Die Seele der Zeit von Sechmet (Yu-Gi-Oh! Part 6) ================================================================================ Kapitel 34: Regen ----------------- Ein Krachen, das die Welt erzittern ließ. Augenblicklich schreckte Atemu hoch. Keinen Wimpernschlag später durchzuckte seinen Körper ein Schmerz unbekannten Ursprungs. Instinktiv fasste er sich an die Brust, keuchte auf, als die Pein nicht nachließ. Es fühlte sich an, als würde etwas versuchen, ihm bei lebendigem Leibe das Herz heraus zu reißen – und es dabei in tausend Teile zerfetzen. Seine Umgebung verschwamm, wurde von einem Schleier verhüllt. So nahm er kaum war, wie seine Freunde, die ebenfalls aufgewacht waren, erschrocken und besorgt an seine Seite eilten. Ihre Worten klangen, als kämen sie von weiter entfernt. Er verstand sie nicht. Ein schriller Pfeifton erfüllte seine Ohren. Atemu war kaum fähig, zu atmen. Er war verwirrt – und dennoch in der Lage, einen einzigen Gedanken klar und deutlich zu fixieren: Es war etwas passiert. Etwas Schreckliches. Nur langsam ließ der Schmerz nach. Nach und nach, schleichend verließ er den Körper des Pharao. Das Geräusch, das seine Ohren betäubt hatte, verschwand allmählich – und ließ neue Laute zu. Aufgeregtes Getuschel, immer wieder Schreie von draußen. Kaum, da seine Muskeln nicht mehr vor Pein gelähmt waren, stürzte er hinaus – und was er sah, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Auch, wenn er noch nicht wusste, was genau dieses Zeichen zu bedeuten hatte. Denn es konnte nichts Gutes sein. Schwere Tropfen fielen von einem Firmament herab, das mit schwarzen Wolken verhangen war. Klatschend schlugen sie auf die Erde, bildeten bald Pfützen. Es regnete. Es regnete in einem Land, in dem das Wort für 'Regen' eines der am seltensten gebrauchten überhaupt war. Zu einer Jahreszeit, die dieses Phänomen für gewöhnlich nicht kannte. Irgendetwas war falsch. Furchtbar falsch. Er spürte, wie ihm jemand die Hand auf die Schulter legte. Langsam wandte er den Kopf und sah in Riells besorgte Augen. Dieser erkundigte sich nach dem Befinden des Pharao, doch der ignorierte sein Gegenüber. Sein Sehen richtete sich erneut gen Himmel. Wasser rann über sein Gesicht. „Was ist passiert? Was, bei Ra, geht hier vor?“, fragte er schließlich. Die Miene des Schattentänzers war erfüllt von Trauer, als er antwortete. „Er hat es getan“, setze er an und brach wieder ab. „Er hat es wirklich getan. Er hat einen Gott getötet.“ Gelächter hallte von den Wänden des Tempels wider. Es klang triumphierend – und zugleich eiskalt. Es vermischte sich mit dem Wind, der aufgekommen war und nun durch die Hallen des Heiligtums wehte. Immer wieder grollte der Donner. Es war tatsächlich gelungen. Die Beschwörung war erfolgreich gewesen. Sie hatten das Mädchen namens Kisara zurück in die Welt der Lebenden geholt. Bewusstlos, lediglich in ein dünnes, weißes Gewand gehüllt, lag sie auf dem kalten Steinboden. Das lange, helle Haar fiel ihr ins Gesicht. Ihr Brustkorb hob und senkte sich gleichmäßig, als sie die ersten Atemzüge in ihrem neuen Leben tat. Ihre Züge wirkten sanft und entspannt. Noch hatte sie von dem Schicksal, das ihr zu Teil werden sollte, nichts mitbekommen. Als Caesian sie näher betrachtete, musste selbst er zugeben, dass sie schön war. Das war jedoch alles, denn es interessierte ihn nicht wirklich. Sie hätte das hässlichste Stück Dreck sein können, das Ägypten je hervor gebracht hatte – solange sie ihm nur dienlich war. Denn sobald er sie nicht mehr gebrauchen konnte, würde er sich ihrer sowie so entledigen. Er hatte schon früh gelernt, unnötigen Ballast sofort von sich zu stoßen – Menschen mit eingeschlossen. „Es hat also wahrhaftig funktioniert“, schmunzelte er, während er neben dem besinnungslosen Mädchen nieder kniete und sie näher betrachtete. „Sehr gut. Du wirst mir eine nützliche Waffe sein, mein Kleines.“ Das Schmunzeln wandelte sich in ein perfides Grinsen. Hoffentlich behielt diese Made von einem ehemaligen Diener recht! Denn wenn sich herausstellen sollte, dass dieses Weib und der ganze Wirbel, um sie herbei zu rufen, nutzlos waren, so würde der Knilch dafür büßen. Lange und überaus schmerzhaft ... Bis sich die Wahrheit seiner Worte – oder das Gegenteil – herausstellte, musste er diesem Zwerg jedoch wohl oder übel trauen. Die Zeit würde zeigen, ob Kisara ein wertvoller Trumpf oder doch nur ein nutzloses Stück Mensch war. „Schafft das Weib in eine Zelle! Gebt ihr genug Wasser und Brot, damit sie am Leben bleibt. Mehr aber auch nicht“, wies er schließlich zwei seiner Soldaten an. Die beiden halbtoten Geschöpfe gehorchten auf der Stelle und trugen die bewusstlose, junge Frau aus dem Tempel hinaus. „Maj ... Majestät ...“ Die von Furcht erfüllte Stimme seines höchsten Magiers riss Caesian aus den triumphierenden Gedanken. Als er sich nach ihm umwandte, blickte er in das blasse Antlitz seines Untergebenen. „Was ist?“, herrschte er ihn an. „Seht doch nur ... dort draußen!“ Der Herrscher ließ die Augen in Richtung Tempelzugang schweifen. Doch seine Reaktion war wohl nicht die, die Eikahn erwartet hatte. Denn er begann erneut zu grinsen. Schnellen Schrittes verließ er das Heiligtum und fand sich schließlich im strömenden Regen wieder. Sein Blick war hinauf zum Firmament gerichtet. Lachend öffnete er den Mund und fing einige Tropfen auf. „Mit etwas Fantasie schmeckt es wie Blut, Eikahn!“, rief er schließlich. „Wie das Blut eines Gottes!“ Sie traten durch das große Eingangstor des Stadtparks von Domino City. Schnellen Schrittes führte der Braunhaarige seinen Begleiter zu der Stelle, die der Stammplatz der Clique war. Überall tummelten sich Menschen. Kinder, die spielten. Leute, die Sport trieben. Herrchen, die mit ihrem Hund spazieren gingen. Tristan fühlte sich unwohl. Für all diese Frauen und Männer, Mädchen und Jungen ging das Leben weiter, als sei nichts passiert – während seine Welt stehen geblieben war. Es wirkte falsch, dass sie alle so fröhlich waren und ihrem ganz gewöhnlichen Alltag nachgingen, obwohl eine Gruppe Jugendlicher vermisst wurde. Er versuchte, den Gedanken beiseite zu wischen. Es war doch immer so gewesen. Während seine Klassenkameraden sich lediglich fragten, was sie sich zum Mittagessen machen oder morgen in die Disco anziehen sollten, waren er und die Clique oft grübelnd beisammen gesessen und hatten sich den Kopf darüber zerbrochen, welchen Schritt der Gegner wohl als nächstes machen würde. Schließlich erreichten sie den Platz, den er und die Anderen sonst immer aufsuchten. Es war ein schönes Fleckchen Erde. Weiches Gras wuchs unterhalb eines großen, Schatten spendenden Baumes. Man hatte freien Blick auf den See des Parks. „Und du glaubst also, dass sie am Tag ihres Verschwindens hier gewesen sind, ja?“, riss Duke ihn schließlich aus den Gedanken. „Mit absoluter Sicherheit. Wir sitzen immer hier. Sollte jemand schon vor uns da sein, geht Joey ihm für gewöhnlich so lange auf den Geist, bis er das Weite sucht. In dieser Hinsicht zeigt er eindeutig Revierverhalten.“ „Lass das bloß nicht Seto Kaiba hören. Das würde perfekt in sein Bild vom Straßenköter passen“, entgegnete der Schwarzhaarige mit einem Lächeln, ehe er wieder ernst wurde. „Wie dem auch sei. Sehen wir uns mal um.“ Gesagt, getan. Die beiden jungen Männer machten sich auf die Suche nach allen, was eventuell einen Hinweis aus den Verbleib ihrer Freunde geben konnte. Jeder Quadratmeter wurde in weitem Umkreis genaustens unter die Lupe genommen. Selbst die Abfalleimer wurden inspiziert. Immer wieder robbten sie auch über Boden – und ernteten schon nach kurzer Zeit verwunderte Blicke von verdutzten Passanten. Doch ihre Bemühungen schienen erfolglos zu bleiben. Denn außer Kaugummipapieren und anderem, kaum nennenswerten Unrat fanden sie nichts. „Und du bist dir wirklich sicher, dass sie hier gewesen sind? Vielleicht haben sie ihre Pläne ja auch geändert und sind wo anders hin gegangen“, schlug Duke nach einer Weile vor. „Dann hätten sie mir Bescheid gegeben – für den Fall, dass ich noch nachkommen will. Außerdem fällt die einzige andere Möglichkeit flach: Die Polizei hat sich bereits in unserer Stammeisdiele erkundigt, aber dort waren sie an dem Tag nicht“, entgegnete Tristan aus einem Gebüsch heraus. „Vielleicht hat sich das Personal aber auch geirrt. Im Moment haben sie bestimmt viele Kunden, da erinnert man sich nicht an jeden Einzelnen“, erwiderte Duke. „Oh, glaube mir: Wären sie dort gewesen, das Personal wüsste definitiv Bescheid. Die kennen uns. So viel wie Joey verschlingt sonst kein Kunde auf der ganzen Welt“, seufzte der Braunhaarige. Dann stutzte er plötzlich. „Hey, Duke! Komm mal schnell her, ich glaube, ich habe da etwas gefunden!“ Der Angesprochene machte sich sofort daran, ebenfalls in das Gebüsch hinein zu kriechen. Die nun noch argwöhnischeren Blicke einiger Passanten ignorierte er dabei gekonnt. Schließlich erreichte er Tristan und folgte dessen Blick. Er war gen Boden gerichtet. Denn dort, auf der kahlen Erde, lag ein goldener Gegenstand. Beide erkannten das Symbol sofort. Es war ein Ankh. Jenes Zeichen, das das Nildelta, den Fluss selbst, sowie die Wüste Ägyptens repräsentierte – wenn mein manchen Theorien glauben konnte. „Warum habe ich nur das ungute Gefühl, dass das kein Zufall ist?“, äußerte Duke nach einer Weile des Schweigens. „Nein. Das hier ist alles, aber ganz bestimmt kein Zufall“, stimmte Tristan zu und kniete sich vor dem goldenen Gebilde nieder. „Nach all dem, was wir an der Seite des Pharao erlebt haben, sollen wir hier rein zufällig ein Ankh finden? Ein Zeichen Ägyptens? Oh nein. Wenn das Eine nichts mit dem Anderen zu tun hätte, dann müsste das schon ein sehr, sehr, sehr großer Zufall sein.“ „Allerdings ... Und was machen wir jetzt?“ „Hm ... keine Ahnung. Heb' es doch mal auf“, schlug Tristan vor. „Bist du verrückt? Wenn du es unbedingt aufheben willst, dann mach' es selber“, kam prompt die Antwort. „Okay, okay, weißt du was? Wenn wir hier nur herum stehen und das Ding anstarren, finden wir nie heraus, ob es etwas mit dem Verschwinden der Anderen zu tun hat. Wir fassen es einfach gleichzeitig an, in Ordnung?“, lenkte Tristan ein. „Meinetwegen.“ „Gut. Dann auf drei. Eins ... zwei ... drei!“ Ihre Hände schossen nach vorne und umklammerten das schimmernde Gold. Für einen Augenblick schien nichts zu passieren. Doch dann leuchtete das Ankh plötzlich grell auf. Zugleich ging eine unheimliche Wärme davon aus. Es wurde regelrecht heiß, doch keiner von beiden war in der Lage, seine Finger zurück zu ziehen. „Was passiert hier?“, rief Duke erschrocken aus. „Keine Ahnung! Aber jetzt wissen wir, dass das kein normaler Klumpen Gold ist!“, entgegnete Tristan noch, dann wurde ihnen schwarz vor Augen. Es war noch mitten in der Nacht, als sich der Regen wieder legte. Er war ebenso überraschend verschwunden, wie er begonnen hatte. Zurück blieben ein Dunstschleier, der als dichtes Band über der Wüste hing, und dunkle, trist anmutende Wolken. Zugleich legte sich eine kaum gekannte Dunkelheit über das Land, da das Licht von Sternen und Mond fehlte. Derweil herrschte in der Himmelspforte Aufbruchstimmung. Nachdem Risha für einige Zeit fassungslos in den Himmel gestarrt und keinen Ton von sich gegeben hatte, hatte Bakuras Vorschlag, sich umgehend auf den Weg zum aufgegebenen Lager der Schattentänzer zu machen, sie aus ihrer Starre gerissen. Nun sattelten sie eilig die Pferde und packten rasch das Nötigste zusammen. „Und ihr seid sicher, dass ihr nicht den Tagesanbruch abwarten wollt?“, erkundigte sich Riell noch einmal. „Bei allem Respekt, Bakura, aber ohne das Licht der Sterne seid ihr nicht nur orientierungslos, sondern auch blind!“ „Und was soll das Warten deiner Meinung nach bringen? Wer weiß, was sich dieser Kerl ausgedacht hat, bis der Tag herauf zieht. Vielleicht hat er bis dahin schon die nächste Gottheit zum Teufel gejagt! Diabound hat die Gabe, auch in der tiefsten Finsternis sehen zu können – folglich brechen wir jetzt, gleich und auf der Stelle auf“, entgegnete der Grabräuber bestimmt. „Das mag ja sein, aber wie wollt ihr den Weg finden? Durch die Wolken könnt ihr euch nicht an den Sternenkonstellationen orientieren!“, wandte Riell erneut ein. „Das überlassen wir unseren Ka-Bestien. Cheron kennt die grobe Richtung und solange er diese angeben kann, erledigt Diabound den Rest“, erwiderte Bakura. „Wir haben keine andere Wahl, Riell“, mischte sich Risha sogleich ein, als sie hinzu trat. „Wir können nicht mehr länger warten. Wir haben so oder so schon zu viel Zeit verschwendet. Außerdem hat das Wetter auch einen Vorteil: Unsere Pferde werden länger ohne Pause durchhalten können, da sie nicht der üblichen Hitze ausgesetzt sein werden, sobald die Sonne aufsteigt.“ Bei diesen Worten zog sie den Umhang enger um die Schultern. Mit dem Regen und dem starken Wind war eine für Ägypten ungewöhnliche Kälte aufgekommen, die sie frösteln ließ. „Also was ist jetzt? Sind wir bereit oder sind wir bereit?“, ertönte plötzlich Joeys Stimme. Der Blonde saß ebenso wie Ryou bereits auf einem Pferd. Ein lang gezogenes Seufzen entfuhr Bakura. „Ganz ehrlich, Riell? Wenn du dir um irgendjemanden Sorgen machen willst, dann um diese Beiden“, grummelte er vor sich hin, ehe er sich abwandte und ebenfalls zu seinem Reittier hinüber ging. „Er hat Recht. Aber auch mit diesen Zweien an der Backe werden wir zurecht kommen. Du wirst sehen, wir sind bald wieder zurück – mit den Schriftrollen“, fügte Risha hinzu und wollte sich ebenfalls abwenden. Doch Riell hielt sie noch einmal zurück – und zog sie in eine Umarmung. „Pass bitte gut auf dich auf. Das, was da geschehen ist, gefällt mir ganz und gar nicht. Wann immer sich Schwierigkeiten ergeben, kehrt auf der Stelle um.“ Der Ton in seiner Stimme verriet, dass dies nicht einfach irgendwelche daher gesagten Worte waren. Die Angst war ihm deutlich anzuhören. Er hatte in diesem Krieg schon den Vater verloren – wenn ihm die Götter auch noch den Menschen nahmen, der wie eine Schwester für ihn war ... sein Leben wäre vorbei. „Wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich kein kleines Kind mehr bin?“, entgegnete Risha, während sie sich von ihm löste. „Ich bin erwachsen, Riell. Und ich kann auf mich aufpassen. Außerdem bin ich nicht alleine. Cheron ist immer an meiner Seite – und du kennst seine Kräfte. Tu' mir also bitte den Gefallen und zerbrich dir nicht immer so sehr den Kopf über Andere.“ Als ihr bewusst wurde, dass diese Worte wieder einmal härter geklungen hatten, als sie beabsichtigt hatte, schob sie rasch ein selbstsicheres Lächeln hinterher. „Wir sind bald wieder zurück“, versicherte sie noch einmal, dann wandte sie sich um und verschwand ebenfalls zu ihrem Pferd. Kurz darauf stürmten vier Reittiere durch einen der Tunnel hinaus und verließen die Himmelspforte. Ihr Weg führte sie hinaus in die schwärzeste Nacht, die Ägypten jemals erlebt hatte ... Atemu hatte sich schließlich wieder hingelegt. Was sonst hätte er auch tun sollen? Es war stockfinster draußen. In die Nähe Men-nefers zu reiten, um heraus zu finden, was genau geschehen war, hatten Riell, Seto und er eindeutig für ein Himmelfahrtskommando befunden. Sie würden den Tag abwarten müssen, um weitere Schritte unternehmen zu können. Er lag dennoch lange wach, gequält von Fragen, auf die es noch keine Antwort gab. Was hatte Caesian nur getan, dass ein Gott gestorben war? Wie hatte es ein Mensch schaffen können, ein mächtiges, göttliches Wesen in den Tod zu schicken? Welche weiteren Konsequenzen würde all das haben? Offenbar war dieser Schlag noch nicht schmerzvoll genug gewesen, um die Welt völlig aus ihren Bahnen zu werfen. Doch ein Gefühl sagte Atemu, dass sie dem Untergang ein gewaltiges Stück näher gekommen waren. Vielleicht würde der Tod eines Gottes Folgen haben, die sich nicht mehr beseitigen ließen – selbst, wenn sie Caesian besiegten. Aber auch, wenn jeglicher Schaden ausblieb oder mit der Zeit verblassen würde: Das, was passiert war, war eine Tragödie. Atemu war der Auserwählte der Götter. Ihr Stellvertreter auf Erden. Alleine deshalb hatte er den Schmerz des sterbenden Gottes gespürt. Er hatte seine Qualen geteilt. Und er schwor sich, Rache zu nehmen. Bittere, blutige Rache. Für gewöhnlich war das nicht die Art des Pharao. Doch Caesian verlangte ihm alles ab – selbst seinen letzten Funken Gnade für den Feind. Langsam glitt er hinüber in die Traumwelt, mit dem Ziel, den quälenden Gedanken zumindest für eine kurze Weile zu entfliehen. Er fand sich in der Wüste wieder. Um ihn herum befand sich nichts als Sand. Kein Dorf, keine Stadt, kein Baum und kein Fels weit und breit. Die Sonne stach vom Himmel, doch er spürte ihre Wärme nicht. Er fühlte gar nichts. Keinen Wind auf der Haut, keine Körner unter seinen Füßen. Es war totenstill, nicht einmal sein eigener Atem verursachte irgendein Geräusch. Umso mehr erschrak er, als plötzlich ein Laut hinter ihm ertönte – und fuhr augenblicklich herum, nur um in zwei große, gelbe Augen zu blicken. Vollkommen verdutzt musterte er das schwebende Wollknäuel, das helle, gurrende Laute von sich gab. „Ku ... Kuriboh?“, brachte Atemu schließlich hervor. Die kleine Kreatur nickte erfreut. „Priii!“ „Was machst du hier? Und wo sind wir?“, fragte der Pharao schließlich weiter und sah sich erneut um. Noch immer konnte er nichts entdecken. Nur Sand weit und breit. Erneut gab das pelzige Wesen seinen eigentümlichen Laut von sich. Dann bedeutete es Atemu, ihm zu folgen. Gemeinsamen liefen – oder schwebte – sie durch die Wüste. Der Pharao war nicht in der Lage, abzuschätzen, wie lange ihr Marsch dauerte. Doch irgendetwas sagte ihm, dass er Kuriboh vertrauen musste. Das Monster schien ihm etwas zeigen zu wollen. Aber was? In seine Gedanken versunken, lief er beinahe in den schwebenden Wattebausch hinein, als dieser plötzlich inne hielt. „Was ist denn?“, erkundigte er sich, bekam jedoch keine Rückmeldung. Kuriboh starrte lediglich angespannt in die Ferne. Atemu folgte seinem Blick – und runzelte die Stirn. In einiger Entfernung bewegte sich etwas über den Wüstensand. Eine pechschwarze Kugel, so groß wie ein ausgewachsener Mann. Sie schien kein bestimmtes Ziel zu haben. Offenbar berührte sie den Boden nicht, sondern bewegte sich mit schwebenden Bewegungen, die aussahen, als würde das runde Objekt in der Luft hüpfen, vorwärts. Kuriboh wandte sich schließlich zu ihm um und bedeutete ihm, weiter zu gehen. Etwas in den Augen des winzigen Monsters sagte ihm, dass sie dieser Kugel nicht zu nahe kommen durften. So folgte er dem Wesen weiter. Nicht nur die Zeit, die vorbei ging, auch die Strecke war nicht abzuschätzen. Alles sah hier eintönig und gleich aus. Selbst die Hügel im Wüstensand waren überall die selben. Nach einer Weile, die ihm sehr kurz und zugleich wie eine Ewigkeit vorkam, stoppte Kuriboh erneut. Es sah Atemu aus seinen runden Kulleraugen an und deutete mit einem seiner zierlichen, grünen Finger nach vorne. Der Pharao folgte der Geste und entdeckte ein Loch im Sand. Er maß das Wesen mit fragendem Blick, ehe er näher an die Öffnung heran trat. Darin sah er nichts als Schwärze, die alles zu verschlucken schien. „Was ist das hier?“, fragte er Kuriboh. Das zottelige Monster schwebte neben ihm und versuchte, sich auf seine übliche Art und Weise zu artikulieren: Mit Gesten. Zuerst huschte es über den Boden, als suche es etwas. Dann wirbelte es plötzlich herum und deutete auf das Loch. Atemu runzelte die Stirn. „Ich soll diese Öffnung suchen? Aber wir haben sie doch schon gefunden.“ Kuriboh schüttelte den Kopf, bettete ihn auf seine gefalteten Händchen und schloss die Augen. „Verstehe ... ich träume das hier nur. Und wenn ich wieder wach bin, soll ich diesen Ort finden, richtig?“ „Priii!“, gab sein Gegenüber erfreut von sich und nickte eifrig. „Aber warum?“, fragte Atemu und betrachtete das Loch erneut. „Was ist darin, dass ich diese Stelle aufsuchen muss? Kannst du mir das sagen?“ Doch das Wesen zuckte nur hin und her. Das sollte wohl 'nein' heißen. „Nun gut ... weißt du, ob dieser Ort irgendetwas mit Caesian und dem Krieg zu tun hat?“ Ein Schulterzucken von Seiten Kuribohs. Der Pharao legte die Stirn in Falten. Das hier war nur ein Traum. Das Wesen, das ihn hier her geleitet hatte, wusste nicht, warum er diesen Ort in der Wirklichkeit suchen sollte. Es vermittelte ihm aber, dass er es dennoch tun sollte, wenn nicht gar musste. War das hier eine Vision? Steckten die Götter dahinter? Lag hier vielleicht sogar ein weiteres Relikt verborgen? Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als sich plötzlich ein Schatten über ihn legte. Er wandte sich um – und sah die große, schwarze Kugel direkt vor sich. Das Objekt hielt auf ihn zu. Um ihr zu entgehen, war es bereits zu spät. Wie versteinert fixierte er das dunkle Gebilde, als ihn plötzlich etwas zur Seite stieß. Er landete im Wüstensand, war für einen Augenblick benommen. Dann fuhr er hoch und sah sie sich um. Kuriboh hatte ihn zur Seite gestoßen und war somit selbst zum Opfer der schwarzen Kugel geworden. Was nun mit dem kleinen, pelzigen Wesen geschah, raubte Atemu den Atem. Es wurde von der scheinbar flüssigen Masse verschluckt. Durch die durchscheinende Substanz hindurch konnte er sehen, wie sich Kuriboh scheinbar unter Schmerzen wandt und allmählich veränderte. Sein Fell wurde dunkler. Die Augen wurden glühend rot. Lange, messerscharfe Reißzähne wuchsen aus einem geifernden Maul. Aus den kleinen, gelben Krallen wurden lange, schwarze Klauen. Plötzlich zerbarst die Kugel und gab das veränderte Kuriboh in all seiner Grässlichkeit frei. Etwas schrie in Atemu. Er sollte rennen, auf der Stelle verschwinden. Doch er war nicht fähig, sich zu bewegen. Plötzlich schoss das dunkle Wesen auf ihn zu, Klauen und Zähne bereit, sich in sein Fleisch zu bohren ... Schreiend schreckte Atemu aus dem Schlaf. ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ Damit wären wir beim nächsten Kapitel angekommen - und da hast du auch dein Kuriboh, meine liebe 3sakuraharuno3. So, nun aber mal kurz zu etwas anderem: Welche/r Verrückte auch immer "Die Seele der Zeit" als YUAL vorgeschlagen hat, er oder sie sei hiermit herzlich gegrüßt! Ich war wirklich baff, als ich die Benachrichtigung gelesen habe und hab' mich riesig gefreut. Alleine schon der Vorschlag zeigt mir immerhin, dass es da draußen Leute gibt, die diese FF wirklich zu mögen scheinen. All das, ebenso die zahlreichen Kommentare usw., spornt mich immer wieder an, dieses Projekt abzuschließen. Und egal, was auch kommen mag, diese FF wird definitiv zu Ende gebracht werden! Jetzt bin ich aber erst mal gespannt, wie sich die FF im YUAL-Rennen schlagen wird. Einen herzlichen Dank auch an Ian für den Kommentar zum letzten Kapitel! Bis zum nächsten Mal! Sechmet Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)