Prelude of Shadows von yazumi-chan (Die Team Shadow Chroniken) ================================================================================ Ryan – Akt 3, Szene 8 --------------------- 9 Jahre vor Team Shadows Gründung Ryan grinste. „Ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal sagen würde“, begann er, „aber ich bin froh, dich zu sehen. Du kleiner Sadist.“ Shuppet legte den Kopf schief, sah jedoch äußerst zufrieden mit sich aus. „Hast du dich gut umgesehen?“, flüsterte Ryan, damit Corinna nicht aufwachte. Sie würde jede Minute Schlaf brauchen. „Weißt du, wie wir hier wieder rauskommen?“ Die tropfenförmigen Augen des Geists leuchteten verschmitzt auf. Ryan nickte zufrieden. Zumindest auf sein eigenes Pokémon war Verlass. Seine Intelligenz musste auf seinen nervtötenden Partner abgefärbt haben. „Was ist mit dem Lager für Beweisstücke, in dem sie Maggy festhalten?“, hakte Ryan weiter nach. „Irgendeine Spur?“ Das kleine Pokémon wiegte den Kopf in einer Geste, die Ryan mit viel Kreativität als Vielleicht interpretierte. Um seine Unsicherheit zu unterstreichen, beschwor Shuppet ein schwach leuchtendes Irrlicht herauf, das es träge hin und her fliegen ließ. Corinna winselte im Schlaf und öffnete ein Auge. „Shuppet?“, nuschelte sie und setzte sich mit einem Ruck auf. Vorwurfsvoll sah sie zu Ryan. „Ich dachte, sie hätten es dir weggenommen!“ „Das war Foxy, von Shuppet hatte ich mich gleich zu Beginn getrennt“, erklärte Ryan und bedeutete ihr mit einem warnenden Blick zur Tür, dass sie leiser sprechen sollte. „Es ist unsere einzige Chance, hier rauszukommen. Der Schlitz unter der Tür ist gerade groß genug, dass ein Schlüssel darunter durchpasst, aber zuerst müssen wir ihn stehlen.“ „Ihn stehlen?“, flüsterte Corinna energisch zurück. „Er hängt immer einer der Wachen um den Hals!“ „Shuppet schafft das schon“, sagte Ryan. „Ich kenne drei seiner Attacken, eine steht noch aus. Gib mir einen Moment.“ Ryan schloss die Augen und beschwor vor seinem geistigen Auge den Trainerratgeber hervor. Spukball konnte Shuppet im Ansatz, aber es hatte vermutlich noch nicht den benötigten Level erreicht. Es war ein Meister in Sachen Irrlicht, sein Schattenstoß hatte gut im Kampf gegen Vulpix funktioniert und wenn er sich nicht irrte, war die dritte Attacke, mit der es im Wald Erwin außer Gefecht gesetzt hatte, Groll. Was konnte ein Shuppet sonst noch erlernen? Mental ging er die Liste durch. „Bürde?“, fragte er. Shuppet schüttelte sich. „Fluch? Finte?“ Wieder verneinte der Geist. Frustriert dachte Ryan nach. Finte hätte funktionieren können. Was war besonders an Shuppet? Es konnte durch Wände schweben, Pokébälle mitgehen lassen … Er hielte inne. „Ryan, du siehst immer ein bisschen gruselig aus, wenn du lächelst, aber dein jetziges Grinsen grenzt an manisch“, informierte ihn Corinna. „Shuppet kann Abschlag“, verkündete Ryan, dem die Erkenntnis wie Schuppen von den Augen fiel. „Die meisten Shuppet verlernen die Attacke schnell wieder, weil sie ihnen in der Wildnis nicht viel nützt, aber Shuppet hier ist nicht nur ein geborener Einbrecher, sondern anscheinend auch ein Meisterdieb.“ Corinna betrachtete zuerst ihn, dann sein Pokémon kritisch. „Könnte klappen“, gestand sie nach einer Weile. „Aber was dann? Wenn wir nicht aus der Höhle rauskommen, sammeln sie uns nur in ein paar Stunden wieder ein.“ „Es ist besser als gar nichts. Den Rest plane ich spontan.“ „Ist das nicht genau die gegenteilige Definition von Plan?“ „Und wieder diese großen Wörter“, höhnte Ryan und gab Shuppet mit einem Kopfnicken zu verstehen, dass es sein Irrlicht benutzen sollte, um ihre Fesseln anzusengen. „Übernimm dich nicht, Magma-Mädchen.“ Das kleine blaue Feuer brannte nur langsam durch die Fesseln, worüber Ryan insgeheim dankbar war. Er hatte kein Interesse daran, sich ernsthafte Verbrennungen zuzuziehen. Als seine Hände frei waren und Shuppet sich Corinna zuwendete, erhob er sich vorsichtig und schlich zur Tür. Er presste ein Ohr gegen das Metall und wartete, bis er von draußen gedämpft Stimmen wahrnehmen konnte. Plötzlich erschien Shuppet neben ihm. „Bereit?“, flüsterte er und der kleine Geist nickte enthusiastisch. „Dann los, du kennst den Plan. Lass dich nicht erwischen, lenk sie am besten weiter unten im Gang ab. Dir fällt schon etwas ein.“  „Und jetzt warten wir?“, fragte Corinna, die sich ihre aufgerissenen Handgelenke rieb, während Ryan dabei zusah, wie Shuppet durch die Türe schwebte und dabei unsichtbar wurde. „Jetzt warten wir.“ Es dauerte nicht lange, bis von draußen Stimmen laut wurden. Er konnte nicht verstehen, was gesagt wurde, aber er vermutete, dass Shuppet mit dem Ablenkungsmanöver begonnen hatte. Eine Der Wachen war sicher schon unterwegs, um die Ursache des blauen Irrlichts auszukundschaften, das Shuppet am Ende des Ganges heraufbeschworen hatte. Im nächsten Moment rutschte ein Schlüssel samt Lederband unter der Tür hindurch. Ryan schnappte zuerst den Schlüssel, dann die durchgesengten Fesseln und winkte Corinna zu sich, bevor er das kleine Gerät in das Schloss steckte und umdrehte. „Bereit?“ „Wird wohl nicht besser“, murmelte Corinna, aber aus den Augenwinkeln konnte Ryan das verhaltene Grinsen in ihrem Gesicht sehen. Sie mochte vielleicht so tun, als wäre sie gegen seinen Plan, aber genau wie er wollte sie nichts unversucht lassen, um zu entkommen. Ryan riss die Tür nach innen auf. Die Wache war gerade dabei, panisch nach der Kette zu suchen, die Shuppet so gekonnt abgeschlagen hatte, als Ryan ihr mit der Energie eines Verzweifelten auf den Rücken sprang und den Rest des Seils um seinen Hals festzog. Er wagte nicht, zu heftig zu ziehen, aus Angst dem Mann ernsthaften Schaden zuzufügen, aber es reichte, um dem Aqua die Luft abzuschnüren, der nun mit zu Krallen verbogenen Fingern an dem Seil zerrte. Corinna sprintete unterdessen den Gang entlang, geradewegs auf die zweite Wache, der geplagt von Shuppets Groll am Boden kauerte und die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hatte. Corinna nutzte seine kurzzeitige Hilflosigkeit und fesselte seine Füße, bevor sie wegsprang und seiner Hand auswich, mit der er wütend brüllend nach ihr griff. „Renn!“, rief Ryan, der sich vom Rücken des bewusstlosen Aquas löste und Shuppets Blick suchte. Der kleine Geist verstand sofort und schoss in Richtung des Lagers davon. Der Boden schien sich durch seine Fersen in sein Rückgrat zu bohren, so heftig schlugen Ryans Füße auf den steinernen Fliesen auf, als er davon preschte, Corinna dicht hinter ihm. Sicher hatte man sie bereits durch die Sicherheitskameras entdeckt. Wenn sie auch nur den Hauch einer Chance haben wollten, mussten sie sich beeilen. Ryan konnte nicht abschätzen, wie lange er und Corinna durch das Hauptquartier rannten und um Ecken schlitterten, aber als Shuppet schließlich vor einer hohen Metalltür zum Stillstand kam, wollte Ryan sich vor Erschöpfung am liebsten übergeben. Hände auf die Knie gestützt und vorübergebeugt holte er röchelnd Luft und versuchte, das Ziehen in seinem ganzen Körper zu ignorieren, das wie ein Feuer durch seine Muskeln wanderte. Er war so mit Atmen beschäftigt, dass er zu spät die Stiefel bemerkte, die am Rande seines Sichtfelds standen. Erschrocken hob er den Kopf. An die Wand neben der Lagertür gelehnt stand, mit verschränkten Armen und schadenfrohem Grinsen, Erwin. „Wusste ich doch, dass ihr hier aufkreuzen würdet, Magmabälger“, sagte er und drückte sich von der Wand ab. Seine große Hand wanderte zu dem Pokéball an seinem Gürtel und Ryans Schulter pochte in Erinnerung an die Giftzahn-Attacke, die er sich im Wald zugezogen hatte. „Ihr seid wegen dem Magnayen hier, oder? Armes Ding, es hat bestimmt schon die Hoffnung aufgegeben, je wieder mit seiner Trainerin vereint zu werden.“ Er bleckte die Zähne. „Und zu Recht.“ „Corinna, wir müssen fliehen“, flüsterte Ryan, der die Situation sofort erfasste. „Selbst wenn er nicht hier wäre, die Tür hat keinen Spalt, durch den ein Pokéball passt und uns fehlt die Zeit, sie aufzubrechen. Wir können Maggy nicht retten.“ „Ich weiß“, sagte Corinna und Ryan sah zu ihr. Tränen liefen ungehemmt über ihre Wangen, doch ihr Blick war eisern und auf Erwin fixiert. „Ich weiß.“ Und bevor Ryan sie aufhalten konnte, warf sie sich schreiend dem Aqua entgegen, der einen kurzen Moment verblüfft innehielt, bevor er Golbat aus seinem Pokéball befreite und Corinna auf den Hals hetzte. Doch er war nicht schnell genug. Wie von Sinnen wich Corinna zur Seite aus, rollte sich über den Boden ab und kam direkt vor Erwin zum Stillstand, der erschrocken einen Schritt zurückmachte, während sie sich gegen seinen Oberkörper warf und ihr Knie mit voller Wucht in seine Weichteile stieß. Ryan zuckte bei dem Anblick zusammen, Erwins Augen weiteten sich und ein sanftes Oh entwich ihm, bevor er auf die Knie sank, Hände gegen die getroffene Stelle gepresst und sich stöhnend vornüber beugte. „Das ist für Maggy!“, fauchte Corinna, drehte sich um, und fand sich Auge in Auge mit Golbat wieder, das ganz und gar nicht glücklich über den Zustand seines Trainers aussah. „Shuppet, Spukball!“, rief Ryan, bevor ihm einfiel, dass er genau die Attacke genannt hatte, die Shuppet noch nicht beherrschte. Nur dass der kleine Geist unberührt einen schwarzvioletten Energieball aus seinem Horn heraufbeschwor und auf die Fledermaus abfeuerte. Die Attacke traf und lenkte Golbats Aufmerksamkeit auf seinen neuen Gegner, schien dem Giftpokémon jedoch keinen nennenswerten Schaden zugefügt zu haben. Corinna nutzte die Gelegenheit, um Erwin, der sich langsam von den Schmerzen erholte, mit voller Wucht gegen den Kopf zu treten. Es war in diesem Moment, da Ryan einfiel, dass Corinna schon einmal getötet hatte. In Selbstverteidigung zwar, aber plötzlich machte das keinen so großen Unterschied mehr. Sie trat ein zweites Mal zu, Augen blind vor Tränen. Sie würde Erwin umbringen. Ryan sprang vor, vorbei an dem sehr verwirrten Golbat, das mit weit aufgerissenem Maul das Geschehen beobachtete und nicht sicher schien, ob es nun das Pokémon oder die beiden Menschen angreifen sollte, packte sie am Oberarm und riss sie mit sich. „Verschaff uns etwas Zeit!“, rief Ryan Shuppet zu. Für etwa eine Minute rannten sie blindlinks die nächstbesten Gänge entlang und machten kehrt, wenn sie Aquas entdeckten, die aufgeregt miteinander tuschelten oder über Headsets mit jemandem kommunizierten. Ryan wusste, dass sie nur mit Shuppets Hilfe den Ausgang finden würden, aber seine Gedanken waren ohnehin so panisch, dass er keine Zweifel daran hatte, von dem kleinen Geist gefunden zu werden. Er spürte zuerst die Kälte in seinem Nacken, dann machte Corinna ein angewidertes Geräusch und im nächsten Moment tauchte Shuppet direkt neben ihr auf, Zunge noch immer nach ihren tränennassen Wangen ausgestreckt. „Wo lang?“, presste Ryan atemlos hervor. Shuppet schwenkte um eine Ecke und wenige Abzweigungen später fanden sie sich in Gängen wieder, die Ryan bekannt vorkamen. Sie mussten es irgendwie geschafft haben, doch in die richtige Richtung zu fliehen. Vor ihnen lag nun der lange Tunnel zum Höhlenausgang, der mit Flaggen behangen war und Ryan beim ersten Anblick so beeindruckt hatte. Nun konnte er sich nur auf die Tür am anderen Ende konzentrieren. Es war die schönste Tür seines Lebens. „Da sind sie!“ Corinna und Ryan drehten gleichzeitig den Kopf. Hinter ihnen kam eine Traube aus Aqua-Mitgliedern angerannt, angeführt von Adrian und Maike. Adrians Gesicht war wutverzerrt, Maikes ungläubig. „Ich sage das nicht gerne“, murmelte Corinna, „aber es war ganz okay, dich gekannt zu haben.“ „Es war furchtbar, dich gekannt zu haben“, entgegnete Ryan. „Habe ich das nicht gesagt?“ „Nicht wirklich.“ „Aber gemeint.“ Sie wichen langsam vor der Gruppe zurück. „Stellen wir uns?“, fragte Ryan. „Vergiss es.“ Corinnas Augen fanden in den hinteren Reihen Erwin und ihr Blick verdüsterte sich. „Ich sterbe lieber, als mich denen nochmal auszuliefern.“ „Dem kann ich nicht unbedingt zustimmen …“, begann Ryan, aber als Corinna lossprintete und auf den Ausgang zuhielt, schluckte er den Rest hinunter und folgte ihr. Hinter ihnen ertönten Rufe, polternde Schritte wurden laut, rotes Licht erfüllte den Höhlenabschnitt und dann erschallte Maikes Stimme, die das Chaos mühelos mit der Autorität des Champions von Hoenn durchbrach. „Ich fange sie ein! Sie haben keine Fluchtmöglichkeit, sobald sie auf dem Meer sind.“ Da hatte sie leider Recht. Kaum dass Corinna und Ryan die schwere Metalltür von innen aufgestoßen hatten, standen sie auf der Plattform und sahen sich dem Meer gegenüber. Es war nicht unmöglich, die Strecke bis nach Seegrasulb City zu schwimmen. Nur unmöglich für jemanden wie Ryan. Sie sahen sich kurz an. „Bis zum bitteren Ende?“, fragte Corinna. Ryan nickte ergeben. Sie holten tief Luft und sprangen gleichzeitig ins eisige Meer. Sie schwammen um ihr Leben. Als die Tür zum HQ sich ein weiteres Mal öffnete und Maike hindurchtrat, hatten sie bereits die Meereshöhle hinter sich gelassen und kämpften sich nun durch die träge dahinschwappenden Wellen. „Da lang“, keuchte Ryan zwischen zwei Schlucken Salzwasser. „Die Drone … noch kaputt.“ Es war ein sinnloses Detail. Man würde sie nicht durch die Dronen überwachen können, während sie davonschwammen, aber Maike flog bereits auf Schwalboss hinter ihnen her. Sie hatten nur noch wenige Sekunden, bevor sie eingeholt wurden. Wie auf Kommando tauchten sie unter. Ryan hielt die Luft an, so lange er konnte, strampelte mit den Beinen und schwamm so schnell es seine erschöpften Gliedmaßen hergaben, während Corinna leicht an ihm vorbeizog. Doch es reichte nicht. Nach kaum dreißig Sekunden brannte seine Lunge wie Lava und Ryan kämpfte sich seinen Weg an die Oberfläche, wo er spuckend und prustend Luft holte. Einen Moment später tauchte Corinna zwei Meter vor ihm aus den Tiefen auf. Und über ihnen kreiste, mit undurchschaubarer Miene, Maike. „Wollt ihr nochmal tauchen gehen oder kann ich euch jetzt einsammeln?“, fragte sie. Ryan schwieg. Verloren mochte er haben, doch das würde er ihr nicht zugestehen. Niemals. Trotzdem ließ er sich von ihr auf das Vogelpokémon ziehen, ein Unterfangen, dass ihr keinerlei Mühe zu machen schien, obwohl Ryan sicherlich 40 Kilogramm wog. Corinna weigerte sich zunächst, nahm jedoch letztlich auch Maikes Hand und keine Minute später saßen sie alle im Dunkeln auf dem Schwalboss. Maike gab ihrem Pokémon ein geflüstertes Signal, dann schossen sie durch die Lüfte. „Was geschieht jetzt mit uns?“, fragte Ryan. Der Wind toste um seine Ohren und er musste laut sprechen, um gehört zu werden. „Irgendwelche zusätzlichen Delikte, die uns angehängt werden? Flucht vor der Autorität zum Beispiel?“ „Das bezweifle ich“, sagte Maike, die nun gut gelaunt vor sich hinpfiff. Es war in diesem Moment, da Ryan bemerkte, dass sie in die falsche Richtung flogen. Die Basis von Team Aqua wurde hinter ihnen immer kleiner. „Was geht hier vor?“, fragte er. Corinna hob ebenfalls den Blick und sah sich erschrocken zu Maike um, als am Horizont die ersten Lichter von Seegrasulb City erstrahlten. „Sagen wir es so“, sagte Maike. „Wenn ich morgen zum Hauptquartier zurückkehre, werde ich Adrian mitteilen müssen, dass ihr entweder ertrunken seid, oder andernfalls einen Fluchtplan zurechtgelegt hattet, den selbst ich nicht ausfindig machen konnte. Ihr seid weder in Seegrasulb City, noch in Moosbach City aufzufinden und wie vom Erdboden verschwunden.“ Sie zwinkerte Ryan zu. „Ich konnte euch natürlich nicht unter Adrians Nase befreien, das hätte man selbst mir nicht durchgehen lassen, aber da ihr beiden euch so gekonnt selbst geholfen habt, sehe ich kein Problem damit, euch auf den letzten Metern ein wenig unter die Arme zu greifen.“ Ryan starrte sie fassungslos an. Corinna fand als erste ihre Worte wieder. „Aber … warum? Wir sind Kriminelle!“ „Ihr seid Kinder“, entgegnete Maike. „Adrian mag da keine Unterschiede sehen, aber du bist der Organisation nicht beigetreten, um Hoenn in den Untergang zu stürzen, sondern weil du dich nach einer Familie gesehnt hast und Ryan hat dich beschützt, weil Aquas Mitglieder dich misshandelt und ihm seinen Besitz gestohlen haben. Meiner Meinung nach habt ihr euch keine Schuld zukommen lassen, die es verdient, von der Polizei geahndet zu werden.“ Sie sah zu Corinna hinüber und schlug sich plötzlich gegen die Stirn. „Fast hätte ich es vergessen!“ Sie kramte drei Pokébälle aus ihrer Jackentasche und reichte einen davon Ryan und die anderen beiden Corinna. „Die gehören euch, glaube ich.“ Corinna starrte die Bälle in ihren Händen an. „Sind das …“ „Ich würde dir raten, sie nicht hier zu öffnen, sonst wird es doch etwas eng, aber es sind deine beiden Pokémon. Foxy habe ich Ryan persönlich abgenommen, als er gefangen wurde, und dein Magnayen habe ich aus dem Beweislager gerettet.“ Ihr Blick verdunkelte sich. „Adrian hätte es dort wohl verrotten lassen, wenn ich nicht ein Machtwort gesprochen hätte. Ich muss etwas wegen seiner Einstellung tun, sonst tanzt er mir weiterhin auf der Nase herum.“ Corinna schien gar nicht zuzuhören. Sie starrte nur weiter auf die beiden Pokébälle. Ihre Augen leuchteten mit so viel Dankbarkeit, dass Ryan wegsehen musste, um nicht geblendet zu werden. Er selbst wusste nicht, wie er sich fühlte. Shuppet schwebte direkt an seiner Schulter und hielt sich gegen den Wind an ihm fest, bevor er ihm den Gefallen tat und es in seinen Pokéball zurückrief. Erleichterung war da, sicher. Aber er fühlte sich auch irgendwie … beschwert. Er stand nun in Maikes Schuld und er war dieses Gefühl nicht gewohnt. Wie sollte er damit umgehen? „Wenn wir nicht nach Seegrasulb City können, wohin fliegen wir dann?“, fragte er stattdessen. Maike zuckte die Schultern. „Ihr habt die Wahl. Solange es nicht in einer anderen Region ist, fliege ich euch gerne zu jeder beliebigen Stadt. Gibt es einen Ort, an dem ihr unterkommen könntet, ohne von Aqua gefunden zu werden, solange sie noch nach euch suchen?“ Corinna schüttelte den Kopf. „Ich bin seit Monaten in Wäldern unterwegs, ich habe keine Ahnung, wo ich jetzt hin soll.“ Kurz dachte Ryan an sein Elternhaus in Baumhausen City, aber er verwarf den Gedanken sofort wieder. Adrian hatte Zugang zu seinem USB gehabt, sie kannten seinen vollen Namen und von da war es sicher nicht schwer, seine Familie ausfindig zu machen. Blieb nur noch eine Möglichkeit. „Ich hätte da eine Idee …“     Etwa fünf endlose Stunden später setzte Maike einen steifbeinigen Ryan und eine noch immer glückselige Corinna in Laubwechselfeld ab. Sie wechselten einige kurze Worte des Danks, bevor die Ligameisterin sich ächzend wieder auf Schwalboss´ Rücken schwang und wesentlich schneller als zuvor den Rückflug antrat. Ryan sah sich um. Die Asche hing als feiner Nebel in der Luft und jeder seiner Schritte Richtung Stadtinneres wirbelte Staub von dem trockenen Erdboden auf. Corinna konnte die Augen nicht weit genug aufreißen. Sie war noch nie hier gewesen und Ryan fühlte sich merkwürdig stolz darüber, dass sie seine Heimatstadt so spannend fand. Die Sonne ging gerade auf und ihr Licht warf die ersten warmen Strahlen des Tages auf das ungleiche Trainerpaar. Grinsend steuerte Ryan auf ein orange-gelb gedecktes Häuschen einige Straßen vom Pokécenter entfernt zu. Mit selbstbewussten Schritten trat er an die Haustür und klingelte. Corinna folgte ihm, sichtlich verunsichert. Einige Sekunden der Stille vergingen, in denen Ryan leichte Panik überkam. Doch dann öffnete sich die Tür weit und vor ihm stand, mit pinken Zöpfen und für die Schicht im Pokécenter in pinker Uniform gekleidet, Hanna, seine Schwester Joy. Ihre Überraschung, als sie ihn erkannte, war das ultimative Glücksgefühl. „Ryan?“, fragte sie fassungslos. „Was machst du denn hier?“ „Nicht so wichtig. Sind sie inzwischen verheiratet?“, fragte Ryan ohne mit der Wimper zu zucken. Sie stutzte. „Nein, das bin ich nicht.“ Grinsend schob Ryan sich an ihr vorbei ins Haus und zog Corinna mit sich. „Ausgezeichnet“, sagte er und warf sich auf die Couch. „Dann ziehen wir ein.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)