Vampire Kiss von Laito-Sakamaki ================================================================================ Kapitel 34: Das Kloster ----------------------- 34. Das Kloster Yuri hatte das Haus in Ordnung gebracht und den Garten kontrolliert. Es waren wirklich keine Werwölfe mehr da, die sie beobachteten. »Scheinbar hat Kyosuke die Wahrheit gesagt und sein Rudel hat die Stadt verlassen«, dachte sie, während sie überall Kerzen anzündete, »Die Ratten verlassen das sinkende Schiff!« Schon seit geraumer Zeit suchten die magischen Wesen, welche seit Jahrhunderten bereits diesen Ort bewohnten, nach und nach das Weite. Yuri wusste genau, dass es an Haruka lag, die – ebenfalls bereits vor Jahrhunderten – diesen Krieg gegen Ihresgleichen begonnen hatte und im Laufe der Zeit immer mehr an Macht gewann. Die Zigeuner, selbst ihre eigene Sippe, hatten schon vor langer Zeit die Stadt verlassen, nachdem die Vampirin über die Hälfte von ihnen ausgerottet hatte. Sie fürchteten, ihr über Generationen gewonnenes Jägerwissen, komplett zu verlieren an den blonden Dämon aus den eigenen Reihen. Sie fürchteten die Rache eines Mädchens, das sie einst aufgenommen und wie ihr eigen Fleisch und Blut großgezogen und geliebt hatten und das sie dann im Tausch gegen ein wenig Macht und magische Fähigkeiten, einem alten Vampirlord zum Fraß vorgeworfen hatten. Den ersten großen Verrat hatte Haruka erlebt, als ihre eigenen Eltern sie verkauft hatten an eben jene Zigeuner. Den zweiten, als diese Zigeuner sie zum Opfer machten und den dritten großen Verrat erlebte sie, als genau die, die Haruka als ihre Retterin wähnte, ihr klar sagte, das Alles von Anfang an geplant gewesen war. Ayame hatte die Zigeuner dazu getrieben Haruka an den Vampirlord zu verkaufen, um diese so dazu zu treiben, sich ihr freiwillig zu opfern. So bekam sie die starke Verbündete, die sie wollte und schaltete gleichzeitig einen der besten Vampirkiller sämtlicher Sippen aus. »Wer ihre Geschichte kennt, weiß warum sie ist wie sie ist.« Tage und Nächte hatte Yuri im Kloster damit verbracht, die alten Bücher zu wälzen. Wochen und Monate jedes Pergament, jede Schriftrolle und alles Wissen, welches die Mönche, über Jahrhunderte, angesammelt hatten zu erlernen und sich einzuprägen. Ob von Mund zu Mund weiter gegeben oder sogar in privaten Aufzeichnungen, nur durch Zufall entdeckt. Yuri wusste alles. Auch wenn es zwischendurch mehr als einmal den Anschein gehabt hatte, dass sie ihr Ziel nicht erreichen würde – sie war noch hier. Und ihrem Ziel sogar so nahe, wie niemals zuvor. Alles hing jetzt nur davon ab, ob Haruka allein oder mit Michiru heimkehren würde. Brachte die Vampirin sie mit, würde sie noch heute Nacht Harukas Geschöpf und selbst zum Vampir werden. Die in Michiru schlummernde Macht würde sich offenbaren und Yuri war da, um sie sich zu holen. Ein zufriedenes Grinsen huschte über ihr Gesicht. »Und dann gehört sie endlich mir…« Die Haustür knallte und Yuri fuhr erschreckt zusammen. „Verdammt!“ fluchte sie leise und löschte schnell die restlichen Lampen. Bei einer Vampirtaufe durfte es nur Kerzenschein und Mondlicht geben. Gerade als sie die letzte Tischleuchte ausgeschaltet hatte, betrat Haruka das Wohnzimmer und blieb direkt stehen. Yuri schwang zu ihr herum und sah sie an. „Wieso kommst du zu Fuß?“, fragte sie verblüfft, „Und…allein?“ »Sie hat sich wirklich gegen sie entschieden«, gefiel Yuri die Sache so gar nicht, »Jetzt kommt es darauf an…« „Glaub nur nicht, deine kleinen Machenschaften würden mir verborgen bleiben“, sagte die Blondine eisig, aber ruhig, „Es ist nur nicht von Wert für mich derzeit. Du kannst alle Kerzen wieder löschen. Es wird keine Vampirtaufe geben heute Nacht. Danach geh von mir aus mit deinem Schoßhündchen Gassi. Sehr viel Zeit dürfte ihm ja nicht mehr bleiben.“ Sie ging durchs Wohnzimmer Richtung Flur zu ihrem Schlafzimmer und ließ Yuri einfach stehen. „Es gibt keine Machenschaften!“ rief die ihr aber nach, „Ich habe Michiru alles erklärt und würdest du mir die Chance dazu geben, würde ich auch dir alles sagen, was ich weiß. Aber du hast mir ja von Anfang an misstraut und willst mich als Feind sehen!“ Sie wusste, dass konnte ein großer Fehler gewesen sein und nicht nur ein großer, sondern auch ihr letzter. Trotzdem hatte sie diese Worte bewusst ausgesprochen. Sie wollte Haruka reizen, sie provozieren zu irgendeiner Reaktion, egal welcher Art. Seit Michiru von hier geflohen war, oder besser Yuri sie dazu gedrängt hatte, war die Vampirin sonderbar gnädig und gleichgültig zu ihr. Hatte sie vorher nur nach einem Grund gesucht, Yuri endlich töten zu können, so schien sie es plötzlich überhaupt nicht mehr eilig damit zu haben und warum das so war, interessierte Yuri nur zu sehr. Es musste einen Grund dafür geben. Haruka war sofort stehen geblieben, als Yuri die Worte ausgesprochen hatte, doch sie drehte ihr auch jetzt noch den Rücken zu. Keinen Millimeter hatte sie sich bewegt, nichts gesagt, einfach keinerlei Regung gezeigt. Das tat sie auch weiterhin nicht. Ihre ruhigen, eiskalten Worte jedoch waren unmissverständlich. „Ich kenne deine Geschichte“, sagte sie, „Ich kenne die Geschichte all jener, die aus diesem Kloster stammen. Das haben sie dir verschwiegen, oder?“ Erst jetzt drehte sie sich langsam zu Yuri herum. Diese war wirklich mehr als überrascht und Haruka darüber deutlich amüsiert. „Ich war einst genau wie du“, grinste sie kühl, „Vor Jahrhunderten, als die Mönche von den ersten Experimenten der großen Alten hörten, da entschieden sie, spezielle Jäger auszubilden. Nur wenige Auserwählte sollten diese Ehre erfahren. Von den Mönchen ausgewählte Kinder, in denen sie eine besondere Macht und Stärke erkannten. Ich gehörte zur ersten Generation dieser einzigartigen Dämonenjäger. Doch im Vergleich zu den Zigeunern konnten die Mönche meinen Eltern kein Geld bieten. Meine Ausbildung begann heimlich und endete bereits nach wenigen Wochen, weil meine Eltern nichts zu verschenken hatten, wie meine Mutter den Mönchen sagte. Ich gebe zu, ich habe dich nicht sofort erkannt, doch allzu lange hat es nicht gedauert. Der Gestank dieser muffigen Klostermauern setzt sich in jede kleinste Pore und du stinkst noch heute danach.“ Yuri war sprachlos. Das eben gehörte traf wie ein Hammerschlag und zog ihr fast den Boden unter den Füßen weg. „Das ist es also…“, brachte sie irgendwann hervor, „Du glaubst, dass ich dir noch nützlich sein könnte.“ „Es wäre zumindest interessant zu erfahren, ob es Zufall war, dass Ayame zwei Schülerinnen dieses Klosters in ihre Fänge gebracht hat oder ob sie etwas wusste“, gab Haruka unverblümt zu, „Nur habe ich sie getötet und leider vergessen, sie vorher zu fragen. Also lass ich dich vorerst am Leben und sehe, was geschieht. Vielleicht nutzt es ja uns beiden – wer weiß? Wir sind gar nicht so verschieden…“ Sie grinste wieder, doch Yuri empfand es keinesfalls als freundlich. Eher als warnend oder sogar bedrohlich. Die Vampirin jedoch drehte sich wieder um und ließ Yuri nun endgültig allein. Michiru hatte sich heimlich davon gestohlen. Über die untere Terrasse war sie in den Wald gelaufen und zielstrebig drauf los. Noch bevor sie das riesige Grundstück vollends verlassen hatte, wimmelte es oben am Haus bereits von Polizeiwagen. Sie durfte keinesfalls in ein Verhör hineingezogen werden. Jeder Mensch, der mit Michiru in Kontakt kam lief nun Gefahr, von Haruka getötet zu werden. Sicherlich würde Reijka ihr Verschwinden bemerken, doch wenn sie Glück hatte, wurde sie ebenfalls für ein Opfer und vielleicht sogar für tot gehalten. Besser konnte es für ihren Plan gar nicht sein. Wobei sie gar keinen wirklichen Plan hatte. Sie folgte einer Hoffnung, die allein darauf beruhte, ob Yuri jemals ehrlich zu ihr gewesen war. Glücklicherweise lag die Villa von Reijkas Verlobten schon recht weit außerhalb am Stadtrand und so führte ihr Weg sie nicht wieder näher an Haruka heran. Weit genug von der Vampirin entfernt würde die vielleicht nicht jeden Gedanken und jede Handlung von Michiru sofort erfahren. Zusätzlich fürchtete sie, erneut einem Werwolf zu begegnen. Wenn es wirklich solche unter ihnen gab, die Vampiren freiwillig dienten, waren die mindestens eine genauso große Gefahr wie Haruka. Als Michiru den Wald endlich hinter sich gelassen hatte, fühlte sie sich ein wenig sicherer. Auch wenn sie erstaunlich gut sah in der Dunkelheit, die Schwärze des Waldes war ihr dennoch nicht geheuer. Hinter jedem Baum konnte sich etwas verbergen, dass Michiru übersah und sie dadurch erwischte. Vor ihr lagen nun ausgedehnte Wiesen und Felder mit einigen Büschen und Bäumen. Genug also, sich selbst zu verbergen und gleichzeitig den Überblick zu haben, ob sich etwas tat. Wohnhäuser gab es hier keine mehr, nur einige Scheunen und Ställe und je näher sie den Bergen kam, desto rarer wurden auch diese. Irgendwann ließ sie auch das letzte Feld hinter sich und schritt durch vollkommen unberührte Natur. Der Weg wurde steiniger und steiler und war auch gar kein wirklicher Weg mehr. Und doch war sie sich sicher in die richtige Richtung zu gehen. Sie versuchte, nicht an ihr Ziel zu denken um zu vermeiden, dass Haruka sie am Ende noch abfing. Wenn die Vampirin herausfand, was Michiru vorhatte, würde sie sie auf jeden Fall daran hindern. Auch wenn sie gesagt hatte, dass sie sie nicht anrühren und sich von ihr fern halten würde. Gab es ihr Ziel wirklich, dann wäre sie dort sicher genug vor Haruka, um wieder vollkommen menschlich zu werden. Das würde die Blondine ganz sicher nicht zulassen. Je länger Michiru unterwegs war, desto unruhiger wurde sie. Zweifel an der Wahrheit von Yuris Erzählungen kamen auf und sie war erschöpft. Die vergangenen Tage hatte sie kaum geschlafen, sehr wenig gegessen und die Menge Blut, dessen Haruka sie bereits beraubt hatte, war auch nicht ganz ohne Folgen für Michirus Verfassung geblieben. Sie fragte sich gerade, was sie tun sollte, wenn es wirklich nur eine Geschichte war, die Yuri frei erfunden hatte, als sie tatsächlich etwas entdeckte. Nur wenige hundert Meter voraus brannte ein Feuer. Welchen genauen Ursprung die Flamme hatte, konnte sie noch nicht erkennen, doch das sie einen Weg weisen sollte, war mehr als deutlich. Michiru hielt darauf zu und erkannte bald den Weg zwischen zwei großen Felsen im Schein des Feuers. Ohne die Flamme hätte jeder Mensch diesen Weg übersehen, selbst, wenn er direkt davor stünde und auch Michirus scharfem Blick wäre er auf die Entfernung wohl entgangen. Jetzt aber sah sie ihn deutlich und wurde wieder schneller. Neue Hoffnung keimte in ihr auf und verlieh ihr etwas Kraft. Sie achtete auch nicht mehr auf mögliche Feinde, sondern wollte nur noch so schnell wie möglich das Ende dieses versteckten Weges erreichen. Nachdem er eine recht scharfe Biegung machte, blieb Michiru wie angewurzelt stehen. Ihr Herz schlug schneller und sie traute sich kaum zu atmen. »Das Kloster!« schoss es in ihren Kopf, »Ich habe es wirklich gefunden.« Nach kurzem Zögern ging sie langsam wieder los. Mit ihren letzten Kraftreserven setzte sie einen Fuß vor den anderen und näherte sich Schritt für Schritt der großen Pforte inmitten dunkler, hoher Mauern, die nicht den kleinsten Schwachpunkt aufwiesen. Diese Mauern verbargen nicht einfach nur ein paar harmlose, gottesfürchtige Mönche. Solche Mauern waren gebaut, um mächtigen Feinden zu trotzen und gewaltigen Angriffen standzuhalten. »Es ist wahr«, trieb die Erleichterung sie voran, »Es ist alles wahr!« Als sie das Tor fast erreicht hatte, sackten ihr die Beine weg und sie fiel gegen das dicke, schwere Holz. Mit einem Aufschrei landete sie am Boden und blieb völlig entkräftet liegen. Auf der anderen Seite des Tores hörte sie Schritte und kurz darauf schwang einer der großen Flügel knarrend zurück. In genau diesem Moment wurde es schwarz um Michiru. Nur sehr langsam kam sie ins Bewusstsein zurück. Ihr ganzer Körper schmerzte und das Atmen fiel ihr schwer. Das sie in einem Bett lag, spürte sie deutlich und dann erinnerte sie sich auch. »Das Kloster!« Sie schlug die Augen auf und sah erst einmal gar nichts. Nachdem sie einige Male geblinzelt hatte, wurde ihr Blick klarer und sie erkannte eine große Decke, die vor dem Bett gespannt war. Dahinter lag der restliche Raum verborgen, aber leer war er nicht, denn sie hörte deutlich Stimmen. Als sie sich aufsetzte um nachzusehen, fuhr ein stechender Schmerz in ihren Kopf, sie stöhnte angeschlagen und sank zurück ins Bett. Noch bevor der Schmerz nachließ, wurde die Decke beiseite gezogen, denn es wurde deutlich heller. Im nächsten Moment war jemand bei ihr und lehnte sich zu ihr hinab. „Es ist alles in Ordnung. Beruhigen sie sich, sie sind in Sicherheit“, sagte eine tiefe, weiche Stimme. Michiru öffnete erneut die Augen und erkannte einen Mönch etwa mittleren Alters. Seine Kapuze war zurückgeschlagen und gab kurzes, von dünnen weißen Strähnen durchzogenes, schwarzes Haar preis. Blaue Augen, ein nur wenig faltiges Gesicht und ein freundliches Lächeln strahlten sie an. „Sie sind im Kloster“, erklärte er freundlich, „Wie fühlen sie sich?“ „Es geht schon wieder“, antwortete Michiru und richtete sich etwas auf, „Ich habe mich nur zu schnell aufgerichtet. Allerdings habe ich schrecklichen Durst. Wenn ich um etwas Wasser bitten dürfte?“ „Natürlich sofort“, sprang er beinahe zu einem kleinen Tisch und brachte von dort einen Krug und einen Becher mit. Er füllte den Becher und reichte ihn Michiru auffordernd lächelnd. Die nahm ihn dankbar entgegen und leerte ihn in einem Zug. „Danke“, reichte sie den Becher zurück, „Das tat sehr gut.“ „Sie brauchen viel Flüssigkeit“, erklärte der Mönch und stellte beides auf einen kleinen Nachttisch, „Und viel gesundes Essen. Sie sind das Opfer eines Dämons geworden, der sie ihres Blutes beraubt hat, aber das wissen sie selbst. Oder erinnern sie sich nicht an das, was geschehen ist?“ Er sah sie forschend an. Michiru schluckte und ließ den Blick sinken. „Doch“, antwortete sie leise, „Ich kann mich sehr gut erinnern. An alles…“ „Wurden sie hier in der Nähe angegriffen?“ legte er ihr tröstend die Hand auf die Schulter, „Stammen sie von einem der Bauernhöfe?“ »Was soll ich ihm antworten?« fragte sie sich, »Ich kann doch nicht zugeben, dass ich mit ihr gelebt habe.« Sie schüttelte leicht den Kopf und sah ihn dann an. „Ich komme aus der Stadt“, erklärte sie, „Ich war zu Besuch bei einer Freundin in einer der Villen am Stadtrand und habe mich einfach verlaufen.“ „Die Bisswunde ist nicht mehr frisch“, sah er ihr in die Augen, „Der Dämon war wieder hinter ihnen her. Sie waren auf der Flucht und völlig entkräftet, als wir sie vor dem Tor fanden. Er wollte sie holen und auch zu einem Vampir machen, nicht wahr?“ Michiru schluckte. Sie wusste nicht, was für eine Geschichte sie diesem Mönch erzählen sollte. Für ihre Liebe zu Haruka hatte er sicher kein Verständnis. Außerdem wollte sie auch nicht zu viel preisgeben und die Blondine so vielleicht noch in Gefahr bringen. „Ja“, begann sie zu erzählen, „Der Biss ist einige Tage her, aber heute Nacht da…“ Sie brach ab, da sie wirklich nicht wusste, was sie sagen sollte. Der Mönch jedoch schien genug zu wissen. „Und da sind sie geflohen und hier bei uns gelandet“, stellte er fest, „Und das war ihre Rettung. Welcher Vampirdämon sie auch immer verfolgt hat – in diesem Kloster sind sie sicher! Wir wissen schon seit vielen Generationen um die Blutsauger auf dieser Welt und haben wirksame Waffen gegen sie.“ Michiru sah ihn mit großen Augen an. »Yuri hat die Wahrheit gesagt. Ob ich ihm sagen soll, dass sie mir von dem Kloster erzählt hat?« „Ich sollte sie nicht mit diesen Dingen überanstrengen“, deutete er ihren Blick jedoch falsch, „Das ganze muss ihnen wie ein Albtraum vorkommen. Sie werden Opfer eines Geschöpfes, das es gar nicht geben dürfte und ich erklär ihnen auch noch, dass wir bereits seit Jahrhunderten von ihrer Existenz wissen.“ „Nein“, beruhigte Michiru ihn sofort, „Es ist in Ordnung, glauben sie mir. Ich weiß bereits seit einiger Zeit, welch widernatürliche Kreaturen in dieser Stadt ihre Heimat haben. Vor nicht allzu langer Zeit wäre ich beinahe das Opfer eines Werwolfes geworden. Sie sehen also, ihr Wissen über diese Kreaturen kann mich nicht mehr überraschen, geschweige denn schockieren.“ „Sie sind einem Werwolf entkommen und dann in die Fänge eines Vampirs geraten?“, horchte der Mönch auf, „Erstaunlich genug, dass sie beides überlebt haben, aber noch erstaunlicher, dass sie in kurzer Zeit beiden Spezies begegnet sind. Die Werwölfe und die Vampire gehen sich normalerweise aus dem Weg. Sie sind wie Raubtiere und dulden keine Konkurrenten in ihrem Revier.“ Er blickte Michiru forschend an. „Wäre es möglich…?“ „Was?“ war Michiru neugierig, als er nicht weiter sprach. „Nur eine dumme Idee“, wehrte er ab, „Einen Moment lang habe ich mich gefragt, ob es möglich wäre, dass sie eine von Ihnen sind, den wenigen Lebenden… Aber es ist unmöglich. Auch wenn sie gebissen wurden und ihre Aura getrübt ist – so verfälscht könnte sie nicht sein, wenn es so wäre. Sie können keine von Ihnen sein.“ „Was kann ich nicht sein?“ war Michiru nun völlig verwirrt, „Wer sind die von denen sie reden? Und was für eine Aura soll ich haben?“ »Kann er wirklich Dinge erfühlen? So wie Haruka?« schoss es ihr durch den Kopf, »Wenn er nun merkt, dass ich nicht ganz ehrlich zu ihm bin?« Ihre Ängste jedoch schienen unbegründet. „Es gibt ein paar wenige Menschen auf dieser Welt“, fing der Mönch an zu erklären, „Die etwas ganz besonderes in sich tragen. Sie sind von Geburt an anders, als andere und eigentlich dürfte es sie auch gar nicht geben…“ „Nicht geben?“, unterbrach Michiru ihn, „Ich verstehe nicht. Was gibt es da noch außer den Werwölfen und Vampiren?“ Er hob beschwichtigend sie Hand. „Ich sagte, sie brauchen keine Furcht zu haben in diesen Mauern“, blieb er ganz ruhig, „Sie sind hier sicher. Was ich ihnen sagen wollte ist, die Vampire versuchen seit Jahrhunderten, Mittel gegen ihre wenigen Schwachstellen zu…sagen wir…erfinden. Sie machen Versuche in jede erdenkliche Richtung, experimentieren herum an ihrer eigenen Spezies und anderen, versuchen ihre Gene zu kreuzen und zu manipulieren…“ Er holte kurz Atem, sprach aber direkt weiter, als Michiru schwieg. „Sie haben versucht, Hybride zu schaffen. Mit Werwölfen und auch mit Menschen. Doch beide Spezies sind unvereinbar mit ihnen. Die Vereinigung mit einem Werwolf hat absolute Zerstörung zu Folge, denn zwei längst tote Geschöpfe können kein neues Leben hervorbringen. Sie vergiften sich nur gegenseitig. Es dauerte lange, bis die Vampire aufgaben und sich der nächsten Spezies zu wanden. Die Experimente mit Menschen waren erfolgreicher, aber brachten ebenfalls keine ausreichenden Ergebnisse. Dass weibliche Vampire eben auch mit einem Menschen vereint kein Leben hervorbringen können, fanden sie schnell heraus. Dass es mit einem vampirischem Erzeuger aber ebenfalls viele Schwachpunkte gab, war ein herber Rückschlag für sie. Viele Kinder wurden, auch bei menschlichen Müttern, tot geboren, oder die Mütter starben schon vor der Geburt, weil sie innerlich verbluteten. Von vielen Hundert die starben, stammten nur ein paar wenige Kinder, kaum mehr als zwei Dutzend. Gut ein Viertel von ihnen starb innerhalb der ersten Wochen und Monate, ein weiteres Viertel in den Jahren danach. Nicht einmal die Hälfte von ihnen hat das Erwachsenen Alter erreicht. Doch die wenigen die es haben, die leben irgendwo, verborgen in einem völlig normalen Leben, und tragen dennoch den Schlüssel für einen Sieg der Vampire in sich.“ Michiru lauschte seinen Worten. Sie fühlte sich unwohl, denn sie wusste, sie trug etwas in sich, dass alle Vampire wollten. »Kann das wirklich sein?« fragte sie sich, »Bin ich das Experiment eines Vampirs? Das…Kind eines Vampirs?« Es würde zumindest erklären, warum sie von Anfang an so stark auf Harukas Bisse reagiert hatte und warum sie beide so intensiv aufeinander reagierten. »Dann trage ich den Keim des Vampirs bereits seit meiner Geburt in mir«, wurde ihr bewusst, »Ich bin eine dieser Überlebenden aus einer experimentellen Zucht!« „Sie sind sehr blass“, bemerkte der Mönch, „Das war zu viel für sie, nicht wahr? Ich überanstrenge sie, das ist deutlich zu sehen.“ „Nein, nein wirklich nicht“, wehrte Michiru ab, „Sie wollen mir also sagen, es gibt so eine Art Halbvampire? Eine Kreuzung aus Mensch und Vampir? Und was zeichnet diese Menschen aus? Wie erkennt man sie? Sind sie gefährlich?“ „Ziemlich viele Fragen auf einmal“, lachte der Mönch wurde aber sofort wieder ernst, „Sie wissen mehr junge Dame, dessen bin ich mir sicher. Ich kann es in ihren Augen sehen. Niemand will freiwillig dieses Wissen haben, es sei denn, er benötigt es aus irgendeinem Grund.“ Michiru fühlte sich erwischt und das sah man ihr auch deutlich an. „Kein Grund Angst zu haben“, beruhigte der Mönch sie jedoch, „Ich will ihnen nicht ihre Geheimnisse entlocken. Sie werden sich mir anvertrauen, wenn sie die Zeit für gekommen halten. Solange sind sie in diesem Kloster sicher vor allen Verfolgern. Und jetzt sollten sie sich noch etwas ausruhen. Sie müssen schnell wieder zu Kräften kommen.“ Er lächelte nochmal freundlich und ging zur Tür. „Aber was ist, wenn ich doch eine von Ihnen bin?“ konnte Michiru einfach nicht schweigen. „Wenn sie es sind, umso besser“, lächelte er weiterhin, „Dann können wir einen Fluch vielleicht in einen Segen umkehren. Aber das sehen wir, wenn es ihnen besser geht.“ Er nickte freundlich und verließ den Raum. »Wieso war er so ruhig und freundlich?« blieb Michiru zurück, »Ich bin sicher er kennt die Wahrheit bereits…« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)