Die Seele der Zeit von Sechmet (Yu-Gi-Oh! Part 6) ================================================================================ Kapitel 21: Gesichtet --------------------- Gesichtet Nachdem sie sich den Dreck der vergangenen Tage endlich hatte abwaschen können, fühlte sich Risha gleich wohler. Sie war gewiss nicht so verwöhnt wie diese ganzen reichen Weiber, die in den großen Städten lebten, aber auch sie war reinlich. Frisch gesäubert, verließ sie ihr Zelt und ließ sich wieder neben Riell nieder, der inzwischen mit einigen anderen dabei war, Waffen zu putzen und deren Klingen zu schärfen. Risha nutzte die Gelegenheit und befreite auch ihren letzten Dolch vom Schmutz – der hauptsächlich aus Blut bestand. Nach einer Weile erhob sich Sam, die ebenfalls in der Runde saß. „Ich bringe die sauberen Waffen schon einmal in Euer Zelt, Herr“, meinte sie an Riell gewandt, der dankbar nickte, ehe er sich wieder dem Schwert auf seinem Schoß widmete. Sofort wuselte die Kleine davon. Nur um im nächsten Moment ihre kostbare Fracht unter lautem Poltern zu Boden fallen zu lassen. Die beiden amtierenden Oberhäupter des Clans sahen nicht einmal auf, sondern seufzten nur schwer. „Wie oft denn noch, Sam?“, sagte Risha resignierend. „Wenn du mal ein bisschen langsamer machen würdest … “ Doch die Schattentänzerin wurde unterbrochen. Eine Verhaltensweise, die ganz und gar untypisch für Sam war. „Was will der denn hier?“, rief sie aus und die Überraschung in ihrer Stimme ließ Riell und seine Schwester doch noch die Köpfe heben. Sie folgten dem Blick der Rothaarigen. Schlagartig verfinsterte sich Rishas Miene zu einer abwertenden Grimasse. Sie sah beinahe so aus, als habe sie soeben in ein Stück verdorbenes Fleisch gebissen. Ihr Bruder hingegen kam rasch auf die Beine, ging zu der Kleinen hinüber und legte ihr eine Hand auf das Haupt. „Na ja, ich würde mal behaupten, das hier ist sein Palast, oder? Da kann er hingehen, wo er will.“ Denn es war niemand anderes als Atemu, der über den großen Vorhof direkt auf sie zu schritt. Er hob die Hand zu Gruß, als er Riell erreichte. „Guten Morgen, Euer Hoheit. Ich hoffe, Ihr hattet eine angenehme Nacht?“, erkundigte sich der Schattentänzer auch gleich, als sie sich schließlich gegenüberstanden. Seine Finger lagen noch immer auf dem roten Haar des jungen Clanmitgliedes, beinahe so, als glaube er, sie dadurch unter Kontrolle zu haben. „Wie man es nimmt, danke der Nachfrage“, erwiderte Atemu freundlich, ehe sein Blick zu Sam wanderte. „Und wer bist du?“ „Ich bin Samira“, sagte die Kleine. „Also für dich bin ich Samira. Leute, die ich mag, dürfen mich Sam nennen.“ „Zügelst du wohl dein Mundwerk?“, meinte Riell erschrocken und packte sie an der Schulter. „Nein, nein, ist schon gut“, wollte der Pharao ihn gerade beschwichtigen, da plapperte die Rothaarige auch schon munter weiter. „Sag mal, wie ist das eigentlich so, ein Bastard zu sein?“, sagte sie und machte dabei ein Gesicht, dass das eines Neugeborenen in Sachen Unschuld weit abhängte. Nun erschien so etwas wie Panik auf dem Gesicht des Älteren. „Wie bitte … ?“ „Was denn?“, erwiderte Sam beleidigt. „Risha sagt das auch immer. Und bei der macht Ihr keinen Aufstand.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und stapfte wütenden davon. Alle Versuche, sie davon abzuhalten, scheiterten kläglich. „Sam! Sam, komm auf der Stelle zurück! Du entschuldigst dich sofort!“ Schließlich wandte er sich resignierend an Atemu. „Es tut mir unendlich leid, Euer Hoheit. Bitte verzeiht diesen Vorfall. Ich werde ein ernstes Wörtchen mit ihr sprechen müssen … “ Doch der Pharao winkte ab. „Sie ist noch ein Kind. Sie wird gar nicht wissen, was dieser Begriff bedeutet.“ Riell seufzte. „Sie mag jung sein, doch sie ist älter, als die Zeit einem glauben machen will. Und das Schlimmste an ihrem ungezügelten Mundwerk ist, dass sie sich der Tragweite ihrer Aussagen zumeist mehr als bewusst ist. Ich hoffe sie wird irgendwann lernen, sich zu beherrschen. Doch sagt, was führt Euch zu so früher Stunde zu uns?“ „Ich komme wegen dem Reif der Isis. Joey und Tea haben mir berichtet, dass er sich noch im Besitz Eurer Schwester befindet. Ich wollte ihn lediglich kurz in Augenschein nehmen, nachdem die Umstände gestern ein wenig … widrig waren“, erklärte seine Majestät schließlich. „Ah, das trifft sich hervorragend. Ihr habt recht, ich hatte sie Euch gar nicht vorgestellt.“ Er wandte sich nach der Schattentänzerin um, die die ganze Zeit schon zu ihnen herüber sah. Und das mit sehr skeptischem Gesichtsausdruck. „Risha! Komm mal bitte! Es geht um das Relikt.“ Ihre fliedernen Augen fixierten ihn kurz, dann stand sie tatsächlich auf. Was sie dann jedoch tat, widersprach den Hoffnungen Riells. Sie nahm den Reif der Isis und warf ihn ihrem Bruder zu. Dann bückte sie sich erneut, schnappte sich den Dolch des Anubis und verschwand mit einem letzten, abwertenden Blick in ihrem Zelt. Und das, ohne auch nur ein Wort verloren zu haben. Völlig perplex starrte Riell auf die Stelle, wo sie soeben verschwunden war. Ihm war bereits dieses kleine Plappermaul namens Sam unangenehm gewesen, doch diese absolute Missgunst, die seine eigene Schwester dem Herrscher der zwei Länder zuteil werden ließ, ließ ihn beinahe verzweifeln. Nun erst recht beschämt, drehte er sich zu Atemu um, der nicht minder verblüfft drein sah. „Nun … “, begann Riell. „Sie ist manchmal etwas schwierig … “ „Macht Euch keine Gedanken“, beschwichtigte ihn der Pharao. „Eigentlich trifft sich das ganz gut. Diese Reaktionen waren ein weiteres Thema, über das ich mit Euch sprechen wollte. Vielleicht gibt es ja irgendeine Möglichkeit, das Vertrauen Eures Clans zu gewinnen.“ „Mich freut, dass Ihr so denkt. Doch ich befürchte, dass das in etwa so schwierig zu bewerkstelligen sein wird, wie ein Sieg über Caesian. Von den Opfern, die auf dem Weg dahin gebracht werden müssten, ganz abgesehen. Lasst uns ein anderes Mal darüber sprechen. Derzeit ist alles in Ordnung. Sie wissen, dass ich Euch vertraue und werden auch meinen Befehlen folgen. Das ist alles was zählt, den Rest kann man diskutieren, wenn die Gefahr gebannt ist“, entgegnete Riell. „Sie mögen auf Euch hören. Doch lauschen sie nicht auch den Worten Eurer Schwester?“, erkundigte sich Atemu. „Ja, Risha mag Euch gegenüber … abgeneigt sein, um es mild zu formulieren. Aber sie ist kein Narr. Sie weiß, dass wir auf derselben Seite kämpfen müssen, um Caesian in die Knie zu zwingen. Sorgt Euch nicht um sie. Nun kommt, ich begleite Euch wieder hinein. Hier draußen ist es ein wenig warm zum plaudern.“ Gemeinsam gingen sie zurück in Richtung des Palastes – nicht wissend, dass sie beobachtet wurden. Und zwar von einer feixenden Sam, die sich im Schutz der schattigen Säulengänge verkrochen hatte. Für wie doof hielt dieser König sie eigentlich? Als ob sie nicht wusste, was es mit dem Wort 'Bastard' auf sich hatte! Und wie gut sie darüber informiert war … Sie hatte es ja nicht ohne Grund gebraucht. Jetzt hatte sich dieser Atemu hoffentlich gleich hinter die Ohren geschrieben, dass sie auf Rishas Seite war! Und absolut niemand würde diese Einstellung ändern können. Seitdem die Blonde sie vor einigen Jahren beschützt hatte, nachdem sie von ihren Eltern ausgesetzt und bald darauf von Banditen angegriffen worden war, galt ihr Sams gesamte Loyalität. Sie würde ihr auf jeden Pfad folgen, ganz gleich, wohin er sie führte. Selbst, wenn er sie in den Tod geleiten würde … Schritte rissen sie aus ihren Gedanken. Als sie sich umsah, entdeckte sie am anderen Ende des Säulenganges einen jungen Mann mit weißem Haar und rotem Mantel. Er trug eine Narbe unter dem linken Auge – was auch das einzige war, das ihn, abgesehen von den kürzeren Haaren, von seinem Bruder unterschied. Es gab keinen Zweifel. Das musste also Bakura sein. Aufgeregt hüpfte die Rothaarige von einem Bein auf's andere. Er war also mit ihrer Herrin verwandt? Dann musste er bestimmt voll toll sein. Denn eigentlich war Rishas ganze Familie – abgesehen von Keiro natürlich! – total klasse, wie Sam fand. Kurzer Hand entschied sie, ihn zu begrüßen. Flinken Schrittes eilte sie ihm entgegen. „Hey, du da? Ja, genau du, dich meine ich!“, rief sie schon von Weitem, sodass der Grabräuber, der eigentlich gerade noch seinen wütenden Gedanken nach gehangen war, hoch schreckte. Verdutzt musterte er das kleine Energiebündel, das schlitternd vor ihm zum Stehen kam und ihn aus großen Augen ansah. „Boha, du hast ja sogar dieselben Augen wie die Herrin Risha!“, platzte es schließlich aus ihr heraus, was Bakura eine Augenbraue hochziehen ließ. „Ja... Wirklich der Wahnsinn, man könnte meinen, wir wären miteinander verwandt!“, entgegnete er mit Sarkasmus in der Stimme und wollte schon an der Rothaarigen vorbei gehen, da packte diese ihn am Arm. „Dann bist du also wirklich Bakura? Klasse! Ich wollte dich schon immer mal kennen lernen! Ich bin Samira, aber Freunde dürfen mich Sam nennen. Und da Risha sowas wie meine beste Freundin ist, darfst du das auch!“ Der König der Diebe schaffte es schließlich, ihr seine Hand zu entziehen – doch nur, um sie im nächsten Moment wieder im Klammergriff des Mädchens vorzufinden, das fröhlich weiter plapperte. „Guck mal, da wohnen wir zur Zeit! Aber das ist nur vorüber gehend, wenn Caesian weg ist, dann gehen wir wieder heim, da ist unser Lager noch viel, viel größer! Risha ist auch dort, ich bring dich zu ihr, komm!“ Sie zog und zerrte, doch Bakura, dem der Geduldsfaden allmählich riss, befreite sich von ihrem Griff und blieb wie angewurzelt stehen. „Danke für die Info, aber da hätte ich auch selber drauf kommen können! Ich brauche kein Kind, das mir den Weg zeigt, ich finde mich alleine zurecht.“ Er wollte endgültig an ihr vorbei stapfen, da veränderte sich Sams Miene schlagartig. Die kindliche Freude wich, an ihre Stelle trat ein Ausdruck von Wut. „Kind? Kind? Ich?“, brüllte sie, sodass der Grabräuber wie vom Blitz getroffen stehen blieb. „Ich bin kein Kind, kapiert? Ich bin ein Schattentänzer und einer der gefährlichsten noch dazu, du Großkotz!“ „Aber natürlich“, entgegnete Bakura gelassen. „Und Schweine können fliegen … “ „Die vielleicht nicht“, motzte Sam weiter und ballte die Hände zu Fäusten. „Aber du kannst gerne fliegen lernen, wenn du willst!“ Eine strenge Stimme unterbrach sie plötzlich in ihrem Redefluss. „Samira! Habe ich nicht gesagt, du solltest es unterlassen, andauernd irgendwelche Leute zu belästigen?“ Augenblicklich fuhr die Rothaarige herum und sah sich ihrer Herrin, wie sie es ausdrückte, gegenüber. Die Kleine schluckte, als sie merkte, dass die Strenge nicht nur in Rishas Stimme, sondern auch in ihrem Blick lag. Zudem zuckte eine Ader an ihrer Schläfe gefährlich. „Majestät, ich … wollte Euch nicht stören … “ „Ach, nein? Und ich dachte, das wäre deine Absicht gewesen, so, wie du herum geschrien hast. Man hat dich über den halben Hof gehört“, entgegnete die Blonde kühl. Als die Jüngere etwas entgegnen wollte, gebot sie ihr, zu schweigen. „Sag, wolltest du nicht noch einige Waffen in Riells Zelt bringen, die du vorhin hast fallen lassen?“ Für einen Moment wurde Sam blass, dann nickte sie schnell und verschwand eiligen Schrittes, sodass der Sand des Vorhofes hinter ihr aufwirbelte. Zurück blieben ein Grabräuber und eine Schattentänzerin, eingebettet in tiefes Schweifen. Ein jeder von ihnen mied den Blick des anderen. Risha war schließlich die Erste, der die Stille auf den Leim ging. „Ich muss mich entschuldigen, das Gör ist manchmal etwas vorlaut“, sagte sie, während sie Sam dabei zusah, wie sie die Schwerter und Dolche aufsammelte. „Also ob du dich dafür zu entschuldigen bräuchtest“, erwiderte Bakura. „Die Kleine ging mir auf den Nerv, nicht du.“ „Und dennoch liegt ihr Handeln in meiner Verantwortung. Sie ist ein Mitglied des Clans, der derzeit mir und Riell untersteht. Zudem ist sie noch ein Kind. Was auch immer sie tut, ich werde es ausbaden dürfen, bis sie alt genug ist. Nun … wenigstens hört sie manchmal, wenn ich ihr etwas sage“, seufzte Risha und fuhr sich durch die Haare. „Um ihr Ego brauchst du dir jedenfalls keine Sorgen zu machen. Das reicht von hier bis nach Timbuktu“, entgegnete der Grabräuber, der ebenfalls dabei zusah, wie Sam versuchte, möglichst viele Waffen auf ihren Armen zu platzieren. „Teilweise zurecht“, erwiderte Risha. Sie hatte zwar keinen blassen Schimmer, wo Timbuktu liegen sollte, aber da sie es nicht kannte, schloss sie, dass es weit entfernt sein musste. „Für ihr Alter birgt sie ein unglaublich starkes Ka. Aber gut, ich glaube nicht, dass Sam unser Thema sein sollte“, fuhr sie fort und sah ihr Gegenüber nun zum ersten Mal richtig an. Bakura konnte nicht leugnen, dass er sich in diesem Moment regelrecht durchbohrt fühlte. „Wahrscheinlich … “, meinte er darum nur und verschränkte die Arme vor der Brust. Eine Geste, die Risha bestätigte, was sie schon die ganze Zeit über vermutet hatte. Und die sie auch irgendwie beruhigte. „Keine Sorge. Weder werde ich dir jetzt um den Hals fallen, noch werde ich laut herum schreien, wie toll das ist, dich wieder zu haben. Das ist anscheinend nicht in deinem Interesse … und im übrigen auch nicht in meinem. Dafür bin ich mittlerweile zu abgestumpft.“ Der Grabräuber maß sie mit einem verwunderten Blick, was Risha nicht entging. „Was ist?“, meinte sie. „Wo ist das Problem, das Kind beim Namen zu nennen?“ Sie hatte ja recht. Eigentlich war es ganz simpel. Kul Elna hatte ihn nicht mehr an all die positiven Gefühle glauben lassen, die er als kleiner Junge noch besessen hatte. Er hatte sie fein säuberlich abgeschirmt und weg geschlossen, um sie nie wieder empfinden zu müssen. Denn alles, was sie am Ende hervor brachten, war doch nur wieder Leid, wenn man sie verlor. Auch, wenn sie sich am Anfang vielleicht gut anfühlen mochten. Zudem boten sie einem Feind stets eine Angriffsfläche. Dennoch war es ihm Keiro gegenüber einfach nicht gelungen, diesen Umstand in klare Worte zu fassen, zu bezeichnen. Was Risha hingegen leicht von der Hand zu gehen schien. Sie sagte, wie es war und nahm ihm damit eine Last von den Schultern. Zugleich verdutzte ihn ihre Reaktion. Ganz unrecht schien sein Bruder nämlich nicht gehabt zu haben. Die eiserne, fast kalte Miene, die noch immer auf dem Gesicht der Schattentänzerin saß, wie eine Maske, wollte nicht zu seinen Erinnerungen passen. War sie nicht ein recht fröhliches, kleines Mädchen gewesen? Aber gut, es war viel Zeit vergangen. Zu viel Zeit. „Im übrigen … “, fuhr Risha schließlich fort. „Werden wir wohl nicht drum herum kommen, ein weiteres Thema anzusprechen.“ Bakura nickte. Er konnte sich denken, was sie meinte. „Keiro“, sagte er. „So ist es“, bestätigte seine Cousine. „Dir dürfte nicht entgangen sein, dass er mir sehr abneigend gegenüber steht. Was das betrifft, frag ihn selbst, wo die Probleme liegen. Das Einzige, das ich mit ihm habe, ist das gestohlene Relikt. Und die Tatsache, dass er mich offenbar am liebsten umbringen würde. Ich glaube nicht, dass ich mir nach deiner Reaktion gestern Sorgen zu machen brauche, und dennoch würde ich dich bitten, dir dein eigenes Bild von mir zu machen und ihm nicht blind zu glauben. Einige seiner Ansichten, gerade die, die den Clan betreffen, sind schlichtweg falsch. Ebenso wie die Aussage, ich hätte ihn töten wollen, als er Bastets Amulett an sich nahm. Genau so wenig bin ich das Monster, das er in mir zu sehen glaubt. Aber das hängt wohl vom Blickwinkel des Betrachters ab.“ Den Grabräuber überraschten die Worte ein wenig. Zum ersten Mal, seit sie sich wieder über den Weg gelaufen waren, erahnte er so etwas wie Gefühle bei seinem Gegenüber. Er reagierte mit einem amüsierten Schnaufen. „Ich bin niemand, der irgendwem blind Glauben schenkt. Ganz gleich, ob verwandt oder nicht. Und nachdem er dieses Lügengebilde aufgezogen hat, erst recht nicht mehr. Ich kann es nicht leiden, wenn man mich wie ein Kind behandelt.“ „Verständlich“, entgegnete Risha. „Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass wir längst keine Kinder mehr sind.“ Bakura wollte gerade etwas erwidern, da zerrissen aufgeregte Rufe die Stille. Zunächst waren sie undeutlich, doch bald erkannte Risha, dass sie ihr galten. Als sie sich umsah, entdeckte sie schließlich Riell, der den Säulengang entlang hetzte. „Komm … Komm mit, schnell!“, japste er. „Wieso? Was ist passiert?“, erkundigte sie sich sofort. „Caesians Lager … Die Späher des Pharao haben unseren Vater gesehen!“ Er wurde durch die brennende Hitze gestoßen. Das Blut, das aus der Platzwunde an seinem Kopf gelaufen war und nun als harte, getrocknete Schicht sein Gesicht bedeckte, stank erbärmlich in der Wärme. Er konnte nicht leugnen, dass seine Knochen schmerzten, dass ihm wirklich alles wehtat. Dennoch zwang er sich zu einem möglichst aufrechten Gang in den Fesseln, die man ihm angelegt hatte. Er würde nicht klein bei geben, ganz gleich, was Caesian ihm noch an Schmerzen zufügen mochte. Es war schon schlimm genug, dass es ihm gelungen war, die Saat des Chnum an sich zu reißen. Resham hatte resignierend einsehen müssen, dass seine Kinder in dieser Angelegenheit weiser gewesen waren, als er. Er hätte Caesian niemals aufsuchen dürfen. Durch diese Tat hatte er ihm den gesamten Clan zum Fraß vorgeworfen. Wie viele wohl gestorben waren? Der Gedanke versetzte ihm einen Stich. Es war seine Schuld und er würde es nie wieder gut machen können. Vor einem Zelt hörten die Soldaten auf, ihn vor sich her zu schubsen. Einer von ihnen verschwand hinter den Planen, während der andere ihn an der Schulter festhielt. Er konnte hören, wie im Inneren Worte gewechselt wurden. Dann ein Befehl und man stieß Resham in das Zelt hinein. Er wurde zu Boden gedrückt, dann verließen die Krieger die provisorische Behausung. Sie waren allein. Er, der Führer der Schattentänzer und Caesian, der Mann, von dem er gefangen gehalten wurde. Der Herrscher des fernen Landes lächelte. Doch war es kein Ausdruck der Freude. Vielmehr zeugte seine Miene von Wut. „Meine Untergebenen sagen, du hast weder gegessen, noch getrunken, alter Mann. Sag, was ist es, das du begehrst? Den Tod? Diesen kannst du auch auf andere Weise erfahren.“ Resham musste schmunzeln. „Das werdet Ihr nicht tun. Ihr wisst, dass ich wertvoll für Euch bin, was die Relikte anbelangt.“ Caesian spannte sich an, dann war er mit wenigen Schritten bei dem Oberhaupt des Clans und packte ihn am Kragen. „Glaub ja nicht, dass du nicht zu ersetzen wärst. Immerhin hast du da noch zwei Kinder, die mir ebenfalls preisgeben können, was du weißt.“ „Dafür müsstet Ihr sie erst einmal finden. Was Euch offenbar noch nicht gelungen ist. Ansonsten hätte ich es gewiss mitbekommen“, entgegnete Resham ruhig. „Es mag sein, dass ich es noch nicht geschafft habe. Aber fern ist das Ziel nicht mehr, alter Narr. Meine Untergebenen brachten mir interessante Informationen, die Men-nefer betreffen. Anscheinend soll sich deine Brut in der Stadt eingenistet haben. Was heißt, dass mir klar ist, wo ich dein eigen Fleisch und Blut zu finden vermag. Denn dort, wo dein Clan ist, sind deine Nachkommen nicht fern. Zumindest einer davon, was mit deiner Tochter ist … Nun, ich denke, wir können davon ausgehen, dass sie tot ist. Niemand überlebt so lange in der Wüste.“ Caesian wusste genau, dass seine Männer dieses Biest noch vor Kurzem gesehen hatten und das am Nilufer. Unfähig, wie sie waren, hatten sie es natürlich nicht geschafft, das Miststück gefangen zu nehmen. Aber vielleicht ließ der Gedanke, eines seiner Kinder könne tot sein, die Mauern des alten Mannes ja in sich zusammen fallen. Der Feldherr erhob sich ruckartig und schritt im Zelt auf und ab. „Du hast also zwei Möglichkeiten. Entweder du verrätst mir, was du weißt, oder ich werde es deinem Sohn unter Qualen entlocken.“ „Ihr unterschätzt sie. Beiden leben und Ihr werdet ihnen Schmerzen zufügen können, wie es Euch beliebt. Und dennoch werden sie nichts verraten. Des Weiteren bedeutet der Umstand, dass sie sich wohl in Men-nefer aufhalten, dass sie nun gemeinsam mit dem Pharao gegen Euch ziehen werden. Ihr seht Euch einer Macht gegenüber, Caesian. Einer Macht, die vereint nicht so leicht zu besiegen sein wird, wie getrennt.“ Der feindliche König schoss herum und hockte sich drohend vor Resham. „Du glaubst gar nicht, wozu ich fähig bin! Selbst wenn du die Schnauze hältst und mir nichts über die anderen Relikte verrätst, so genügt schon das Zepter des Seth, um Men-nefer dem Erdboden gleich zu machen!“ „Wenn dem wirklich so ist“, entgegnete Resham ruhig, „weshalb habt Ihr es dann nicht längst getan?“ Caesians Augen sprühten vor Wut, während er die Zähne aufeinander biss. Dann begann er schief zu grinsen. „Du hast ein sehr vorlautes Mundwerk, alter Mann. Aber ich werde dich schon noch Schweigen lehren – zumindest was das betrifft. Wachen!“ Sofort erschienen zwei Soldaten im Zelt. „Euer Majestät?“ Der Feldherr erhob sich, ließ den eiskalten Blick jedoch weiterhin auf Resham ruhen. „Es wird Zeit, härtere Maßnahmen zu ergreifen.“ „Und Ihr denkt, es ist wirklich Euer Vater?“, erkundigte sich Atemu noch einmal. „Mit Sicherheit. Die Beschreibung ist zutreffend“, bestätigte Riell. „Dann werdet Ihr all meine Unterstützung bekommen, um ihn aus der Gefangenschaft Caesians zu befreien“, versprach Atemu gleich. Doch auf diese Aussage hin folgte ein Einwurf Setos. „Mein König, das ist unmöglich. Wir können nicht wegen eines einzigen Mannes dieses Lager stürmen und dem Feind unsere Truppen auf dem Silbertablett servieren.“ „Und selbst, wenn es nur ein verdammter Straßenköter wäre und mir stünde der Sinn danach, ihn zu befreien, dann würde es so geschehen, kapiert?“, ging Risha dazwischen. „Willst du dir etwa ernsthaft anmaßen, deine Entscheidung stünde höher als die seiner Majestät?“, fauchte Mana sofort. „Beruhigt euch!“, schaltete sich Atemu ein, „Das soll in Euren Ohren nicht herzlos klingen, Riell. Aber Seto, wir dürfen hierbei nicht vergessen, dass uns Reshams Befreiung auch strategische Vorteilen bringen würde. Er hat ein noch größeres Wissen um die Relikte, als seine Kinder.“ „Der Nutzen und das Risiko können einander aber nicht aufwiegen. Nach dem, was uns bekannt ist, weiß auch er nicht, wo die anderen Artefakte zu finden sind“, widersprach der Hohepriester, „Wenn wir die Tore öffnen und unsere Truppen aussenden, dann verlieren wir im schlimmsten Fall Men-nefer. Ihr wisst, was das bedeuten würde.“ „Auch wenn es mir schwer fällt, dies zu sagen. Aber er hat Recht. Außerdem ist dies eine Angelegenheit, die alleine den Clan betrifft“, gab auch Riell Zähne knirschend zu. „Ach ja? Ich dachte, es bestünde ein Abkommen“, warf Risha ein. „Richtig. Eines von dem ich eigentlich dachte, dass es nicht in deinem Sinn ist“, keifte Mana. „Mag sein. Aber selbst wenn, so kann ich immer noch die Vorteile ausnutzen und alles, was meinem Denken widerspricht, sein lassen“, erwiderte die Schattentänzerin schnippisch. „Aber gut, Ende der Diskussion. Wenn ihr zu feige seid, euch Caesian zu stellen, dann machen wir es eben alleine.“ Dafür erntete sie einen skeptischen Blick Bakuras. „Du glaubst nicht ernsthaft, dass euer Clan, von dem über die Hälfte verletzt ist, auch nur annähernd eine Bedrohung für diesen Irren darstellen würde, oder?“ „Aber irgendetwas müssen wir doch tun!“ Atemu folgte indes dem Gespräch schon gar nicht mehr richtig. Er war in seine Gedanken versunken. Er würde Riell und Risha nur zu gerne helfen, was ihren Vater anbelangte. Doch Seto hatte vollkommen recht. Zwar wäre Resham bestimmt nützlich, was die Relikte anging, auch wenn er ihren Fundort nicht kannte. Aber die Gefahr, die sie auf sich nahmen, wenn sie Truppen ausschickten, war schlichtweg zu groß. Ein Umstand, der ihm Kopfschmerzen bereitete. Er konnte diesen Mann doch nicht einfach seinem Schicksal überlassen. Doch Seto behielt nun einmal recht … „Ich fürchte, ich muss meinem Cousin zustimmen“, sagte er schließlich, „So leid es mir tut, aber ich vermag nicht, meine Soldaten einer solchen Gefahr auszusetzen. Aber vielleicht gibt es eine andere Möglichkeit, wie wir Euch behilflich sein können.“ „Da hätte ich auch direkt eine Idee!“ Alle Anwesenden fuhren herum – nur um ein kleines Energiebündel namens Sam zu entdecken, das gemeinsam mit Kipino in den Saal stürmte. „Und was hat es damit auf sich?“, fragte Risha, wobei ihr Ton verriet, dass das wenig ernst gemeint war. „Ich würde gerne wissen, ob es irgendwelche Tunnel oder so etwas gibt, durch die man unbemerkt aus der Stadt heraus kommen kann“, plapperte die Rothaarige weiter, was ihr verwunderte Blicke einbrachte. „Aber natürlich, weil wir dir solche Informationen auch einfach preisgeben würden“, erwiderte Seto sarkastisch. „Damit ihr sie dann nach dem Krieg gegen uns einsetzen könnt, ja?“ Samira begann nicht wie erwartet, sich zu beschweren. Stattdessen grinste sie schelmisch. „Ich liege also richtig mit meiner Annahme, dass es so etwas gibt?“ „Das hat niemand gesagt“, entgegnete der Hohepriester. „Und dennoch existieren sie, oder nicht?“, konterte die Kleine sofort wieder. „Seto? Sind da tatsächlich Tunnel oder sonstige Zugänge, durch die man unbemerkt die Stadt betreten oder verlassen könnte?“, mischte sich nun auch Atemu ein. „Nein, mein König“, antwortete Mana an seiner Stelle, „Zumindest nicht mehr. Euer Vater hielt es während des großen Krieges, in dem auch die Milleniumsgegenstände erschaffen wurden, für besser, sie versiegeln zu lassen.“ „Dacht ich's mir doch!“, triumphierte Sam. „Gibt es irgendeine Möglichkeit, die Tunnel wieder öffnen zu lassen?“ „Du bist wohl des Wahnsinns!“, schimpfte Seto, „Dadurch gäben wir Caesian noch eine Gelegenheit mehr, uns zu besiegen!“ „Aber er weiß doch gar nichts davon! Und so könnten wir Meister Resham retten, ohne durch eines der Stadttore hinaus spazieren zu müssen!“, gab die Rothaarige zu bedenken. „Sam“, sagte Riell. „Selbst wenn wir Caesian überraschend angreifen, wäre dieses ganze Unterfangen noch immer zu gefährlich. So leid es mir tut, aber … “ „Verzeiht diesen Widerspruch, Majestät, aber Ihr denkt in ganz falsche Richtungen“, murmelte die Kleine vorsichtig, ehe sie schnell hinzufügte: „Wir müssen ihn doch nicht angreifen! Es reicht doch, wenn sich meinetwegen zwei von uns in sein Lager schleichen und den Meister befreien!“ „Und du allen voran, was?“, meinte Bakura ironisch. „So sieht der Plan aus.“ Natürlich waren auch Atemus Freunde anwesend. Und einer davon, der soeben einen Schluck Wasser hatte trinken wollen, spuckte eben jene Flüssigkeit prompt zurück in seinen Becher. „Bitte?“, rief Marik aus, der seinen Ohren nicht traute. Auch die anderen sahen verwundert, beinahe ungläubig drein. „Sagt mal, seid ihr euch sicher, dass euer Clan nicht eher eine anonyme Selbsthilfegruppe für Menschen mit extrem übersteigertem Selbstwertgefühl ist?“, kommentierte Joey. „Dein 'Plan' grenzt an Wahnsinn!“ „Von wegen!“, motzte Sam. „Er ist wohl durchdacht!“ „Ebenso wie die Skorpionzucht, die du vor zwei Sommern in unserem Lager betrieben hast?“, kam es von Riell, „Vergiss es! Du bleibst, wo du bist.“ „Aber Kipino würde mich doch sicher begleiten! Und die Skorpione waren doch voll süß!“ Das rothaarige Energiebündel schien nicht aufgeben zu wollen. „Na, das ändert die ganze Sache ja grundlegend!“, meldete sich Seto höhnisch zu Wort. „Wie wäre es, wenn du dich einfach in dein Zelt schleichst und diese Angelegenheit von Erwachsenen klären lässt? Nur mal so nebenbei, wir stecken in einem Krieg! Und in einem solchen haben Kinder nichts zu sagen.“ „So verbohrt, wie ihr alle seid, würde ich das gerne machen! Aber ich will nicht zusehen müssen, wie Meister Resham von diesem Scheusal erniedrigt und gequält wird, während Riell und Risha darunter leiden! Er ist unser Oberhaupt, es ist meine Pflicht, mein Leben für das seine auf's Spiel zu setzen!“, protestierte Sam weiter. „Püppchen“, meldete sich nun wieder Risha zu Wort, „Du betrachtest das von einer ganz falschen Seite aus.“ „Ich glaube ich weiß, worauf sie hinaus will“, mischte sich auch Atemu wieder ein. „Dein Mut ehrt dich, Samira, aber es ist genau umgekehrt. Ein Herrscher sollte sein Leben für das seines Volkes geben und nicht anders herum.“ „Aber … Aber wir können ihn doch nicht einfach sterben lassen!“ Die Rothaarige hatte begonnen zu schreien, wandte nun den Hilfe suchenden Blick in Richtung Risha. Tränen standen in ihren Augen. „Majestät!“ Doch die Schattentänzerin schüttelte nur den Kopf. „Mir fallen diese Worte schwerer, als du dir vorstellen kannst. Aber wir dürfen uns nicht von unseren Gefühlen leiten lassen. Wir müssen taktisch denken. Und aus dieser Sicht wäre ein Eindringen in Caesians Lager der dümmste Schritt, den wir machen könnten. Es tut mir leid, dir das so hart sagen zu müssen. Aber Resham ist des Todes, Sam.“ „Er ist Euer Vater!“ Samira sah sich noch einmal im Raum um, ließ die Augen auf jedem Gesicht für einige Sekunden ruhen. Dann erkannte sie, dass sie auch weiterhin auf Granit beißen würde. „Wie könnt ihr alle nur so verdammt feige sein!“, schrie sie, ehe sie herumfuhr und aus dem Saal stürmte. „Ich … ich nehme mich ihrer an“, murmelte Kipino noch, dann eilte er ihr nach. ~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ Hallihallo! Da bin ich also wieder. Es hat länger gedauert, aber das hatte ich ja angekündigt, stand doch mein Urlaub ins Haus. Nachdem einige vorherige Kapitel ja nicht vor Spannung strotzten, will ich diese allmählich wieder pushen. Jetzt ist raus, wer Risha und Keiro eigentlich sind, nun erfahren die Schattentänzer auch noch, dass ihr Oberhaupt tatsächlich am Leben ist. So viel kann ich außerdem verraten: Es wird nicht mehr lange dauern, dann knallt es mal wieder richtig in Men-nefer. ;) So, noch eines: In dem Gespräch zwischen Risha und Bakura konnte ich mir die Stelle mit Timbuktu einfach nicht verkneifen. Ich liebe dieses Spiel mit den Charakteren aus dem alten Ägypten und denen aus unserer Zeit (oder eben den Geistern, die das 21. Jahrhundert kennen). Wie kommt eigentlich mein kleines, rothaariges Energiebündel, genannte Samira, an? Ich bitte um Verzeihung dafür, dass sie Atemu einen "Bastard" schimpfte, aber man muss hier bedenken, dass sie mit dem Pharaonenhaus nichts Gutes verbindet, lebt ihr Clan doch deswegen im Untergrund. Nun aber genug der Worte. Bis zum nächsten Mal! Danke wieder einmal an 3sakuraharuno3, die so lieb und ausführlich kommentiert hat! Sechmet Hosted by Animexx e.V. 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