Die Seele der Zeit von Sechmet (Yu-Gi-Oh! Part 6) ================================================================================ Kapitel 19: Rückkehr -------------------- Endlich geht es weiter! Nachdem meine Prüfungen endlich vorüber sind und ich wieder zum Schreiben komme, hier das nächste Kapitel. Danke wieder einmal an 3sakuraharuno3 für ihren Kommentar. Ich hoffe, alle Unklarheiten sind inzwischen beseitigt. ;) Was ich an dieser Stelle noch loswerden will: Ich orientiere mich hier vor allem am Manga zur Originalserie. Deshalb kennt Risha den Diadiankh auch nicht. In dieser Geschichte ist der Diadiankh eine Erfindung des Königshofs, damit auch Menschen ohne Ka-Seele eine Bestie kontrollieren können. Diese wird dann zwar kein richtiger Partner, da sie nicht mit einem verschmolzen ist, aber sie kann beschworen werden. So viel dazu. Nun wünsche ich viel Spaß mit dem neuen Kapitel von "Seele der Zeit"! Rückkehr Die Sonne senkte sich in gleißendem Rot dem Horizont entgegen und läutete den Beginn der Nacht ein. Das Leben in Men-nefer pulsierte nun erst recht – die Mittagshitze machte es manchmal geradezu unmöglich, sich im Freien aufzuhalten. Umso angenehmer war es, am Abend vor die Tür zu gehen. Der Krieg und die Spuren, die er hinterließ, waren zwar allgegenwärtig, doch das tat dem Andrang in den Schenken der Stadt keinen Abbruch. Insofern diese noch Bier hatten, versteht sich. Einige hatten aufgrund des fehlenden Nachschubs an Gütern bereits schließen müssen, oder waren darauf umgestiegen, Tee anzubieten. Der Handel war seit Caesians Erscheinen vollständig zum Erliegen gekommen. Die Menschen konnten froh sein, dass die Vorratskammern Men-nefers ausreichend mit Lebensmitteln gefüllt waren, um eine Belagerung längere Zeit auszusitzen. Und dennoch patrouillierten Wachen unablässig durch die Straßen. Das Volk vom Nil war ein friedliches, doch niemand verschloss die Augen vor dem, was der Krieg aus einer Seele machen konnte. Dass die Kriminalitätsrate in solchen Zeiten stieg, war regelrecht normal. Doch nicht nur in Men-nefer, sondern auch im dazu gehörigen Palast kam kaum jemand zur Ruhe. Unruhig schritt Atemu auf dem breiten Balkon entlang, der vor seinen Gemächern lag. Seine Hand war verbunden, er hatte sie sich bei ihrer Begegnung mit Caesian gestaucht. Auch Mana war da, saß allerdings auf der gemauerten Brüstung. Sie hatte außer ein paar blauen Flecken keine größeren Blessuren davon getragen. Es war erst wenige Stunden her, da sie einige Soldaten unter der Führung Setos irgendwo in der Wüste aufgegriffen hatten. Seitdem fehlte von Tea und Joey jede Spur. „Das bringt doch nichts...“, murmelte Mana nach einer Weile. „Und wenn du noch so oft hin und her gehst, davon finden wir sie auch nicht.“ Atemu blieb abrupt stehen und richtete seinen Blick in die Ferne. „Du hast recht. Ich sollte dort draußen sein und sie suchen...“ „Nicht doch. Wir alle sind noch viel zu erschöpft. Es wäre Wahnsinn, sich ihnen in deiner derzeitigen Verfassung anzuschließen. Ganz abgesehen davon, dass du der Pharao von Ägypten bist“, entgegnete die Magierin. „Und dennoch bin ich nur ein Mensch. Du weißt, dass ich diesen Unterschied noch nie gemocht habe. Was macht mich besser als sie? Außerdem sind Tea und Joey meine Freunde!“, erwiderte Atemu und stützte sich mit einer Hand an dem steinernen Geländer ab. „Gewiss sind sie das. Gerade deswegen würden sie wollen, dass du hier bleibst.“ Mana erhob sich. „Sobald ich morgen wieder bei Kräften bin, werde ich gemeinsam mit Darla versuchen, sie zu finden. Bis dahin solltest auch du versuchen, dich auszuruhen. Wir alle haben sowie so schon viel zu wenig Schlaf. Irgendwann wird der Punkt erreicht sein, da uns dies zum Verhängnis wird. Deshalb müssen wir darauf achten, dass es gar nicht erst so weit kommt. Glaube mir, Seto und die Soldaten Ägyptens tun ihr Möglichstes, um sie zu finden. Riell hat sogar einige Schattentänzer ausgesandt. Mach dir keine Sorgen“, sagte sie, während sie ihm eine Hand auf den Arm legte. „Wir werden sie finden.“ Mit diesen Worten entfernte sie sich und verließ schließlich die Gemächer des Pharao. Ihm war bewusst, dass sie einen bestimmten Teil der Ereignisse absichtlich ausgelassen hatte. Nämlich den, dass es Caesian womöglich gelungen war ein weiteres Artefakt in die Finger zu bekommen. Er ballte die Hände zu Fäusten und bereute diese Tat in dem Moment, da sich der Schmerz am Ende seines Arms bemerkbar machte. Vorsichtig massierte er die verkrampften Muskeln. Das alles hätte niemals passieren dürfen. Selbst, wenn es dem Feind nicht gelungen war, das Relikt an sich zu reißen. Und wenn Tea, sowie Joey, unversehrt gefunden wurden – er war schon längst viel zu weit gegangen. In diesem Moment spürte Atemu etwas in sich, das er schon lange nicht mehr empfunden hatte. Hass. Caesians würde bezahlen. Und wenn es das Letzte war, was der Pharao tun würde... Kaum, da es begonnen hatte zu dämmern, hatten sie ihr Versteck verlassen und sich auf den Weg gemacht. Sie hatten zunächst versucht, am Tag voran zu kommen. Doch Risha hatte bald einsehen müssen, dass diese beiden Menschen mit ihrer blassen Haut das Klima nicht gewohnt waren – geschweige denn Märsche durch die Wüste im prallen Sonnenschein. Zudem hatten sie in der Ferne immer wieder berittene Truppen Caesians ausfindig machen können. So hatten sie beschlossen, im Schutz der Dunkelheit weiter zu ziehen. Nun kamen sie gut voran. Joey und Tea hatten bald erkannt, dass die Schattentänzerin alles andere als gesprächig war. Der Einzige, mit dem sie ab und an einige Worte wechselte, war der Pegasus mit den roten Schwingen, der seit Einbruch der Nacht immerzu neben ihr dahin trabte. Begründet hatte sie dieses Handeln nicht, doch Tea vermutete, dass der Grund in den schärferen Sinnen der Ka-Bestie zu finden war. Durch diese war sie frühzeitig in der Lage, eventuelle Feinde ausfindig zu machen. Wenn Risha recht behielt, dann würden sie noch heute Men-nefer erreichen. Tea atmete bei diesem Gedanken beruhigt durch. Sie kannte Atemu und wusste, dass er sich grässliche Sorgen um sie machen würde. Sie wollte ihn sobald wie möglich von diesen Gefühlen erlösen. Ihr Blick schweifte abermals zu der Schattentänzerin, die einige Schritte vor ihnen ging. Noch immer war sich Tea nicht ganz sicher, ob sie ihr wirklich trauen konnten. Sie gehörte zweifellos zu dem Clan, doch sie war vollkommen anders als ihr Bruder. Irgendwie... ja, regelrecht Angst einflößend. Das Mädchen stockte jedoch nur einen Augenblick später, als sie dabei waren, eine Düne hinauf zu laufen. Cheron zog den rechten Huf hinterher. Er trat zwar noch damit auf, doch sah diese Bewegung irgendwie verrenkt aus. Als ihr Blick zu Risha glitt, konnte sie dasselbe auch bei ihr erkennen. „Was ist denn mit deinem Bein?“, sprach sie die Frage schließlich aus. Tatsächlich blieb die Schattentänzerin stehen und drehte sich zu ihr um, doch kam eine andere Antwort, als erwartet. „Mein Fuß wird dein geringste Problem sein, wenn sich herausstellen sollte, dass ihr mich belogen habt.“ „Wann raffst du es denn endlich?“, entgegnete Joey schon beinahe verzweifelt und raufte sich die Haare. „Wir lügen nicht, okay? Wie kann man eigentlich so verdammt misstrauisch sein?“ „Das geht ohne Probleme, glaub mir“, meinte Risha noch, dann setzte sie ihren Weg fort. „Komische Leute sind das. Die machen sich tatsächlich Sorgen um Fremde und verwenden eine höchst eigentümliche Sprache“, sagte sie dabei an Cheron gewandt. „Was ist denn so falsch daran, sich um jemanden zu sorgen?“, kam es daraufhin prompt von Tea, die mit wenigen Schritten zu der Schattentänzerin aufschloss. „Man macht sich damit nur verwundbar“, war die patzige Antwort. „Gibt es etwa niemanden, um den du dich sorgen würdest? Deinen Bruder oder deinen Vater zum Beispiel?“, fuhr das braunhaarige Mädchen ungerührt fort. Dadurch rannte sie beinahe gegen Risha, die abrupt stehen blieb und sich mit erhobenem Zeigefinger nach ihr umwandte. „Es mag ein paar auserwählte Personen geben, die mir am Herzen liegen – und für die ich über Leichen gehen würde. Aber ich versuche die Zahl dieser Leute möglichst gering zu halten. Den Grund habe ich dir bereits genannt.“ Sie fuhr ebenso plötzlich herum und ging weiter, wie sie inne gehalten hatte. Tea verweilte noch einen Augenblick völlig perplex, ehe sie den Kopf schüttelte und es aufgab. Als sich Joey zu ihr gesellte, konnte sie ihn murmeln hören. „Auserwählte Personen … wie gnädig … “ Schweigend liefen sie weiter durch die Wüste. Es schien, als wolle der Sand nie ein Ende nehmen. Es war inzwischen empfindlich kalt geworden, hinzu kam der immer währende Wind. Doch es sollte sich herausstellen, dass Risha ihr Wort hielt. Tatsächlich sollten sie noch in derselben Nacht zurück nach Men-nefer gelangen. Nachdem sie eine weitere Düne hinauf gestiefelt waren, erschienen plötzlich Lichter am Horizont. Sofort stürmten Tea und Joey erleichtert vor. „Der Wahnsinn! Vielen Dank, Alter!“, meinte der Blonde an die Schattentänzerin gewandt und reckte den Daumen in die Höhe. Was er dafür jedoch bekam, war eine hoch gezogene Augenbraue. „Alter … ?“, meinte Risha mit drohendem Unterton in der Stimme. Tea schlug sich ob dieses erneuten Missverständnisses die Hand vor die Stirn. Irgendwann würde Joey doch wohl begreifen, dass hier andere Sprachkenntnisse von Nöten waren. Seufzend sah sie ihm dabei zu, wie er abwehren mit den Händen herum fuchtelte. „Nein, nein! So meine ich das nicht! Da, wo ich her komme, bedeutet das so viel wie … äh, alter Freund!“ „Ich wüsste nicht, dass wir Freunde wären“, war die nüchterne Antwort. „Ist ja auch egal“, mischte sich Tea schließlich ein und lächelte. „Wichtig ist, dass wir wieder in Men-nefer sind.“ Sie packte ihren Freund am Arm und zog ihn mit sich, als sie der Stadt, die sich am Horizont erstreckte, entgegen stürmte. Gleich würde Atemu sich nicht mehr sorgen müssen! Er würde sehen, dass ihnen nichts passiert war. Und sie würden eines der Relikte mit sich bringen, sodass ihm wohl noch ein weiterer Stein vom Herzen fiel. Aber … apropos Relikt. Sie verlangsamte ihre Schritte und drehte sich nach der Düne um, auf der ihre Führerin wie angewurzelt und mit verschränkten Armen stand. „Hey, nun komm schon! Jetzt hast du die Gelegenheit, dich davon zu überzeugen, dass wir die Wahrheit sagen!“, rief Tea ihr fröhlich zu. Doch als Antwort bekam sie lediglich ein kaltes Lächeln. „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich so dumm bin.“ „Was soll das nun wieder heißen?“, erwiderte Joey, der inzwischen sichtlich genervt war. „Ich renne doch nicht blind in eine mögliche Falle hinein. Wenn es wirklich wahr ist, und euer Pharao gemeinsame Sache mit meinem Clan macht, dann schickt mir einen Schattentänzer, damit er mir dies bestätigt. Ich warte hier“, meinte Risha nur und sank zu Boden, wo sie sich gegen eines von Cherons kräftigen Beinen lehnte. „Das ist doch viel zu gefährlich! Falls du es vergessen hast, du hast ein Relikt! Was, wenn irgendwelche Soldaten Caesians … “, begann der Blonde, wurde jedoch unterbrochen. „Ich weiß mich meiner Haut zu wehren. Und nun geht. Egal, ob ihr die Wahrheit sagt oder nicht, ihr verschwendet meine Zeit.“ „Als ob die so kostbar wäre! Eingebildete Kuh!“, fauchte Joey, sodass Tea ihn am Oberarm packte und mit sich zog. Sie hatten keine andere Wahl. Wenn in dieser Diskussion etwas sicher war, dann war es der Dickschädel der Schattentänzerin. Jeglicher Versuch, sie vom Warten in der Wüste abzubringen, würde scheitern. Aber das kannte sie ja bereits von ihrem blonden Freund und Tristan … „Ach ja, ehe ich es vergesse!“, schallte plötzlich die Stimme Rishas hinter ihnen her. „Sagt, dass 'Sam' kommen soll, um mich zu holen. Jeder wird wissen, warum.“ Tea hielt inne und sah sich noch einmal nach ihr um. „Und … ähm … ich meine … “ Sie versuchte, die richtigen Worte zu finden, gab es jedoch schließlich auf. Für das, was sie fragen wollte, gab es keinen weniger schmerzlichen Ausdruck. „Was ist, wenn diese 'Sam' nicht mehr lebt?“ Ein bitteres Lächeln erschien auf Rishas Gesicht. „Wenn irgendjemand dieses Massaker überlebt hat, dann sie.“ Schweigend saßen sie alle beim Abendessen. Allerdings verfehlte dieses Beisammensein seinen Zweck, denn die Speisen blieben größtenteils unangetastet. Wenn einer von ihnen doch einmal zugriff, dann kaute er anschließend ohne jeden Genuss darauf herum – außer Marlic, der genüsslich schmatzte. Yugi hatte den Kopf auf die Hände gestützt und starrte vor sich hin. Atemu tat in etwa dasselbe, während Keiro neugierig seine Fingernägel musterte und Marik sich eine Haarsträhne immer wieder auf's Neue um den Finger wickelte. Ryou schnippte ein Stück Brot hin und her. Riell und Seto tauschten einen kurzen Blick. Auch, wenn der Schattentänzer sein Gegenüber nicht leiden konnte, aber in dieser Hinsicht waren sie sich anscheinend einig. Das alles brachte doch nichts. Ja, zwei ihrer Freunde wurden vermisst und Caesian war es eventuell gar gelungen, ein weiteres Artefakt zu erbeuten. Aber den Kopf in den Sand zu stecken war in diesem Fall eindeutig die falsche Methode! Er hatte ja noch gehofft, dass dies ausbleiben würde, als alle wahnsinnig interessiert an Keiros blauem Auge gewesen waren, aber offenbar vergebens … Wenigstens hatte dieser Bastard die Klappe gehalten und gemeint, er habe in einer Schenke eine kleine Auseinandersetzung gehabt. Unwillkürlich schweiften seine Gedanken zu Risha. Wo sie wohl war? Und ob sie überhaupt noch lebte … ? Er schloss die Augen und versuchte, sich auf ihre Lage zu konzentrieren. Er durfte nicht auch noch anfangen, Trübsal zu blasen. Riell wurde aus seinen Gedanken gerissen, als etwas auf den Tisch knallte – genauer gesagt die geballte Faust des Hohepriesters. „Das kann doch nicht euer Ernst sein!“, sagte er mit bestimmtem Ton in die Runde, ehe er sich an Atemu wandte. „Euer Hoheit, ich kann mir vorstellen, wie Ihr Euch fühlen müsst, aber dieses … Verhalten bringt uns nicht weiter. Wir müssen überlegen, wo die anderen Relikte sein könnten oder zumindest darüber nachdenken, wie wir uns beim nächsten Mal gegen Caesian verteidigen wollen. Unsere Truppen sind stark geschwächt, die Stadt ebenso. Ich bitte Euch!“ „Verzeiht den ungefragten Einwurf, doch ich stimme ihm zu. So kommen wir nicht weiter. Die Angst um Eure Freunde mag Euch umklammert halten, Pharao, doch es wird alles getan, um sie zu finden. Mehr können wir im Augenblick nicht machen. Das Einzige, was in unserer Macht steht, ist zu überlegen, wo sich weitere Gegenstände befinden könnten“, fügte Riell hinzu. Atemu entwich ein tiefes Seufzen, dann fuhr er sich mit einer Hand über das Gesicht und rieb sich die Augen. „Ihr habt ja recht... Also, tragen wir noch einmal zusammen, was wir bislang durchgegangen sind“, sagte er matt. Er sah kurz auf, als Bakura den Raum betrat. Der Grabräuber hatte sich soeben setzen wollen, als er inne hielt und seinen Bruder skeptisch musterte. „Was ist denn mit dir passiert?“ Sein misstrauischer Blick wanderte zu dem Schattentänzer am Tisch. Keiro winkte jedoch rasch ab. „Nur eine kleine Meinungsverschiedenheit mit einem Betrunkenen in der Stadt.“ „Aber … “, wollte Bakura entgegnen, da fiel ihm sein Gegenüber ins Wort. „Komm mit, ich erkläre es dir auf dem Weg zu meinem Zimmer. Ich wollte mir sowie so gerade wärmere Kleidung holen. Mir ist etwas kalt. Und es ist keine Geschichte, die so ruhmreich wäre, dass jeder sie hören müsste … “, fügte er schief lächelnd hinzu. Der Grabräuber sah noch immer argwöhnisch drein, nickte jedoch. Gemeinsam verließen sie den Saal, während die anderen ihre Überlegungen wieder aufnahmen. Sie liefen die von Fackeln erleuchteten Gänge des Palastes entlang. Als sie sich drei Flure von dem Raum entfernt hatten, in dem Atemu und seine Freunde am diskutieren waren, warf Bakura einen prüfenden Blick zurück, ehe er seinen Bruder plötzlich am Arm packte und in eine dunkle Ecke zog. Seine Augen durchbohrten Keiro regelrecht. „Also, was ist los? Du hast dieses Gemäuer seit deiner Ankunft nicht verlassen, wie kann es da sein, dass du … ?“ Er verstummte, als sich eine Hand auf seinen Mund legte. Die Stimme seines Bruder war kaum mehr als ein Flüstern. „Still. Nicht hier.“ Der Grabräuber wurde am Handgelenk gepackt und davon gezogen. Erst, als sich die Türe zu Keiros Zimmer hinter ihnen geschlossen hatte, wurde er los gelassen. „Ja, du hast recht“, begann Bakuras Zwilling auch gleich. „Es war kein Betrunkener. Sondern ein Schattentänzer. Genauer gesagt Riell. Nein!“, mahnte er, als er den Gesichtsausdruck des Grabräubers gewahrte. „Nicht. Es ist unnötig. Ich werde sowie so nicht mehr lange bleiben.“ Ein großes Augenpaar sah ihn ungläubig an. „Was soll das heißen?“ „Das heißt, dass ich Men-nefer noch heute Nacht verlasse“, erwiderte Keiro. „Der Pharao hat mich darum gebeten, ebenso wie er mich bat, diese Sache für mich zu behalten. Und ich habe zugestimmt. Die Relikte sind hier nicht in Sicherheit. Caesian weiß nicht, dass ich eines davon habe. Ich werde außer Landes gehen und warten, bis dieser Spuk vorüber ist. Niemand weiß von diesem Plan, das macht ihn so sicher.“ Das Schweigen, das zwischen sie trat, war regelrecht greifbar. Bakuras Züge spiegelten deutlich wider, was sich in seinem Kopf abspielte. Er schüttelte ungläubig das Haupt. „Der Pharao hält etwas vor seinen Freunden geheim? Du haust einfach ab, obwohl wir uns gerade erst wiedergetroffen haben? Das kann nicht … “ „...mein Ernst sein? Doch, das ist es. Aber keine Sorge, ich habe dich gewiss nicht aus dem Saal gebeten, um dir nur das zu sagen.“ „Lass mich raten“, meinte der Grabräuber zischend. „Ich soll hier bleiben, ja?“ „Ganz im Gegenteil“, erwiderte Keiro mit dem ihm eigenen, schelmischen Grinsen. „Ich möchte, dass du mich begleitest.“ Der Ausdruck, den Bakuras Gesicht in diesem Moment annahm, war nicht zu beschreiben. All das Misstrauen, dass sich soeben aufgebaut hatte, verpuffte binnen eines Augenaufschlags. Zugleich schalt er sich für die Gedanken, die soeben durch sein Hirn gerauscht waren. War er wirklich so dumm gewesen? Hatte er seinem eigenen Bruder tatsächlich gerade zugetraut, einfach so zu verschwinden? Er blinzelte. Wenn er nicht ihm vertrauen konnte, wem dann? Und vielleicht hatte der Pharao ja endlich erkannt, dass es manchmal besser war, nicht alles weiter zu erzählen? Gleich wie sehr man seinen 'Freunden' traute? „Bist du einverstanden?“, kam schließlich die Frage, so leise, als befürchte Keiro, er könnte ablehnen. Doch Bakura nickte auf der Stelle. „Gut. Du bist doch der König der Diebe, nicht wahr? Dann besorgt uns mal ein wenig Gold aus dem Palast, Euer Hoheit. Wir werden es für die Reise benötigen. Ich glaube nicht, dass der Pharao etwas dagegen hat. Ich gehe indes in den Saal zurück, damit keiner von den anderen Verdacht schöpft. Wir treffen uns in deinem Zimmer.“ Mit diesen Worten wirbelte er auf dem Absatz herum und verließ den Raum. Der Grabräuber blieb noch einen Moment wie angewurzelt stehen, fand dann jedoch wieder zu sich und begann, sich in der Kammer nach allem möglich umzusehen, was transportabel und wertvoll war. Eiligen Schrittes hastete Keiro die Flure entlang, zurück zu dem Raum, in dem die anderen versammelt waren. Ein Lächeln lag auf seinen Zügen. Alles verlief genau so, wie er es geplant hatte. Bakura hatte ihm geglaubt. Er dachte tatsächlich, Atemu wüsste als einziger Bescheid, weshalb er ihm die Nachricht seiner Abreise nicht vor den anderen hatte überbringen können. Auch die Reaktion des Grabräubers war genau die gewesen, auf die er gehofft hatte. Bis zuletzt hatte er gefürchtet, er würde das Land nicht verlassen wollen. Doch nun war alles gut. Noch vor Sonnenaufgang würden sie Men-nefer, und somit Riell und seinem Clan, den Rücken gekehrt haben. Dennoch bedauerte er, dass er gezwungen war, seinen Bruder anzulügen. Aber er hatte keine Wahl. Das derzeitige Oberhaupt der Schattentänzer würde früher oder später reden, das hatte er bei ihrem Zusammentreffen nur allzu deutlich gemacht. Das konnte er nicht riskieren. Gewiss hätte er Riell beseitigen können, doch zwei Dinge hatten ihn davon abgehalten. Zum einen wäre der Clan ohne ihn wieder vollkommen orientierungslos, wodurch ein Verbündeter im Kampf gegen Caesian wegfiel – etwas, das absolut inakzeptabel und höchst gefährlich gewesen wäre. Zum anderen war es schlichtweg nicht Keiros Art, jemanden umzubringen. Wenn ihm schon keine Götter heilig waren, so war es doch das Leben selbst. Es gab nur einen einzigen Menschen auf dieser Welt, dem er mit gutem Gewissen eine Klinge in den Leib gestoßen hätte. Aber so wie es aussah, hatte sich dieses Problem von selbst erledigt. Risha war noch immer verschwunden. Sie mochte zäh sein, doch je länger sie fort blieb, desto größer wurde die Wahrscheinlichkeit, dass sie tot war. Er hielt einen Moment inne. Bilder erschienen vor seinem inneren Auge. Welche, die lange Zeit zurück lagen. Unterbewusst ballte er die Hand zur Faust. Ihm war klar, dass es nicht ihre Schuld war, so geworden zu sein. Sie war das, wozu man sie gemacht hatte – wozu ihre Vergangenheit und der Clan sie gemacht hatten. Aber auch, wenn es so war, war sie inzwischen alt genug, um selbst zu denken. Doch sie blieb auf dem Pfad, den man ihr einst geebnet hatte. Daran würde sich auch nichts ändern. Sie würde ihre Art beibehalten und er würde sie dafür hassen, so, wie es schon seit vielen Jahren war. Dafür, dass sie so verblendet war... Doch das alles spielte keine Rolle mehr. Mit einem energischen Schütteln des Hauptes verscheuchte er die Gedanken. Er und Bakura würden bald verschwunden, weit hin fort von diesen Menschen sein. Gerade wollte er seinen Weg weitergehen, da ließen ihn Schritte, die sich rasch näherten, herum fahren. Im ersten Moment traute er seinen Augen nicht, doch schließlich sah er ein, dass sie ihm keinen Streich spielten. Es waren tatsächlich Tea und Joey, die, begleitet von zwei Wachen, daher kamen. „Hey Keiro, altes Haus, alles fit?“, meinte der Blonde auch gleich, als sie sich gegenüber standen. „Falls du soeben gefragt haben solltest, wie es mir geht, so lautet die Antwort 'gut'. Außerdem denke ich, dass diese Frage eher euch gebühren sollte! Wo kommt ihr auf einmal her? Bei allem Respekt, aber wie konntet ihr so schnell zurück nach Men-nefer finden? Seid ihr etwa doch nicht so weit abgetrieben worden, wie wir dachten? Wo wart ihr?“, sprudelte es aus Keiro heraus, der sichtlich verdutzt war. Zugleich begann es, hinter seiner Stirn zu arbeiten. Eigentlich hätte der Zeitpunkt ihrer Rückkehr nicht passender sein können. Ihr Erscheinen würde für einigen Trubel sorgen, der ihm und seinem Bruder zum Vorteil gereichen konnte... „Weißt du, wo Atemu ist?“, riss ihn schließlich die Frage Teas aus den Gedanken. Er nickte sogleich. „Ja, folgt mir. Ich bringe euch hin. Ich wollte mich sowie so gerade entschuldigen. Ich bin seit einigen Tagen so wahnsinnig müde.“ Der Sand rann langsam durch ihre Finger. Immer und immer wieder. Sie konnte ein Gähnen nur mit Mühe unterdrücken, während sie sich mit der anderen Hand den schmerzenden Knöchel massierte. „Und du bist ganz sicher, dass es die Präsenz unserer Ka-Bestien ist, die du wahrnimmst?“, erkundigte sich Risha bei ihrer Zwillingsseele. „Absolut“, erwiderte Cheron. „Das bedeutet, ganz gleich, ob sich der Clan mit dem Pharao verbündet hat oder nicht, ich werde auf jeden Fall in diese Stadt rein müssen“, schlussfolgerte die Schattentänzerin. „Warum habe ich nur den Verdacht, dass es dir sogar lieber wäre, wenn die unseren Gefangene wären?“, meinte der Pegasus mit schief gelegtem Kopf. Ein Seufzen war zunächst die einzige Antwort. „Weil es nicht so verdammt erniedrigend wäre...“ Risha stockte, als sie in der Ferne einen Schatten erkennen konnte, der ihnen entgegen kam. Sie kniff die Augen zusammen. „Ist sie es?“ „In der Tat.“ Tatsächlich kam nur kurz darauf ein Mädchen vor ihnen zum Stehen. Ihr Atem ging keuchend. Dennoch lag ein erfreutes Lächeln auf ihrem Gesicht, die grauen Augen leuchteten regelrecht. Das lange, rote Haar hing ihr wirr in die Stirn. Sie war ein gutes Stück kleiner, als die blonde Schattentänzerin, was wohl daher rührte, dass sie auch um einiges jünger war. Denn das Mädchen war gerade einmal dreizehn geworden. „Ihr … Ihr seid es wirklich, Herrin … “ Risha wollte gerade zu der patzigen Erwiderung ansetzen, ob sie denn etwas anderes erwartet hätte, da blieben ihr die Worte im Hals stecken. Sam hatte die Arme um ihren Bauch geschlungen und drückte sie fest an sich. „Den Göttern sei Dank! Ich bin ja so froh...“ Das Opfer ihrer Umklammerung rang nach Luft, während es versuchte, die Kleine so von sich zu schieben, dass es nicht vollkommen abweisend wirkte. „Ich freue mich ja auch, dich zu sehen … Aber dafür ist später noch Zeit! Was ist mit meinem Bruder? Ist es tatsächlich wahr, dass er sich mit dem Pharao zusammen geschlossen hat?“ Endlich wich Sam von ihr. Sofort veränderte sich ihre Miene. Sie wurde ernst. „Ja, so ist es. Diese Antwort genügt Euch hoffentlich für's Erste, Herrin, bis Ihr mit Eurem Bruder sprechen könnt. Denn da ist etwas anderes, das Euch wichtiger sein wird.“ Sofort spannte sich Rishas Körper an. „Worum geht es?“, zischte sie. Die kleine Schattentänzerin schien für einen Moment zu überlegen, wie sie es formulieren sollte. Dann gab sie es auf und sprach einfach aus, was ihr auf der Zunge lag. „Es geht um Keiro. Er ist ebenfalls in Men-nefer.“ Es dauerte einen Moment, bis Rishas Kopf diese Information korrekt verarbeitet hatte, dann verdunkelten sich ihre Züge schlagartig. „Wie bitte?“, donnerte sie. „Diese Missgeburt hat es tatsächlich gewagt, hier her zurück zu kommen?“ Sofort dachte sie an den Diebstahl des Reliktes. Das wirst du bereuen, das schwöre ich, bei Sachmet!, schoss es ihr durch den Kopf. „Bring mich sofort zu meinem Bruder! Diesem Kerl werden wir die Eingeweide aus dem Leib reißen!“ Risha stapfte bereits los, Sam eilte ihr sogleich hinterher. „Ja, lasst uns gehen. Ich kann Euch alles Weitere auch auf dem Weg berichten.“ Sofort blieb Reshams Tochter stehen und musterte ihr Gegenüber eindringlich. „Was ist da noch?“ Sie fielen einander um den Hals. „Ich wusste, dass ihr es schaffen würdet!“, meinte Yugi fröhlich, als er Joey drückte. „Aber natürlich! Hast du irgendetwas anderes erwartet, Alter?“, meinte der Blonde zwinkernd. Auch Atemu war sichtlich erleichtert und strahlte über das ganze Gesicht. „Den Göttern sei Dank.“ „Aber feiern können wir später!“, sagte Tea. „Wir haben da einiges, was wir euch erzählen müssen! Caesian ist es nämlich trotz seinem Überfall nicht gelungen, ein weiteres Relikt an sich zu bringen.“ Sofort wurde es still im Raum. Alle Augenpaare lagen auf den beiden Ankömmlingen. „Was soll das heißen?“, unterbrach Seto als Erster die Stille. „Das soll heißen, dass es ebenfalls vom Sturm davon geweht wurde. Und wir haben es dann gefunden!“, erwiderte Joey triumphierend und reckte die Faust in die Höhe. „Wirklich? Das ist ja großartig!“, rief Yugi prompt aus. „Und wo ist es?“ „Das ist der nächste Punkt!“, fuhr Tea aufgeregt fort. „Es dürfte jeden Moment hier sein.“ Sie wandte sich zu Riell um. Kipino war in der Zwischenzeit ebenfalls dazu gekommen. „Wir haben unerwartete Hilfe bekommen. Du wirst es nicht glauben: Wir haben deine Schwester gefunden!“ Sofort entglitten dem Oberhaupt der Schattentänzer sämtliche Gesichtszüge. „Was? Ist das wahr?“ „Ja, allerdings. Sie dürfte auch bald auftauchen. Die werte Dame ist nämlich sehr misstrauisch“, erklärte Joey. „Sie glaubt uns nämlich nicht ganz. Sie meinte, sie würde erst einen Fuß nach Men-nefer setzen, wenn ihr eine gewisse Sam bestätigt hat, dass du tatsächlich gemeinsame Sache mit dem Pharao machst. Wir haben schon einen Soldaten gebeten, in euer Lager zu gehen und diese Sam los zu schicken.“ „Bei den Göttern“, seufzte Riell erleichtert und legte den Kopf in den Nacken. „Ja, das klingt ganz nach ihr. Ich entschuldige mich direkt für all die Dinge, die sie euch in ihrem Misstrauen wahrscheinlich an den Kopf geworfen hat. Ich danke euch. Ihr habt mir meine Schwester zurück gebracht.“ Nur eine Person im Raum schien die allgemeine Freude, die beinahe greifbar war, nicht zu teilen. Keiros Magen hatte sich bei Teas Worten einmal um die eigene Achse gedreht. Das durfte nicht wahr sein! Er war so kurz davor gewesen, diese leidige Geschichte endlich hinter sich zu lassen. Wenn er jetzt noch davon kommen wollte, musste er schnell sein. Er zwang eine möglichst fröhliche Miene auf sein Gesicht und räusperte sich. „Auch ich freue mich, dass ihr wieder da seid, Joey und Tea. Doch nun muss ich bitten, mich zu entschuldigen, mein König. Mir ist nicht wohl.“ Er wartete nicht die Antwort des Pharaos ab und machte auf dem Absatz kehrt, was ihm verwunderte Blicke einbrachte. Niemand stellte jedoch eine Frage – außer Riell, der Keiro einen Moment lang schon beinahe amüsiert musterte. „Kann es sein, dass dir nicht wohl ist, weil sie zurück ist?“ Erneut wurde es mit einem Mal still im Raum. Der Ton des Schattentänzers, der schneidender war, als jemals zuvor, hatte dafür gesorgt. Selbst Keiro hielt inne, wandte sich aber nicht um. „Das ist es nicht. Trotzdem hast du recht, ich bin nicht scharf darauf, dieser Verrückten heute noch über den Weg zu laufen.“ Er wollte weitergehen, möglichst unauffällig, doch die Stimme Riells hielt ihn erneut zurück. „An deiner Stelle würde ich endlich mit diesem Spielchen aufhören. Es ist vorbei. Siehst du das nicht? Du kannst das Gebilde aus Lügen, das du geschaffen hast, nicht mehr aufrecht erhalten. An deiner Stelle würde ich meinen Bruder rufen, um endlich mit offenen Karten zu spielen. Noch hast du Zeit. Aber dir bleibt nicht mehr viel. Sie kann jeden Augenblick hier sein.“ „Was hat das zu bedeuten?“, mischte sich Seto ein, doch er wurde schlichtweg ignoriert, als Keiro herum fuhr und den Schattentänzer ansah, als wünsche er ihm die Pest an den Hals. „Das geht dich gar nichts an! Ich habe dir schon einmal gesagt, dass er mit dieser Missgeburt, die du Schwester nennst, nichts zu tun haben will!“ „Hat er das gesagt?“, erkundigte sich Riell. „Oh ja, allerdings“, knurrte der Bruder des Grabräubers. „Wenn das so ist...“, fuhr Reshams Sohn fort. „Kipino? Wärst du so freundlich und rufst Bakura herbei? Sollte er dies tatsächlich gesagt haben, so wird er wohl kein Problem damit haben, es zu wiederholen. Und wenn er wirklich so denkt, dann werde ich dich auch in Ruhe lassen. Denn dann ist es auch für sie besser, wenn wir die Sache einfach unter den Tisch fallen lassen.“ Kipino tat, wie ihm gehießen, und huschte an Keiro vorbei aus dem Raum. Der blieb noch einen Moment am ganzen Leib bebend stehen, dann fuhr er plötzlich herum und hetzte der Tür entgegen. „Nichts dergleichen wird er tun! Nur über meine Leiche!“ „Das lässt sich einfacher bewerkstelligen, als du glaubst … “, ließ ihn eine eiskalte Stimme plötzlich erstarren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)