Ich wünsche mir Glück von -NicoRobin- ================================================================================ Kapitel 14: 14 -------------- „Und du möchtest wirklich selbst fahren? Es ist kein Problem für mich, dich nach Hause zu bringen. Wir könnten noch ein wenig Zeit miteinander verbringen.“ Wir haben soeben die Krankenstation verlassen. Marianne kam etwa eine viertel Stunde nach unserem Gespräch zur Tür hinein und fragte nach meinem Befinden. Nachdem ich ihr versichert hatte, das alles wieder in Ordnung war, durfte ich gehen. Die ganze Zeit über musterte sie mich seltsam reserviert. Ich weiß nicht, was Mareike mit ihr geredet hatte, aber so ganz schien die Schwester nicht überzeugt. In jene Gedanken versunken, hörte ich gar nicht, was meine Lehrerin mich soeben gefragt hatte. Erst als sie stehen blieb und ich fast in sie hineingelaufen wäre, sah ich fragend zu ihr auf. „Äh... entschuldige bitte, ich war gerade in Gedanken. Hast du was gesagt?“ Sie seufzte und fuhr sich durch die blonden Haare. „Ich möchte nicht, dass du alleine nach Hause fährst. Was ist, wenn dir wieder schwindelig wird?“ Ich schüttelte meinen Kopf und lächelte ein wenig. „Ich finde es schön, dass du dir Sorgen um mich machst. Aber mir geht es schon viel besser. Außerdem... Ich... Ich wäre gern etwas alleine. Heute ist eine Menge passiert. Verstehst du das?“ Mareike machte einen Schritt auf mich zu und streckte die Hand nach mir aus. Bevor ihre Finger meine Wange berührten, zog sie die Hand zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihr behagte die Sache ganz und gar nicht. Das fiel mir sofort auf, als ihre Augen einen traurigen Ausdruck annahmen. Nach einer Weile nickte sie. „Ja, ich verstehe das. Ich bin für dich da, wenn etwas ist. Bitte mach dir nicht so viele Gedanken wegen Amelia. Ich bin mir sicher, dass sich alles wieder einrenkt.“ Ich nickte nur und machte mich auf den Weg zu meinem Auto. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Amelia je wieder auf mich zukommen würde. Dafür hatte ich sie viel zu sehr verletzt. An meinem Auto angekommen, drehte ich mich nochmal zu Mareike. Sie stand immer noch an der selben Stelle und winkte mir zu. Ich tat es ihr gleich, setzte mich in mein Auto und fuhr los. Auf dem Weg nach Hause nagte bereits das schlechte Gewissen an mir. Ich hatte Mareike einfach abgewiesen, dabei wollte sie mir doch nur helfen. Da ich bisher immer alleine war und die Beziehungssache absolutes Neuland für mich war, hatte ich mir nichts weiter dabei gedacht. Im nachhinein hätte ich ihr Angebot, noch mit zu mir zu kommen auch annehmen können. Nun war es aber zu spät. Zuhause angekommen, schmiss ich meine Tasche in den Flur und machte mir in der Küche einen Kaffee. Mit der dampfenden Tasse in der Hand setzte ich mich in den Sessel und zog das Handy aus meiner Hosentasche. Insgeheim hatte ich die Hoffnung, das Amelia sich gemeldet hatte. Aber das war natürlich nicht der Fall. Ich öffnete den Verlauf von Mareike und schrieb ihr, das ich gut zuhause angekommen war und entschuldigte mich für mein Verhalten. Lange musste ich nicht auf eine Antwort warten. Sie versicherte mir, dass alles in Ordnung war und wir uns morgen in der Schule wiedersehen würden. Ich legte mein Handy auf den Couchtisch und widmete mich meinem Kaffee. Ich trank einen Schluck und spuckte ihn gleich wieder in die Tasse. Kalter Kaffee war wirklich widerlich. Den Rest des Tages unternahm ich nicht mehr viel. Ich saß in meinem Sessel und ließ entweder die Gedanken kreisen oder schaute in den Bildschirm des Fernsehers der nebenbei lief. Eigentlich war es ganz angenehm, alleine zu wohnen. Es gab keine Warterei vorm Badezimmer, keine Diskussion, was heute gekocht werden sollte und auch keine Einmischung seitens der Eltern, wenn man mal wieder zu lange wachblieb. Das einzige was mich störte war die Einsamkeit. Man hatte wirklich keinen zum reden im Haus. Besonders an schlechten Tagen ist das alles andere als toll und heute war definitiv so ein Tag. Ich seufzte und nahm mein Handy erneut zur Hand. Nach mehrmaligem Klingeln nahm die Person am anderen Ende ab. „Hallo Schatz, schön das du dich auch mal bei uns meldest. Wir geht es dir? Was macht die Schule? Hast du dich gut eingelebt?“ Ich musste lächeln. Meine Mutter war wirklich neugierig und stellte zu viele Fragen. Aber das konnte ich ihr auch nicht verdenken. Schließlich hatte ich bisher noch nicht viel erzählt. „Hallo Mama, mir geht es gut und euch? Ich habe mich schon etwas eingelebt. Die Schule ist auch ganz okay. Wir fahren übernächste Woche nach Berlin. Du weißt ja, ich wollte schon immer mal nach Berlin.“ „Uns geht es auch gut. Es freut mich, dass du in der Schule gut zurecht kommst. Oh, ihr fahrt nach Berlin? Sehr schön. Das ist bestimmt auch der Grund, warum du anrufst, oder?“ Der letzte Satz klang ein wenig belustigt. Anhand ihrer Stimme konnte ich hören, dass meine Mutter lächelte. Ertappt biss ich mir auf die Unterlippe. „Äh.. Also.. Ich wollte schon wissen, ob alles in Ordnung zu Hause ist. Aber du hast Recht. Die Klassenfahrt ist nicht ganz billig und mein erspartes reicht nicht ganz. Wir müssen es nächste Woche bereits bezahlen. Ich werde wohl auf die schnelle keinen Job finden um es selbst aufzubringen.“ Nun lachte sie, was mich etwas entspannte. Ich wusste, dass meine Eltern mir halfen wo sie konnten. Aber die Frage nach Geld war mir trotzdem immer etwas unangenehm. „Das ist kein Problem. Schreib mir einfach später wie viel du brauchst und dein Vater überweist es dir. Hast du am Wochenende schon etwas vor? Wir würden dich gern mal besuchen kommen. Beim letzten Mal hat es ja leider nicht geklappt.“ Das schlechte Gewissen überkam mich. Ich hätte meine Eltern gerne gesehen. Aber es ging einfach nicht. „Danke Mama. Ich bin froh, euch zu haben. Natürlich zahle ich euch das Geld wieder zurück, sobald ich einen Job gefunden habe. Ja, ihr könnt gerne vorbeikommen. Wie wäre es am Samstag? Ihr könnt gerne über Nacht bleiben.“ „Ach was, du brauchst uns das Geld nicht zurück zahlen. Wir tun das gerne für dich. Ja, dass klingt gut. Dein Vater muss noch bis zum Mittag arbeiten. Ich denke, wir werden gegen Abend bei dir ankommen. Du, ich muss jetzt auflegen. Das Essen steht auf dem Herd. Wir sehen uns dann am Samstag, ja?“ Meine Mutter wünschte mir noch einen schönen Abend und legte auf. Ich war so froh, meine Eltern zu haben. Sie waren immer für mich da. Ich dagegen schloss sie aus meinem Leben aus und erzählte ihnen nichts von meinen Sorgen. Das war überhaupt nicht fair. Aber was sollte ich auch tun? Wenn ich ihnen die Sache mit Monique erzählen würde, würden sie sich um mich Sorgen und mir raten in eine andere Schule zu wechseln. Das ich mit meiner Lehrerin zusammen war, konnte ich den beiden auch nicht erzählen. Meine Ma würde wahrscheinlich einen Anfall bekommen und mich ebenfalls von der Schule nehmen. Da sie aber sehr neugierig war, würde sie mich garantiert fragen, ob ich schon jemanden kennengelernt habe. War ich schon bereit dazu, mich zu outen? Es war mittlerweile klar für mich, dass ich lesbisch war. Aber würden meine Eltern mich akzeptieren und immer noch so lieben wie bisher? Ich wusste es nicht. Aber eins wusste ich mit Sicherheit. Wenn sie fragen sollte, würde ich nicht lügen. Nur wer die Person war, mit der ich zusammen bin, mussten die beiden nicht erfahren. Ich stand in der Küche und wartete auf die Pizza, die ich vor ein paar Minuten in den Backofen geschoben habe. Immer wieder drehten sich meine Gedanken um das Telefonat, um Amelia und um Frau Klein. Gerade als ich mein Handy aus dem Wohnzimmer holen wollte, um Amelia eine Nachricht zu senden, klingelte die Eieruhr. Die Pizza war fertig, aber Hunger verspürte ich nicht wirklich. Ich sollte aber etwas essen. Außer den Apfel am Morgen hatte ich nämlich noch nichts in den Magen bekommen. Ich nahm mir einen Teller aus dem Schrank und zog die Pizza aus dem Ofen. Ich stellte den Teller auf den Küchentisch und holte eine Flasche Wasser sowie das Handy aus dem Wohnzimmer. Wieder in der Küche angekommen, setzte ich mich an den Tisch und entsperrte mein Handy. Ich öffnete den Verlauf mit Amelia und sah, dass sie schon eine Weile nicht mehr online war. Trotzdem tippte ich schnell einen Text und sendete die Nachricht ab. Seufzend legte ich mein Handy zur Seite und widmete mich der Pizza... Gähnend richtete ich mich auf. Mein Nacken tat höllisch weh. Als ich auf die Uhr sah, war es bereits nach Mitternacht. Ich war vor dem Fernseher eingeschlafen. Seufzend massierte ich meinen Nacken, gähnte noch einmal und machte dann den Fernseher aus um ins Bett zu gehen. Ich entsperrte mein Handy und öffnete den Chatverlauf. Amelia hatte meine Nachricht gelesen, aber nicht geantwortet. Nichts anderes hatte ich erwartet. Es gefiel mir überhaupt nicht, aber ich musste ihr wohl Zeit lassen. Auch wenn es schwer war. Ich schlurfte ins Badezimmer, zog mich um und putzte meine Zähne. Nach wenigen Minuten betrat ich das Schlafzimmer und ließ mich in mein Bett fallen. Es dauerte nicht lange bis ich eingeschlafen war. Am nächsten Morgen war ich schon ziemlich früh wach. Der Wecker zeigte erst sechs Uhr an. Ich hatte also noch genug Zeit, um mich langsam fertig zu machen. Mein erster Blick fiel auf mein Handy. Ich nahm es zur Hand und entsperrte das Display. Immer noch keine neue Nachricht. Schnell blinzelte ich die aufsteigenden Tränen weg und legte das Handy auf den Nachttisch. Ich wollte jetzt nicht weinen. Stattdessen schwang ich die Beine über die Bettkante und richtete mich auf. Ich fuhr noch einmal seufzend durch die Haare und machte mich auf den Weg ins Badezimmer um zu duschen. Ich ließ mir eine Menge Zeit bei der morgendlichen Pflege und verließ das Bad erst eine Stunde später wieder. In der Küche angekommen, machte ich mir einen Kaffee sowie eine Schüssel Müsli. Heute wollte ich garantiert nicht nur einen Apfel essen. Viel Zeit blieb mir allerdings nicht, da ich um viertel nach sieben schon los musste. Es war echt nicht witzig, eine halbe Stunde von der Schule entfernt zu wohnen. Ich schlang mein Frühstück hinunter, verbrannte mich zu allem Überfluss auch noch an dem heißen Getränk und machte mich mit pochender Zunge auf den Weg zu meinem Auto. In der Schule angekommen machte ich mich auf zum Raum in dem wir Musik hatten. Bisher waren noch keine Schüler vor dem Raum. Da heute nicht allzu viel Verkehr auf den Straßen herrschte, war ich doch ziemlich pünktlich da. Ich sah auf meine Armbanduhr und seufzte. Es war erst 7:40 Uhr. Da die meisten erst gegen 7:55 Uhr hier sein würden, hieß es für mich noch einige Minuten warten. Ich ließ den Blick durch den Gang wandern und sah ein paar Meter entfernt eine Tafel neben der Klassentür. Gerade als ich auf diese zugehen wollte, hörte ich Schritte hinter mir. Bevor ich mich zu der Person umdrehen konnte, legte diese ihre Hände um meine Taille. „Guten Morgen Liebes, ist alles in Ordnung bei dir?“ Ihr warmer Atem streichelte meinen Nacken und ließ mein Herz flattern. Prompt bekam ich Gänsehaut und versuchte ein stöhnen zu unterdrücken. Hinter mir stand niemand anderes als meine Lehrerin. Vorsichtig drehte ich mich in ihren Armen, um sie anzusehen. Ihre Augen strahlten wärme aus, welche mein Herz gleich noch höher schlagen ließ. Es machte mich wahnsinnig, welch Gefühle sie in mir auslöste. Am liebsten würde ich sie hier und jetzt küssen, aber das ging natürlich nicht. Ich entzog mich enttäuscht ihrer intimen Umarmung. Schließlich konnte jeden Moment jemand um die Ecke kommen. „Bitte tu das nicht mit mir. Es fällt mir so schon schwer genug nicht über dich herzufallen.“ Ich musterte sie und strich mir schüchtern über den Arm. In ihren Augen blitzte etwas auf, wurde aber kurz darauf durch einen ernsten Blick ersetzt. Sie seufzte und fuhr sich durch die blonden Haare. „Ja, du hast ja Recht. Es ist nur so schwer, dich nicht berühren zu können.“ Ich nickte und sah sie aus traurigen Augen an. „Ich weiß, was du meinst. Mir geht es genauso.“ Als wir erneut Schritte vernahmen, entfernten wir uns noch ein Stück voneinander. Mareike legte einen Arm auf meine Schulter, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen. „Emma, komm doch nachher in meiner Gesprächsstunde nochmal zu mir. Da können wir deine Fragen bezüglich der Klassenfahrt besprechen. Bis später dann.“ Sie zwinkerte mir noch einmal zu und ging an mir vorbei zu ihrem Klassenraum. Ich nickte perplex und starrte ihr hinterher. Nach und nach kamen die Schüler in Strömen durch die Gänge und ich bereitete mich mentalisch auf den Unterricht vor. Das uns die ganze Zeit über jemand beobachtet hatte, konnte ich in diesem Moment noch nicht wissen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)