Sklave der Wüste von mrs_ianto ================================================================================ Kapitel 79: Treffen ------------------- Hallo zusammen,   es geht weiter. Ich wünsche euch viel Spass mit dem lange erwarteten Kapitel.     ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------     Treffen       Müde deckt Nino den Frühstückstisch. Er hat kaum geschlafen, da er die ganze Nacht über in eine Decke gewickelt, auf einem Stuhl sitzend, an Sugorokus Bett gewacht hat. Immer wieder hat er ihm den Rücken so massiert, wie es ihm Atemu nach dem Abendessen gezeigt hatte, wenn der Schmerz für den alten Mann zu stark geworden ist. Ein Gähnen unterdrückend erlaubt er sich eine Tasse Schwarztee und gönnt sich sogar einen kleinen Löffel Honig. So viel wie Atemu tut er nicht hinein, aber so ein bisschen macht den Tee für ihn doch aromatischer. Sich an seinen üblichen Platz setzend, trinkt er einen Schluck und atmet tief durch. Es hat ihn auch getroffen, den alten Mann so zu sehen. Was ihn doch überrascht. Ihm ist bis gestern gar nicht bewusst gewesen, wie sehr er ihn inzwischen mag. Langsam trinkt er den Tee und geniesst den für ihn immer noch ungewohnten Geschmack des Getränks. Immer wieder muss er es sich bewusst machen, dass er nicht träumt. Schon beinahe ehrfürchtig fährt er mit der Hand über den weichen Stoff seines Pullovers. Was für ein Luxus, solche schönen Kleider zu haben, die ihn warm halten. »Guten Morgen, Nino.« Yugi nickt ihm leicht zu und geht zum Herd, wo er den Teekrug von der heissen Platte nimmt und sich einen Tee eingiesst. Ohne ihn weiter zu beachten, setzt er sich, die Tasse in beiden Händen haltend, hin. »Guten Morgen«, erwidert Nino leise und mustert, sich hinter seinem Tee versteckend, den anderen Mann. Inzwischen hat er gelernt, dass dieser am Morgen in der Regel vor seinem ersten Tee nicht wirklich ansprechbar ist. Auf einmal hebt Yugi den Blick und sieht ihn direkt an. »Wie geht es Grossvater? Konnte er in der Nacht wenigstens halbwegs ruhig schlafen?« Deutlich ist in seiner Stimme die Sorge, um den alten Mann herauszuhören. »Mehr oder weniger. Er ist immer wieder aufgewacht, wenn er sich im Schlaf zu stark bewegt hat. Ich habe ihm dann immer die schmerzende Stelle massiert und ihm geholfen, sich so bequem wie möglich hinzulegen.« Nino sieht es nicht ein, warum er ihn anlügen sollte, weshalb er ehrlich antwortet. »Hat er das öfters, dass er solche Schmerzen hat?« Tief seufzt Yugi auf. »Ja und Nein. Bevor Atemu zu uns gekommen ist, hatte er das wirklich regelmässig. Der Heiler war sicher zwei bis drei Mal im Jahr hier, weil die Schmerzen zu schlimm geworden sind.« In Gedanken versunken, trinkt Yugi einen Schluck seines Tees. »Letztes Jahr hatten wir einmal im Sommer so viele Kunden, dass Grossvater mir den ganzen Tag über im Laden helfen musste. Atemu hat sogar direkt vor den Kunden neue Stoffballen zuschneiden müssen. Da hatte Grossvater am Abend dann auch wieder extrem starke Rückenschmerzen und da hat Atemu dann das erste Mal eine … wie heisst das nochmal? Ach ja, Akkupressur! … bei ihm gemacht und seitdem ist es deutlich besser geworden. Nur scheint es Grossvater mit den Rückenübungen nicht ganz so genau zu nehmen, wie er es sollte.« »So wie du es mit dem Selbstverteidigungstraining nicht so genau nimmst, Sharik«, mischt sich Atemu ein, der gerade die Küche betritt und sich auch einen Tee eingiesst. »Guten Morgen, ihr beiden.« Die Tasse in der rechten Hand haltend, beugt er sich runter und haucht Yugi einen Kuss auf die Lippen. Sanft lächelt er ihn an, als er sich danach wieder aufrichtet. »Grossvater schläft im Moment«, sagt er leise und blickt dann zu Nino. Spontan wuschelt er ihm durch die kurzen schwarzen Haare. »Du hast heute Nacht gut auf ihn aufgepasst. Dafür danke ich dir.« »Hey!«, ruft Nino empört aus und duckt sich weg. Murrend richtet er sich wieder die Haare, was Atemu gutmütig auflachen lässt. »Ich glaube, wenn May wieder mal zum Haare schneiden kommt, wird sie ihre Freude mit deiner dicken Mähne haben.« Verwirrt starrt Nino ihn an und sieht dann zu Yugi, der breit grinsend nickt. »Du hast schon richtig gehört. May schneidet uns die Haare. Ich denke mal, dass es in zwei oder drei Wochen soweit ist.« Unbewusst fährt sich Nino noch einmal durch die Haare. »Und wenn ich keine kurzen Haare mehr haben will?« »Dann soll sie dir die Haare so schneiden, dass du sie gut wachsen lassen kannst.« Zuckt Yugi mit den Schultern und greift nach einem Brötchen. »Das ist ja noch warm! Hast du etwa heute Morgen extra gebacken?« Plötzlich verunsichert nickt Nino. »Ja, aber den Teig habe ich gestern Abend nach dem Abendessen noch gemacht. War das etwa falsch?« »Überhaupt nicht. Mein Sharik fragt sich wohl nur gerade, wann du aufgestanden bist, um das zu schaffen. Weisst du, man kriegt ihn vor Sonnenaufgang nämlich nur mit Mühe aus dem Bett. Das ist jedes Mal ein Drama, wenn wir zum Hafen müssen, um bestellte Stoffe zu holen.« »Hey!«, ruft nun Yugi aus und boxt seinen Liebsten leicht gegen den Oberarm. »Es können nicht alle solche Frühaufsteher sein, wie du und Grossvater! Obwohl, du gar nicht so grosse Töne raushauen musst. Wenn du nicht unbedingt aufstehen musst, dann schläfst du inzwischen nämlich auch gern mal aus.« Die Augenbraue hochziehend sieht Atemu seinen Sharik an. »Was ich bis maximal kurz nach Sonnenaufgang kann. Denk dran, den Pferden ist es egal, was für ein Wochentag ist. Sie wollen pünktlich ihr Futter haben und frisches Wasser bekommen.« «Ja ja, nun setz dich aber hin und iss etwas, bevor Grossvater wach wird und auf die Idee kommt, dass er runterkommen muss. Du kennst ihn ja.« Um seinen Worten noch mehr Nachdruck zu verleihen, drückt Yugi ihm noch ein Brötchen in die Hand. Einen Moment bleibt Atemu noch stehen, ehe er zu seinem Platz geht und sich hinsetzt. Demonstrativ stellt er die Tasse hin und legt das Brötchen auf seinen Teller. »Ich habe gestern Grossvater das Versprechen abgenommen, dass er sich heute mit einem Buch aufs Sofa setzt und keinen Finger krumm macht. Das bedeutet, dass wir beide heute die Wäsche waschen werden, Nino. Ich glaube, das hast du bis jetzt noch nicht gemacht. Oder irre ich mich?« Fragend sieht er den Jüngeren an, der den Blick mit grossen Augen erwidert. »Wirklich? Ich darf dir bei der Wäsche helfen?« Deutlich ist ihm die Freude über die neue Aufgabe ins Gesicht geschrieben. »Ja, wirklich. Zu zweit geht es deutlich schneller, als allein und bei den kühlen Temperaturen ist es nur von Vorteil, wenn wir nicht zu lange draussen in der Waschküche sitzen müssen«, erwidert Atemu breit grinsend. Verwirrt runzelt Nino die Stirn. Er fragt sich gerade, warum sein Gegenüber gerade von Sitzen gesprochen hat. Ein Waschbrett kann man doch gar nicht richtig im Sitzen benutzen … »Du wirst es dann schon sehen«, murmelt Yugi mit einem wissenden Grinsen, während er sich ein Marmeladenbrötchen macht. Zwar ist Nino mit der Antwort nicht zufrieden, trotzdem nickt er und beginnt hastig zu essen. »Ich bringe Sugoroku aber zuerst noch sein Frühstück hoch«, stellt er zwischen zwei Bissen klar und trinkt noch einen Schluck Tee. »Gut, dann kannst du dann gleich auch die Wäsche mitnehmen, wenn du wieder runter kommst und ach ja, kannst du im Wohnzimmer bitte auch den Kamin anfeuern?«, sagt Atemu und nimmt sich noch ein Brötchen. »Die sind sehr gut. Du machst Grossvater langsam wirklich Konkurrenz, was das Kochen und Backen angeht.« Immer noch machen solche Komplimente Nino verlegen und auch diesmal wird er leicht rot um die Nase. »Danke«, nuschelt er undeutlich und steht auf. Noch bevor die anderen beiden etwas sagen können, richtet er einen Teller mit Käsebrötchen her und legt noch ein paar Scheiben Speck dazu, den Sugoroku vom letzten Marktbesuch mitgebracht hat. »Soll ich Sugoroku noch extra Tee kochen?« Möchte er von Yugi wissen der kauend nickt. »Ja, tu das. Er freut sich sicher darüber, wenn er oben eine volle Kanne Tee hat.« Er hat noch nicht fertig geredet, da springt Nino zur Spüle und lässt Wasser in einen Topf laufen, den er auf die heisseste Herdplatte stellt und legt dann sogar noch extra Holz nach. Da er aber nicht warten will, bis das Wasser kocht, füllt er eine Tasse mit dem zuvor aufgebrühten Tee und stellt sie auf das Tablett. Nun zögert er jedoch. »Geh ruhig, ich kümmere mich um den Tee, wenn du länger brauchst.« Atemu nickt ihm lächelnd zu. »Danke, ich bin dann oben!«, ruft Nino aus und rennt mit dem gefüllten Tablett aus der Küche.   Schmunzelnd schüttelt Yugi den Kopf, kaum dass sie allein sind. »Es ist schon unglaublich, wie motiviert er ist, seit er mehr Aufgaben übernehmen darf. Ich glaube, du hast ihm eine riesige Freude gemacht, als du ihm gesagt hast, dass er mit dir die Wäsche waschen soll.« Leise lacht Atemu auf. »Es ist so«, bestätigt er und gönnt sich eine Scheibe Speck. »Es ist für ihn unglaublich wichtig, dass er möglichst viel machen darf. Es gibt ihm Sicherheit, wenn er etwas zu tun hat und sich gebraucht fühlt. Rumsitzen und mal nichts tun, ist für ihn das Schlimmste, was ihm passieren kann. Darum lernt er auch so fleissig lesen und schreiben.« »Verstehe«, murmelt Yugi und atmet tief durch. »Ging es dir auch so? Also, dass du dich sicherer gefühlt hast, wenn du immer etwas zu tun gehabt hast?« Ernst nickt Atemu und lehnt sich jetzt satt zurück. »Ja, es hat mir Sicherheit gegeben. Aber anders, als Nino kann ich mir meine Arbeit selbst aussuchen. Besser gesagt, ich bin in der Lage zu sehen, was im Stall gemacht werden muss, auch wenn es nicht offensichtlich ist, dass sie gemacht werden muss. Wie das Leder einfetten, zum Beispiel. Ich mache es regelmässig, einfach weil ich weiss, dass es dem Material gut tut, wenn es gar nicht erst austrocknet und rissig wird. Ich glaube nicht, dass er das von selbst erkennen kann, solange das Leder nicht offensichtlich nach Fett verlangt.« Nachdenklich nickt Yugi. »Meinst du das liegt an seinem Alter? Oder wird er das nicht mehr lernen?« »Ich bin überzeugt, dass es an seinem Alter liegt. Er ist noch ein Teenager, auch wenn er schon Dinge tun musste, die man nicht einmal einem Erwachsenen zumutet. Bei der Sklavenparty war er gerade mal fünfzehn und wirkte damals deutlich älter, als er es jetzt tut. Es ist zwar anstrengend, seine wechselnden Launen aufzufangen, aber ich bin ehrlich gesagt auch froh, dass er sich immer öfters seinem Alter entsprechend verhält.« Schief grinst Atemu bei den letzten Worten, da ihm der gestrige Tag in den Sinn kommt, als Nino doch tatsächlich einen Trotzanfall hatte. Yugi will gerade fragen, warum sein Liebster so grinst, als sein Blick aus dem Fenster wandert. »Ich muss in den Laden.« Mit einem tiefen Seufzen steht er auf und trinkt im Stehen seinen Tee aus. »Heute Abend musst du mir unbedingt erzählen, was so lustig gewesen ist.« Für eine Sekunde legt er die Lippen, auf die seines Liebsten und dann, ist er auch schon aus der Küche verschwunden.   Atemu bleibt noch einen Moment sitzen, bis das Wasser auf dem Herd kocht. In aller Ruhe steht er auf und nimmt den Topf von der Platte, als ihm auffällt, dass das Teeei noch gar nicht mit frischen Teeblättern gefüllt ist. »Das wäre was gewesen«, murmelt er vor sich hin und tauscht die alten Teeblätter gegen neue aus, ehe er das Teeei in den zweiten Teekrug hängt und dann das kochende Wasser hineingiesst. Da der Tee jetzt erst einmal ziehen muss, beginnt er den Tisch abzuräumen. Als erstes bringt er die Reste vom Essen zurück in den Vorratsraum und legt die Brötchen in den Brotkorb. In aller Ruhe stellt er das benutzte Geschirr in die Spüle. Von oben kann er undeutlich die Stimmen von Nino und Grossvater hören, die sich relativ friedlich über irgendwas unterhalten. Anscheinend ist der alte Mann dem Jungen gegenüber deutlich friedlicher als bei ihm und Yugi. »Welpenschutz«, stellt er für sich selbst fest und lässt jetzt das Wasser in die Spüle laufen. In Gedanken versinkend, hört dem Rauschen zu und fragt sich, wann sie wohl endlich erfahren werden, was es mit dem Fremden auf sich hatte, und was Grossvater ihnen verheimlicht. Er hat ihn seit dem Abend beobachtet und bemerkt, wie der alte Mann immer wieder gedankenverloren aus dem Fenster geblickt und dabei extrem besorgt gewirkt hat. Beinahe vergisst er das Wasser wieder auszustellen. Hektisch dreht er den Hahn zu und atmet auf, dass er nicht auch noch den Boden putzen muss. In aller Ruhe beginnt er abzuwaschen und da kommt auch Nino wieder in die Küche. »Da bist du ja wieder. Der Tee sollte jetzt fertig sein.« Lächelnd sieht er zu ihm rüber. »Wie hat sich Grossvater verhalten? War er auch nicht zu anstrengend?« Sofort sieht Nino nach dem Tee und nimmt das Teeei raus. »Ja, er ist perfekt.« Stellt er fest und schielt dann zu Atemu rüber. »Es lief gut. Ich habe ihm mit der Bettpfanne geholfen. Er kann endlich wieder halbwegs normal sitzen und hat es sich jetzt im Wohnzimmer gemütlich gemacht. Ich sollte ihm ein Buch geben. ‘Stolz und Vorurteil’ und ich konnten den Titel sogar alleine lesen.« Stolz auf seine Leistung strahlt er ihn an. »Das ist super. Das Buch ist ja mit den lateinischen Buchstaben geschrieben, die du gerade erst gelernt hast.« Lobend legt er ihm die Hand auf die Schulter. »Dann bring ihm jetzt den Tee nach oben und komm dann mit der Wäsche wieder runter. Kannst du Yugis und meine Sachen auch gleich mit runter nehmen?« Eifrig nickt Nino und nimmt schwungvoll den Teekrug vom Herd. »Natürlich, ich bin gleich wieder da.« »Lass dir ruhig Zeit. Ich muss ja den Abwasch machen und Grossvater freut sich sicher, wenn du noch ein paar Minuten bei ihm sitzt.« Er weiss nicht, ob der Junge noch alles gehört hat. Ist dieser doch schon nach den ersten Worten wieder aus der Küche verschwunden und deutlich kann er jetzt die Stufen der Treppe knarren hören. In aller Ruhe wäscht er nun einen Teller nach dem anderen ab, ehe er sich um die Tassen und dann um das Besteck kümmert. Auf einmal sieht im Augenwinkel eine Bewegung und blickt von seiner Arbeit hoch. Neben ihm steht Nino der ein Geschirrtuch in der Hand hält und nach dem ersten Teller greift. »Sugoroku ist mit dem Tee zufrieden. Er meinte, man merkt, dass du für den Tee frische Blätter genommen hast.« Verwirrt schielt er zu Atemu rüber. »Merkt man da wirklich einen Unterschied? Bei Meister Bakura musste ich für seinen Tee die Blätter immer mindestens drei Mal verwenden.« Angewidert verzieht Atemu das Gesicht sieht aber nicht von der Spüle hoch. »Man merkt einen grossen Unterschied. Der Tee bekommt einen widerlichen Geschmack, wenn man die Teeblätter mehrfach verwendet. Du kannst es ja gleich ausprobieren. Koche noch etwas Wasser und giesse dir eine Tasse Tee mit den benutzten Blättern auf. Schon beim zweiten Mal merkst du einen deutlich anderen Geschmack.« Das nasse Besteck hinlegend deutete er mit einem Kopfnicken zu dem kleinen Teller, auf dem das noch gefüllte Teeei von Grossvaters Tee liegt. »Aber müssen wir nicht die Wäsche waschen?« Hin und her gerissen, zwischen seiner Neugier und seinem Pflichtbewusstsein, beisst sich Nino auf die Lippen. »Doch schon, aber eine kleine Tasse Tee dauert ja nicht lange und die paar Minuten, um dir etwas Neues beizubringen, haben wir schon noch Zeit.« Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, füllt Atemu einen kleinen Topf mit Wasser und stellt ihn auf den Herd. Gespannt wartet Nino dann darauf, dass das Wasser kocht und man könnte meinen, dass er mit seinem Blick das Wasser schneller zum Kochen bringen will, so wie er auf den Topf starrt, was Atemu amüsiert schmunzeln lässt. »Ich sehe noch schnell nach Grossvater.« Als der Jüngere ohne den Blick vom Topf zu nehmen nickt, verlässt er die Küche und geht die Treppe nach oben. Dabei achtet er darauf, dass die Stufen nicht zu sehr knarren und macht sogar einen grossen Schritt über die immer knarrende Stufe hinweg, die ihn sonst verraten hätte. Auf leisen Sohlen schleicht er dann zum Wohnzimmer und schielt hinein. Er kennt den alten Mann zu gut, um blind darauf zu vertrauen, dass sich dieser auch wirklich wie angeordnet schont. Doch zu seiner Überraschung sitzt er brav auf dem Sofa und liest in seinem Buch. Mit einem warmen Lächeln betritt Atemu das Wohnzimmer und setzt sich auf den Sessel neben dem Sofa. »Guten Morgen. Wie geht es dir? Ist der Rücken besser geworden?«, fragt er mit sanfter Stimme, woraufhin Sugoroku das Buch mit einem Finger als Lesezeichen zwischen den Seiten, schliesst. »Dir auch einen guten Morgen, mein Junge«, erwidert er mit einem schiefen Grinsen. »Er ist so weit besser geworden, dass ich wieder mit Hilfe von dem Stock halbwegs aufrecht gehen kann. Ich denke, wenn ich das nächste Mal auf die Toilette muss, dann schaffe ich sogar die Treppe, wenn ich mir Zeit lasse.« Zufrieden nickt Atemu, ist aber doch leicht misstrauisch. »Warum bist du so lammfromm? Das ist doch sonst nicht deine Art, wenn du dich umsorgen lassen sollst.« Aufmerksam beobachtet er den alten Mann, der den Blick empört erwidert. »Also so schlimm bin ich auch wieder nicht. Ich mag es nur nicht, tatenlos rumzusitzen, wenn Arbeit erledigt werden muss.« Mit einem ernsten Gesichtsausdruck lehnt sich Sugoroku vorsichtig zurück. »Ich gebe zu, dass es mich schon extrem erschreckt hat, als es mich gestern so schwer erwischt hat. Ich danke dir, dass du mir so sehr geholfen hast und Nino hat die ganze Nacht auf mich aufgepasst. Er ist ein guter Junge.« Zustimmend nickt Atemu und blickt zum Fenster. »Ja, das ist er und er ist sehr neugierig und intelligent. Er will lernen und das ist gut so.« Tief atmet er durch und steht wieder auf. »Dann schaue ich mal nach, ob er sein Experiment mit dem Tee schon beendet hat.« Sofort wird Sugoroku hellhörig und in seinem Blick ist die Neugier deutlich zu erkennen. »Ein Experiment?« »Ja«, lacht Atemu auf. »Er wollte wissen, ob Tee wirklich besser schmeckt, wenn man die Teeblätter nicht mehrmals verwendet. Also lasse ich ihn noch eine Tasse Tee mit den benutzten Teeblättern kochen.« »Gute Idee, dann sieht er gleich selbst, was einen guten Tee ausmacht und kommt nicht in Versuchung, es doch mal zu probieren, wenn er es nicht sollte. Nun aber los. Ihr habt heute viel zu tun oder soll ich euch helfen kommen?« Sugoroku macht schon anstalten, aufzustehen, als ihm eine Hand auf die Schulter gelegt wird. »Du bleibst hier sitzen. Wir schaffen das auch ohne dich.« Streng sieht er den alten Mann an, bis dieser ergeben nickt. Erst dann zieht er die Hand zurück und geht zur Tür. »Wenn was ist, die Tür zum Laden ist wie immer offen. Rufe nach Yugi, wenn wir noch in der Waschküche sein sollten.« Noch einmal blickt er zu seinem Grossvater, ehe er das Wohnzimmer wirklich verlässt und wieder nach unten geht. Am Fussende der Treppe wird er schon von Nino erwartet, der ungeduldig sein Gewicht von einem Fuss auf den anderen verlagert. »Können wir?« Eifrig sieht er Atemu an, der schmunzelnd nickt. »Ja, gehen wir.« Er nimmt ihm einen der beiden Wäschekörbe ab und geht zur Hintertür. Geschickt schlüpft er von den Hausschuhen in die leichten Strassenschuhe, die er seit zwei Tagen anzieht, wenn er nur kurz in den Stall geht. Ohne die Jacke anzuziehen, öffnet er die Hintertür und tritt nach draussen. »Verdammt, ist das kalt.« Scharf zieht er den Atem ein und rennt dann mit seiner Last über den Hof, bis er die Tür zur Waschküche erreicht hat. Kurz blickt er sich zu Nino um und sieht zufrieden, dass der Junge direkt hinter ihm ist. Erst jetzt stösst er die Tür auf und betritt den kühlen Raum, in dessen Mitte die Waschmaschine steht, die Yugis Vater einst gebaut hat. »Was du jetzt siehst, darfst du niemandem erzählen. Das ist eines der grössten Geheimnisse unserer Besitzer.« Ernst sieht er Nino an und tritt einen Schritt zur Seite, sodass Nino die aus einem Fass und Rollen gebaute Maschine sehen kann. Mit grossen Augen starrt Nino das Konstrukt an und geht langsam darauf zu. Neugierig umrundet er es und stellt den Wäschekorb ab. Jetzt hat er beide Hände frei und fasst neugierig die Rollen an, ehe er den Hebel umfasst und langsam das Fass dreht, bis er in die Öffnung blicken kann. »Damit macht ihr die Wäsche? Wird sie denn in dem Ding überhaupt sauber?« Grinsend nickt Atemu. »Ja, die Wäsche wird da drin sauber. Nur bei starken Verschmutzungen müssen wir sie vorkochen oder das Waschbrett benutzen, um diese anzulösen.« Er hat inzwischen seinen Wäschekorb auch hingestellt und schichtet nun das Holz in der Feuerstelle auf. »Mache du schon mal das Feuer, während ich das Wasser aus der Küche hole und dann zeige ich dir, wie unsere Waschmaschine funktioniert.« Sofort lässt Nino von der Untersuchung der ungewöhnlichen Maschine ab. »Verstanden!« ruft er aus und schon bevor Atemu auch nur die Tür erreicht hat, ist er schon dabei das Feuer zu entfachen. Die Arme zum Schutz vor der Kälte um sich schlingend, rennt er über den Hof zum Haus und greift nach den Eimern, die schon seit dem Einfrieren des Brunnens neben der Hintertür stehen. Das Metall der Henkel liegt kalt in seiner Hand, als er sie ins Haus trägt. Kurzerhand zieht er sich die Schuhe aus und läuft auf Socken in die Küche, wo er die Eimer mit warmem Wasser füllt, um Zeit zu sparen. Es dauert länger als draussen beim Brunnen, aber noch ist dieser nicht ganz aufgetaut und er will es nicht riskieren, den Mechanismus zu beschädigen, indem er ihn zu früh benutzt. Endlich sind beide Eimer gefüllt. Vorsichtig, um kein Wasser zu verschütten, läuft er mit seiner Last zurück zur Hintertür. Er schlüpft in seine Schuhe und diesmal zieht er sich seine Jacke an. Er weiss genau, dass trotz des Feuers, die Waschküche noch lange nicht so warm sein wird, dass er es da drin ohne Jacke bis zum Ende aushalten könnte.   Unterdessen hat Nino geschickt das Feuer geschürt und kaum, dass Atemu mit den Eimern zurückgekommen ist, hängt einer davon auch schon über den Flammen. »So und während das Wasser heiss wird, füllen wir das Fass. Dafür müssen wir die Wäsche grob vorsortieren und kontrollieren, ob wir sie vorbehandeln müssen«, erklärt Atemu und geht mit Nino zum Fass, wo er ihm zeigt, worauf er zu achten hat und teilt dabei die Wäsche auch in hell und dunkel auf. Die helle Wäsche gibt er gleich ins Fass und erklärt dabei geduldig, dass sie so ein Verfärben der hellen Stoffe vermeiden können. Während sie alles vorbereiten, wird das Wasser im Eimer heiss. »So und jetzt schneidest du noch etwas Seife und gibst die Flocken ins Fass und dann giesst du das heisse Wasser hinein.« Bewusst lässt er den Jüngeren die Anweisungen allein ausführen und hilft ihm erst wieder, als sie die Öffnung verschliessen müssen.   Nino saugt jedes einzelne Wort regelrecht in sich auf und führt eifrig die gestellten Aufgaben aus. Dann ist es endlich soweit! Er darf sich auf den Hocker setzen und diese Waschmaschine anfassen. Überrascht, wie einfach es doch ist, dieses unglaubliche Gerät zu bedienen. Erst jetzt versteht er, was Atemu gemeint hat, als dieser sagte, dass sie in der Waschküche sitzen werden. Hochkonzentriert zählt er bis hundert und ändert dann die Drehrichtung des Fasses. Er fühlt sich gerade so unglaublich besonders. Wie jemand, dem sich gerade eine Welt der Wunder öffnet.   Mit einem warmen Blick beobachtet Atemu, wie Nino dasitzt und stolz darüber ist, diese eigentlich einfache Aufgabe erledigen zu dürfen. Beim Richtungswechsel hängt er den zweiten Eimer über das Feuer und legt noch einmal Holz nach. Schliesslich ist auch der vierte Durchgang fertig und er geht wieder zum Fass. Geduldig zeigt und erklärt er Nino jetzt, was er machen muss. Während sie die Wäsche aus dem Fass nehmen, kontrollieren sie, ob die wenigen Flecken auch wirklich rausgegangen sind. Dann liegt auch das letzte Wäschestück im Korb und Atemu dreht das Fass um, sodass das Wasser rausläuft. »Jetzt müssen wir im Bad die Seife aus der Wäsche waschen. »Ich vertraue dir die zweite Wäscheladung an, während ich das erledige. Traust du dir das zu?« Fragend sieht er Nino an, der eifrig nickt. »Na klar. Ich schaffe das und dann machen wir noch die Bettwäsche. Oder?« Leicht neigt Atemu anerkennend den Kopf. »Du hast es erfasst. Als letztes Waschen wir die Bettwäsche. Das wird vermutlich noch einmal zwei volle Fässer ergeben. Aber zu zweit ist das ja kein Problem.« »Ich kann das auch alleine machen. Du musst doch noch die Pferde versorgen und die Boxen ausmisten und Yugi beim Stoffe zuschneiden helfen.« Eifrig sieht Nino Atemu an. Er weiss selbst nicht warum, aber es ist ihm gerade extrem wichtig, dass er es ihm beweisen kann, dass er das allein kann. Nachdenklich mustert Atemu den Jüngeren. Er ahnt instinktiv, was in ihm vorgeht. »Na gut. Die Bettwäsche machst du dann alleine und bei der musst du nur zwei Durchgänge machen. Aber du darfst nicht vergessen, dass du heute auch für das Mittagessen zuständig bist. Also denk dran, dass du dann noch etwas Einfaches zubereitest, das schnell geht.« Als er sieht, wie die Augen seines Gegenübers zu strahlen beginnen, weiss er, dass er richtig gehandelt hat, ihm so viel Verantwortung zu übertragen. Den Wäschekorb hochhebend versteckt er sein Schmunzeln. »Dann bis nachher.« Er nickt ihm zu und verlässt mit seiner Last die Waschküche. Draussen sieht er in den Himmel, wo sich die Sonne immer mehr durch die Wolken kämpft. Die teils noch gefrorenen Böden glitzern in den Sonnenstrahlen und verleihen der Umgebung eine schon beinahe magische Atmosphäre. Tief atmet er die kalte Luft ein, während er über den Hofplatz geht.   Unterdessen steht Yugi im Laden und bedient die Leute, die auch heute wieder in grosser Zahl in den Laden strömen. Auch wenn es so aussieht, dass endlich der Frühling kommt, fragen sie nach warmen Winterstoffen und zwischen den Zeilen hört er heraus, dass diese wohl bei vielen Stoffhändlern inzwischen restlos ausverkauft sind. Auch bei ihm im Laden ist die Auswahl stark geschrumpft. Aber noch kann er für jede Kundin und sogar für die wenigen Herren einen Stoff aus dem Regal holen, der den Wünschen und Vorstellungen entspricht. In den wenigen ruhigen Momenten überträgt er die Zahlen von der Schiefertafel in sein Geschäftsbuch, das er seit einigen Tagen in einer der Schubladen des Verkaufstresens aufbewahrt, wenn er den Laden geöffnet hat. Dabei ist ihm schon mehr als einmal der Gedanke gekommen, dass er die Preise ja anheben könnte. Den hat er aber immer gleich wieder verworfen, da er das den Kunden gegenüber als unfair empfunden hätte. Ausserdem wäre das sicher nicht gut für den Ruf seines Geschäfts, wenn sich die herumsprechen würde, dass er noch teurer geworden ist. Gerade ist so ein ruhiger Moment und er steht mit gesenktem Blick da und überträgt die Einkünfte des Morgens in sein Buch, als er hinter sich Schritte hört. Lächelnd hebt er den Blick und sieht zu seinem Liebsten, der auf ihn zu kommt. »Was machst du denn hier? Seid ihr mit der Wäsche schon fertig?« Sanft haucht er ihm einen Kuss auf die Lippen und sieht ihn dann voller Liebe an. »Nein, aber Nino will die Bettwäsche allein waschen. Es scheint ihm so wichtig zu sein, uns zu beweisen, dass er das kann, dass ich ihn machen lasse«, erzählt Atemu mit leiser Stimme, während er die Arme um seinen Sharik legt. »Ich wollte schon mal schauen kommen, was ich heute Nachmittag dann für Stoffe zuschneiden soll. Das Lager ist ja ziemlich leer geworden. Du wirst viel nachkaufen müssen.« Seufzend schmiegt sich Yugi an den herrlich kuscheligen Pullover, der den kräftigen Oberkörper seines Liebsten bedeckt. »Müssen wir jetzt übers Geschäft reden? Wir haben kaum Zeit für einander, da ich so viel zu tun habe«, murmelt er undeutlich, hebt dann aber doch den Blick. »Du hast recht. Das Lager ist so leer, wie schon sehr lange nicht mehr. Jeden Tag schreibe ich Rekordumsätze in mein Geschäftsbuch. Man könnte meinen, die Leute hätten auch jetzt immer noch keine warmen Kleider.« Leicht schmunzelt er, als er sich vorzustellen versucht, wie sich diese Personen durch den Winter gefroren haben. »Kann ja gut sein, aber ich weiss immer noch nicht, was ich zuschneiden soll.« Amüsiert mustert Atemu seinen Sharik und haucht ihm einen Kuss auf die Nasenspitze. »Also, sag mir, was ich zu tun habe.« »Schneide einfach alles zu, was wir an dicken Stoffen noch da haben. Was wir in den nächsten Wochen nicht verkaufen, das bleibt dann halt bis zum nächsten Winter zugeschnitten im Regal liegen.« Breit grinsend sieht er in die geliebten rubinroten Augen. »Wie du wünschst, Sharik. Dann schneide ich nach Lust und Laune zu«, scherzt Atemu und küsst ihn noch einmal innig auf die Lippen, ehe er sich von ihm löst und sich umwendet. »Dann bis nachher beim Mittagessen.« Verschmitzt grinsend zwinkert er ihm zu und verlässt dann mit selbstbewussten Schritten den Laden. Kaum ist er verschwunden, hört Yugi, wie die kleine Glocke über der Ladentür bimmelt. Sein professionelles Lächeln aufsetzend, dreht er sich um, nur um dann gleich darauf innerlich zu fluchen. An der Tür steht breit grinsend die Aino und das verheisst nichts Gutes. »Madam Aino, ich heisse Sie wie immer in meinem bescheidenen Laden herzlich willkommen. Was kann ich denn diesmal für Sie tun?« Nur mit Mühe kann er verhindern, dass sich sein Gesicht vor Ekel verzieht, als sie in einem neongelben Kleid, mit leuchtend roten Streifen und einer strahlend blauen Jacke auf ihn zu kommt. »Herr Muto. Sie sind wie immer zu freundlich.« Strahlend sie ihn an. »Ich bin hier, weil ich gehört habe, dass Sie jetzt auch Leder für herrlich weiche Schuhe verkaufen und dann muss ich Ihnen noch unbedingt erzählen, was ich gehört habe.« In Gedanken zählt Yugi bis zehn, als er auch schon zum Regal mit dem Leder geht und ein Bündel weiches Kalbsleder herausholt, das er zum Tresen trägt. »Ja, ich verkaufe jetzt auch Leder«, bestätigt er lächelnd und fügt in Gedanken hinzu: »Wie auch schon in den letzten vier Jahren.« Natürlich hütet er sich, diesen Satz laut auszusprechen. »Das ist ja wunderbar. Dieser scheussliche Winter hat alle meine Schuhe nahezu ruiniert und der Schuhmacher hat kein Leder mehr, das meinen Qualitätsansprüchen entspricht.« In ihrer typischen Art zu gehen, stöckelt sie zum Verkaufstresen und nimmt eine Ecke des Leders zwischen zwei Fingerspitzen. »Das ist ja wirklich von herausragender Qualität. Das hätten Sie schon viel früher ins Sortiment aufnehmen sollen. Ach ja, apropos früher: Haben Sie gewusst, dass Sir Arthur Hopkins seit gestern Abend in der Stadt ist? Die Kutsche soll ja mitten in der Nacht bei seinem Stadthaus angekommen sein und angeblich hat er zwei Gäste aus der Fremde mit dabei und eine Sklavin mit Kind. Stellen Sie sich das mal vor!« Yugi wollte ihr eigentlich gar nicht wirklich zuhören, aber als sie Hopkins sagt, hat sie sofort seine ganze Aufmerksamkeit. »Hopkins? Sind Sie sich sicher? Und er hat wirklich Gäste dabei?« Als er ihr so viel Aufmerksamkeit schenkt, grinst die Aino breit. »Ja, natürlich bin ich sicher. Schliesslich habe ich so meine Quellen. Er hat zwei Männer mit dabei, die eine seltsame Sprache sprechen, wie ich gehört habe. Ich frage mich, was er hier tut. Um diese Jahreszeit ist er sonst nie hier. Haben Sie vielleicht eine Idee?« Gespannt beugt sie sich vor. »Ich gehe ja davon aus, dass es wegen der Sklavin ist. Besser gesagt, wegen dem Kind. Bestimmt ist es von ihm oder von einem seiner Gäste. Warum sonst, sollten sie diese Person mit dem Baby IN der Kutsche mitfahren lassen. Stellen Sie sich das mal vor. Eine Sklavin, die mit ihnen in der Kutsche sitzt. Der arme Herr Yato, wird die Polster bestimmt neu beziehen lassen müssen. Das ist der Skandal schlechthin!« Vor Aufregung über diese unglaubliche Tat verwirft die Aino die Arme. Yugi hingegen ist es so ziemlich egal, wo diese Sklavin in der Kutsche gesessen hat. Er hat die Information bekommen, die für ihn interessant ist, ihm aber gleichzeitig ein mulmiges Gefühl in der Magengegend verursacht. Er hat Mühe sich weiter professionell zu verhalten, weshalb er den Blick hastig auf das Leder richtet. »Madam Aino. Wollen Sie das Leder jetzt kaufen?« Hoffend, dass sie sich wieder auf das Wesentliche konzentriert, lässt er seine Hand über das weiche Leder gleiten, während er sie nun wieder mit seinem Verkäuferlächeln ansieht. »Herr Muto, Sie sollten sich wirklich etwas mehr dafür interessieren, was in der Stadt so vorgeht«, tadelt sie ihn mit erhobenem Finger, ehe sie tief aufsetzt. »Aber gut. Dann kommen wir zum Geschäft. Was wollen Sie für diesen Lederballen haben? Ich biete Ihnen zweiundzwanzig Silbermünzen an.« Im ersten Moment ist Yugi von ihrem Vorstoss irritiert. Verwirrt blinzelt er ein paar Mal, ehe er seine Contenance wieder gefunden hat. »Madam Aino, es freut mich, dass Ihnen das Leder so gut gefällt, aber ich bitte Sie, das Leder ist mindestens zehn Silbermünzen mehr wert.« Abwartend, was sie jetzt sagen wird, sieht er sie an. Nachdenklich blickt sie auf das Leder. »Also das geht gar nicht! Ich zahle ganz sicher nicht mehr als dreissig Silbermünzen. Ich … biete Ihnen stattdessen fünfundzwanzig Silbermünzen an.« Mit einem breiten Lächeln sieht sie Yugi an, der jedoch nur ernst den Kopf schüttelt. »Madam Aino, wir wissen beide, dass ich das nicht machen kann. Das Leder ist von herausragender Qualität und soviel ich weiss, finden Sie in der ganzen Stadt kein Kalbsleder mehr, das diesem hohen Standard entspricht. Ich bin aber bereit, Ihnen bis auf dreissig Silbermünzen entgegen zu kommen. Sie haben ja selbst gesagt, dass sie bereit wären den Preis zu bezahlen.« Bewusst legt er ihre zuvor unbedacht ausgesprochenen Worte so aus, wie es ihm gerade gelegen kommt. Ertappt beisst sich die Aino auf die Unterlippe. »Verdammt, Sie haben mich erwischt. Na gut, ich gehe auf neunundzwanzig Silbermünzen hoch. Aber das ist mein letzter Preis.« Innerlich grinst Yugi, als er mit einem Nicken sein Einverständnis signalisiert. »Gut, mit dem Angebot von Ihnen bin ich einverstanden.« Er nimmt schon das Verpackungsleinen zur Hand. »Ich verpacke es für Sie auch extra gut. Damit es auch ja nicht zu Schaden kommt.« Während er das Leder in das Leinen einwickelt, zählt die Aino die Münzen aus ihrem Beutel und legt sie mit leisem Klirren auf den Verkaufstresen. »Herr Muto, ich hoffe, ihrem werten Herrn Grossvater geht es gut? Dieses böse Wetter hat ja schon viele Opfer gefordert. Besonders die Alten und Kranken sind ihm zum Opfer gefallen. Das ist richtig beängstigend, an wie viele Beerdigungen ich diesen Winter schon gehen musste.« Yugi schluckt, ansonsten lässt er sich nicht anmerken, wie sehr ihn ihre Worte erschüttern. Vor allem, weil er mitbekommen hat, wie oft sein Grossvater in den letzten Monaten zum Asthmaspray hatte greifen müssen, weil ihm durch den Aschestaub und den Rauch die Luft weggeblieben ist. »Es geht ihm zum Glück gut. Er hat nur gerade etwas mit seinem Rücken zu kämpfen.« Er zwingt sich zu einem professionellen Lächeln, als er ihrem Sklaven das Bündel gibt und dann die Münzen in die Kasse zählt. »Das erleichtert mich zu hören, dass es Ihrem werten Herrn Grossvater bis auf den Rücken gut geht.« Gibt sie ehrlich zu und sieht sich noch einmal im Laden um. »Ohne ihn wäre es nicht mehr der gleiche Laden, auch wenn er nur noch selten hier vorn ist.« »Ja, ich bin auch froh, Madam Aino«, stimmt ihr Yugi zu und geht um den Tresen herum. »Ich begleite Sie noch zur Tür.« Er kann es nicht erwarten, sie wieder loszuwerden, dennoch drängt er sie nicht, als sie ihm betont langsam folgt. »Heute ist es wieder so ekelhaft kalt. Aber es wird jetzt bald wärmer werden. Das habe ich im Urin«, sagt sie, als Yugi ihr die Tür aufhält und ein kalter Luftstoss sie trifft. »Da bin ich überzeugt von. Schliesslich haben wir schon Anfang März.« Vielsagend blickt er nach draussen, wo inzwischen die Sonne beinahe alle Wolken vertrieben hat. »Da haben Sie natürlich recht. Also dann, Herr Muto, grüssen Sie mir ihren werten Herrn Grossvater von mir.« Ohne eine Antwort von ihm abzuwarten, rauscht sie jetzt an ihm vorbei nach draussen. Erleichtert, dass sie endlich wieder weg ist, schliesst Yugi die Tür und dreht das Schild auf ‘Geschlossen’. Jetzt braucht er die Mittagspause wirklich und nicht nur, weil es Zeit dafür ist. Bevor er jedoch den Laden verlässt, schreibt er noch den Verkauf an die Aino auf seine Schiefertafel und stellt die Kasse zurück in die Schublade. Schliesslich soll man die nicht gleich vom Fenster oder der Tür aus sehen. Erschöpft reibt er sich mit der rechten Hand übers Gesicht und durch die Haare, als er durch den Flur in Richtung Küche geht. Er hat sie noch nicht betreten, als Nino mit einem voll beladenen Tablett durch die Tür kommt und ihn bemerkt. »Ich dachte, wir essen oben im Wohnzimmer. Dann muss Sugoroku nicht extra zum Essen runterkommen. Oder ist das keine gute Idee?« Auf einmal unsicher, ob es von ihm richtig gewesen ist, diese Entscheidung auf eigene Faust zu treffen, beisst sich Nino auf die Lippen, was Yugi dazu bringt, auf ihn zuzugehen und ihm das Tablett abzunehmen. »Die Idee ist super. Ich trage das schon mal nach oben, dann musst du nicht zwei Mal laufen.« Mit einem beruhigenden Lächeln sieht er den Jungen an, der das Lächeln zögernd erwidert. »Danke, aber das ist doch nicht nötig. Ich meine … ich bin doch dafür da, euch zu dienen.« »Du bist hier, weil du ein Mitglied unserer Familie geworden bist und das bist du in dem Moment, als Grossvater dich von Bakura abgekauft hat und dann auch wirklich offiziell, als ich dich bei den Behörden auf unseren Namen habe registrieren lassen. Wir helfen einander, wenn wir es können. Denn das tut man in einer Familie«, erklärt Yugi mit Nachdruck in der Stimme und wendet sich um. Es ist schon eine Weile her, dass er ein so volles Tablett getragen hat, weshalb er besonders vorsichtig zur Treppe geht und dann auch sehr langsam eine Stufe nach der anderen überwindet. Deutlich kann er dabei die Blicke spüren, die ihm Nino immer noch zuwirft. Irgendwie kann er ihn ja verstehen. Er ist sich von Bakura eine ganz andere Behandlung gewohnt und jetzt wird er plötzlich wie ein Mensch behandelt. Zu gut kann sich Yugi noch daran erinnern, wie sein Liebster am Anfang mit den Veränderungen in seinem Leben zu kämpfen gehabt hatte. Noch immer blutet sein Herz, wenn er an diese ersten Wochen und Monate zurückdenkt, als er ihn noch nicht einmal hatte berühren können, ohne Panik in den rubinroten Augen zu sehen. Oben an der Treppe angekommen, blickt er für einen Moment nach unten und sieht, wie Nino zum Lager geht und die Tür öffnet. Nachdenklich runzelt er die Stirn, dann fällt es ihm wieder ein. »Stimmt, Atemu schneidet die Stoffe zu«, murmelt Yugi vor sich hin und fragt sich, wie er das hatte vergessen können. Langsam geht er jetzt zum Wohnzimmer und trägt das Tablett zum Sofatisch. Auf den erstaunten Blick seines Grossvaters hin grinst er breit. »Nino hatte die Idee, dass wir alle hier oben essen. Dann musst du nicht extra runterkommen oder allein essen.« »Er ist ein guter Junge. Er muss nur noch lernen, seine Launen wieder etwas mehr zu kontrollieren. Manchmal erinnert er mich an dich, als du in seinem Alter gewesen bist. Du konntest auch von einer Sekunde zur anderen zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt hin und her springen.« Schmunzelnd erinnert sich Sugoroku an diese Zeit zurück. Auch wenn die Pubertät seines Enkels ihn manchmal beinahe zur Weissglut getrieben hatte, wünscht er sich manchmal diese Zeit zurück, als Yugi noch halbwegs unbeschwert gewesen ist und nicht so viel Last auf den Schultern hatte tragen müssen. Während sein Grossvater mit offenen Augen zu träumen scheint, deckt Yugi den Tisch und da kommen auch schon Nino und Atemu mit den restlichen Sachen für ein einfaches Mittagessen herein. Es gibt wirklich nur ein einfaches Mahl aus Pfannkuchen, und einer Sahnesauce und mit Lauch. Neugierig mustert Sugoroku das Essen und beobachtet dann Nino, wie dieser einen Pfannkuchen auf den Teller legt und diesen mit der Sauce und den Lauch bedeckt, die wiederum von einem zweiten Pfannkuchen abgedeckt werden. »Hier, Sugoroku«, sagt Nino scheu und hält ihm den Teller hin. »Das musste ich früher oft kochen, bevor ich zu Bakura gekommen bin.« Mit einem Neigen des Kopfes nimmt Sugoroku den Teller entgegen. »Na, dann muss es ja köstlich sein. Ich bin gespannt, wie dieses Mahl schmeckt.« Unter den aufmerksamen Blicken des Jungen probiert er einen Bissen. »Sehr gut. Ich muss sagen, das könnte zu meiner neuen Leibspeise werden.« Lobt er das einfache Gericht in den höchsten Tönen und woraufhin der Junge vor ihm gleich um ein paar Zentimeter zu wachsen scheint. »Na, dann müssen wir es auch unbedingt probieren«, lacht Yugi auf und füllt sich den Teller auf die gleiche Art, wie es zuvor Nino getan hatte. Auch Atemu nimmt sich so eine grosszügige Portion und setzt sich dann auf den Sessel neben dem Sofa, während sich Yugi neben seinen Grossvater setzt. Unter den gespannten Blicken Ninos probieren sie das unbekannte Gericht und nicken ihm dann anerkennend zu. »Wirklich gut. Ich hatte schon oft Pfannkuchen, aber noch nie in Kombination mit Sahnesauce und Lauch. Das passt überraschend gut zusammen.« Yugi sieht Nino anerkennend an und das scheint ihn aus einer Art Starre zu reissen. Erst jetzt nimmt auch er sich seine Portion und setzt sich auf dem Sofa hin. Während sie essen, fällt Yugi plötzlich etwas ein. »Ich muss dich noch von der Aino grüssen. Sie ist froh, dass es dir bis auf deinen Rücken gut geht.« Mit einem breiten Grinsen bemerkt er das erstaunte Gesicht seines Grossvaters, der ihn mit der gefüllten Gabel in der Hand dasitzt und irgendwie vergessen zu haben scheint, dass er sie zu seinem Mund bewegen sollte. »Die Aino? War sie heute etwa hier und warum grüsst sie mich?« Immer noch grinsend nickt Yugi, wird dann aber ernst. »Ja, sie war heute hier und du wirst es nicht glauben, aber sie hat ganz normales Kalbsleder gekauft.« »Ah ja«, meint Sugoroku daraufhin nur und schiebt sich die volle Gabel in den Mund, nur um gleich daraufhin zu stocken. Allerdings muss er erst runterschlucken, ehe er seine Gedanken laut aussprechen kann. »Normales Kalbsleder? Keine unmöglichen Stoffe, die wir sonst nie losbringen würden?« Als Yugi nickt, starrt er ihn geschockt an. »Ist sie krank?« Amüsiert schüttelt Yugi den Kopf. »Nein, sie ist nicht krank, aber sie braucht wohl neue Schuhe und der Schuhmacher hat anscheinend kein Leder mehr, das für sie gut genug ist. Sie scheint dich zu mögen. Sie meinte, der Laden wäre nicht mehr derselbe, wenn du nicht mehr wärst. Laut ihr sind diesen Winter viele kranke und ältere Leute gestorben. Darum hat sie sich Sorgen um dich gemacht«, erklärt Yugi nun schlagartig ernst und lehnt sich zurück. »Ah ja. Und sie hat keinen Klatsch und Tratsch erzählt? Das glaube ich dir nicht.« Hakt Sugoroku nun nach, woraufhin sich sein Enkel ertappt am Hinterkopf kratzt. »Doch natürlich. Du kennst sie doch. Anscheinend ist Hopkins gestern mit zwei Fremden und einer Sklavin mit Kind in Domino angekommen. Ich denke, das ist der Teil, der für uns wichtig ist. Den Rest erspare ich dir lieber. Denn so einen Mist hat sie vermutlich noch nie erzählt. Zumindest kann ich mich nicht dran erinnern.« Ernst nickt sein Grossvater nun. »Dann müssen wir damit rechnen, dass wir heute, spätestens aber morgen Besuch von Hopkins und seinen Gästen bekommen.« Vielsagend sieht er zu Atemu und Nino, der seinerseits nun auch zu Atemu sieht. »Das bedeutet, dass wir jederzeit darauf vorbereitet sein müssen, die Sklavenhalsbänder auch im Haus anzuziehen. Hopkins ist in Ordnung und er würde es vermutlich bei einem Kommentar belassen. Allerdings wissen wir nicht, wie seine Gäste drauf sind und du kennst ja die Regeln, Nino.« Unwillkürlich fasst sich dieser an den Hals. »Ja, ich kenne sie«, murmelt er und holt das Lederhalsband aus seiner Gesässtasche. Er hat sich ein Beispiel an dem Älteren genommen und es vor drei Wochen endgültig abgelegt und es seitdem nur noch getragen, wenn er im Laden helfen musste oder Sugoroku zum Markt begleitet hat. Er will es sich gerade anziehen, als er eine Hand auf seinem Unterarm spürt. »Du musst es nicht gleich jetzt anziehen, aber sobald es an der Tür klopft, müssen wir schnell sein oder wenn wir von draussen reinkommen, dann aufmerksam hinhören, ob wir fremde Stimmen hören, die nicht aus dem Laden kommen. Hast du mich verstanden.« Mit einem nachsichtigen Blick sieht Atemu Nino ernst an, der ihn ungläubig ansieht, dann aber nickt. »Ich habe es verstanden. Aber was ist, wenn wir von draussen reinkommen und uns der Gast sieht, bevor wir uns das Halsband anlegen können?«7 »Dann sagen wir einfach die Wahrheit, und zwar, dass ihr das Halsband bei der Arbeit im Stall nicht tragen müsst. So einfach ist das. Dass ihr sie auch sonst nicht tragt, das müssen sie ja nicht wissen«, mischt sich nun Sugoroku ein. »Wir haben hier immer noch das Hausrecht und wenn ihr die Halsbänder dann sofort anzieht, dann hat auch ein Gast keinen Grund sich zu beschweren oder uns bei den Behörden zu melden.« Nicht wirklich überzeugt nickt Nino. »Ich muss noch eine Maschine Bettwäsche waschen. Atemu kannst du bitte den Abwasch erledigen?« Bittend sieht er den Älteren an und wäre ihm dann beinahe um den Hals gefallen, als dieser leicht den Kopf neigt. »Natürlich kann ich das erledigen. Geh du nur und kümmere dich um die Wäsche. Kannst du dafür gleich die Netze bei den Pferden austauschen? Sie hängen schon fertig gestopft im Heulager.« »Na klar kann ich das machen! Es ist mir eine Ehre dies für dich erledigen zu dürfen«, wie eine Feder springt Nino auf und stürmt aus dem Wohnzimmer. Er poltert lautstark die Treppe nach unten und Sekunden später fällt mit einem dumpfen Knall die Hintertür ins Schloss. Leise lacht Yugi auf. »Er verehrt dich regelrecht, mein Liebster. Ich glaube, du könntest von ihm sogar verlangen, vom Dach zu springen und er würde es tun.« »Nur warum wäscht er die Wäsche allein. Wolltet ihr das nicht zusammen machen?« Missbilligend runzelt Sugoroku die Stirn, als er zu Atemu sieht, woraufhin dieser die Hände hebt. »Er wollte es so. Es war ihm so wichtig, dass er die Bettwäsche allein machen kann, dass ich ihm diesen Wunsch nicht abschlagen konnte.« »Grossvater, Nino will sich beweisen«, meldet sich nun auch Yugi wieder zu Wort. »Wir sollten ihn machen lassen, solange er sich nicht übernimmt und so schlimm ist es ja auch nicht, dass er mit der Wäsche noch nicht ganz fertig ist. Sie braucht bei dem Wetter ja eh länger, bis sie trocken ist.« Beruhigend legt er seinem Grossvater die Hand auf die Schulter, als dieser noch einmal etwas sagen will. »Ich weiss, aber mein Schatz weiss schon was er tut und ich kann mir vorstellen, dass er ihm auch bewusst die Zubereitung des Mittagessens überlassen hat.« Während Yugi mit Sugoroku redet, stapelt Atemu das Geschirr auf eins der beiden Tabletts. »Ja, ich habe ihn bewusst so viel machen lassen. Es ist für ihn wichtig, dass er merkt, dass er gebraucht wird und wir es ihm zutrauen, dass er alles zuverlässig erledigen kann.« Bestätigt er und hebt das gefüllte Tablett hoch. »Er muss aber auch verstehen, dass er auch Arbeit abgeben kann, ohne dass ihm ein Strick draus gedreht wird.« Vielsagend sieht er auf das Tablett in seinen Händen. »Und er scheint es langsam zu verstehen. Sonst hätte er mich nicht gefragt, ob ich den Abwasch machen kann.« Widerwillig nickt Sugoroku zu Atemus Worten. »Du hast recht, auch wenn es mir nicht gefällt«, stimmt er seufzend zu. »Nun geh schon, sonst meint er, dass er den Abwasch doch noch machen muss.« Er greift wieder nach seinem Buch. »Morgen sitze ich aber nicht mehr faul hier oben rum und lasse mich bedienen.« Stellt er noch klar, als seine beiden Enkel schon beinahe zur Tür raus sind. Kopfschüttelnd geht Atemu weiter, während Yugi stehen bleibt und sich noch einmal zu seinem Grossvater umdreht. »Warum hast du so ein Problem damit, dass du umsorgt wirst und einfach mal die Beine hochlegen kannst? Geniesse es doch einfach.« Kaum hat er das letzte Wort gesagt, wird er mit einem tödlichen Blick angesehen. »Ich habe mein ganzes Leben gearbeitet und nur weil ich nicht mehr so jung bin, wie ihr es seid, heisst das noch lange nicht, dass ich zum alten Eisen gehöre und meine Zeit faul auf dem Sofa sitzend verbringen muss!«, fährt er seinen Enkel an. Yugi ist bei der wütenden Antwort regelrecht zusammengezuckt. Mit hängendem Kopf verlässt er das Wohnzimmer und geht in die Küche zu seinem Liebsten. Dieser ist schon dabei einen Teller nach dem anderen abzuwaschen. »Warum ist Grossvater so laut geworden?«, fragt er nach einem Blick zu seinem Sharik, der seine Fussspitzen wohl gerade besonders interessant findet. »Ich habe ihn gefragt, was er denn für ein Problem damit hat, dass er umsorgt wird.« Tief seufzt Atemu auf. »Er hat Angst, dass er nicht mehr gebraucht wird. Dass er nur noch ein nutzloser alter Mann ist, der uns zur Last fällt. Ist dir das bis jetzt nicht bewusst gewesen?« Sanft spricht er die Worte aus und trocknet sich die Hände ab. Erst jetzt geht er die paar Schritte zu seinem Sharik und zieht ihn in eine feste Umarmung. »Viele alte Leute haben diese Ängste. Vor allem wenn sie mal nicht so können, wie sie es wollen und Grossvater kann im Moment nicht so, wie er will. Wenn es wärmer wird und wieder trockener, dann wird er sich auch wieder besser fühlen nicht mehr das Gefühl haben, dass er langsam nutzlos wird.« Yugi lehnt sich an die starke Brust seines Liebsten und vergräbt das Gesicht an dessen Schulter. »Ich hoffe es«, murmelt er in den weichen Stoff des Pullovers. »Lass mich jetzt bitte einen Moment lang schwach sein«, bittet er tonlos und schlingt die Arme nach Halt suchend um ihn. »Du kannst jederzeit schwach sein. Ich bin da und halte dich«, raunt Atemu und verstärkt den Griff um ihn. Keiner von ihnen weiss, wie lange sie sich gegenseitig festgehalten haben, als sich Yugi strafft und widerwillig aus den Armen seines Liebsten löst. »Ich muss zurück in den Laden.« Mit einem schiefen Grinsen sieht er in das geliebte Gesicht. »Danke, fürs Kraft geben.« Sanft legt er ihm die Hand auf die Wange, ehe er sich abwendet und die Küche verlässt. Mit einem bedrückten Lächeln sieht Atemu ihm nach. »Nicht dafür«, sagt er tonlos, sodass man die Worte nur an den Lippen ablesen könnte. Tief atmet er einmal durch und wendet sich dann wieder dem Abwasch zu.   Yugi schliesst gerade die Ladentür auf, als er eine ihm bekannte Person durch das Glas erkennen kann. Am liebsten würde er den Schlüssel sofort wieder umdrehen und sich verstecken, bis die Person weg ist, aber dennoch öffnet er die Tür. »Hopkins, was führt dich denn hierher?«, fragt er mit einem unguten Gefühl in der Magengegend, das sich noch verstärkt, als er die beiden Fremden hinter ihm entdeckt. »Yugi, wie oft soll ich dir noch sagen, dass du mich Arthur nennen sollst?«, erwidert Arthur statt einer Antwort mit einem nachsichtigen Lächeln, das jedoch verschwindet, als er bemerkt, dass Yugi seine beiden Begleiter gesehen hat. »Dürfen wir reinkommen? Es ist kalt hier draussen und ich muss mit dir, Yami und Sugoroku sprechen.« Deutlich kann er das Widerstreben im Blick des jungen Mannes erkennen und er rechnet insgeheim schon damit, dass dieser ihn abweist, aber dann tritt er zur Seite. »Natürlich, kommt rein, bevor ihr euch noch erkältet. Grossvater sitzt im Wohnzimmer. Ich … werde Yami sagen, dass er Tee kochen soll.« Leicht neigt Hopkins den Kopf. »Danke, du … solltest den Laden heute Nachmittag besser geschlossen lassen, wenn du es dir erlauben kannst.« Er betritt langsam den Laden. Gefolgt von seinen beiden Begleitern, die sich aufmerksam in dem penibel aufgeräumten Geschäft umsehen. Er rechnet schon damit, dass zumindest von Seto ein abfälliger Kommentar kommt, aber dieser schweigt zu seiner Überraschung. »Dann gehen wir schon mal nach oben zu Sugoroku. Und … Yugi … Es tut mir leid, dass ich …« Als Yugi die Hand hebt, verstummt er mitten im Satz. »Ich will es nicht hören. Geh zu Grossvater. Ich komme gleich mit … Yami nach.« Fest sieht er Hopkins an. Seine wahren Gefühle versteckt er hinter einer Maske der Professionalität, als er sich zu einem Lächeln zwingt. »Er freut sich bestimmt, dich zu sehen. Schliesslich habt ihr euch fast ein Jahr lang nicht gesehen.« Da er nicht weiss, wie lange er sich noch beherrschen kann, wendet sich Yugi um und geht zur Tür, die in den Flur führt. »Folgt mir bitte«, murmelt er als er im Türrahmen steht und geht dann einfach weiter, ohne sich nach den drei Männern umzusehen. Diese folgen ihm bis zur Treppe. »Ich denke, jetzt findest du den Weg allein, Hopkins. Ich komme gleich nach.« Leicht nickt ihm der Ältere zu und deutet dann seinen Begleitern, ihm zu folgen. Erst jetzt sieht Yugi die Fremden wirklich an. Der ältere von den beiden macht auf ihn einen ganz sympathischen Eindruck, während der Jüngere auf ihn wie die Verkörperung des Arschlochs wirkt. So wie dieser sich mit einem von Ekel erfüllten Blick umsieht, so als würde er etwas Schmutziges sehen, dabei blitzt der Flur, trotz der nassen Jahreszeit, beinahe vor Sauberkeit. Sich seine Gedanken nicht anmerken lassend, erwidert er dessen Blick, als dieser an ihm vorbei geht und ihn dabei abschätzig mustert. Erst als sie alle auf der Treppe sind, dreht er sich um und geht zur Küche, wo Atemu sich gerade mit zitternden Fingern das Sklavenhalsband anlegt. »Ich habe die Stimme von Hopkins gehört. Du solltest Nino Bescheid geben, dass wir Gäste haben. Ich mache inzwischen Tee.« Seine ruhige Stimme straft seine zitternden Hände Lügen, die Yugi nun mit festem Griff umfasst. »Es tut mir leid. Ich konnte ihn und die beiden Männer nicht wegschicken. Ich … habe sie zu Grossvater geschickt.« Sanft entwindet Atemu seine Hände dem Griff und legt die Hände auf Yugis Wangen. »Irgendwann musste es soweit kommen, dass wir Besuch haben und ich wieder den gehorsamen Sklaven spielen muss. Es ist in Ordnung. Ich kümmere mich um den Tee und es hat auch noch ein paar Kekse, die ich auf einem Teller anrichten kann. Also mach dir keine Gedanken. Geh zu Nino und gib ihm Bescheid und dann geh nach oben zu Grossvater und kümmere dich mit ihm um die Gäste.« Fest sieht er in die amethystfarbenen Augen, bis sein Sharik den Blickkontakt unterbricht und sich abwendet. »Gut, dann … bis nachher.« Mit unglaublich schweren Beinen geht Yugi aus der Küche. Zurück lässt er einen Atemu, der gepeinigt die Augen schliesst. Er hatte einen kurzen Blick auf die Hopkins und die anderen beiden Männer erhaschen können und glaubt, in dem älteren einen der Hohepriester erkannt zu haben. Den Jüngeren hatte er leider nicht richtig erkennen können. Langsam dreht er sich um und greift nach dem Topf, den er mit heissem Wasser füllt und dann auf den Herd stellt. Automatisch legt er zwei Holzscheite in die zum Glück noch nicht ganz erloschenen Flammen und schürt das Feuer neu, ehe er die Tür schliesst und den Blick auf das leuchtende rot und gelb versperrt.   Oben im Wohnzimmer tritt Arthur gerade mit ausgebreiteten Armen auf Sugoroku zu, der sich mühsam vom Sofa erhebt. »Hopkins, ich habe dich schon erwartet«, ruft Sugoroku aus und erwidert steif die Umarmung, in die er gezogen wird. Natürlich entgeht seinem alten Freund nicht, dass er sich vorsichtig bewegt. »Mein Rücken macht mir mal wieder zu schaffen. Du musst dir keine Sorgen machen.« Mit einem schiefen Grinsen setzt er sich wieder hin. »Setz dich doch und deine Begleiter natürlich auch.« Auffordernd deutet er auf die freien Plätze neben sich und auf den Sessel. »Ich stehe lieber. Ich glaube nicht, dass wir lange hier bleiben werden, dies alles ist doch nur eine Farce«, meldet sich nun Seto mit deutlichem Abscheu in der Stimme zu Wort. »Das ist keine Farce«, erwidert Arthur und setzt sich demonstrativ neben seinem Freund hin. »Ich nehme an, du ahnst schon, warum wir hier sind?«, fragt er leise, beinahe so als würde ab jetzt ein zu lautes Wort Schaden anrichten. Ernst nickt Sugoroku. »Ihr seid hier, um zwei Menschen das Herz zu brechen und ihr Leben zu zerstören«, spricht er unverblümt seine Gedanken aus. Sichtbar zuckt Arthur zusammen. »Ich hoffe du weisst, dass ich das nicht will. Aber …« »Komm mir jetzt nicht mir Erklärungen. Die Weltpolitik geht mir ehrlich gesagt am Allerwertesten vorbei! Was für mich zählt ist das Glück meiner Familie, die du jeden Moment zerstören wirst!« Vorwurfsvoll sieht er seinen alten Freund an, der seinem Blick aber ausweicht. Da kommt Yugi ins Wohnzimmer. Seine Miene ist versteinert, als er zu den Fremden blickt. »Hier in diesem Haus stellt man sich vor. Ich bin Yugi Muto und das ist mein Grossvater Sugoroku und wer seid ihr?« Auffordernd sieht er die beiden mit einem kühlen Blick an. Shimon hat bis jetzt kein Wort gesagt und sich bewusst im Hintergrund gehalten, nun jedoch, tritt er vor und verneigt sich leicht vor Yugi. »Ich bin Hohepriester Shimon Marukosu und mein junger Begleiter ist Kronprinz Seto Nesut.« Stellt er sich mit freundlicher und respektvoller Stimme vor. »Wir sind hier, weil Arthur meinte, dass hier die wohl letzte Hoffnung auf Frieden zu finden ist.« Kaum hat er die Worte ausgesprochen, hören sie vom Flur her ein Scheppern und Klirren. Alarmiert drehen sich alle zur Tür um, wo ein kreidebleicher Atemu steht. Zu seinen Füssen das Tablett mit einer Teelache, die sich zwischen den Scherben, die mal Tassen und ein Teekrug gewesen sind, ausbreitet. Keiner bewegt sich. Die Stille ist so umfassend, dass jeder Atemzug überdeutlich zu hören ist. Die Zeit scheint still zu stehen, als plötzlich ein Ruck durch Atemus Körper geht und er sich in Bruchteilen einer Sekunde umdreht und verschwindet. Nur das zersprungene Teeservice deutet noch darauf hin, dass er gerade noch dagestanden hatte. Aus seiner Erstarrung gerissen, stürmt Yugi los. »Atemu!«, ruft er laut. Vergessend, dass sie Fremde im Haus haben. Er ahnt, wo sein Liebster hin ist und tatsächlich findet er ihn in ihrem Zimmer hinter dem Bett auf dem Boden kauernd vor. Osis fest an sich gedrückt, starrt er leer vor sich hin. »Atemu«, haucht er voller Sorge und kniet sich neben ihm auf den Boden. Er weiss nicht, was er tun soll und so legt er einfach nur die Arme um ihn und zieht ihn an sich. Doch sein Liebster reagiert nicht. Ja, er lehnt sich an ihn, aber auch nur, weil er ihn festhält. Es ist, als würde er eine leblose Puppe in den Armen halten. Es bricht ihm das Herz …   Im Wohnzimmer drehen sich langsam drei Männer zu Sugoroku um, der äusserlich ruhig dasitzt und auf die Teelache sieht, die sich immer noch auf dem Holzboden ausbreitet. »Ja, er ist es und ja, er erinnert sich an alles.« Durchbricht er die Stille, die wie Blei im Raum zu liegen scheint und ihm den Atem zu nehmen droht. »Wie … wie lange?«, fragt Arthur zögernd. Er will es eigentlich gar nicht wissen und doch zwingt ihn ein innerer Drang, diese Frage zu stellen. Ein leerer Blick trifft ihn. »Seit Yugi nach Wladiwostok abgereist ist.« »Ihr lügt! Das ist niemals Pharao Nesut-anch-Ra! Ich habe selbst die Totenriten durchgeführt! Er liegt im pharaonischen Grab der Nesuts! Das da, war nur ein Sklave, der so aussieht wie er! Niemals wäre er weggerannt! Er hat sich immer allem gestellt! Das da, war nicht der Pharao!«, zischt Seto und nähert sich drohend Sugoroku, der ihn unbeeindruckt ansieht. »Ihr habt recht, Prinz Nesut. Das da war nicht der Pharao. Das war Atemu Muto, den ich wie meinen eigenen Enkel liebe und der für meine verstorbene Frau Amara Amina wie ein eigener Sohn gewesen ist.« Mühsam steht er auf und stellt sich auf den Stock gestützt direkt vor Seto hin. »Der Pharao, den ihr kanntet, der ist bei dem Anschlag vor sechs Jahren gestorben.« Nun blickt er zu Shimon, der immer noch wie erstarrt zu sein scheint. »Dennoch seid ihr hier, um ihn aus seiner neuen Familie zu reissen. Wollt ihn wieder zurück in ein Leben zwingen, das ihn beinahe zerstört hat.« Ohne Seto noch einmal anzusehen, geht er an ihm vorbei und mustert Shimon nun eindringlich. »Überlegt euch gut, ob es das wert ist.« Diesen letzten Satz hat er mit so kalter Stimme ausgesprochen, dass immer noch kalte Schauer über den Rücken des Hohepriesters jagen, als Sugoroku schon auf dem Weg zum Schlafzimmer seiner Enkel ist. Im Flur sieht er Nino, der gerade ins Haus kommt. »Nino, im Wohnzimmer ist ein Tablett mit Teegeschirr runtergefallen. Kannst du bitte neuen Tee für unsere drei Besucher kochen? Und nimm ruhig noch einmal die gleichen Teeblätter.« Als er den erstaunten Blick des Jungen sieht, zwingt er sich zu einem Lächeln. »Ich erkläre es dir später.« Langsam geht er in das Schlafzimmer und setzt sich neben seinen Enkeln auf das Bett. Sanft legt er ihnen die Hände auf die Schultern. »Grossvater, Atemu reagiert nicht. Er sitzt einfach nur da«, schluchzt Yugi verzweifelt. »Er steht unter Schock. Ich habe mit so etwas gerechnet, aber ich hatte gehofft, dass er es besser verkraftet.« Seine Wut auf das Schicksal zur Seite schiebend, lächelt Sugoroku warm und streichelt leicht über die Yugis tränennasse Wange. »Nicht weinen. Jetzt ist nicht die Zeit dafür. Jetzt müssen wir stark sein. Für Atemu.« Zögernd nickt Yugi und senkt wieder den Blick zu seinem Liebsten. Auf einmal löst sich aus dessen Augenwinkel eine einzelne Träne. Schon beinahe mit morbider Faszination beobachtet er, wie sie über die leicht gebräunte Haut fliesst und eine nasse Spur hinterlässt. »Liebster«, raunt er ihm zu. »Bitte, komm zurück.« Ein Blinzeln antwortet ihm und eine weitere Träne schleicht sich aus dem Augenwinkel. Auf einmal schliessen sich dich rubinroten Augen und der Körper in seinen Armen verspannt sich. Er krümmt sich, kämpft um Kontrolle, versucht die Selbstbeherrschung wieder zu erlangen. Ein Schrei löst sich aus seiner Kehle, bahnt sich den Weg nach draussen. »NEEEEIIIIINNNN!« schluchzend bricht Atemu in den Armen seines Shariks zusammen, als alle Gefühle, die er in sich verschlossen hatte, auf ihn einstürzen. Ein Teil von ihm will weg. Will sich aus der schützenden Umarmung reissen. Doch ein anderer Teil will bleiben. Sich noch mehr in diese Umarmung fallen lassen. Verzweifelt, innerlich zerrissen, krallt er sich in Yugis Pullover fest … seine Vergangenheit hat ihn eingeholt … Schluchzend und schreiend windet er sich in den Armen seines Shariks. Versucht instinktiv in ihn reinzukriechen. Doch so sehr er es auch versucht, es ist ihm nicht möglich. Keiner von ihnen bemerkt die Gestalt, die im Türrahmen steht und sie beobachtet. Unbemerkt wendet sich die Person ab und geht die Treppe nach unten. Kurz blickt er sich um und geht dann zur Hintertür hinaus in den Hof, wo er mit nachdenklichem Blick vor sich hin starrt, ohne etwas von seiner Umgebung wahrzunehmen. Seto will es nicht glauben. Es kann nicht sein … es darf nicht sein, dass dieser Hopkins die Wahrheit gesagt hat. Es darf nicht sein, aber wenn es eine Lüge ist … wieso ist der Sklave dann zusammengebrochen? Warum haben diese Mutos so reagiert? Und die Reaktion war ehrlich, das konnte er deutlich erkennen. Es darf nicht sein … denn dann hätte er vor sechs Jahren … Nein, es kann nicht sein … Ohne es zu bemerken, sinkt er auf die Knie. Mit beiden Händen stützt er sich auf dem kalten Boden ab. »Nein, es kann nicht sein, dass alles eine Lüge gewesen ist! Dass wir in den letzten sechs Jahren eine Lüge gelebt haben!«, schreit er seine Verzweiflung oder auch Wut in die kalte Luft. Er weiss nicht, welches der beiden Gefühle stärker ist. Auf einmal spürt er einen Arm um seinen Rücken. »Mein Prinz, kommt wieder rein. Ihr erkältet euch sonst noch.« Mit sanftem Nachdruck zwingt ihn Shimon dazu, aufzustehen. »Nenne mich wieder bei meinem Namen. Wenn das da drin wirklich mein Cousin ist, dann bin ich nicht mehr der Kronprinz«, sagt Seto mit matter Stimme und hebt jetzt den Blick zu seinem Mentor. »Warum bist du so ruhig? Es scheint dich nicht zu schockieren, dass da … dass er …« Leicht schüttelt Shimon den Kopf. »Ich bin genauso schockiert. Aber nicht, weil er noch lebt, sondern wegen seiner Reaktion. Anders, als ihr, habe ich Arthur Hopkins geglaubt, was er gesagt hat. Ich … habe mir ausgemalt, wie sich unser Pharao an uns erinnert und sich freut, uns zu sehen.  Uns, seine engsten Vertrauten und Berater.« Trauer ist in den alten Augen zu sehen und wohl zum ersten Mal ist Shimon anzusehen, dass er auf die Achtzig Jahre zusteuert. Plötzlich um den alten Mann besorgt, drängt Seto ihn in Richtung Haus. »Reden wir drin. Wir holen uns sonst noch den Tod.« Seine Stimme ist wieder kühl und überheblich, so als hätte es seinen Zusammenbruch nur ein paar Minuten zuvor nicht gegeben. Trotz allem kann sich Shimon ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen. Sein Schützling kann einfach nicht aus seiner Haut. Als sie das Haus betreten kommt Hopkins mit ernster Miene auf sie zu. »Ich schlage vor, dass wir gehen und morgen wiederkommen. Atemu hat laut Sugoroku einen schwereren Zusammenbruch, als er dachte und braucht Ruhe.« Aufmerksam mustert er Seto und Shimon, die beide zwar gefasst wirken, aber doch auch blass wie die Wand neben ihnen sind. »Und wir können auch etwas Ruhe gebrauchen. Wenn ich gewusst hätte, dass, er sich erinnert, dann wäre alles anders verlaufen.« Voller Sorge blickt er nach oben, aber die Tür des Schlafzimmers ist zu, sodass kein Ton aus dem Raum zu hören ist. Ernst mustert Seto Hopkins und Shimon. »Wir kommen morgen wieder. Ich brauche keine Pause, aber ihr beide seht aus, als würdet ihr gleich umfallen. So schwach hätte ich euch nicht eingeschätzt.« mit weit ausgreifenden Schritten geht er an ihnen vorbei und durchschreitet, ohne innezuhalten, die Tür zum Laden. »Müssen wir ihnen nicht noch Bescheid geben?« Fragend sieht Shimon Arthur mit einem müden Blick an. »Das habe ich schon. Wir kommen morgen Nachmittag wieder. So viel Zeit müssen wir ihnen einfach geben und jetzt lass uns gehen. Sie nehmen es uns nicht übel, wenn wir uns nicht verabschieden.« Shimon weiss nicht wieso, aber er ist irgendwie erleichtert als er das hört. Gemeinsam folgen sie Seto und verlassen gleich darauf das Haus der Mutos, in das sie innerhalb kürzester Zeit so viel Leid und Verzweiflung gebracht haben.       --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------   Ja, endlich sind die Herren aufeinander getroffen. Ich weiss nicht, was ich erwartet habe, aber es ist ganz anders geworden, als ich es mir vorgestellt habe.   Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen.   Eure mrs_ianto Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)