№ 120 von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 3: Gerüche ------------------ * Das Foto mit der Rose sollte lediglich die Spitze des Eisbergs werden. Sakura hatte nicht wahrhaben wollen, dass Sasuke allem Anschein nach eine andere hatte. Mit Händen und Füßen hatte sie sich gegen diese haarsträubende Äußerung gewehrt und versucht, das Foto anders zu deuten. Aus diesem Grund hatte Ino keine andere Wahl gehabt, als ihr die restlichen Fotos zu zeigen. Ino war Sasuke und der Unbekannten eine Weile gefolgt, mit ihrem Freund im Schlepptau. Zehn Fotos hatte sie insgesamt gemacht, auf welchen Sasuke die Fremde auf den Mund küsste, mit ihr Händchen hielt oder, in sitzender Haltung, seine Hand auf ihrem Oberschenkel hatte. Mit jedem Bild, das Sakura in Augenschein nahm, beschleunigte ihr Herzschlag, ihr wurde übel und trüb vor Augen. Selbst ein Blinder mit einem Krückstock sah, dass zwischen den beiden Menschen auf dem Bild mehr war als ein freundschaftliches Verhältnis. „Nein“, murmelte Sakura, und große, runde Tränen flossen über ihre Wangen. Sie zitterte. „Nein, ich verstehe das nicht. Wie können diese Fotos echt sein?“ Ihr Herz stach unangenehm, ihre Beine waren wackelig und ihr Kopf war einerseits voller Fragen, andererseits wie leergefegt. „Wieso ist er mit einer anderen? Wo hast du die Fotos gemacht?“, stotterte sie, während sie weinte. Ino nahm ihr das Mobiltelefon weg und umarmte sie. „Es tut mir leid, Sakura. Ich wollte dir die anderen Bilder nicht zeigen. Ich habe es selbst nicht wahrhaben wollen.“ Sakura begann nun, laut und heftig zu schluchzen. Wasser rann aus ihren Augen und ihrer Nase und Ino selbst, die Sakura immer noch in einer festen Umarmung hielt, war nach Heulen zumute. Sie hatte ihren Augen nicht getraut, als sie Sasuke mit dieser mysteriösen Fremden im Restaurant gesehen hatte. Ino war zusammen mit ihrem Freund Sai gewesen, für gewöhnlich verkehrten sie dort nicht, aber man hatte ihnen den Ort empfohlen, da dort alles frisch zubereitet wurde und die Preise dennoch nicht desaströs waren. Man konnte das Restaurant zu Fuß kaum erreichen. „Ino, Ino… Ich verstehe das nicht.“ „Wir gehen erst einmal nach oben zu mir, okay?“ Es dauerte sehr lange, bis Sakura sich beruhigte. Und als die Tränen nicht mehr flossen, fühlte Sakura sich leer, so als hätten die Tränen sämtliches Leben aus ihr herausgespült. Mit halb geschlossenen Augen saß sie auf der Couch im Wohnzimmer, den Kopf nach hinten gekippt, und starrte die weiße Decke an, die von einer zweiarmigen Leuchte erhellt wurde. „Hier.“ Ino stellte einen Beruhigungstee auf den Couchtisch vor Sakura und setzte sich dann neben ihrer Freundin. Ihr lag die Frage Wie geht es dir? auf der Zunge. Aber die Frage konnte Ino sich selbst beantworten, sie musste nicht so etwas Dämliches fragen, nur damit sie redeten. Sakura ging es schlecht, sehr schlecht. Ino hatte eine wahnsinnige Wut auf Sasuke, obwohl sie ihn einst wie so ziemlich jedes andere Mädchen in der Schule vergöttert hatte. Jetzt gerade konnte sie nicht begreifen, wie sie ihn hatte mögen können. In der Küche, während sie das Wasser über den Teebeutel gegossen hatte und der Dampf ihr ins Gesicht gestiegen war, hatte sie für eine Sekunde überlegt, Sasuke anzurufen. Aber sie hatte diese Idee wieder verworfen. Es galt jetzt, Sakura beizustehen. Sakura würde Sasuke alleine zur Rede stellen und Ino würde dann intervenieren, wenn etwas schieflief oder Sakura sie ausdrücklich darum bat. Nie im Leben würde Sakura ihm das verzeihen, nie im Leben, und wenn doch, würde Ino sie verprügeln und Sasuke ebenfalls. „Weshalb?“, fragte Sakura mit rauer und vom Weinen erschöpfter Stimme. Ihr Kopf begann zu dröhnen, dennoch fuhr sie fort: „Ich habe unsere Beziehung als erfüllt betrachtet, uns fehlte an nichts! Wie lange geht er schon fremd, ohne dass ich es bemerkt habe? Ist sie die Einzige? Oh Gott, mein Kopf platzt gleich. Das muss alles ein schrecklicher Traum sein.“ Kurz hielt sie sich den Kopf, bevor sie nach ihrem Mobiltelefon griff, das ihr teilnahmslos zugehört hatte. „Ich werde ihm schreiben“, sagte sie determiniert und ihre Augen glühten auf vor Zorn. „Ich werde… Ich werde ihn anrufen…“ Das Mobiltelefon glitt ihr aus den Händen, landete auf ihren Oberschenkeln. Sakura fing wieder an zu weinen. „Ino“, schluchzte sie, „kann ich heute bei dir übernachten? Ich will nicht nach Hause.“ „Ja, natürlich kannst du das. Ich gebe dir Schlafsachen, Abschminkzeug und Zahnbürste.“ Liebevoll tätschelte Ino ihre aufgelöste Freundin, die sich in diesem Moment wünschte, nicht mehr zu existieren. [center"]* Nobuko sollte später heimkommen, als Madara es eingeplant hatte. Nach ihrem letzten Streit hatte er beschlossen, seine Partnerin bei ihrer Heimkehr zu überraschen. Er hatte einen Schlüssel zu ihrer Wohnung genau wie sie einen Schlüssel zu seiner hatte, und im Prinzip konnten sie beieinander ein und ausgehen, wie es ihnen beliebte. Sie vertrauten einander und hatten nichts zu verbergen. Madara wusste, wann Nobuko ihre Arbeitsstelle verließ und er wusste, wann sie ungefähr nach Hause kam. Wenn sie die erste Bahn verpasste, verspätete sie sich um zehn Minuten, nie mehr. Bis jetzt. Madara saß im Anzug, das Haar mit Pomade bearbeitet, und starrte ungeduldig und frustriert auf seine Armbanduhr, während er gelegentlich mit dem Fuß gegen den Boden klopfte. Es war bereits halb sieben und allmählich beschlich ihn das Gefühl, dass Nobuko heute gar nicht mehr kommen würde. Hatte sie spontan beschlossen, bei einer Freundin einzukehren? Wieso hatte sie ihm dann nicht geschrieben? Für gewöhnlich unterrichtete sie ihn über jede Banalität. Madara griff nach seinem Mobiltelefon. Er hatte von seinem Bruder und einer Kollegin Nachrichten erhalten, aber keine einzige von Nobuko, obwohl er ihr bereits einige Male geschrieben und sie sogar angerufen hatte. Sie hatte nicht reagiert. Das sah ihr nicht ähnlich, überhaupt nicht. Nobuko schrieb in kürzester Zeit zurück und verlangte auch von ihm, dass er es ihr gleichtat. Sie war eine, die viel Aufmerksamkeit in der Beziehung brauchte. Meistens war das der Grund für ihre Streitereien, oder Missverständnisse. Madara hatte die Blumen bestellt, um aus den Blütenblättern eine Rosenstraßen zu schaffen, die von der Eingangstür zuerst ins Esszimmer und von dort ins Schlafzimmer führte, zu dem Doppelbett. Auf sämtlichen Oberflächen hatte er Kerzen aufgestellt, sie angezündete und sie längst wieder ausgepustet, weil seine Partnerin eigentlich schon vor zwei Stunden hätte heimkommen müssen. Nicht, dass er ein großer Romantiker wäre. Aber er war überzeugt gewesen, dass es ihr gefallen würde. Das Essen, das er für sie vorbereitet hatte, war schon kalt geworden und da er Hunger gehabt hatte, hatte er bereits die Hälfte des selbstgemachten Auflaufs selbst verzehrt. Madara kochte nicht gerne, meist wärmte er sich etwas auf. Aber für Nobuko hatte er sein Bestes gegeben. Für manche mochte ein Auflauf nicht unbedingt etwas sein, das mit viel Aufwand verbunden war – aber Madara war ein schwer beschäftigter Mann, dem in der Woche zu wenig Zeit zum Kochen blieb. Madara erhob sich von der Couch und beschloss, Nobuko ein letztes Mal anzurufen. Vielleicht war etwas Schlimmes passiert. Gerade als er ihren Namen in der Kontaktliste antippte, hörte er, wie die Eingangstür geöffnet wurde, und ließ das Mobiltelefon sinken. „Was ist denn das?“, hörte er die Stimme seiner überraschten Partnerin, als diese der Rosenstraße folgte, in das Esszimmer hineinsah und sich dann Madaras Gegenwart gewahr wurde. „Hast du das gemacht?“, fragte sie und betrat das Wohnzimmer, das gegenüber der Küche und dem Esszimmer lag. „Ja.“ „... Es tut mir leid“, sagte sie nach einer Weile des Schweigens. „Du hast sicher auf mich gewartet.“ Sie lächelte schwach. „Eine Kollegin wurde von ihrem Freund verlassen und ist auf der Arbeit in Tränen ausgebrochen. So etwas Schreckliches. Ich musste sie trösten und bin mit ihr ins Café gegangen, um zu reden. Ich konnte dir nicht schreiben, das wäre in dem Moment nicht gut aufgenommen worden.“ Sie machte eine Pause, trat an Madara in ihren schwarzen, klackernden Pumps heran und legte ihre kühlen Finger auf seine Wangen, bevor sie ihn küsste. Madara erwiderte nicht. Stattdessen senkte er den Kopf und legte das Kinn auf ihr pechschwarzes Haar ab. Als sie ihre Tasche in einem Sessel ablud und sich ihres beigefarbenen Mantels entledigte, sagte er: „Ich habe Essen zubereitet, einen Auflauf. Du kannst ihn dir warm machen, wenn du möchtest.“ Nobuko machte große Augen. „Tatsächlich? Lass uns in die Küche, ich habe Hunger. Im Café trank ich nur einen Cocktail.“ „Geh schon einmal vor, ich komme gleich. Tue nur dir selbst was auf, ich habe schon gegessen.“ Madara verschwand in der Toilette. Er schloss die Tür ab, schob die Hände in die Hosentaschen und sah nachdenklich zu Boden. An ihr haftete ein männlicher Geruch. Es war nicht seiner. Madara sah zum Fenster, welches gekippt war und durch welches er Teile des grauen Winterhimmels sehen konnte. Nein, dachte er sich. Nobuko würde niemals fremdgehen. Sie verurteilte solche Menschen und regte sich immer über Fremdgeher auf – warum sollte sie das machen? Möglicherweise war der Geruch, der an ihr haftete, ein sehr herbes Frauenparfüm. Vielleicht ein Unisexparfüm, das ihre Kollegin trug und das auf sie abgefärbt war, vielleicht auch ein Männerparfüm, der der Kollegin einfach im Laden gefallen hatte. Es war nur ein Duft, es gab keinen Grund, misstrauisch zu sein. Er verließ die Toilette und ging in die Küche, wo Nobuko das Essen bereits in die Mikrowelle getan hatte. Auf dem Tisch nebenan standen eine Weinflasche und zwei elegante Gläser, die Madara mit Wein füllte. „Ich freue mich sehr, dass du dir die Mühe gemacht hast. Der Auflauf ist sehr lecker“, sagte sie und spülte das soeben Gekaute und Heruntergeschluckte mit dem teuren Wein herunter, den Madara für sie gekauft hatte. Madara nippte am Wein. „Die Blumen hat eine unserer zukünftigen Auszubildenden gebracht. Ich habe den Eindruck, sie hat sich gewundert, dass ich die Blumen entgegennahm, da ich auf deinen Namen bestellte.“ Nobuko lachte amüsiert und nahm einen Schluck Wein. „Der Wein ist wirklich sehr gut.“ Sie machte ein trauriges Gesicht und seufzte schwer. „Es tut mir so leid. Ich werde es wiedergutmachen.“ Sie wurde fertig mit dem Essen und wollte den Teller zur Spülmaschine tragen, als Madara ihr ihn aus der Hand nahm und ihn auf den Tisch stellte. „Du kannst das jetzt wiedergutmachen“, sagte er heiser und geheimnisvoll, bevor er sie hochhob, als würde sie nur ein paar Kilo wiegen. Er trug sie, die in seinen Armen eigenartig still war, ins Schlafzimmer, wo er sie sanft auf das Bett setzte und dann begann, ihr die Bluse aufzuknöpfen. Zwei Knöpf weit kam er, dann hielt sie ihn davon ab, weiterzumachen. „Ich bin sehr müde“, antwortete sie, als sie seinem fragenden Blick begegnete. Madara fuhr sich sichtlich genervt durch das Haar, aber sie zog ihn an sich und küsste ihn auf die Stirn. „Heute nicht, okay?“ „Hn“, machte er nur, ließ sich neben ihr im Anzug auf das Bett fallen und versuchte, das unangenehme Gefühl in seinem Schritt zu ignorieren. „Ich weiß deine Mühe zu schätzen.“ Madara schwieg, und als sie sich an ihn kuschelte, nahm er wieder diesen Geruch wahr, der stark nach Mann roch. Plötzlich runzelte er die Stirn, denn er hatte eine Geruchskomponente ausgemacht, die ganz sicher nicht der Bestandteil eines Parfüms sein konnte. Nobuko schlief. Ein letztes Mal ihren Geruch einatmend, um ganz sicher zu gehen, dass er sich auch nicht irrte, stand Madara vorsichtig auf, verließ das Zimmer und dann auch die Wohnung. Sobald er draußen war, zündete er sich eine Zigarette an und blies den Rauch in die Luft. Es hatte die Vermutung, dass Nobuko ihn heute mit einem anderen Mann betrogen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)