hass. Strich Schuldig immer noch beruhigend über die lange, seidige Mähne. Wen wollte er gleich nochmal dadurch beruhigen? „Du wirst nicht mehr vergessen…“, flüsterte er schließlich, seine Augen seltsam starr und ohne Leben in die Maserung des Bodens gekrallt. Wie kindlich sich die Stimme des Telepathen doch angehört hatte…wie verängstigt. Wie schutzbedürftig. „Ich bin da…werde dich daran erinnern, wenn es passieren sollte…“ Was sollte er gegen die Angst in seinen Augen tun? Konnte er überhaupt etwas dagegen tun, als selbst zu vergessen, was geschehen war? "Ich werde nicht mehr vergessen...", wiederholte Schuldig leise, bestätigend, das Gesicht immer noch in Richtung Küche gewendet, die Augen verschlossen, der Schwärze hinter den Lidern ausgesetzt. Wer sollte ihn vor den Gedanken schützen, wer sollte ihn davor schützen, dass sie Überhand nahmen, dass sie zum ‚Vergessen’ führten? Ran? Hatte er diese Macht? "Du bist da ... du bist da. Ich will mich doch erinnern. An alles. Aber ... aber ..." Wie ein Kind, dass sich rechtfertigen wollte, das um Verständnis ersuchte. Doch die Stimme war nicht hoch, war nicht mit einem kindlichen Ton versetzt, war ruhig, leise, schwankte nicht. Nur die einfachen Worte, die Art ihrer Vorbringung erinnerte daran. Schuldig fühlte sich nicht, als wäre er real in diesem Moment. Als schwebe er in dieser Blase, in der Aya war. Als könnte er hier alles sagen und nichts würde ihm zur Last gelegt, nichts verspottet, nichts mit Hohn gebrandmarkt. Nein…Schuldig würde nicht mehr vergessen, denn es gab jemanden, der sich an ihn erinnerte. Aya erinnerte sich, erledigte das für den Telepathen. Er war der Stein in dem tosenden Meer um den Telepathen, der sich nicht abrieb oder überschwemmt wurde. Er blieb, während all der andere Sand mit der Zeit verschwand. Sich im Meer verlor. Aya wusste das, ebenso wie er wusste, dass Schuldig nichts mehr vergessen würde. Nicht, wenn er da war und dafür sorgte, dass der Deutsche sich im Gleichgewicht befand. Was manchmal denkbar schwierig, aber dennoch nicht unmöglich war. Er hatte es geschafft…damals…Unwissentlich zu der Zeit, doch nun wurde ihm mehr und mehr bewusst, was er für einen Einfluss, eine Wirkung auf Schuldig hatte. „Du wirst dich erinnern…“, murmelte er schließlich und kämmte mit seinen Händen ein paar der Strähnen auseinander, so wie er es immer bei Aya getan hatte um sie zu beruhigen. „Wenn du ausgeglichen bist, wirst du dich erinnern…und nicht mehr vergessen…“ "Ja ... weißt du ... dass du mir Ruhe gibst? Habe ich dir das schon gesagt?" Er sah auf, träge und langsam, doch er wollte Ran ins Gesicht sehen, wollte wieder in diesen Augen lesen, wollte verstehen. Doch die Augen wirkten leblos, fern von ihm, doch die Worte waren ihm so ... nah... Verwirrt, unsicher und auch mit dem Gefühl der Schuld behaftet, blickte er noch immer auf. "Ran?" Die Stimme zu einem mageren Flüstern verkommen, das sich anhörte, als würde es jeden Moment brechen. Aya lächelte und sah hinab in die grünen Tiefen. Sein Lächeln voller Traurigkeit und Mitgefühl für Schuldig. Voller Sympathie für eine ebenso rastlose Seele wie die seine. Er strich Schuldig eine der dicken Strähnen aus der Stirn und bedachte dessen Wange mit zarter Aufmerksamkeit. Er hielt es kaum aus, den anderen Mann so niedergeschlagen und schuldbewusst zu sehen. Jetzt nicht mehr. Vor Wochen…vielleicht. Vor Wochen hätte er für diese Reue alles gegeben. Er hatte sie bekommen, doch nun erst erkannte er, wie sehr es Schuldig und auch ihn schmerzte. Aya beugte sich zu Schuldig hinab und küsste ihn sanft auf die Stirn. Strich über die raue, stoppelige Wange. Lächelte stumm. Es war seine Art des Vergebens. War das Vergebung? War es dieses Gefühl, wenn es hieß, deine Sünden werden dir vergeben sein? Seine Absolution? Nur vor Ran? Oh Gott, hilf mir, hilf mir, dass ich ihn nicht mehr verletze... Warum schmerzte dann diese Absolution wie das heißeste Feuer der Hölle? War dies das Fegefeuer? Sollte es so aussehen? Warum tat dieses Lächeln so weh? Warum brannte sich dieser Kuss wie ein Mal in ihn? Eine Zeichnung ... für immer gezeichnet ... ein Zeichen, damit er nicht mehr vergaß ... auf seine gottverlorene Seele gebrandmarkt. Schuldigs Hände zitterten, waren unfähig etwas zu halten. Etwas in ihm schrie und wand sich in ärgster Pein und er war diesen Gefühlen ausgeliefert. „Komm ins Bett“, forderte Aya sacht und zog Schuldig sanft mit sich auf die Matratze. Gott, nicht nur die Hände des Deutschen zitterten, sogar dessen ganzer Körper. Das machte Aya Angst, Angst vor der Wucht der Verzweiflung, die in diesen grünen Iriden tobte. Es schien, als hätte er in Schuldig etwas ausgelöst, das er selbst nicht abzuschätzen vermochte. „Leg dich zu mir…na komm schon“, flüsterte er und ließ sich selbst nach hinten gleiten. Und Schuldig ließ sich mitziehen, wie ein verwaistes Kind welches alles tat um nur wieder gutzumachen, weswegen man es gescholten hatte. Nicht, dass wieder jemand ging, den er liebte und ihn wieder allein ließ. Er folgte Ran und bettete seinen Kopf an dessen Schulter, die Atmung flach, weil um Beherrschung bemüht. Er wurde angenommen wie er war, mit seinen Fehlern, mit seiner Schuld, sein gesamtes Ich, wurde eingehüllt in Geborgenheit, Wärme, Ruhe. Blaugrüne wässrige Pole schimmerten kurz auf, bevor die Lider den Blick verschlossen, diese Offenbahrung von Gefühlen verbargen. Aya sah diese Tränen….er sah sie. Es war das erste Mal…wo er am Anfang ihres unseligen Zusammentreffens die Tränen des anderen Mannes nur hatte erahnen können, sah er sie jetzt deutlich, das wurde ihm in diesem Moment bewusst. Das erste Mal, dass er offene Tränen in Schuldigs Augen sah. Es zerriss Aya innerlich. Grub sich wie tiefer, schrecklicher Schmerz in ihn und zerfleischte seine Beherrschung wie ein blutrünstiges Tier seine Beute. Er blinzelte, kämpfte gegen sich und die Trauer, die ihn überkam. „Du bist nicht mehr alleine…..“, wisperte er. „Du bist nicht mehr alleine…nie mehr.“ Er angelte blind nach einer der Decken und zog sie über sich. Barg Schuldig in seinen Armen und mummelte sie beide in die Decke. Schuldig klammerte sich an die Worte, an dieses Gefühl und auch an Ran selbst. Er wollte nicht sprechen, hätte den Mund ohnehin nicht aufbekommen. Was geschah hier nur mit ihm? Warum entzog sich alles seiner Steuerung? Warum schmerzte ihn im Inneren so vieles? Mit einem Mal? Doch wie oft ... war es die Zeit ... die diese geschlagene Wunde - der Kuss - diesem brennenden Mal den Schmerz auf seiner Seele nahm und plötzlich war es, als verspüre er Trost. Zum ersten Mal fühlte er es, getröstet zu werden und nicht sich diesem Trost zu entziehen, sich gegen ihn zu stellen, sondern ihn anzunehmen, sich in ihm fallen zu lassen. Für Aya hieß es nun ebenso zu schweigen wie für Schuldig auch. Lieber konzentrierte er sich auf körperliche Gestalt des Telepathen, die sich an ihn gepresst hatte, als gäbe es kein Morgen mehr. Als wäre er die letzte Hoffnung des anderen Mannes. Es machte Aya nichts aus…ganz im Gegenteil. Ein Teil von ihm begrüßte diese Nähe. Er strich Schuldig durch die wirren Haare, über die empfindsame Kopfhaut. Zog die Decke etwas enger um sie beide. Das gleichförmige Heben und Senken des Brustkorbes, die regelmäßigen Schläge des Herzens, das stete Pulsen der Ader, die Abstrahlung der körperlichen Wärme, die umsorgenden Hände ... all dies umwarb Schuldig, wickelte ihn in die Decke der Geborgenheit und ließ ihn in sich Selbst ruhen. Sein Gesicht hatte nach einiger Zeit die Halsbeuge von Ran aufgesucht, hatte die Lider geschlossen und atmete ruhig den Duft der Haut, ließ den Strom der Wärme durch ihn fließen und fühlte sich unsagbar beschützt. Es war, als gäbe es in diesem Moment nur sie beide. Sie beide in einer Blase voller Wohltat und Wärme. Niemand konnte die Membran durchdringen, die sie schützte. Denn auch wenn es Aya war, der Initiative ergriff und Schuldig schützte…ihm verzieh und ihn erlöste, so spendete Schuldig unwissend das, was Aya brauchte. Trost. In einer verqueren Form Trost und Zweisamkeit, die für seine Seele wie Balsam war. Seine Wange ruhte auf den weichen Strähnen des anderen Mannes, sein Blick auf der großräumigen Wohnung. Es war ihre Blase…ihr Schutz. o~ Das warme Licht beschien Schuldig, fiel in sein Auge, als er die Lider hob und sich räusperte. Sanft rieb er seine Wange etwas am Kissen, scheinbar hatte er ihn auf das Kissen gelegt, als er eingedöst war. Nun hatte er Rans Ohr vor seinem Gesicht und ein zärtliches Lächeln legte sich auf seine Lippen. Rans Augen waren noch geschlossen, wie er sich kurz versicherte, bevor er aus einem kindischen Impuls heraus in das verführerisch und ihm schamlos präsentierte Ohr pustete. Und ein dreistes Grinsen folgen ließ. Gerade noch in entspanntem Schlummer öffnete Aya abrupt seine Lider, als er vermeintliche Gefahr spürte. Die sich mit einem schnellen Drehen seines Kopfes jedoch als eine wieder zum Spielen aufgelegte Großkatze entpuppte. Aya kannte dieses Grinsen, hatte es schon früher gesehen und jedes Mal richtig interpretiert: Schuldig wollte spielen…war für ein kleines Tänzchen aufgelegt. Doch im Gegensatz zu früher begegnete er eben diesem nicht mit Misstrauen oder Abscheu, sondern mit einer viel stärkeren Waffe. Neugier. „Was?“, fragte er beinahe lachend. Die Funken sprühten ihm nur so entgegen, das Lachen in Nuancen dazwischen zu hören. "Nichts. Ich wollte dich nur wecken, damit ich keine Langeweile habe." Doch seine Hände waren äußerst brav und wagten keine Annäherung. Die rechte Hand lag unter dem Kissen und hatte somit auch Rans Kopf über sich und die andere lag locker und in trügerischer Ruhe auf Rans Hüfte. Aya nickte verständnisvoll. „Ich verstehe schon…Langeweile kann etwas Tödliches sein“, pflichtete er Schuldig bei und zeigte seine strahlend weißen Zähne. Im Gegensatz zu Schuldig waren seine Hände jedoch da, wo er etwaige Angriffe strategisch gut planen konnte. Im Gegensatz zum Telepathen. Er blinzelte unschuldig. „Was für ein Glück es da ist, dass deine Wohnung so groß ist. Da kannst du dich sicherlich lange und ausgiebig dem Reinigen und Pflegen deiner Einrichtungsgegenstände widmen. Um deine Langeweile zu vertreiben, versteht sich.“ Rans Haare riechen so verführerisch gut, stellte Schuldig gerade gedanklich fest, seine Nase in die rote Flut steckend, die sich zwischen ihnen auf dem Kissen entlang schlich. Das Raubtierlächeln jedoch konnte er nur mit einem amüsierten Schmunzeln beantworten, als er seinen Arm unter dem Kissen hervorsuchte und seinen Kopf draufstützte. "Och, aber das ist doch weniger unterhaltsam als wenn wir das zusammen täten? Wir könnten uns dabei zusehen und die eine oder andere Technik vom anderen lernen...", malte er zukünftige Fensterputzorgien aus... mit einem dreckigen Grinsen verstand sich von selbst. „Ach…Techniken…soso“, spöttelte Aya vergnügte und sah von unten herauf mit allzu großen Augen zu Schuldig hoch. „Was ist denn schon großartig bei dem rein…raus…rein…raus…mit dem Putzlappen aus dem Wasser? Da hast du eine bestimmte Technik?“ Die hatte Schuldig gewiss…er sah den anderen Mann schon nackt in seiner Wohnung herumspringen, den Wischmob in der einen, die Zigarette in der anderen Hand. Sehr effektiv. Oder wahlweise würde er hier in Schuldigs Vorstellung den Nacktputzer spielen. Aya schauderte unwillkürlich. Wahrscheinlich saß der Gute auch noch auf der Couch und gab ihm Anweisungen. Soweit würde es noch kommen. Sicherlich. "Nein, da werden die Fenster sicher nicht sauber. Ab und an musst du auch das Wasser wechseln und dann auch mal am Fenster kreisen oder den Putzlappen richtig auswringen. Außerdem hat das auch was mit der Geschwindigkeit zu tun. Schließlich habe ich keine Lust den ganzen Tag nur die einen Fenster zu putzen, da fallen ja noch mehr Aufgaben im Haushalt an", seufzte Schuldig gequält und ließ sich mit dem Gesicht ins Kissen fallen, nuschelte da weiter, leise lachend. "Ich liebe Gespräche übers ‚Putzen’“, lachte er glucksend. Aya erwiderte das mit einem ebenso lachenden Kopfschütteln. Es war eines der letzten Dinge, die er je mit Schuldig besprochen hätte. Und nun tauschten sie Putztipps. „Sie haben sehr viel Tiefgang“, gab er schließlich zu und bettete seinen Kopf wieder auf das Kissen, sah Schuldig von der Seite aus an. Strich sich eine der vorwitzigen Haarsträhnen aus der Stirn. „Also…du machst aus Langeweile deine Wohnung sauber. Und ich? Was ist mit mir? Viele Köche verderben den Brei, wie du sicherlich weißt. Was bleibt mir dann noch zu tun?“ "Attraktiv in der Gegend herum stehen", grinste Schuldig in sein Kissen hinein und war kaum zu hören. Sie redeten hier über Nonsens mit dem Hauch von Sex im Hintergrund und ihn freute es wie sonst nichts im Moment. Schuldig fiel etwas ein und sein Kopf ruckte aus dem Kissen empor, doch er verwarf die Idee gleich wieder. Sicher hätte Ran jetzt keine Lust noch wegzugehen. Wesentlich langsamer traf sein scheinbar schwerer Kopf wieder auf das Kissen. "Wie spät is es eigentlich?", kam die Stimme wieder undeutlicher. Wie gut, dass Ayas Ohren zu fantastisch wie immer funktionierten und er die erste, bis zur Unkenntlichkeit gedämpfte Bemerkung des anderen Mannes durchaus verstanden hatte. Er setzte zur Erwiderung an, blieb dann jedoch stumm, als der die Gestik Schuldigs verfolgte, die der eines Springteufels doch ähnelte. Sehr sogar. Doch, sehr interessant war sie. Eine Wissenschaft für sich, könnte man sagen. Schuldigzismus. Ein Schuldigzismus mit Zeitmessung. Ohne eigentlich. Momentan hatte Schuldig ja keine Zeitangabe. Aber er. Aya wähnte den Wecker hinter dem Deutschen und runzelte die Stirn. Erhob sich schließlich leicht und krabbelte mehr über Schuldig als dass er sich wirklich elegant über ihn beugte zum Bettrand. Sah UNTER dem verdammten Bett den Wecker stehen. Was war das nur für eine Angewohnheit? Schrecklich. Mit den Armen hinter und seinen Beinen vor Schuldig, wandte er sich irgendwie zu dem Telepathen um. „Kurz nach zwölf.“ War es schon so spät? Wo war die Zeit geblieben? Schuldig grinste noch immer als das sachte Herabsenken des Bettes und die leichten Berührungen ihn streiften. Er drehte sich flink um, so dass er nun auf dem Rücken lag, wenn Ran wieder zurückklettern wollte. "Danke", grinste er. Als hätte er nicht selbst nach der Zeit sehen können, wo doch der Wecker auf seiner Seite des Bettes stand. "Hast du Lust noch etwas zu unter...", fragte er als ein Klingeln ihn unterbrach. Das Telefon. Sein Blick suchte sofort den von Ran und er runzelte die Stirn. Er hatte jetzt keine Lust zu telefonieren. Vielleicht war es Brad? Und schon war er in den Gedanken des Mannes. `Brad? Rufst du an?' ‚Ja. Komm morgen um 17.00 hier her. Es geht um einen Auftrag.' ‚Klar. Ich bin da.' Aya setzte sich langsam auf, als Schuldigs Aufmerksamkeit von ihm in Regionen abglitt, die er nicht verfolgen konnte. Er sah schier, wie Schuldig auf das Klingeln seines Telefons reagierte, indem er in Gedanken abdriftete. Eine interessante Entdeckung, die er jedoch nicht zum ersten Mal machte. Er fragte sich, ob der Telepath ihn jetzt wahrnehmen konnte… so wie er war. Mit wem auch immer er sich unterhielt. Aya konnte es sich ja fast denken. Crawford, wer sonst. Die Glucke musste ja einen wachsamen Blick auf ihr Küken werfen. Er studierte schweigend die Züge des Deutschen. Was wollte der andere Mann ihn fragen? Ob er noch weggehen wollte? Wie könnte er denn…im Angesicht ihrer Beerdigung. Wie könnte er ihr Vermächtnis so entehren? Nein…er könnte es nicht. Schuldig lächelte Ran zu, während er mit Crawford kommunizierte, wobei sich diese Kommunikation eher auf wenige Worte beschränkte, bevor sich Schuldig verabschiedete. Rans Blick verriet, dass er durchaus etwas mitbekommen hatte davon, dass Schuldig nun auf anderem Wege mit jemandem reden musste. Schuldigs Hand schlich sich an Rans Seite, um ihm zu zeigen, dass er durchaus alles mitbekam, auch wenn es vielleicht von ihm nicht vermutet war. Eben diese vorwitzige Hand erfuhr nun die typisch Aya’sche Behandlung, als er Schuldigs Finger mit einem tadelnden Klaps belohnte. Eine rein instinktive Reaktion, denn Aya weilte mit seinen Gedanken fern von Schuldig. Beim gestrigen Tag. Beim Abschied, den er von seiner Schwester genommen hatte. Das, was er ihr versprochen… nein sich selbst versprochen hatte. Trotzdem bewahrte ihn das nicht vor dem klaffenden Loch, das er wieder und wieder mit Ablenkung zu übertünchen versuchte. Das aufklaffte, wenn er sich nicht mehr auf andere Dinge konzentrierte. Wie auch jetzt. Er seufzte lautlos und drehte sich weg, schwang die Beine langsam aus dem Bett. Er brauchte Abstand zu Schuldig. Räumlichen Abstand. Lautlos strebte er die Küche an. Ran nachblickend verzog Schuldig bedauernd die Lippen, wälzte sich auf die Seite, faul wie er war und vergrub sich kurz wieder im Kissen. Sobald er Ran nicht mehr ‚beschäftigte’, ihn auf Trab hielt, verfiel dieser wieder in seine Traurigkeit zurück. Ein Stimmungswechsel, der schwierig war. Aufseufzend beschloss Schuldig bald das Bad aufzusuchen. Sollte er duschen? Eine schwierige und knifflige Frage ... die es hier zu lösen galt. Vielleicht doch besser morgen früh? Was für eine vertrackte Situation. Schlussendlich ging er dann doch ins Bad, einen kurzen Blick zur Küche werfend und dann würde er wohl bald ins Bett zurückkriechen, so lustlos und gerädert wie er sich jetzt vorkam. Träge und faul. Jawohl. Vielleicht noch einen Happen Essen und etwas ... stumpfsinnigem Fernsehen und dann ... Kaffee. Danach dürstete es Aya momentan. Schwarz, bitter, aufputschend. Tief in Gedanken versunken schenkte er sich eine Tasse ein und nahm einen Schluck. Verzog gleich darauf vor Ekel das Gesicht. Kalt. Das Gesöff war kalt. Er stellte schweigend die Tasse wieder weg und fuhr sich ratlos durch die Haare. Fühlte sich rastlos. Warum…warum in aller Welt überfuhr kaum, dass er alleine war, ihn die Erinnerung an die Stunden…die Minuten, wo er dem Arzt gelauscht hatte. Es war das Einzige, an das er sich noch erinnerte, bevor er dann hier aufgewacht war. Besser wurde es dadurch allerdings nicht. Er trug die gleiche Trauer wie zu Anfang in sich. Die gleiche Verständnislosigkeit…das gleiche Gefühl des immensen Verlustes. Er fühlte sich allein, auch wenn er das nicht war. Sein Team…seine Freunde…Schuldig. Er hatte Menschen um sich und war doch allein. Ging das? "Hast du noch etwas vor, oder warum ... willst du Kaffee trinken?", fragte Schuldig, der sich nach einer Weile, in der er im Bad rumort hatte, leise in die Küche begeben hatte, nun am Tresen lehnte und den Mann ins Augenmerk gefasst hatte. So verloren wie dieser dort stand, die Tasse noch bei sich, den Hauch der Bitterkeit noch um die Mundwinkel. Er bemerkte die Unruhe in dem Körper, als er einen Blick über Ran schweifen ließ. Vermutlich tat Ran sich vielleicht auch schwer mit der Tatsache, dass er Schuldig nicht ausweichen konnte. Immer mit ihm in einem Raum war, immer in Sichtkontakt. "Ran?" Schuldig stützte sich mit den Händen auf der Ablage ab, legte den Kopf schief. "Soll ich ... ich meine ... willst du heute Nacht vielleicht allein sein? Ich könnte wo anders pennen ... bei Brad oder so ... du hättest die Wohnung für dich ..." Seine Worte verloren sich zwischen ihnen. Ayas Augen fuhren hoch, direkt in die des anderen Mannes. Alleine. Er war alleine…wäre alleine. Schuldigs Frage von vor ein paar Minuten kam ihm wieder in den Sinn, ließ ihn scheinbar verstehen, was der Telepath mit seinen Fragen bezweckte. Wollte er raus? Ohne ihn weggehen? Sicherlich hatte er Schuldig schon genug von seinen üblichen Tätigkeiten abgehalten. „Es ist in Ordnung, wenn du noch auf die Piste gehst“, sagte er schließlich, auch wenn das nicht der Wahrheit entsprach. „Ich bleibe wohl alleine hier.“ Nur um sich in selbstzerstörerischer Weise Trauer und Verzweiflung auszusetzen. Gut, jetzt wusste Schuldig wo er dran war. Was Ran brauchte. Wie so oft war sich der Telepath unsicher, wie er sich ihm gegenüber zu verhalten hatte und jedoch frech genug sich nicht stumm in eine Ecke zu stellen oder gar den Dingen ihren Lauf zu lassen - was manchmal nicht schlecht sein mochte ... aber hier ... hatte er das unbestimmte Gefühl, dass er handeln musste, dass ohne Aktion keine Reaktion kam - oder die Falsche. Eine die er nicht mochte. Aber nun wusste er was los war. "Auf die Piste?", lachte er leise in sich hinein und öffnete den Kühlschrank, holte das Eis hervor, das sie gekauft hatten. Er trat an Ran heran, portionierte Eis in ein Schälchen, holte sich zwei Dessertlöffel während er die Frage im Raum stehen ließ, ein weiches Lächeln auf den Lippen, auch, als er an Ran herantrat ihn kurzerhand um die Taille fasste und zur Couch dirigierte. "Setzen!", befahl er. Ohne Widerworte setzte sich Ran und die Wärme in Schuldigs Augen glimmte sacht. Schuldig setzte sich daneben, lümmelte sich zurecht, bevor er die Schale zur Hand nahm und etwas Eis auf den Löffel gab, ihn Ran vor den Mund hielt. "Bei Crawford zu übernachten, heißt nicht auf die Piste gehen, sondern aufstehen mit dem ersten Hahnenschrei und am besten schon vor dem Hahn auf sein... Was ich damit sagen will ... ich will dich nicht alleine lassen, Idiot", sagte er sanft, liebevoll. „... aber ich dachte du hältst es vielleicht nicht mehr mit mir aus, hier kannst du ja kaum für dich sein ..." Immer noch perplex über den plötzlichen Handlungswechsel blieb Aya nicht viel anderes übrig, als nun wirklich seinen Mund zu öffnen und ein wenig des herrlichen Eis zu kosten, das sich ihm so darbot. Sich gleichzeitig auch bewusst zu werden, dass Schuldig ihn durchschaut hatte. Schuldig würde ihn entgegen seiner Angst also nicht alleine lassen…aus Gründen, die er durchaus akzeptierte. Ein schwaches Lächeln huschte über seine Lippen. In einem Punkt hatte Schuldig durchaus Recht…er war nie für sich, ein Umstand, den Youji als das völlige Armageddon für Schuldig bezeichnen würde. Selbst vor Weiß hatte er sich so manches Mal zurückgezogen, um einfach nicht in sozialem Kontakt mit anderen Menschen stehen zu müssen. Und nun…nun verbrachte er wiederum seine gesamte Zeit mit Schuldig und war sogar dankbar dafür. Ob das nicht irgendwann zum unausweichlichem Konflikt führen würde, war ihm schleierhaft. Zum Armageddon für Schuldigs Gesundheit, wenn Aya durch diese Nähe explodieren würde. Dennoch war Aya jetzt dankbar, dass er in aller Einsamkeit nicht über ihren Tod und seine Trauer nachdenken musste. Auch wenn sie ihn wieder und wieder anfiel. Das waren die Momente, in denen er sich nicht ansprechbar fühlte…nicht im Geringsten. Wie gerade eben. Die Momente, in denen er aus dieser Starre gerissen werden musste. „Es geht schon…mit der Zeit entwickelt man so etwas wie eine Elefantenhaut“, versuchte er die Stimmung ebenso hochzuhalten, auch wenn ihm der Spott nicht ganz gelingen wollte. "Das will hoffentlich nicht heißen, dass gar nichts durch diese Haut hindurch kommt", murmelte Schuldig während er Ran mit dem Löffel auf die Nase stupste bevor er ihn wieder ins Eis tauchen ließ. "Ich ... bin das auch nicht gewohnt und reden ist für mich auch mit so was wie Arbeit verbunden, Telepathie ist bequemer, ich kann fauler sein, es ist einfacher ...", fing er an, wusste jedoch nicht so recht worauf er hinaus wollte. "Aber wenn du um mich bist ... dann ist es ... neu für mich. Ich muss viel mehr überlegen was ich zu dir sage, wie ich es sage ... und vorhin ... ich wollte einfach nicht, dass du denkst du könntest nicht einmal eine Auszeit von mir nehmen. Ich kann dich schlecht einschätzen ... weil ich dich nicht lesen kann, Ran." Er grübelte einen Moment über dieses unzusammenhängende Wirrwarr an Worten und zuckte die Schulter. "Also ... zusammenfassend ... ich will dich nicht allein lassen, aber ein bisschen musst du mir schon helfen, damit du mich nicht wegschickst obwohl du es nicht willst...", grinste er leicht über seine Worte... „Es ist für mich ebenso schwierig, viel zu reden…es war vorher einfach nicht nötig“, gab Aya zurück und zog beinahe schon entschuldigend die Schultern hoch. Anscheinend betrieb Schuldig gerade Akkordarbeit, so viel wie er redete. Nicht, dass es Aya störte…im Gegenteil. Anscheinend steckten sie beide noch in den Kinderschuhen, was diese Art von Kommunikation betraf. Und mit eben diesen Schuhen lernten sie langsam laufen, was nicht immer einfach war. Ein kleines Lächeln erhellte Ayas Gesicht, als er einen weiteren Löffel des Eises zu sich nahm und es sich auf der Zunge zergehen ließ. Einen Momente später jedoch stutzte und das Schälchen ins rechte Licht rückte, damit er sehen konnte, ob es auch wirklich das war, wofür er es hielt. Tatsächlich…Matchaeis, das er, so konnte er sich dunkel erinnern, sich gewünscht hatte. War es etwa immer noch…davon? Gehörte es zu den Dingen, die ihm seinen unfreiwilligen Urlaub hier hatten erleichtern sollen? Vor nicht einmal…drei Wochen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)