Der Glasgarten von Gadreel_Coco ================================================================================ Kapitel 169: Der Sextherapeut ----------------------------- Der Sextherapeut Tokyo Schlussendlich standen sie vor einer Feuerschutztür aus Stahl. Stream öffnete sie ihnen und Mia war die Erste, die den Raum betrat. Noch im Eingang blieb sie abrupt stehen und versicherte, dass außer dem Jungen niemand vor Ort war. „Stream... zurück“, wies Mia ihn an und Alex sah sie fragend an. Stream nahm nur Weisung von ihm an. Er sagte nichts zu ihrem Verhalten, Mia würde ihre Gründe haben. Der Geruch der ihnen entgegenschlug war das Ergebnis von Gewalt. Es roch nach Blut und nach Schweiß. Mia wich zurück. Stream sah sie ängstlich an. „Alex. Ich bringe ihn... nach oben. Es ist besser... ich... diesen Raum nicht und Stream... ebenso nicht.“ Sie schien Schwierigkeiten zu haben sich zu artikulieren. Ihre Augen hatten sich verdunkelt als sie kehrt machte, an ihm vorbeiging und Stream mit sich zog. Alex ging einige Schritte hinein, tastete mittels seiner Fähigkeiten nach einem Organismus. Sehr schwach war jemand vor ihm, am Boden. Alex ging im Dunkeln in die Hocke fand kalte Haut unter seinen Händen und berührte ein Gesicht. Schneller Atem, flach und leise streifte seine Haut. Der Herzschlag so schnell, der Blutdruck viel zu niedrig. Arme und Beine gefesselt. Ungewöhnlich schnell zog er seine Hand wieder zurück. Irritiert über diese spontane Reaktion berührte er erneut den unterkühlten Körper. Wie hieß er noch gleich? Was hatte Straud gesagt? Yuki... ein Verwandter der Kawamoris. ‚Yuki?’ Alex drang sanft in die Gedankenwelt ein. Sofort spürte er Abwehr, die so fulminant war und der von Mia ähnelte, dass er sich kleiner machte, bescheidener wirken wollte. Mia schien ihn zu schützen. In Anbetracht der jetzigen Lage wohl keine verkehrte Maßnahme, jedoch hatte ihr Schild ihn nicht gegen DAS hier geschützt. ‚Lass mich mit dir sprechen. Ich bin nicht neugierig. Ich möchte nur kommunizieren. Wenn du an deine Schläfe tippst, können wir miteinander sprechen. Ich werde nicht ohne Erlaubnis in deine Gedanken dringen. Das hier ist nur eine Kommunikationsebene, nur bewusste Gedanken weilen hier. Du musst dich anstrengen um sie zu formulieren, eine Ebene darunter weilen erst die, die einen plötzlich in den Sinn kommen. Dorthin werde ich nicht gelangen. Ist das in Ordnung?’ Es kam keine Antwort, aber die Schilde schienen etwas durchlässiger zu werden, er konnte sich wieder ausdehnen. ‚Wer hat dir das angetan?’ ‚Eisblaue Augen...’ Straud, geisterte ein möglicher Verursacher in Alex Gedanken. Was wollte Straud von dem Jungen? Er hatte ihn Alex in der Klinik vor die Füße geworfen. Warum holte er ihn sich zurück und quälte ihn? ‚Ich entferne dir die Fesseln.’ Yuki ließ es ohne Widerstand geschehen. Anstatt sich zu erheben blieb der Junge einfach liegen. ‚Möchtest du nicht aufstehen? Oder kannst du es nicht?’ ‚Ich möchte nichts mehr.’ Alex richtete den Oberkörper auf, Yukis Kopf prallte gegen seine Brust. Vorsichtig strich er dem Jungen über den Kopf, und untersuchte ihn auf Kopfverletzungen während Leben in den Jungen kam und dieser mit den Händen etwas auf dem Boden suchte. ‚Halt bitte still’ ‚Nein, ich muss...’ Yuki wurde unruhiger und hektischer. Das Blut an seinen Händen sammelte den Staub auf dem Boden auf und vermischte sich zu einer dunklen Spur. ‚Was suchst du?’ Das Licht welches vom Flur her in den Raum schien reichte aus um Yuki zu sehen aber nicht um weiter hinten noch etwas erkennen zu können. ‚Meine Kleidung.’ ‚Wir werden dir etwas Neues zum Anziehen suchen. Whisper näht dir sicher neue Kleidung’, versuchte er Yuki zu beruhigen, hatte aber keinen Erfolg damit. ‚Nein.’ Alex wollte ihn näher ziehen. Sofort sträubten sich die dünnen Arme gegen ihn und er presste die Handflächen gegen Alex, als würde er ihn wegschieben wollen. Staub und Blut hinterließen Abdrücke auf seinem weißen Shirt. Alex wusste nicht wie er das finden sollte. Der Junge war komplett durch den Wind. Was auch nicht verwunderlich war, doch Alex wusste nicht genau wie er damit umgehen sollte. ‚Ich werde dir nichts tun, Yuki.’ Der Junge gab auf und seine Arme brachen ein Stück ein, was Alex ermöglichte ihn näher zu ziehen. Er hielt einen Moment inne. Nein, er wusste wie er mit ihm umgehen musste, nur wollte er es nicht. Er wollte sich nicht mit diesem Jungen beschäftigten, der der Geliebte von Naoe gewesen war – seiner einzigen Hoffnung, seiner toten Hoffnung. Alex schloss die Augen. Gab er dem Jungen die Schuld dafür? Dass er lebte aber seine Hoffnung gestorben war? Mia hatte Recht. Er schob diese Gedanken beiseite. Sie waren in dieses Land gekommen und hatten Chaos gestiftet und jetzt ließ er diesen Jungen im Stich weil er sich zu sehr um sich selbst grämte? Weil er Menschen ohne Fähigkeiten für nicht würdig hielt überhaupt die gleiche Luft wie er atmen zu dürfen? Wie weit war es mit ihm gekommen? Hatte er sich nicht immer für ethische Prinzipien innerhalb ihres Ordens eingesetzt? Hatte nicht der Rat deshalb seinem Ansinnen letztendlich zugestimmt? Während seine Gedanken sich verselbstständigen wollten suchte Yuki immer noch nach Etwas das er nicht finden konnte. Alex wies Stream per Telepathie an, das Flurlicht noch höher zu fahren um mehr Licht in den Raum zu bekommen. In einer Ecke sah er ein Bündel Kleidung liegen. Er vergewisserte sich, dass Yuki alleine sitzen konnte, erhob sich und holte die Kleidung. Sie war unbrauchbar weil sie blutig und in Fetzen gerissen war. Er gab sie dem Jungen, der sie sofort an sich zog und in seinen Armen hielt. ‚Stream?’ ‚Ja. Geht es ihm gut?’ ‚Du machst dir Sorgen.’ ‚Ja.’ ‚Es geht ihm nicht gut. Er hat Schmerzen und ein paar Platzwunden. Bitte Bolder darum uns entgegen zu kommen.’ ‚Ja. Kommt er hierher zurück?’ Alex dachte nach. Und sah dann den herabhängenden Schopf an. Der Junge saß vor ihm auf dem Boden und presste sich den Stoff an den Körper als wäre es alles was er noch hatte. ‚Ja, ich denke, das wäre das Beste.’ ‚Gut. Ich sage Bolder Bescheid.’ ‚Yuki wir gehen.’ ‚Wohin? Wohin soll ich denn jetzt?’ Yuki schüttelte langsam den Kopf. Es war als wäre er nicht mehr in der Lage zu wissen wohin er sollte oder konnte. ‚Das werden wir sehen. Wir kümmern uns um dich, solange bis wir wissen was wir mit dir und deiner Familie tun. Ich denke es wäre sinnvoller euch gehen zu lassen, aber das können wir noch nicht. Dein Vater, dein Bruder und dein Cousin sind Kawamoris. Erst wenn wir wissen was sie wissen, können wir darüber entscheiden. Ihnen wird vorläufig nichts geschehen. Und dir wird nichts mehr passieren, Yuki.’ ‚Versprichst du es?’ ‚Das kann ich nicht. Aber ich werde auf dich achten. Wir alle werden das. Das was hier passiert ist wird sich nicht noch einmal wiederholen.’ Vor allem war es unter seiner Aufsicht geschehen. Er hatte nicht bemerkt wie sich die Dinge hier entwickelten. Tatsächlich war es seine Schuld gewesen. ‚Er wird mich wieder holen.’ ‚Nein. Das wird er nicht, Yuki.’ ‚Und wenn er dich tötet? Wenn er alle tötet und mich dann holen kommt?’ ‚Wir werden auf uns achtgeben.’ ‚Wirst du mir wehtun?’ ‚Nein, Yuki, das werde ich nicht. Nicht absichtlich.’ ‚Sagst du mir was ich tun muss?’ ‚Nein. Du wirst selbst darauf kommen. Yuki, das war alles sehr schlimm für dich gewesen. Erhol dich und wenn alles vorbei ist wirst du selbst wissen was zu tun ist. Ich kann es dir nicht sagen, denn ich bin selbst damit beschäftigt herauszufinden was ich tun muss.’ Yuki sah irritiert zu ihm auf, die graublauen Augen bekamen wieder etwas mehr Tiefe und er blinzelte Tränen aus seinen Augen. ‚Du willst mich nicht?’ Alex sah ihn stirnrunzelnd an. Hatte er gerade etwas verpasst? ‚Ich bin wertlos.’ Der Junge sah ihn fast schon entsetzt an und ließ dann niedergeschlagen den Kopf hängen. Er starrte mit diesem entsetzten Gesichtsausdruck seine blutigen Hände an. Alex knöpfte seinen Mantel auf, zog ihn aus und kam auf den Jungen zu. Er legte ihm den schweren Mantel um, knöpfte ihn über den vor der Brust liegenden Armen zu. ‚Yuki. Das hat er zu dir gesagt? Wiederholst du seine Worte?’ Yuki sagte nichts mehr. Alex versuchte ihn zum Aufstehen zu bringen, aber er brachte seine Beine nicht unter sich. Er nahm ihn kurzerhand auf die Arme, damit sie hier raus kamen. Dann ging er den Tunnel entlang und sah nach unten. Yuki sah ihn aufmerksam an. ‚Möchtest du etwas fragen? Du siehst danach aus.’ ‚Habe ich seine Worte wiederholt?’ ‚Waren das seine Worte?’ Yuki sah ihn weiter unverwandt an, blieb aber in Gedanken still. Alex hielt es für besser nicht weiter nachzufragen. Auf ihrem Weg trafen sie auf Bolder, der ihnen entgegenkam. „War das Straud?“, fragte Bolder mit erheblich schlechter Laune. „Unschwer zu sagen. Die Kameras geben keinen Hinweis darauf. Mia kann es herausfinden, aber dazu muss sie weiter in den Jungen dringen, was zum jetzigen Zeitpunkt keine gute Idee ist.“ Bolder knurrte etwas Unverständliches. Aber es klang nicht freundlich. Alex brachte Yuki wieder in das Zimmer, in dem er zuvor gelegen hatte. Er ließ ihn im Mantel auf dem Bett aufkommen und achtete darauf ihm nicht noch zusätzlich Schmerzen dabei zu bereiten. Das weiche Fell im Inneren schien dem Jungen zu gefallen. Er kuschelte sich noch weiter hinein. Der Fellbesetzte Kragen verbarg schließlich die Hälfte des Gesichts und nur ein Auge behielt ihn wachsam im Blick. „Möchtest du den Mantel behalten?“ Eine schmale Hand stahl sich in dem warmen Kokon nach oben und tippte an Yukis Stirn. ‚Ja?’ ‚Brauchst du den Mantel nicht mehr?’ ‚Ich denke du brauchst ihn im Augenblick mehr als ich.’ Alex musste darüber schmunzeln. Yuki verhielt sich wie ein... ein misshandeltes Kind. Oder wie ein Judge. Wie Stream, oder wie Whisper. Damit kannte er sich aus. ‚Lässt du mich dich untersuchen?’ Yuki schüttelte den Kopf, das Auge furchtsam auf ihn gerichtet. ‚Yuki, hat er dich vergewaltigt?’ ‚Er hat mir wehgetan. Mit Strom. Und er ist in meine Gedanken eingedrungen, aber er ist nicht weit gekommen.’ ‚Erlaubst du mir, dass ich dich untersuche? Ich bin vorsichtig wie zuvor. Du weißt wie es geht.’ Der Junge nickte. Alex setzte sich ans Bett, knöpfte den Mantel auf und begann damit ihn zu untersuchen. ‚Dreh dich bitte um.’ Yuki wandte sich langsam um, seine Hände ließen den Stoff seiner Kleidung los und klammerten sich in das weiche Innenfell des Mantels. Der Rücken sah verheerend aus. ‚Kannst du so liegen bleiben?’ ‚Ja, es ist weich’ ‚Gut.’ Er begann damit die tiefsten Verletzungen zu behandeln, musste aber bald abbrechen. ‚Yuki, bleib liegen. Ich muss mich ausruhen.’ ‚Gehst du weg?’ ‚Ja.’ Yuki schwieg wieder. ‚Du bist hier sicher.’ Während Alex sprach schloss er die Knöpfe des Mantels, selbst die Schließen aus Metall und hüllte den Jungen wieder in seinen Kokon ein. o Morioka Schuldig, Sakura und Sano waren unterdessen wieder in Morioka angekommen. Sie parkten den Van und luden die Taschen im grauen Nieselregen aus. „Stellt sie einfach ab, ich bringe später alles nach oben“, sagte Schuldig und sah zu einem Fenster des Gästehauses hinauf, hinter dem sie ihr Schlafzimmer hatten. Sano lud die Taschen am überdachten Eingang ab und grüßte Firan der gerade die Tür öffnete um Schuldig hineinzulassen. „Ist alles nach Plan verlaufen?“, fragte Schuldig. Firan nickte. „Wie du gesagt hast: Er hat nicht gefragt“, sagte er bedauernd. Schuldig legte Firan eine Hand auf die Schulter. „Schon gut, das ist in Ordnung, er meint es nicht so.“ Firan nickte. „Wurdet ihr aufgehalten?“ Schuldig stellte eine der Taschen ab und holte dann Banshee vom Eingang ab. Er nahm sie aus ihrer Box und Firans Gesicht erhellte sich augenblicklich. „Nein, wir haben unterwegs nur länger gebraucht um die Absperrungen zu umfahren.“ „Ist es schlimm?“ „Sehr schlimm.“ „Eine Schande, dass wir mit unseren Fähigkeiten nicht helfen“, sagte Firan. Schuldig wandte sich zur Treppe um. „Ja, momentan ist es zu gefährlich. Hinzu kommt, dass wir wohl nicht lange unentdeckt bleiben würden.“ „Also sind unsere Kräfte unnütz“, sagte Firan mit Bitterkeit in der Stimme. „Im Moment ja.“ Schuldig hörte wie Firan etwas sagen wollte doch es nicht aussprach. Sie betraten das Schlafzimmer. Die Rollläden waren heruntergelassen obwohl es mittags war und es roch stickig. „Machst du die Tür zu?“, richtete Schuldig an Firan und dieser schloss sie leise, bevor Schuldig Banshee auf das Bett herunterließ. Sie wetzte sofort zu Rans Gesicht. Schuldig fuhr die Rollläden nach oben und öffnete die Fenster um frische Luft hereinzulassen. Ran Gesicht verschwand unter der Decke, inklusive irgendwelcher protestierender Worte, die keiner verstand. Aber da hatte Ran die Rechnung ohne Banshee gemacht denn diese hatte einen neuen Angriffspunkt gefunden, nämlich am ende des Bettes. Sie kroch dort unter die Decke und löste einen wahren Schock bei Ran aus. Dieser schleuderte die Decke davon und setzte sich erschrocken auf. Mit einem wirklich sehr seltenen Gesichtsausdruck starrte er auf Banshee, die seinem Blick gelassen begegnete. Sie kletterte auf seine Oberschenkel und streckte sich. „Banshee“, keuchte Ran und fasste sie vorsichtig mit den Händen. „Banshee!“ Ran schossen die Tränen in die Augen und Schuldig lächelte zufrieden. Er bemerkte nicht einmal wie Firan und Schuldig das Zimmer wieder verließen. Unten angekommen seufzte Schuldig geplagt auf. Ran würde schon wieder werden, er brauchte nur Zeit um alles zu verdauen. Er nahm einige der Taschen und brachte sie nach oben vor das Schlafzimmer, betrat es jedoch nicht. Zuletzt hatte er noch das in Papier eingeschlagene Bild, welches er Firan geben wollte. Es war eines der Kleineren die Jei gemacht hatte und zeigte dem geneigten Betrachter einen... Wust aus hellen Farben - mehr aber auch nicht. Brad musste es aus Jeis Zimmer nach unten in den Keller gebracht haben. Schuldig klopfte an Firans Zimmertür und betrat es dann. Firan kam aus dem Badezimmer heraus und sah auf das in Papier geschlagene Mitbringsel. „Für dich. Es hing in Jeis Zimmer. Brad hat es gesichert bevor das alles losging und ich dachte du solltest es haben. Aber frag mich nicht was es darstellt.“ Firan nahm es entgegen und starrte das verpackte Bild an. „Ich geh rüber zu Ran wenn du uns brauchst klopf einfach an, ich lasse die Tür zu damit Banshee nicht abhaut, solange sie sich nicht eingewöhnt hat.“ Firan sah auf und nickte stumm. Schuldig ging zum anderen Ende des Stockwerks und betrat mit den Taschen ihr Zimmer. Ran sah sofort auf, Banshee in seinen Armen kraulend. Die rothaarige Hexe lag komplett verdreht auf ihrem Rücken da, hatte alle Viere von sich gestreckt und hatte genießend die Augen geschlossen, während sie schnurrte was das Zeug hielt. „Du warst in Tokyo? Allein?“, fragte Ran vorsichtig. Das schlechte Gewissen war deutlich herauszuhören. „Nein, nicht allein, Ran. Das wäre selbst für mich dämlich gewesen.“ Schuldig verschwieg wohlweißlich, dass er auch allein gefahren wäre wenn sich Sano und Sakura nicht angeboten hätten. „Sano und Sakura haben mich begleitet um mich abzuschirmen.“ Schuldig ging ins Badezimmer um sich Hände und Gesicht zu waschen. Als er das Schlafzimmer wieder betrat saß Ran immer noch dort, die Haare vor seinem Gesicht hängend. Seine Schultern zuckten nur minimal. „Ich weiß nicht was mit mir ist. Ich habe nicht einmal an dich gedacht und du warst gar nicht da“, sagte er leise. Schuldig holte langsam und tief Luft. Er sah auf Ran hinab. Ran sah verloren aus. Verloren und Zerbrochen. Und plötzlich musste Schuldig an die dunklen Flecken auf Rans Seele denken. Würden sie sich jetzt gerade in diesem Augenblick vergrößern? „Wir finden einen Weg, Ran.“ Ran nickte nur ohne aufzusehen. o Tokyo Alex ging in seine eigenen Räumlichkeiten und legte sich ein paar Stunden hin um zu schlafen. Es gab für ihn nicht viel zu tun. Sie hatten keinen Kontakt zum Rat und Mobilfunk sowie die Satellitenverbindung waren ausgefallen. Nachdem Vorfall mit Yuki war Somi verschwunden und mit ihm weitere seiner Männer. 23 hatten sie in Fesseln vorgefunden, teilweise verletzt, zwei seiner eigenen Männer tot. Er hatte sie gefoltert um ihre Loyalität zu erzwingen. Die Überlebenden waren schwer gezeichnet, sie erzählten Alex, dass ihre Kommunikationsanlage von Somis Männern sabotiert worden war. Stream konnte das bestätigen. Die verbleibenden 21 Männer wurden zunächst in Gewahrsam genommen um sie einem Verhör zu unterziehen – sofern sie aufgrund ihrer Verletzungen dazu in der Lage waren. Mia kümmerte sich darum, ihm selbst blieb deshalb nicht viel zu tun. Stream suchte nach digitalen Spuren von Somi während die anderen sich anderweitig um seinen Aufenthaltsort bemühten. Das Einzige was er selbst tun konnte war sich um Yuki zu kümmern. Wenigstens eine Aufgabe, die sie ihm aus Sicherheitsgründen gestatteten. Er nahm zusätzlich Schmerzmittel ein bevor er etwas aß und dann zurück zu Yuki ging. Die Tür stand offen und er hörte eine geflüsterte Diskussion die Jasper und Whisper führten. „Das solltest du nicht tun.“ „Aber er ist so süß“, widersprach Whisper mit mehr Enthusiasmus als er bisher von ihr je gehört oder erlebt hatte. „Er ist kein Haustier. Und keine... Puppe.“ „Findest du?“ „Das ist keine Sache die ich finden kann. Das ist ein Fakt.“ Jasper stöhnte. „Er ist so hübsch, so zart und schützenswert.“ „Lass uns gehen. Was hältst du davon, wenn du ihm etwas zum Anziehen nähst?“ Das schien zu funktionieren. Sie kamen zur Tür und sahen beide auf als sie Alex vorfanden. „Wir wollten nur...“, begann Jasper sich zu rechtfertigen. Alex winkte ab. Whisper lächelte sanft. Sie lächelte nicht oft oder schien sich für etwas zu interessieren was im Hier und Jetzt stattfand. Es sei denn sie führte einen Befehl aus. „Ich nähe ihm neue Kleider!“, sagte sie begeistert. Dieser Wechsel in ihrem Gesicht war erstaunlich und fast schon erschreckend. Sie zeigte eine Mimik, ihre Augen waren lebhaft und ihre Lippen hatten etwas mehr Farbe. Alex sah den beiden nach. Dann ging er hinein und schloss die Tür. Yuki schlief. Alex setzte sich auf die Bettkante und strich ihm sanft über die noch immer in das Fell gegrabene linke Hand um sich anzukündigen. Der Junge zuckte erschrocken zusammen und kämpfte darum sich umzudrehen. „Ruhig, Yuki. Ich bin es, ganz ruhig. Der Mantel, erinnerst du dich?“ Yukis Atem ging heftig und er beruhigte sich allmählich, nickte irgendwann und ließ sich wieder fallen. Alex öffnete den Mantel wieder und führte seine Arbeit fort. Diese gestaltete sich zäh, er musste oft innehalten um sich zu erholen. Abschließend war er am Gesäß angekommen dabei ließ er seine Hand ruhig auf der malträtierten Haut ruhen. Er war zufrieden mit seinem Werk - es würden keine Narben zurückbleiben. Seine Hand ruhte noch immer auf der Haut und er versuchte herauszufinden ob der Junge vergewaltigt worden war, aber es war keine Dehnung zu finden, also ließ er schlussendlich von ihm ab. Erschöpft ließ er sich auf dem Boden sinken und schloss für einen Moment die Augen, den Nacken gebeugt und den Kopf auf das Bett abgelegt. Sein Kopf dröhnte, selbst das gedimmte Licht schien seinen Augen zu hell... Er musste eingeschlafen sein, denn als er die Augen öffnete wusste er im ersten Moment nicht was er am Boden in diesem Raum zu suchen hatte. Verspannt im Nacken richtete er sich auf und sah zur Seite. Yukis Kopf lag nahe an der Kante, sein Blick schien in die Ferne zu gehen. „Möchtest du zu deiner Familie?“ Yuki sah auf und schüttelte den Kopf. „Bist du nicht traurig, dass du nicht bei ihnen bist?“ Wieder ein Kopfschütteln. „Aber du siehst traurig aus.“ Der Junge machte es ihm leicht mit ihm zu kommunizieren, was ihn selbst wunderte. Er mochte es nicht besonders mit anderen zu sprechen, mit Menschen die keine Fähigkeiten hatten erst recht nicht. Yuki nickte. „Wegen Naoe?“ Yuki sah ihn lange an, dann nickte er wieder. Alex wandte sich wieder nach vorne und betrachtete einen Sonnenuntergang auf dem Bildschirm. „Ich auch. Ich hätte ihn gerne kennengelernt, denn ich hatte die Hoffnung er... hätte mir helfen können.“ Yuki zog leicht an einer Haarsträhne und Alex sah ihn an. Der Junge tippte sich an die Stirn. ‚Bei was?’ Alex zuckte mit den Schultern. ‚Bei einem Problem, dass ich mit meinen Fähigkeiten habe. Er war ein starker Telekinet. Ich denke nicht, dass dir entgangen ist, dass er nicht ganz normal sein kann.’ ‚Nein, ich weiß von diesen Dingen.’ ‚Wie war er?’ Alex sah wieder zu den Bildern. Erst kam keine Antwort, dann etwas zögerliche Worte. ‚Er... war... überheblich, arrogant, besserwisserisch, gefühllos.’ Alex sah ihn skeptisch an. ‚Ich dachte er war dein Freund? Hattet ihr keine sexuelle Beziehung, oder eine freundschaftliche zumindest?’ Yuki lächelte leicht. Irgendetwas schien ihn zu amüsieren. ‚Doch.’ ‚Dann sind das keine Komplimente.’ ‚Er war auch... einsam, etwas weltfremd und er mochte Schokolade, vor allem Kuchen.’ Alex musste grinsen. Bei der Menge an Energie, die der Junge umverteilte kein Wunder. Dann verblasste sein Grinsen und er musste daran denken, dass er ihn um zwei Tage verpasst hatte. ‚Zwei verdammte Tage, nur zwei.’ ‚Du hättest ihn nicht retten können.’ ‚Vielleicht schon.’ ‚Wie?’ ‚Mit einer Verbindung. Ich hätte ihn vielleicht stabilisieren können, dazu hätte ich ihn untersuchen müssen. Das Problem finden müssen. So konnte ich nicht einmal das tun.’ ‚Der Hellseher sagte, dass niemand ihm hätte helfen können.’ ‚Ja, es ist so eingetroffen, weil ich nicht da war.’ ‚Was ist das für eine Verbindung?’, fragte Yuki nach einer Weile in der Alex vor sich hingebrütet hatte. ‚Wir PSI haben...’, er schwieg drehte sich zu Yuki um der ihn aufmerksam ansah, denn bisher war er nicht so aufmerksam erschienen, meist abwesend, jetzt jedoch, wirkte er interessierter. ‚Es ist kompliziert. Nur so viel: Wir können eine Verbindung eingehen, zu einem anderen PSI oder einem anderen Menschen. Unsere Seelen sind im Einklang; was auch immer das bedeuten mag. Ich habe es selbst noch nicht erlebt. Da ich eine besondere Fähigkeit habe wäre eine Verbindung mit mir...’ Er verstummt wieder. Warum sollte er diese Dinge vor dem Jungen geheim halten? Steckte er nicht schon viel zu tief in dieser Geschichte? Naoe war tot, Mia hatte es bestätigt. Der Hellseher entweder tot oder in Strauds Händen. Eine letzte Unsicherheit blieb jedoch. Eine letzte Chance um herauszufinden ob es noch eine Möglichkeit für ihn gab um dem Unvermeidlichen zu entkommen. Yuki zog sanft an einer Haarsträhne und Alex sah wieder zu ihm, schmunzelte über die herrische Ungeduld die der Junge plötzlich an den Tag legte. ‚Eine Verbindung mit einem starken PSI würde für mich ein Nachteil sein. Meine Fähigkeiten sind nicht stark in dem Sinne, dass ich große Massen bewegen kann, oder einschneidende Dinge bewegen kann. Sie sind subtiler.’ ‚Du kannst Menschen heilen, bedeutet das nichts?’ ‚Nein, das stimmt schon, nur habe ich telepathische, empathische und telekinetische Fähigkeiten, die erst im Zusammenwirken ein Ergebnis bringen. Ich kann als Telekinet nicht einmal lange einen Menschen levitieren lassen. Nur unter großer Anstrengung schaffe ich es einen Tisch hochzuheben. Eine Verbindung zu einem starken PSI könnte mich vernichten.’ ‚Warum?’ ‚Weil es das perfekte Gegenstück nicht gibt, Yuki. Naoe hätte mir... sagen wir zumindest wohlwollend gegenüberstehen müssen. Moralisch, ethisch hätte er niemals auf den Gedanken kommen dürfen meine Fähigkeiten zu missbrauchen. Eine Verbindung hat immer Auswirkungen auf beide Seiten. Es ist leicht jemanden zu unterdrücken wenn man nicht bemerkt, dass der andere weit weniger stark ist.’ ‚Ist es die Telekinese?’ ‚Nein, es ist egal, da ich alle drei Disziplinen zwar beherrsche, aber in keiner wirklich herausragend bin, bin ich anfällig für alle drei Arten. Die Energie die bei der Telekinese mobilisiert würde, wäre für mich wie eine Art untrennbare Verbindung, eine Kette, die ich nie mehr ablegen könnte. Ein Sog dem ich nicht mehr entkommen könnte.’ ‚Ich verstehe es nicht, warum?’ ‚Weil sie meine überlagern würde. Ich bin schwach, Yuki. Ein starker Telepath würde mich mit einem Augenzwinkern vernichten können, wenn er es wollte. Ich würde in dieser Beziehung immer schwach bleiben.’ ‚Du bist nicht schwach. Sag das nicht. Niemals würde ich das so sehen.’ ‚Naoe vielleicht. Er ist... war so stark, dass ich vermutlich auf die Knie gegangen wäre wenn ich ihm gegenüber eine Bindung angestrebt hätte.’ ‚Wie meinst du das?’ ‚Ich kann die Energie eines PSI in meiner Seele wahrnehmen. Ich kann leicht eine Bindung herstellen, weil sie für mich klar zu sehen ist.’ ‚Das ist nicht bei jedem PSI so?’ ‚Nein’, Alex musste lächeln. ‚Im Normalfall dauert so etwas einige Zeit und geht von alleine. Menschen oder PSI verlieben sich, Probleme und Krisen schweißen sie enger aneinander, eine Verbindung entsteht bei PSI deren Kompatibilität sehr hoch ist. Viele Komponenten müssen wie ein Schlüssel in ein Schloss passen.’ ‚Bedürfnisse und Befriedigung’, schloss Yuki und Alex sah ihn an. ‚Ja.’ ‚Es gibt PSI die noch elementarer in die Seele eines PSI eingreifen können. Schon lange bin ich keinem mehr begegnet. Meine Spezialität ist eher körperlich und geistig veranlagt.’ ‚Warum wolltest du dich dann unbedingt mit Naoe verbinden? Oder ihm helfen?’ ‚Es wäre eine gegenseitige Hilfe gewesen. Ich... wurde in meinen Fähigkeiten beschränkt durch eine Fessel, die ich alleine nicht entfernen kann. Unsere Herren haben sie mir angelegt und keiner ist so mächtig um sie lösen zu können. Naoe wäre dazu vielleicht im Stande gewesen.’ ‚Im Gegenzug hättest du ihm geholfen. Aber er hätte sich an dich binden müssen.’ ‚So in etwa.’ ‚Wäre das für ihn ein gutes Geschäft gewesen?’ ‚Ja, wenn er vernünftig mit mir umgegangen wäre schon. Vermutlich keine Bindung aus Liebe, eher aus Zweckmäßigkeit.’ ‚Wäre das denn gut gewesen?’ ‚Er hätte keine Einschränkung gespürt, dazu war er viel zu stark – wenn man den Gerüchten glauben schenken mag.’ ‚Und du?’ Alex seufzte und schwieg ein Weilchen. ‚Ich hätte Vieles dafür getan um wieder frei zu sein, auch der Sklave eines Jungen zu sein. Ich hätte ihm nicht viel entgegensetzen können. Über die Verbindung kann er mich zu allem zwingen.’ ‚Aber dass ist nur bei dir so? Oder geschieht das bei allen Ungleichgewichtigen PSI Paaren?’ ‚Nur bei mir, ich bringe mich zu sehr in die Verbindung ein. Ich bin eine Verbindung wenn du so willst. Es ist als wäre ich ein Universalschlüssel. Ich löse mich in die Verbindung auf, wenn ich sie eingehe. Ich arbeite auch mit Verbindungen, aktuell nicht mehr aber frühe habe ich das getan.’ ‚Du hast mir die Frage nicht beantwortet.’ ‚Welche Frage?’ ‚Was wäre aus dir geworden?’ Alex wurde unwohl, darüber hatte er sich schon so oft den Kopf zerbrochen, dass er darüber mit... Mit einem Menschen und schon gleich diesem hier nicht sprechen wollte. Er spürte Wut in sich und wollte sich der Situation entziehen. Widerwille regte sich in ihm und er entzog Yuki seine Haare als er aufstand. Der Junge musste gespürt haben, dass er nicht mehr sprechen wollte. Er setzte sich auf und der Mantel der ihm hoffnungslos zu groß war rutschte von ihm bis zu seinen Hüften hinab. Alex sah ihn an und Yuki tippte sich mit den Fingern an die Stirn. Er formte mit seinen Lippen das Wort Bitte. Die Augen groß und fragend. Alex gab nach. „Naoe war in einer Beziehung zu dir. Das zu gefährden wäre nicht in meinem Sinn gestanden. Ich hätte räumlich bei ihm bleiben müssen. Ich hätte meine Ämter niedergelegt, was ohnehin kein Verlust wäre, denn ich habe diese Ämter nur erzwungen um nach ihm suchen zu können. Ich wäre einfach ein Arzt gewesen, der in seiner Nähe bleiben muss, ohne die Aussicht darauf je eine andere Bindung eingehen zu können. Er jedoch hätte andere Bindungen eingehen können, denn er hätte die Bindung zu mir lösen können, dazu wäre er in der Lage gewesen. Vermutlich hätte er es nicht einmal gespürt. Um deiner nächsten Frage entgegen zu wirken. Ohne die gleiche Stärkung meiner Seele wäre meine verkümmert, geistig und seelisch. Eine Lösung dieser Bindung wäre für mich als würde man mir ein Stück meiner Seele herausreißen. Ich wäre nicht mehr vollständig.’ ‚Grausam.’ ‚Große Verantwortung, die ich einem Jungen auferlegt hätte. Und ein großes Wagnis für mich, mit vielleicht... nicht gutem Ausgang. Aber ich habe es satt. Bildlich gesprochen bin ich an eine Wand aus spitzen Dornen gekettet und reiße mich jedes Mal blutig sobald ich mich bewege. Jedes Mal wenn ich meine Fähigkeiten als Gesamtes einsetze habe ich Schmerzen. Ich ertrage es nicht mehr.’ ‚Und das haben die alten Herren eures Ordens getan?’ Deutete er dieses Glitzern in den graublauen Augen als dass was es war? Genugtuung? Rache? Wut? Alex konnte es nicht ergründen, der Ausdruck war schnell vergangen. ‚Nein, nicht wirklich. Unter diesen Herren habe ich böse Dinge getan, die ich nicht hätte tun dürfen, aber ich war damals zu jung gewesen um es zu erkennen. Meine Strafe wurde mir von den neuen Herren auferlegt.’ ‚Oh.’ ‚Yuki ich bin kein guter... Mensch. Denk daran wenn du glaubst dich an mich halten zu müssen. Du bist nur auf Zeit hier, ich habe dir geholfen, was nicht bedeutet, dass du mir dankbar sein musst. Du schuldest mir nichts. Ich habe es getan weil ich es konnte und weil Mia mich darum gebeten hat. Wenn du gehst kümmert es mich nicht. Verstehst du das?’ Er sah den Jungen freundlich an. Dieser nickte. ‚Schone deine Stimmbänder weiter, sie heilen gut. Es wird nichts zurückbleiben von dieser Verletzung.’ Wieder ein Nicken. „Und Yuki, du bist sehr verletzt worden. Dein Freund ist gestorben, du wurdest gefangen genommen, gefoltert, misshandelt und deiner Familie entrissen. Prüfe gut wem du dein Vertrauen schenkst. Du schuldest hier niemandem etwas und du musst auch nichts tun was du nicht willst. Mia hat alle deine Familienmitglieder bereits durchleuchtet und dich auch, das heißt ihr habt weiter nichts zu befürchten.’ Yuki nickte. o Morioka Es war Abend und Schuldig saß auf der Couch, vor sich hinstarrend und nicht wissend was er tun sollte. Sie hatten keinen Kontakt zu Eve aufnehmen können. Vermutlich weigerte sich Mr. Crawford dies in die Wege zu leiten oder sie waren weit weniger sicher als er gesagt hatte. So oder so waren ihnen die Hände gebunden. Er konnte nichts tun. Nicht hier. Es gab nichts Neues aus Tokyo und er war zur Untätigkeit gezwungen. Die Gäste, die zur Bestattung gekommen waren hatten sich verzogen und es herrschte wieder der normale Betrieb. Als wären sie nie hier gewesen. Schuldig war wütend auf die Situation. Er verfluchte Straud und er verfluchte Brad. Er verfluchte Jei und Yohji und die Tatsache, dass sie sich umbringen hatten lassen. Überhaupt verfluchte er alle. Außer Ran, denn dieser war von seinem Ärger ausgeschlossen. Schuldig wandte den Kopf als ihn ein Geräusch an der Tür sagte, dass jemand kam. Firan konnte es nicht sein, er schlief... glaubte Schuldig und eigentlich war es ihm auch egal. Sakura stand im Türrahmen. „Ist Ihnen etwas eingefallen?“ „Warum willst du hier weg?“ Schuldig schüttelte fassungslos den Kopf. Er hatte genug. Frustriert stand er auf und ging zur Anrichte in der angrenzenden Küchenzeile um sich etwas Wasser einzuschenken. „Ich ertrage diese Blockierung nicht auf Dauer. Ich fühle nichts mehr. Beantwortet das Ihre Frage ausreichend?“, sagte er ruhig und sah sie an. Sie legte den Kopf schief. „Es ist zu viel“, fügte Schuldig an. Er würde ihr bestimmt nicht erzählen, dass Ran etwas von ihm brauchte, dass er ihm hier unmöglich geben konnte. „Nein. Ich verstehe deshalb das tatsächliche Problem. Und es ist ein wirklich guter Grund um von hier wegzugehen.“ Sie lehnte sich an die Wand an und verschränkte die Arme. „Gefühle sind der Schlüssel zu unserer Existenz. Offenbar...“, sie verstummte und sah ihn forschend an. Schuldig kam sich vor wie ein Insekt in einem Glasbehälter. „Weshalb...“ Schuldig stellte das Glas ein wenig zu laut ab. „Gott... könnten Sie bitte Ihre Sätze zu Ende sprechen? Das ist wirklich... wirklich seltsam.“ Sie hob die Augenbrauen und schien überrascht. „Nun, wir haben... Aim und ich haben Sabin nie auf diese Art blockiert. Sodass ich jetzt erst begreife wie elementar du an Emotionen gebunden bist...“ „Ich bin nicht mein Vater. Und Ran ist derjenige der momentan Probleme mit dem Thema hat. Große Probleme. Und ich will ihm dabei helfen, was momentan nicht möglich ist.“ „Ist es immer so?“ Schuldig ließ sich erneut ein Glas Wasser ein – nur damit er etwas zu tun hatte während sie beide dieses wirklich seltsame Gespräch führten. „Was meinen Sie?“ „Löst er eine emotionale Disbalance mit Intimität?“ Schuldig wollte gerade aus dem Glas Wasser trinken und setzte es wieder ab. Ahnte sie um was es tatsächlich ging? „Ja, ich glaube das ist seine Lösungsstrategie wenn ihm alles zu viel wird“, sagte er nicht gerade freundlich, vielleicht etwas zynisch. „Das ist eine Möglichkeit“, sagte sie nachdenklich. „Aber nicht die Lösung.“ Das war ihm auch bewusst. Sie schwieg ein Weilchen. „Es gibt eine... Art Zufluchtsstätte, die wir bisher nicht benutzt haben. Sano und ich“, fügte sie hinzu, als würde dies eine Rolle spielen wer diese Zuflucht bisher nicht benutzt hatte. Schuldig war es egal. „Sie ist weiter oben in Aomori. Ich habe sie die letzten zwei Tage von Momo und ihrer Mutter vorbereiten lassen. Dort ist der Einfluss sehr schwach, aber immer noch stark genug dich zu verbergen wenn du keine Energiespitze provozierst.“ „Was heißt Energiespitze?“ „Dem Reaper zu viel Raum einzuräumen, zum Beispiel. Oder Kontakt nach Tokyo suchen. Das wäre zu nahe an Straud.“ „Das krieg ich hin.“ Er hatte momentan tatsächlich zu viele andere Baustellen. „Wo liegt es genau?“, fragte Schuldig. „Ihr müsst die...“, fing Sakura mit ihrer Wegbeschreibung an. Eine Etage höher sahen sich zwei Männer an und fragten sich die unterschiedlichsten Dinge ohne sie auszusprechen. Firan war aus dem Zimmer getreten als er Stimmen gehört hatte und vermutlich war es Ran ebenso ergangen. Dieser war nackt und hatte sich lediglich die dünne Zudecke umgeschlungen. Seine Haare waren offen und der verletzte Blick der Firan traf als dieser ihn lauschend antraf ließ Firan den Rückzug antreten. Doch Ran hob die Hand und bedeutete ihm näher zu kommen. Ran setzte sich auf den obersten Treppenabsatz und Firan blieb stehen. Er hörte wie Sakura und Gabriel sich über Ran unterhielten. Gabriels Stimme klang müde und abgekämpft. Firan blickte im Halbdunkel zu Ran hinunter. Sein Kopf lehnte an der Wand, die linke Hand hatte er zur Faust geballt. Rans Rückenpartie bis hinunter zu seinem Gesäß lag frei und Firan fühlte so etwas wie Begehren in sich, was ihn schockierte. Er trat einen Schritt zurück und lehnte sich an die Wand an, konnte seinen Blick auf den Mann jedoch auch nicht lösen. Es war lange her... dass er diese Art Gefühl verspürt hatte und wenn dann nur kurz bevor sein Bruder es ihm genommen hatte. Er hatte wohl befürchtet, dass Somi diesen Umstand für sich nutzen würde sobald er erkannte was Firan wirklich war. Somi hatte es nie herausgefunden, doch Firan hatte stets Zweifel daran gehabt. Warum hatte er sich ausgerechnet Firan ausgesucht um seine Begierden auszuleben? Das musste doch einen Grund gehabt haben. Nur weil er der Bruder eines der stärksten Empathen war? Als Druckmittel? Oder hatte er doch irgendwie erfahren welche Fähigkeiten Firan besaß? Vom Sentinel? Hatte er ihn solange gefoltert bis er gesprochen hatte? Ihn verraten hatte? Und jetzt? Er war in seinem Gefängnis aus Sex, Gewalt und Begierde gut zurechtgekommen, nur gegen Ende war es unschön geworden und es hatte ihm Angst gemacht. Zum ersten Mal hatte er Angst verspürt. Nein, nicht zum ersten Mal aber seit langer Zeit wieder. Sein sicherer Kokon aus Lügen und einer verdrehten Wahrnehmung war aufgebrochen und das madenzerfressene Innere hatte sich entleert. Was würden sie von ihm denken wenn sie es erfuhren? Sie hatten ihn völlig ohne Zweifel aufgenommen und in ihre Mitte gelassen. Sie vertrauten ihm. Ran war in der Zwischenzeit aufgestanden und stand nun vor ihm. Sein Blick hatte eine Schärfe angenommen, die Firan keuchen ließ. Das war nicht mehr der trauernde in sich gekehrte Ran, das war Abyssinian. Und dieser Killer hatte gerade so etwas wie eine Witterung aufgenommen. Ran zeigte auf Firans Zimmer. Firan beeilte sich diesem unausgesprochenen Befehl nachzukommen, Ran folgte ihm. Die Tür fiel leise ins Schloss aber Firan traute sich nicht sich zu Ran umzudrehen. „Willst du, dass Schuldig dich fragt?“, hörte er Ran mit einer geradezu freundlichen Stimme. Sie trug etwas Falsches, Lauerndes in sich und Firan biss sich auf die Unterlippe. „Nein. Er müsste es längst wissen, er hat mich gelesen, hat er gesagt“, sagte Firan unbestimmt. „Ich denke nicht.“ Die Stimme hörte sich näher an, Ran war direkt hinter ihm. „Doch er hat mich gelesen“, beharrte Firan und drehte sich abrupt um. Ran war so groß wie er selbst und er konnte in die violetten Augen blicken, die ihn in ihrem unheimlichen Fokus hatten. „Oh, das hat er mich Sicherheit, aber hat er auch Verbindungen gezogen? Eine Erkenntnis aus den Daten gewonnen?“ Ran kam näher und Firan wich zurück bis er die Wand im Rücken spürte. Ran legte seine Hände neben seine Schultern. „Ich dachte ich würde dir einen Vertrauensbonus geben weil du Jeis Bruder bist und ich ihm unrecht getan hatte. Zumindest in einigen Teilen unserer Begegnungen. Ich dachte ich würde dir diesen Vertrauensvorschuss geben weil du viel mitgemacht hast und es verdienen würdest. Aber etwas sagt mir, dass du nichts weiter bist als eine Schlange die sich in unsere Mitte begeben hat um uns dann zu verraten. Ist es nicht so?“ Firan sah ihn erschrocken an. Nein! „Nein, niemals. Ich würde euch nicht verraten. Wie kommst du darauf?“ „Ich erkenne Schuld wenn sie mir begegnet. Und du hast definitiv einen schuldigen Eindruck gemacht. Du kannst es mir jetzt sagen oder Schuldig später. Es ist deine Entscheidung.“ „Es ist nicht wie du denkst.“ Ran war ihm viel zu nahe und trotz des Leintuchs um seine Mitte immer noch viel zu nackt und viel zu attraktiv. Firan schluckte. „Und was sollte ich anstatt dessen denken?“ „Ich kann nicht...ich...“, stotterte Firan. Schlimm genug dass er seine Sprache nicht mehr fand, sein Gesicht fühlte sich zudem heiß an. Ran löste sich von seiner Stütze und trat einen Schritt zurück. Er sah zufrieden aus. Das Gefühl hatte Firan nicht. Er war sehr unzufrieden, denn er hatte sich verraten. Vielleicht konnte er lügen? Etwas erfinden... „Was ist es was du vor uns verbirgst?“ Firan hatte gedacht, dass Ran zu lethargisch war um zu seinem alten Selbst zurückzufinden, dass ihn nichts mehr interessierte. Da hatte er wohl falsch gelegen. Hatte die Katze ihn kuriert? Oder hatte er allen nur etwas vorgemacht? Denn der Mann der vor ihm stand strahlte alles aus, nur keine Schwäche. Obwohl er ein taktiler Empath war spürte er die virile Kraft bis zu sich und das ohne Berührung. Schwäche konnte er nur in sich selbst spüren und sie trieb ihn die Tränen in die Augen. Er würde alles verlieren und wo sollte er dann hin? Er hatte gedacht sie wären seine Freunde. Endlich Freunde, die ihn beschützten und für die er sorgen konnte, für die er da sein konnte. „Du schindest Zeit“, sagte Ran ruhig. Ihm fiel nichts ein, rein gar nichts was er ihm hätte auftischen können. „Ich...“, Firan verstummte. „Rede endlich oder ich lasse dich von Schuldig auseinandernehmen und es ist mir scheißegal ob er gegen sämtliche Kawamoris hier antreten muss oder glaubst du Sakura möchte einen Spion in ihrer Mitte haben? Wahrscheinlich wäre es humaner wenn Schuldig die Informationen aus deinen Gedanken pflückt als wenn ich zu Sakura hinuntergehe und sie dich ihren Leuten zur Befragung überantwortet.“ Ran legte die Hand an die Türklinke. „Nun gut, ich hätte zwar nicht gedacht, dass du sie enttäuschen wolltest, aber mir soll es recht sein.“ Er öffnete die Tür und Firan hechtete vor um ihn davon abzuhalten. „Nein, Bitte.“ Ran packte ihn an der Kehle und schloss die Tür wieder. So schnell er ihn gepackt hatte so unwirklich ruhig schloss er die Tür. Firans Hände ruckten hoch zu Rans Handgelenken. Ran schubste Firan auf seinen Platz an der Wand zurück und nahm seine Hände von ihm. Und das war gut so, denn die Gefühle die Firan von ihm übermittelt bekam ließen ihn mehr Entsetzen spüren als es diese Situation je getan hätte. Es war nicht nur Trauer, es war Mordlust und Verzweiflung und einen Hunger... viel mehr eine Gier nach Etwas das für Firan nicht zu fassen war. Das Gefühl des Hungerns kannte er jedoch. Firan löste sich von der Wand in seinem Rücken und ging ein paar Schritte von Ran in Richtung offenen Raum. „Ich bin nicht sehr geduldig“, räumte Ran ein. „Ich habe euch nicht alles über meine Fähigkeiten erzählt. Darum geht es. Es hat nichts mit euch direkt zu tun. Ich würde euch nie verraten. Ich bin froh hier zu sein und ich dachte wir könnten Freunde werden oder etwas dass sich wie Freundschaft anfühlt.“ Er hörte wie Ran Luft holte. „Bist du wie Jei?“ Firan sah auf. „Nein.“ Er schüttelte den Kopf. „Schlimmer.“ „Was heißt das?“, fragte Ran misstrauisch und mit Härte in der Stimme. „Mein Bruder konnte andere beeinflussen und sie manipulieren. Vielleicht war es dazu bestimmt mich zu beschützen, wie es bei PSI Zwillingen oft veranlagt ist. Ich kann das nicht. Zumindest nicht einfach so.“ „Du brauchst Kontakt?“ Firan nickte. „Ja, aber einen bestimmten Kontakt. Ähm... sexuellen Kontakt.“ „Was?“, fragte Ran ungläubig. „Sexuelle Energie ist für mich etwas Besonderes, sie verleiht mir Kraft und Energie.“ „Du wirst stärker?“ „Ja... denke ich, es ist aber keine direkte körperliche Stärke. Ein normaler Mensch muss schlafen um sich zu regenerieren. Ich brauche nicht zwingend Schlaf, ich regeneriere Zellen und Prozesse auf diese Weise.“ „Wusste dein Bruder das?“ Firan schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht.“ „Hast du deshalb Somi heil überstanden?“ „Ja. Allerdings hat mein Bruder auch dafür gesorgt, dass ich diese Energie kaum nutzen konnte. Er hat mir jedoch auch die negativen Gefühle genommen, wofür ich ihm dankbar bin.“ „Wann hast du dich das letzte Mal regeneriert?“, fragte Ran und die Kälte war aus seiner Stimme gewichen. „Das letzte Mal versuchte ich es vor Monaten bei Somi als er mich zu sich holte. Aber es funktionierte nicht, es war nichts da was ich für mich nutzen konnte. Es war nur Gier und Machthunger. Tatsächlich ist das letzte Mal sehr lange her. Schlaf hilft mir dabei diese Art von Energie nicht zu benötigen aber es ist nicht dasselbe.“ „War es jemals anders mit Somi?“ „Ja, bevor das alles losging und wir hierhergekommen waren. Er hatte mich im Fokus und seine Spiele nutzten auf diese Weise auch meiner Regeneration die ich dringend brauchte nach diesen Stunden. Bloße Gewalt und Unterdrückung helfen nicht, sie schaden mir wie jedem anderen auch.“ „Wie hast du rausgefunden, dass du diese Art Fähigkeit hast?“ „Sakura selbst meinte, dass sie noch nicht wüsste was meine Sekundärfähigkeiten sind und ich habe sie belogen, denn ich wusste es sehr genau. Ich bin ein taktiler Empath und meine Sekundärfähigkeiten beziehen sich auf ...“ Er seufzte niedergeschlagen. „Somi... ich habe es mit ihm herausgefunden. Ich war zu jung um andere Erfahrungen machen zu können. Aber es ist eine Fähigkeit die keinerlei Nutzen bringt – für andere.“ „Schadest du jemandem damit?“ „Nein. Ich glaube nicht, aber ich habe keine anderen Erfahrungen als mit einem sehr starken PSI.“ „Nimmst du Jemandem dabei etwas weg?“ „Wie ein Vampir?“, fragte Firan ernst und sah zu Ran auf, der an der Tür lehnte und sehr interessiert schien. „Nein, ich... wie soll ich das erklären? Ich nehme die Gefühle wahr und diese Wahrnehmung triggert etwas in mir selbst. Es potenziert sich. Bisher konnte ich das noch nicht ausgiebig erforschen, mir fehlte ein Trainingspartner.“ Unsicher sah er wieder zu Ran auf. „Das ist dein Geheimnis?“, fragte Ran ernst. Firan nickte und spürte erneut wie sich Hitze in ihm ausbreitete. „Und vorhin... da... dieser Ausdruck von Schuld auf deinem Gesicht... warum?“ „Ich...“ Firan zögerte. „Firan, sind wir nicht über diesen Punkt hinweg?“, fragte Ran milde. Firan sah von seinen Händen auf. „Ich glaube nicht.“ Ran seufzte. „Du hast mich attraktiv gefunden? Halb nackt? Und hast dir vorgestellt mich zu berühren?“, sagte Ran gelassen. „Unter anderem“, gab Firan zu und starrte Ran an. „Und dann hast du dich schuldig gefühlt, weshalb?“ Auf Rans Gesicht breitete sich ein Lächeln aus, das etwas Schmutziges an sich hatte. „Wegen... wegen Schuldig“, sagte Firan unsicher. Angesichts dieser vertrackten Situation entging ihm der Wortwitz gänzlich. Vor allem wohl weil er sich nicht gleich die Übersetzung von Gabriels Alias in Erinnerung rief. Rans Gesicht erhellte sich und er lachte leise. „Du hast dich wegen Schuldig schuldig gefühlt? Wenn ich ihm das erzähle lacht er sich halb tot.“ „Nein! Das ist nicht komisch. Das ist nicht gut!“ Firan schüttelte den Kopf. Warum war der Mann nur so gelassen? Erkannte er nicht wie furchtbar die Situation war? „Warum nicht? Die Katze ist aus dem Sack, glaubst du ich würde ihm das verheimlichen? Das ist für ihn wie ein Sechser im Lotto“, sagte Ran und schüttelte lachend den Kopf. „Hör auf zu lachen! Das ist nicht komisch.“ Firan fühlte wie beschämend die Situation war. „Und ob es das ist. Seit Langem habe ich das Gefühl das Ewas tatsächlich lustig ist, auch wenn es auf deine Kosten geht. Ich glaubte du hintergehst uns und die Kawamoris und dann offenbarst du mir die Wahrheit. Und sie ist weit weniger gefährlich als ich dachte. Bei genauerer Betrachtung ist sie sehr positiv, wenn es stimmt was du darüber erzählt hast.“ „Es stimmt. Aber ich habe noch nicht genau herausgefunden was ich damit tun kann.“ „Frag Schuldig, er hat bestimmt sofort eine Handvoll von Ideen. Glaub mir.“ „Ich kann mir nicht vorstellen wie das irgendjemandem helfen sollte“, sagte Firan niedergeschlagen. „Und was jetzt? Sagst du es ihm?“ „Nein“, sagte Ran. „Das wirst du tun. Und ich werde dabei sein, das will ich mir nicht entgehen lassen.“ „Das ist so peinlich“, ergab sich Firan ins Unvermeidliche. „Geh runter und sag ihm, dass du mitfahren möchtest.“ „Warum?“, fragte Firan irritiert. „Weil du mitfahren wirst.“ Das hörte sich in Firans Ohren sehr endgültig an. „Aber was... was soll ich... ich meine...“, stotterte er und er spürte wie er Angst bekam. „Bekommst du kalte Füße?“ „Ja, ja die bekomme ich.“ „Wir passen auf dich auf. Und jetzt runter mit dir.“ Ran öffnete zuvorkommend die Tür für ihn und Firan schlich an ihm vorbei. Er übersah das Lächeln von Ran als dieser ihm folgte. „Und bemüh dich ihn davon zu überzeugen, er wird sich anfänglich ein bisschen zieren.“ „Kannst du es ihm nicht einfach sagen?“ „Nein. Das wirst du tun. Denn dein Blick vorhin hat mir alles erzählt über deine... Wünsche.“ Firan schwieg. Sakura war gegangen und Schuldig grübelte darüber nach wie er vorgehen sollte als Firan im Wohnraum auftauchte. „Ich dachte du schläfst?“ „Ich habe Stimmen gehört... und... ich wollte fragen ob ich mitfahren kann.“ Schuldig hörte Unsicherheit aus der Stimme heraus. Dann trat Ran neben Firan und schlich sich in Schuldigs bevorzugtem Schlafoutfit vorbei um sich ein Glas Wasser einzuschenken. Schuldig besah sich Rans Profil als dieser ihm einen warnenden Blick zuwarf. Schuldig sah ihn fragend an. Wie sollte er das nun deuten? „Ich habe alles gehört“, funkte Firan zwischen ihre lautlose Kommunikation. „Das war nicht für deine Ohren bestimmt, Firan“, sagte Schuldig nachsichtig. „Es tut mir leid. Ich...“ Firan verstummte. Schuldig schwieg einen Augenblick und beobachtete wie sich Ran einen Stuhl heranzog und darauf Platz nahm. Er überschlug die Beine und naja bis auf die interessante Mitte konnte Schuldig im Halbdunkel alles sehen. „Warum willst du mit?“, fragte Schuldig dann, den Blick immer noch auf die langen Beine gerichtet. Schuldig konnte in der Stille hören wie Firan schluckte und sah auf. „Weil ich... vielleicht ähnlich wie Ran fühle... und... ich...“ Schuldig fragte sich ob Firan tatsächlich wusste wie Ran sich fühlte oder nur ahnte wie es in ihm aussah. In den letzten Tagen hatten die beiden mehr Kontakt gehabt als Schuldig zu Ran. „Firan wir werden dort Sex haben und der wird nicht von der sanften Sorte sein.“ „Es gibt nichts was ich nicht schon getan habe“, erwiderte Firan fast schon verärgert. Schuldig seufzte. „Darum geht es nicht.“ „Um was dann?“ „Du bist Jeis Bruder.“ „Liegt es daran, dass ich wie er aussehe?“ Ran wollte etwas sagen, doch Schuldig hob die Hand um ihm zu signalisieren, dass er das übernehmen wollte. „Nein. Daran liegt es nicht. Und du siehst nicht wie er aus, seine Narben haben sein Aussehen verändert. Du kennst uns nicht und... wir wollen sicher keine Erinnerungen in dir wecken, die dich in dieser Situation noch mehr traumatisieren.“ „Gerade weil ich euch nicht kenne“, fuhr Firan auf. Seine Stimme zitterte und Schuldig hörte etwas anderes heraus: Verzweiflung. „Gerade weil ich keine Gefühle zu diesen Erinnerungen habe. Sie verblassen bereits und sie belasten mich nicht – weil mein Gehirn keine assoziativen Verbindungen herstellen kann. Nichts ist daran gekoppelt. Jei... wie ihr ihn nennt wusste das. Wenn er mir die Gefühle nimmt, nimmt er mir auf lange Sicht die Erinnerung.“ „Es wird ihn auf lange Sicht nicht belasten. Zumindest was die psychologische Seite angeht“, sagte Ran. „Darum geht es nicht“, sagte Schuldig noch nicht ganz überzeugt von diesen Argumenten. Und woher wollte Ran das wissen? „Um was dann?“, rief Firan aus. Schuldig wollte gerade ansetzen etwas zu sagen. „Nimm ihn mit“, sagte Ran. „Bist du sicher?“ Ran nickte. „Hast du etwas dagegen?“ Schuldig versuchte herauszufinden was Ran bezweckte, kam aber zu keinem vernünftigen Ergebnis. Außer dass Ran momentan egoistisch dachte und verzweifelt war - selbst wenn er hier ruhig und gelassen saß. Ran war in diesem Zustand gefährlicher und berechnender als sonst. „Nein, ich habe nichts dagegen ihn zu ficken, oder zuzusehen wie er dich fickt“, sagte Schuldig langsam und beobachtete wie Ran lächelte. Dieses Lächeln hatte er lange nicht mehr gesehen. Es war schmutzig und verrucht – bestenfalls. Wollte er den Jungen dazu benutzen sich auszutoben? Darüber mussten sie trotzdem sprechen, denn er hatte nicht vor Firan für Etwas zu benutzen. Ran würde es sich nicht verzeihen wenn er aus seiner egoistischen Phase erwachte. „Willst du ihn benutzen oder warum ist dir Privatsphäre plötzlich nicht mehr so wichtig?“, fragte er und lächelte weil Firan sich gerade weit weg zu wünschen schien, so schüchtern wie er vor ihnen stand. „Firan?“, sprach Ran den Jungen an und dieser sah auf. „Erklär ihm warum du mitwillst, obwohl du weißt, was aller Wahrscheinlichkeit nach dort passieren wird.“ „Ich will sehen was ich fühlen würde wenn... wenn es dazu kommt“, stotterte er. „Zu was kommt?“, hakte Ran unerbittlich aber in sanftem Tonfall nach. „Zum Sex“, sagte Firan tapfer und presste die Lippen zusammen. Firan stand dort mitten im Raum - augenscheinlich ruhig und gelassen. Doch als Schuldig sich von der Anrichte abstieß und auf ihn zuging zuckte er zusammen. „Sag mir warum?“ Schuldig näherte sich immer noch Firan. Dieser sah auf, während Schuldig seine Hand hob und sanft mit den Fingerspitzen den dunklen Haaransatz entlang strich. Firans Atmung beschleunigte sich. „Du bist nicht erregt, Gabriel“, stellte Firan erstaunt fest obwohl Schuldig wirkte als würde er eine bestimmte Absicht verfolgen. „Beantworte meine Frage“, forderte Schuldig. „Du wirkst aber, als würde ich dich erregen. Warum?“ „Sie blockieren diesen Teil“, erwiderte Schuldig. „Sie blockieren diesen Teil?“, fragte nun Ran. Schuldig seufzte. „Ja. Das ist der Grund warum ich dir nicht geben kann was du brauchst, Ran.“ Ran stöhnte. „Ich höre, Firan“, sagte Schuldig zu Firan gewandt. Firan nickte. „Ich will wissen ob diese Art... von Sex erregend für mich ist oder nicht.“ „Welcher Art?“ Firan bis sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf. „Willst oder kannst du es nicht aussprechen?“ „Meinst du BDSM?“ „Was?“ Er sah auf und sah ihn mit großen Augen an. „Was ist das?“ Schuldig lachte auf und schüttelte den Kopf. „Ich erkläre es dir wenn wir alles vorbereiten, dann kannst du immer noch entscheiden!“ „Ich habe mich bereits entschieden“, sagte Firan und sah Schuldig an. „Ach ja“, Schuldig sah Firan fest in die Augen. „Noch etwas...“ Firan nickte und sah ihn aufmerksam an. „Kannst du damit umgehen, dass es lediglich Sex ist?“ Firan nickte erneut. „Ja. Dadurch, dass ich euch noch nicht gut kenne seid ihr die besten Partner dafür.“ Schuldig nickte erstaunt über die derartig nüchterne Betrachtungsweise. „Das heißt nicht, dass wir für dich in diesem Moment nichts empfinden, Firan.“ „Ich möchte im Augenblick keinen Partner, denn ich muss mich erst selbst finden... und das nicht nur in diesem Bereich.“ „Verstehe. Lass dir Zeit dabei und mach erst deine Erfahrungen.“ „Deshalb möchte ich mit.“ „Du möchtest Erfahrungen sammeln?“ Firan nickte, etwas selbstsicherer. „Du bist erst vor wenigen Tagen Strauds Tyrannei entkommen.“ „Ich weiß. Aber ich bin rastlos und fühle mich nutzlos.“ Dann senkte er den Kopf. Er verstummte und Schuldig hob fragend die Augenbrauen. „Was ist?“ „Firan“, warnte Ran und Schuldig sah zu diesem hin. „Sag bloß, du weißt mehr als ich!“, rief Schuldig erstaunt aus und sah zu wie Ran zufrieden lächelte. „Ich... ich durfte mich nicht... selbst befriedigen.“ Er kaute erneut auf seiner Unterlippe herum. Schuldig ersparte sich einen Kommentar. Er würde Somi die Eier abreißen. „Und jetzt?“ „Jetzt... jetzt... will ich es die ganze Zeit tun.“ Firan drehte sich um und schüttelte den Kopf. Schuldig runzelte die Stirn. Ach...? „Dass hat er dir erzählt?“, wandte sich Schuldig an Ran. „Nein, das nicht“, sagte Ran nachdenklich. „Du vermisst den Sex?“, fragte Ran Firan. „Mein Körper tut das... denke ich.“ Wow... okay, dachte Schuldig so bei sich. „Kannst du mit körperlicher Nähe umgehen?“, fragte er dann. Firan nickte. „Ich bin mir nicht sicher wenn... wenn ich nackt bin und mehr Oberfläche zur Verfügung steht...“ Ein hörbares Schlucken schloss sich an. „Gut, das werden wir wohl herausfinden müssen.“ Firan wirkte aufgeregt und wollte ihm etwas sagen, aber wusste wohl nicht wie er es sagen sollte. „Sags einfach, Firan“, sagte Schuldig sanft. „Jetzt ist die Gelegenheit dafür.“ „Somi... mein früherer Herr... er...“ Firan schluckte. Schuldig wartete geduldig. „... er... er sagte, dass ich der perfekte Sklave wäre.“ „Das hat er auch nicht erzählt“, meinte Ran in Richtung Schuldig. Dieser Satz löste einiges in Schuldig und wohl auch in Ran aus, denn dieser erhob sich von seinem Stuhl, vor allem aber die strikte Weigerung den jungen Mann hier mitzunehmen. Schuldig runzelte die Stirn als er sah wie rot Firan im Gesicht wurde. Was...? „Er sagte das um dich zu demütigen“, sagte Ran und kam näher. Firan schüttelte vehement den Kopf und sah zu Ran hin. „Nein. Es stimmt.“ „Das ist Unsinn. Arschlöcher wie Somi...“, begann Schuldig Firan begreiflich zu machen was für ein Ungeheuer dieser Straud war als Firan ihn unterbrach. „Nein, hör mir bitte zu, Gabriel. Das habe ich Sakura nicht erzählt, weil ich mich dafür... schäme. Ran hat es herausgefunden.“ „Wie... herausgefunden? Auf welche Art?“ Schuldig sah zu Ran hin. Dieser zuckte nur mit den Schultern. „Nicht so wie du glaubst“, sagte Ran gelassen. „Gut, ich höre zu“, sagte Schuldig. „Ich... ich... kann meinen Schild durch... also durch sexuelle Energie stärken.“ Firan sah ihn mit großen Augen an und wartete wohl auf seine Reaktion. Er starrte ihn regelrecht aufmüpfig an. Schuldig lehnte sich seitlich an die Wand. „Das ist interessant“, sagte Schuldig langsam. „Ist es das?“ Firan schien das nicht zu empfinden. Er knetete seine Hände. Und Schuldig betrachtete sich den jungen Mann vor sich mit großem Interesse. Ein Incubus? Er hatte hier also die mythologische Vorlage vor sich stehen. Das war der Hammer! Er wusste gar nicht, dass das möglich war. Hatte Jei deshalb diesen Hass auf Gott und die Kirche im Allgemeinen? „Kannst du die Gefühle verstärken?“ Firan schüttelte aufgeregt den Kopf und seine Wangen wurden einen Tick dunkler. „Nein. Ich stehle auch niemandem etwas. Ich teile die Gefühle.“ „Sehr interessant. Das werden wir testen. Wir haben das perfekte Versuchskaninchen hier.“ Er wedelte mit seiner Hand in Richtung Ran. „Viel Energie und ich werde das ganze überwachen um mir das genauer anzusehen.“ Firan schluckte wieder und nickte etwas weniger enthusiastisch. „Verschweigst du mir noch etwas?“ „Nein!“ „Hast du Angst? Du kannst es dir noch einmal überlegen.“ „Nein, ich bleibe dabei, aber... ich weiß nicht was ich machen soll, ich wurde immer angewiesen... also...“ Schuldig berührte Firans Wange und dieser sah auf. Er lächelte plötzlich, vermutlich weil Schuldig Zuversicht fühlte. „Keinen Stress. Der da drüben...“ Er zeigte mit dem Finger in Richtung Ran. „... macht zwar einen auf finster und momentan ist er das auch, aber Ran weiß was er tut.“ Firan nickte. „Hast du Angst vor ihm?“ Schuldig lächelte breit. „Ich kann euch hören, ich stehe nämlich direkt neben euch“, sagte Ran und Schuldig lächelte ein unschuldiges Lächeln in Richtung Ran. „Tu einfach so als wärst du nicht hier.“ „Also Firan? Wenn das was werden soll will ich darauf eine Antwort.“ „Soll ich gehen?“, fragte Ran. „Hast du Angst zu hören wie er dich sieht?“, schickte Schuldig zurück. „Ja.“ Schuldig sah zu Ran hinüber. „DU willst dass er mitkommt.“ Ran sah zu Firan hinüber. „Hast du Angst vor mir?“ „Ein bisschen, denn... du spricht wenig und ich habe Geschichten gehört. Vom Anführer von Weiß... von Abyssinian.“ „Finstere Geschichten?“, fragte Schuldig neugierig. „Ja.“ „Was hat man über Abyssinian erzählt?“, fragte Ran irritiert. Schuldig lächelte interessiert. „Wenn die Aufträge erteilt sind, dann gibt es kein Zögern mehr, kein Verhandeln mehr mit ihm. Er tötet das Ziel, auch wenn es unschuldig ist, oder wenn es um Gnade bettelt. Und... er ist gnadenlos. Sein Hass gegen uns kennt keine Grenzen und er ist blutrünstig. Irgendjemand hat einmal erzählt, dass er eine Narbe hätte und diese ihn entstellen würde.“ Schuldig sah zu Ran der ein fragendes Gesicht zog. „Dann kenne ich noch die Geschichte, dass er mit einem Tentakelmonster gekämpft und schlimme Verletzungen davongetragen hat. Aber das habe ich nie geglaubt“, winkte Firan ab und Schuldig bekam große Augen. Nun gut... er behielt lieber für sich, dass dies wahrscheinlich das Einzige war, welches der Wahrheit entsprach. Schuldigs Gesicht sprach Bände als er grinsend zu Ran hinüberblickte. „Halt die Fresse“, erwiderte Ran unfreundlich. „Sonst...“, fing Ran an sich eine fiese Strafe auszudenken. Schuldig hob einlenkend die Hände. „Schon gut, schon gut, seit wann bist du so ausfallend?“, versuchte er sich an einem schockierten Gesichtsausdruck. Er misslang so finster wie Ran ihn anblickte. Wusste er eigentlich wie sexy er damit gerade aussah? „Weiter Firan, beachte ihn gar nicht“, sagte Schuldig fürsorglich. „Er führt sein Schwert schnell und mit Anmut. Das habe ich von einigen Agenten, drüben im Mutterhaus gehört.“ Schuldig grinste mittlerweile wieder. „Aha. Eines kann ich dir sagen... Anmut hin oder her. Er sieht mit dem Messerchen beeindruckend aus... nichtsdestotrotz bringt er damit einfach nur Leute um. Und das ja... eher effizient. Ran legt keinen Wert auf Anmut, glaub mir. Wenn er sich durch mehrere Leute schnetzeln muss, dann kommt es eher darauf an Energie einzusparen als eine Show daraus zu machen. Meistens macht er sie kampfunfähig, er tötet sie nicht immer. Das kommt auf die Umstände an, Firan. Wenn er schnell weg muss oder wenn das Ziel etwas anderes ist. Wie gesagt, Ran ist effizient. Und er mag es nicht Zeit zu verschwenden. Was er überhaupt nicht abkann ist... wen Leute noch vorher ewig rumlabern und erklären warum sie was gemacht haben. Es interessiert ihn nicht besonders warum sie Arschlöcher sind. Deshalb... habe ich ihn damals immer schön auf die Palme damit gebracht.“ Schuldig lachte leise. „Gut, das stimmt immerhin“, brummte Ran und setzte sich wieder. Firan nickte interessiert. „Dann stimmt nur dieser Teil von dem was ich gehört habe?“ „Wie so oft bei Gerüchten stimmt ein kleiner Teil im richtigen Licht betrachtet. Den Rest kannst du vergessen.“ Die Tentakelsache... Masafumi ließ Grüßen... zum Beispiel. „Und was stimmt?“ „Das musst du selbst herausfinden.“ Ob Ran ihm wohl bei Gelegenheit von den Nesseln erzählen würde? Schuldig grinste. Wohl nicht. Firan sah zu Ran hinüber. „Ich kümmere mich um alles Nötige“, sagte Schuldig drehte sich um und öffnete die Tür. „Scheiße... was bin ich... ein Sextherapeut?“, murmelte er ironisch im Hinausgehen. „Im Moment sicher nicht!“, brüllte Ran ihm nach. Schuldig lächelte. Er hätte Ran früher erzählen müssen warum zwischen ihnen momentan nichts laufen konnte. Denn jetzt schien Ran etwas entspannter zu sein. Schuldig machte sich auf um Sano zu suchen. Firan sah Schuldig nach und stand unsicher im Wohnraum herum. Vielleicht sollte er nach oben gehen, aber um was zu tun? Schlafen? Packen? Wann ging es los? Er war aufgeregt. „Du hast tatsächlich Angst vor mir?“, hörte er dann und drehte sich zu Ran um. Was sollte er sagen? „Ich bin aufgeregt in deiner Nähe.“ „Aber du hast dich um mich gekümmert.“ „Ich... war stets in der Nähe von gefährlichen Menschen.“ „Fühlst du dich von ihnen angezogen?“ „Kann sein“, sagte Firan unsicher. „Was sagt das über mich?“ „Erst einmal gar nichts“, erwiderte Ran. Er erhob sich. „Los... ziehen wir uns an und packen ein paar Sachen zusammen.“ Firan nickte und verzog sich nach oben, Ran war dicht hinter ihm... sehr dicht... Fortsetzung folgt... Danke! Gadreel Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)