Alice in Magicland von Lazoo (Die Geheimnisse von Taleswood) ================================================================================ Kapitel 20: Bittersüß --------------------- Ich konnte nicht sagen, wie lange mich diese alles verschluckende Schwärze umgab und ich wusste auch nicht, ob ich darin stillstand, oder mich fortbewegte. Es war anders als das Nichts, dass ich betreten hatte, als ich bei Mutter war. Obwohl man weder was sah, noch sonst irgendwie wahrnahm machte sich das bleierne Gefühl der Gleichgültigkeit breit, das mich alles vergessen ließ und in dem ich wohl versauert wäre, wenn da nicht auf einmal ein fremder Duft entgegen kam. Er roch nach brennendem Feuer und brachte Wärme und Geborgenheit. Es knisterte in meinen Ohren und jemand schritt leichtfüßig von links nach rechts. Hinzu kamen das gedämpfte Geräusch von Donner und prasselndem Regen. Ich war wohl in einem Haus. Die Welt war verschwommen, als ich die vom Schlafsand verklebten Augen öffnete, doch mit jedem Blinzeln gewann meine spärlich beleuchtete Umwelt an immer mehr Details – dieser Ort war mir nicht unbekannt. Anscheinend lag ich auf einer Couch, zugedeckt mit einer Wolldecke. Flackerndes Licht offenbarte einen Billardtisch und zwei hohe Bücherregale vor mir. Keine Frage: Das hier war der Salon des Salem-Anwesens. Ich legte meinen Kopf in den Nacken, um zur Lichtquelle zu schauen. Vor dem frisch entfachten Kamin stand eine Person – eine junge Frau. Sie hatte sich eine weite Decke über ihre Schultern geworfen und drehte mir den Rücken zu, sodass mir Statur und Gesicht verborgen blieben. Doch um sie zu erkennen, brauchte es nicht mehr als ihr langes, aschgraues Haar. Konnte es wirklich sein? Ich sah sie doch sterben. Doch als sie mein Aufstehen bemerkte und sich zu mir drehte, da sah ich direkt in ihre großen, violetten Augen, so lebhaft glänzend, wie sie immer waren, als wäre nie etwas Schreckliches passiert. „Fleur...“, hauchte ich, kaum fähig, vor Aufregung wirklich zu sprechen und mein wummernder Herzschlag übertönte meine wenigen Worte. Ihr zartes Lächeln bedeutete mir, zu ihr zu kommen, doch es brauchte dafür keine Aufforderung. Auf unsicheren Füßen tapste ich auf sie zu, sehnsüchtig danach, sie im Arm zu halten, doch ich stolperte und sie fing mich auf. Ein kurzer Moment des Fröstelns überkam mich, als ich meine Decke verlor, aber dann umgab mich ihre Wärme und schüttelte jede Furcht von mir. So viel wollte ich in diesem Moment sagen, doch aus mir kamen nur dicke Tränen, so sehr war mir zum Weinen zu Mute. Vor Glück, aber auch vor Erleichterung. Es fühlte sich an, als wäre eine unfassbare Last von meinen Schultern gefallen. „Sch...Sch... Es ist doch alles wieder gut...“, beruhigte sie mich und kraulte sanft meinen Hinterkopf. Ich presste mich fester an ihre Brust und tränkte ihr Unterhemd mit Rotz und Wasser, doch sie machte keine Anstalten, mich von sich zu drängen. Und bis ich mich tatsächlich wieder gefangen hatte, ließ sie mich keine Sekunde los. „Aber... ich sah dich sterben... All das Blut...“ „Denk nicht mehr drüber nach. Wir sind hier... zusammen. Das ist doch das Wichtigste.“ Sie hatte recht. Was kümmerte mich, was passiert war? Wir waren wieder zuhause und das gemeinsam, mehr brauchte ich nicht. „Aber... wo ist Tom?“ „Er kommt gleich zu uns. Ruh dich jetzt aus, es kommt alles wieder in Ordnung.“ Ich folgte ihrem Rat und drückte mich noch enger an sie, nahm ihren lieblichen und zugleich würzigen Duft nach unzähligen Blumen und Kräutern tief in mich auf und schloss die Augen. Fleur strich mir weiter über das Haar, vergrub ihr Gesicht darin und so ineinander verschlungen sanken wir langsam zu Boden. Mein Kopf war leer, frei von jeglicher Sorge der letzten Zeit und ließ all den gewonnen Platz für das Mädchen in meinen Armen. Dann fing sie an zu summen. Eine langsame, gefühlvolle Melodie, erfüllt von Liebe und Schmerz und es fühlte sich an, als hätte ich sie ewig nicht mehr singen gehört. Ich lauschte einige Zeit gebannt, dann richtete ich mich auf und sah ihr tief in ihre durchdringenden, violetten Augen. „Was ist mit La Belle passiert?“, flüsterte ich. „Du hast sie besiegt.“ „Ich... ich habe...“ „Du hast deinen Schwur nicht gebrochen und nicht nur mich, sondern uns alle gerettet. Niemals werde ich dir das vergessen.“ Sanft legte sie eine Hand auf meine Wange und strich mit ihrem Daumen die letzte Träne weg, die meinem Auge entfliehen wollte. Ich hielt sie fest, schmiegte mich fest an sie, küsste die Innenflächen. Mein Blick wanderte von ihrem Gesicht hinunter zu ihren Körper, lediglich bedeckt durch den dünnen, alt-weißen Stoff ihrer Unterwäsche und blieb am Ende auf ihrem Schritt hängen. Langsam schob sich ihr Daumen zwischen meine Lippen und meine Zähne. Sanft fing ich an, ihn mit der Zunge abzutasten und daran zu saugen. Fleur atmete unruhig, wich meinem Blick aus, drückte die andere Hand gegen die Brust, als müsste sie ihr Herz im Zaum halten. Sie spürte, wonach es mir verlangte und ich spürte, dass sie auch so empfand. Ich ließ vom Daumen ab und fuhr mit meinem Mund küssend über ihren Arm und ihren Hals, sah dann wieder auf, ihren Lippen so nah, dass ich ihr bittendes Zucken auch ohne Berührung bemerkte. Langsam legten wir sie aufeinander, küssten uns immer inniger, während meine Finger unter die Träger ihres Unterhemdes fuhren und über die Schultern zogen, dass es von selbst hinabrutschte und nur von ihrer Brust noch gehalten wurde. Zum ersten Mal wehrte sie sich nicht dagegen und aller Unerfahrenheit, aller Angst zum Trotze gierte ich nach dem, was uns erwartete. Da wurden wir von dem Zuschlagen einer Tür unterbrochen und sahen Tom vor uns stehen, wie er uns in unserer Zweisamkeit erwischt hatte. Sein Gesicht lag im Schatten und ich konnte seine Gefühle in diesem Moment nicht einmal erahnen. Weder er noch ich bekamen einen Ton raus, während er sich uns langsam näherte, doch ich spürte zum ersten Mal keine Furcht vor den Konsequenzen. Ich konnte es nicht beschreiben, doch etwas war anders diesmal. Fleur stand als erstes auf und schritt ihm entgegen, bis ihre Gesichter nur wenige Zoll voneinander entfernt waren. Lange sahen sie einander nur an, doch nicht mit Eifersucht oder Abscheu, sondern prüften den anderen mit einer Neugier, die auch mich ansteckte. Langsam trat ich näher, beobachtete die beiden, die einander mit ihren Blicken durchschauten und erforschten. Obwohl ich auch nur ein dünnes Unterkleid trug, brachte allein dieser Moment, diese Atmosphäre mein Blut in Hitzewallungen. Thomas erwischte Fleur unvorbereitet, als er sie, getrieben von ungezügelter Begierde, anfing zu küssen, doch sie ließ es zu. In meiner Brust zersprang mein Herz fast bei diesem Anblick. Ich packte Tom am Kragen und zog ihn von Fleur weg, schmeckte ihren Speichel in seinem Mund während unsere Zungen einander umspielten. Das Homunkulusmädchen drückte mir zeitgleich ihre Lippen auf den Hals, saugte sich immer wieder an der dünnen Haut fest, hinterließ zahllose Knutschflecken. Das Kitzeln ließ mich erschaudern. Ich wandte mich von Thomas ab und riss Fleur in einer fließenden Bewegung das hängende Unterhemd vom Leib. Ein Stöhnen, halb schmerzerfüllt, halb erregt entwich ihr, als ich in ihre Brustwarze biss, erstickt durch einen weiteren Kuss von ihm. Meine Hände fuhren ihren Rücken entlang zum Bauch, fassten den Bund ihres Höschens und zogen es von ihrer Hüfte. Sie selbst knöpfte Thomas' Hemd und Hose auf, zittrig und immer wieder unterbrochen, durch meine lüsternen Berührungen. Doch es dauerte nicht lang und die beiden rissen auch mir das letzte Stückchen Stoff vom Leibe. Meine Wangen brannten vor Lust und ich war unfähig noch einen einzigen klaren Gedanken zu fassen. Berauscht von tausenden Eindrücken auf unsere Sinne einprasselnd, dass wir nicht mehr wussten, woher sie kamen, küssten, streichelten, erforschten und liebkosten wir uns, bis uns dies nicht mehr reichte und wir jene absolute Nähe zueinander suchten, die sonst nur Ehepaaren vorbehalten war. Brennende Hitze folgte nur wenige Sekunden auf schaurige Kälte, erfüllt von gleichmäßig pulsierenden Stößen die uns immer süchtiger nach mehr werden ließen, bis uns endlich der Höhepunkt erlöste, nur um von neuem Verlangen gepackt zu werden. Ich weiß nicht mehr, wie oft wir uns tatsächlich liebten, doch in den andauernden Akten, schweißfeucht aneinander gedrückt, spürte ich eine Verbindung zwischen uns, wie ich sie mir schon einige Zeit lang gewünscht hatte. Dies wurde mir bewusst, als die beiden am Ende erschöpft aber glücklich neben mir lagen – sie direkt an mich gekuschelt, mit dem Gesicht so nah, dass ich ihren dünnen Atem auf meiner Schulter spürte, er hinter ihr, Kinn an Rücken und die Arme fest um sie geschlungen. Wer sagte, dass man Liebesglück nicht auch dreiteilen konnte? Ich fröstelte etwas, als ich aufstand, warf mir eine Decke über und deckte mit der anderen meine Freunde zu. Fleur schlief tief und fest, während Thomas neben ihr lag, sie schweigend beobachtete. Seine Hand fuhr über ihre Kurven und blieb auf ihrer Hüfte liegen. Dann richtete er ihr zerzaustes Haar mit liebevoller Vorsicht. Eigentlich sollte ich einen Anflug von Eifersucht verspüren, doch da war nichts. Nichts außer purer Freude. Mein Lächeln steckte ihn an. Ich lehnte mich vor und küsste ihn sanft. Das Gewitter war weitergezogen. Lediglich das gleichmäßige Knistern des Feuers, übertönt durch das gelegentliche Knacken der verbrennenden Holzscheite, blieb im Hintergrund erhalten. „Bist du glücklich?“, flüsterte er. Ich nickte, kniete mich wieder hin und lehnte an seiner Schulter. „Sehr sogar. Hier zu sein... Mit euch.... So hätte ich mir mein erstes Mal sicherlich nicht ausgemalt. Direkt zu dritt.“ Wir lachten leise. „Sie ist so ganz anders als du...“, murmelte er und ließ von ihren aschgrauen Haaren ab. Sein Blick hatte etwas Verträumtes. „Ich finde, sie hat sehr viel von dir. Vielleicht habe ich mich deswegen in euch beide verliebt... Hast du sie auch gern?“ Es brauchte einen Moment für seine Antwort, doch ich sah ihm an, dass sie nicht „Nein“ war. Dann drehte er sich zu mir und verschränkte seine Finger in meine. „Ich glaube, ich kann mich irgendwann auch in sie verlieben. Und bis dahin bleiben wir zusammen.“ Noch ein letzter, inniger Kuss, dann wurde Tom auf einmal traurig, schaute geknickt zu Boden und in mir machte sich eine gewisse Vorahnung breit: Es war zu schön, um wahr zu sein. „Du weißt, dass das hier nicht die Realität ist?“ Ja, ich wusste es, oder besser gesagt: Ich hatte es mir schon gedacht. Ehe ich mich versah, war es um mich herum wieder finster. Kein Kaminfeuer, das mir Licht spendete und keine Menschenseele in meiner Nähe. Ich war allein, zurück in dieser tristen Finsternis. „Und wenn schon! Wen interessiert das schon, solange wir glücklich sind?! Ich will hierbleiben, Tom! Mit dir und Fleur!“ „Aber Alice...“ Ich erschrak vor Fleurs Stimme, denn sie war so kalt, so emotionslos, dass sie fast fremd klang. „Ich bin tot, weißt du nicht mehr?“ Da blitzten sie wieder auf, verschwommene Bilder von Fleurs reglosem Körper in meinem Arm und ihren glasigen, ins Nichts starrenden Augen. Dann weitere Bilder... Bilder, in denen ich sie losließ, aufstand und mich zu ihrer Mörderin umdrehte. Véronique war wie gelähmt, ihr Auge von Tränen verschwommen. Als sie merkte, was ich vorhatte, war es schon zu spät. Egal was sie tat, egal wie oft sie mit den Fingern schnipste, es passierte nichts. Ihre Magie war versiegt. Sie rappelte sich auf, wollte fliehen. Ich stand vor ihr, obwohl sie mir vorher noch den Rücken kehrte. Sie erschrak, bettelte um ihr Leben. Ich zog an der Kette meines Medaillons und sie wurde immer länger... legte sie um ihren Hals... „Lasst das! Ich will das nicht! Wozu holt ihr mich in diese Traumwelt, wenn ihr mich dann wieder in die Realität entlasst, wenn es euch gerade passt?! Warum lasst ihr mich Dinge erleben, die niemals eintreten werden?!“ Für einen weiteren Moment herrschte Stille. Dann antwortete Thomas: „Wir können dafür nichts. Dies ist deine Welt und du hast sie nach deinem Herzenswunsch gestaltet. Aber nun musst du in die echte Welt zurückkehren.“ „Ich will nicht! Lasst uns doch einfach zusammen sein! Wollt ihr das denn nicht auch?!“ „Aber Alice...“, schon wieder ihre Stimme. Warum musste es ausgerechnet ihre sein? „... hörst du denn nicht, wie er dich ruft?“ Rufe? Schweigend saß ich da und lauschte. Ich hörte tatsächlich etwas. Wie ein fernes Echo hörte ich das gleichmäßige Poltern einer Kutsche über Pflastersteine. Ich hörte prasselnden Regen, unterbrochen von lauten Donnerschlägen. Und ich hörte eine Person, die nach mir rief. Die meine Hand hielt und nicht von meiner Seite wich. Ich schloss meine Augen und konzentrierte mich darauf. Die Geräusche meiner Traumwelt verblassten und mit ihr die Erinnerung an den Sex und die Zweisamkeit. Dafür wurden die Geräusche aus der Ferne immer näher und ich erkannte endlich die Stimme, die mir zurief. Er war mir ganz nah... Und er hielt anscheinend meine Hand, denn ich fühlte einen leichten Druck. „Bitte... Bitte wach auf...“ Langsam öffnete ich meine verklebten Augen. Alles, was ich zunächst sah, war ein schwarzes Nichts, bis ich erkannte, dass es die Decke einer Kutsche war. Eine Bodenwelle brachte den Sitz zum Poltern. Und da spürte ich die Aufregung neben mir. Langsam, ganz langsam drehte ich mich zu ihm. Er sah nicht viel anders aus als vorher, nur schrecklich fertig mit den Nerven. Doch als sich unsere Blicke trafen, wurde er hellwach und drückte noch fester meine Hand. „Alice? Bist du wieder wach? “ „T-Tom...“ Meine Kehle war ausgetrocknet und ich fühlte mich wie gerädert und ausgehungert. Aber vor allen Dingen quälte mich diese Leere in meinem Herzen. Denn mir wurde klar, dass nichts an diesem Traum real gewesen war. „Lady Cat!“, rief Tom und klopfte gegen das Fahrerfenster. „Sie ist aufgewacht, halten Sie bitte an!“ „Tom..“ Schwach packte ich ihn am Hemd und zog daran. Sofort kniete er sich wieder zu mir. „Ist alles okay, ich bin bei dir...“ Die Kutsche hielt an. Ich spürte, wie hunderte Emotionen sich gleichzeitig aus mir drücken wollten, so gewaltsam, dass mir davon schlecht wurde. Auch wenn ich die Antwort kannte, fürchtete ich mich davor, stellte aber dennoch die Frage: „F-Fleur... Ist sie...“ „Es tut mir leid... Ich weiß, ihr wart eng befreundet...“ Tränen überwältigten mich und ich heulte laut und kläglich, wie ein ausgemergelter Schlosshund. In meinen Gedanken blieb mir nur ihr glückliches Lächeln. „Nicht nur befreundet, Tom! Ich... Ich habe sie geliebt...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)