Die Seele der Zeit von Sechmet (Yu-Gi-Oh! Part 6) ================================================================================ Kapitel 8: Des Nachts --------------------- Da bin ich wieder. Diesmal mit einem kleinen Einwurf, ehe es mit dem Kapitel „Des Nachts“ weitergeht. Zunächst möchte ich mich natürlich für die ganzen Kommentare bedanken. Außerdem freut es mich, dass Risha wohl- obgleich sie ein eigener Charakter ist- doch recht gut anzukommen scheint. Des Weiteren geht an dieser Stelle noch ein fettes Danke an Kianael, die den Text immer gegen liest, ehe er online geht- und das trotz derzeitigem Umzugsstress! Danke schön! Aber nun zum eigentlichen Thema. Nachdem man mich darauf hingewiesen hatte, dass ich wohl im letzten Kapitel ab und an vergessen habe, die Leertaste zu drücken: Das war nicht mein Fehler. Im Original auf meinem Rechner ist der Text genau so, wie er sein sollte. Anscheinend muss da beim Upload etwas schief gegangen sein. Ich habe schon probiert, die Fehler auszubessern, weiß aber nicht, ob das so erfolgreich war. Ich habe den Verdacht, dass einige Worte wieder zusammen gezogen worden sind. Also, sorry dafür an dieser Stelle. Und nun viel Spaß bei Kapitel Nummero 8. Des Nachts Atemu hastete an Setos Seite die Mauer entlang, die Men-nefer und den Palast umschloss. Er konnte die Schritte der anderen hinter sich hören. Als sie eine Treppe erreichten, eilten sie auf die Umgrenzung hinauf. Sofort drangen Schreie an das Ohr des Pharao, die vom Lager Caesians herüber wehten. Er erblickte winzige Schatten, die zwischen den Zeltreihen umher huschten. Immer wieder wurden schemenhafte Gestalten wie aus dem Nichts in den nächtlichen Himmel geschleudert. Es waren Menschen. „Was geschieht dort?“, fragte Atemu an Seto gewandt. Doch der Hohepriester schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht...“ Die Schreie der Männer und Frauen drangen an ihr Gehör. Schreckliche Ausrufe, die von Tod und Gewalt zeugten. Selbst auf diese Distanz waren sie noch deutlich zu vernehmen. Der Pharao glaubte gar, mit jeder sanften Brise, die an ihm vorüber zog, den Geruch von Blut wahrzunehmen. Diese Menschen mussten Qualen erleiden, tiefste Angst im Herzen tragen. Ein Soldat eilte auf den Herrscher Ägyptens zu und verbeugte sich kurz. „Majestät! Es sind die Schattentänzer!“ „Was? Schattentänzer?“ Mit wenigen Sätzen war sie bei Riell. Keuchend rappelte er sich auf. „Bei allen Göttern! Bist du verletzt?“ „Nein. Es geht schon...“ Caesian war in irres Gelächter ausgebrochen. Das Zepter hob er triumphierend über den Kopf. „Was habe ich gesagt? Ihr Narren! Ihr werdet euren Fehler mit dem Leben bezahlen!“ Irgendwo in der Ferne hörten sie die Schreie der anderen. Sie hatten wie abgesprochen eingegriffen. Doch damit hatte keiner von ihnen gerechnet. Dass genau das eintreten würde. Risha musste das Ruder herum reißen, solange sie noch die Möglichkeit dazu hatte. Sie sprang auf die Beine, die Dolche noch immer in den Händen. Kurz zuckte ein Lichtblitz durch die Nacht, dann materialisierte sich ihre Ka-Bestie direkt neben ihr. Rote, glühende Schwingen schlugen in der Luft. Weißes Fell schimmerte im Mondschein. Ein Viehren drang aus der Kehle der Kreatur. Hufe stießen sich kräftig vom sandigen Boden ab. „Cheron, töte ihn!“ Der Pegasus schoss nach vorne, direkt auf Caesian zu. Nur noch wenige Sekunden, dann wäre dieses Drama vorüber. Doch es sollte anders kommen. Kurz, bevor die mächtigen Hufe die Knochen des Mannes zertrümmern konnten, zuckte Schmerz durch Risha Körper. Ein brutaler Aufschrie ihrer Bestie, dann wurde das geflügelte Pferd rücklings durch die Luft geschleudert und krachte in eines der Zelte hinein. Die junge Frau griff sich an die Brust. Dorthin, wo der Schlag ihre Zwillingsseele getroffen hatte. Sie stöhnte. „Was habe ich gesagt? Ihr habt keine Ahnung von der Macht des Zepters!“ Wie um seine Worte zu unterstreichen, segelte plötzlich ein Schatten durch die Nacht. Riell und seine Schwester konnten sich im letzten Moment durch einen Sprung zur Seite retten. Im nächsten Augenblick schlug ein deformierter, zerfetzter Körper an der Stelle auf. Rishas Augen weiteten sich. Es war einer von ihnen. „Wir müssen hier weg!“ Ihr Bruder packte sie am Arm, wollte sie mit sich ziehen. Doch sie versuchte, sich ihm zu entwinden. „Nein! Das Zepter...“ „...werden wir niemals bekommen, wenn wir hier unser Leben lassen! Wir müssen uns eine andere Möglichkeit überlegen! Nun komm!“ Hasserfüllte Blicke streiften Caesian. Riell hatte recht. Dutzende der Ihren würden sterben, wenn sie sich nicht sofort zurück zogen. Etwas, für das sie nicht die Verantwortung übernehmen konnte. Sie fuhr auf dem Absatz herum und eilte ihrem Bruder hinterher. Ihre Ka-Bestie verschwand. Die Zelte flogen an ihnen vorbei. Immer wieder stellten sich ihnen Soldaten in den Weg. Sie ließen sich nicht auf Kämpfe ein, parierten die Hiebe, wenn es nötig war, und hasteten weiter. Das Gelächter Caesians schallte ihnen noch weit hinterher. Wut durchwogte Rishas Körper. Sie hatte versagt. Als sie auch die letzten, provisorischen Behausungen hinter sich gelassen hatten, sprangen sie sogleich auf zwei der Pferde, die noch immer außerhalb ihres Gatters herrenlos umher irrten. Mit heftigen Tritten in die Seite trieben sie die Tiere in die Wüste hinaus, gefolgt von den anderen, die durch Riells stetige Rufe aufmerksam geworden waren. Das wirst du büßen... Bei allen Göttern, dafür wirst du sterben!, war der einzige Gedanke, der Risha noch durch den Kopf schoss, dann ließ sie den Schein der Fackeln im Lager hinter sich und wurde von der Dunkelheit verschluckt. Atemu und Seto beobachteten indes, wie die schwarz gekleideten Gestalten am Horizont in Windeseile das Weite suchten. Dass einige von ihnen den Angriff nicht überlebt hatten, war offensichtlich. Ihre Schreie waren Beweis genug gewesen. „Diese Idioten...“, raunte der Hohepriester, während er sich von der Mauer abwandte. „Ihr solltet in den Palast zurückkehren, mein Pharao. Hier draußen ist es für Euch viel zu gefährlich.“ „Ich bewege mich erst von der Stelle, wenn Ihr mir erzählt habt, wer diese Schattentänzer sind“, erwiderte Atemu. Die Augen aller Umstehenden- Yugi und die anderen waren inzwischen hinzu gekommen- musterten zunächst ihn, ehe sie zu Seto wanderten. Der strenge Tonfall des Herrschers entging niemandem. Der Hohepriester schien einen Moment zu überlegen, seufzte jedoch schließlich. „Sie sind eine Gruppe Aussätziger. Ehe Caesian hier auftauchte, waren sie es, die hier Unruhe stifteten. Doch sie waren im Vergleich zu diesem Kerl ein Nichts.“ „Geht das vielleicht noch ein bisschen genauer?“, schaltete sich Joey ein. Er hatte es noch nie leiden können, wenn Leute in Rätseln sprachen. Seto funkelte ihn kurz an, dann fuhr er fort. „Welche Motive sie genau treiben, wissen wir nicht. Einige von ihnen haben in der letzten Zeit mehrere Morde an Soldaten des königlichen Hofes begangen. Gegen sie wurde bereits die Todesstrafe verhängt. Doch wir konnten sie bislang nicht fassen. Seitdem Caesian aufgetaucht ist, haben sie sich nicht mehr blicken lassen. Vermutlich ist es ihnen doch zu gefährlich geworden, sich in die Nähe der Stadt zu wagen. Warum sie jetzt allerdings ihn angreifen, ist mir ein Rätsel. Man müsste meinen, Men-nefers Fall dürfte ihnen gerade recht kommen.“ Seto ließ seinen Blick in die Wüste hinaus schweifen. Seine Miene war todernst. „Macht Euch keine Sorgen, mein Pharao. Sobald Caesian besiegt ist, werden wir uns um diese Bastarde kümmern. Ein jeder von ihnen wird mit der Schlinge um den Hals sein gerechtes Urteil erfahren.“ Yugi wandte sich zu Marik um. Der Ägypter hatte das Kinn in nachdenklicher Pose auf die Hand gestützt und murmelte immer wieder den Begriff 'Schattentänzer' vor sich hin. „Weißt du etwa mehr darüber?“, hakte der Kleinere schließlich nach. Doch der Angesprochene schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht viel. Die Bezeichnung habe ich schon einmal gehört, und ich glaube mich zu erinnern, dass diese Gruppe als okkulter Zirkel verschrien ist. Aber mehr fällt mir beim besten Willen nicht ein.“ „Okkult? Inwiefern?“, kam es nun von Joey. Die Antwort erhielt er von Seto. „Gerüchten zufolge sollen sie sehr religiös sein- was sie auch überhaupt erst zu Aussätzigen macht. Denn sie beten nicht irgendwelche Gottheiten an. Als ihr oberster Gott gilt Seth, Herrscher der Wüste und des Chaos.“ „Kein Gott also, den man anbeten und darum bitten sollte, seiner Bestimmung nach zu kommen...“, fügte Ryou hinzu. „Also irgendwie klingt das beunruhigend“, warf Tea ein. „Erst dieser Caesian und jetzt auch noch Schattentänzer...“ In dieser Nacht schlief Atemu kaum. Die meiste Zeit lag er wach und starrte an die Decke seines Gemachs hinauf. Sie hatten entschieden, Caesian erst dann anzugreifen, wenn er den ersten Schritt machte. Doch wann würde das sein? Vielleicht schon morgen? Er seufzte. Im Endeffekt konnte er nur warten. Ein Umstand, der ihm alles andere als genehm war. Aber welche Wahl blieb ihm? Er würde die Krieger Ägyptens nicht unnötig in eine Schlacht schicken und ihre Leben auf's Spiel setzen. Noch immer plagte ihn die Hoffnung, dass Caesian vielleicht einfach abziehen würde. Doch sie schwand von Minute zu Minute. Gewiss war sein Name bekannt. Und ja, er würde auch den einen oder anderen Feind Ägyptens zurück schrecken lassen. Dabei ging es ihm aber nicht um den Ruhm, der damit verbunden war. Sondern vielmehr darum, dass es unnötige Tode verhindern würde. Nutzlose Konflikte, die nicht sein mussten. Es pochte leise an der Türe. Er antwortete, kurz darauf trat Mana ein. „Ich habe schon geahnt, dass Ihr noch nicht schlaft. Da dachte ich, ich sehe noch einmal nach Euch“, erklärte sie ihr Erscheinen auch sogleich. Atemu erwiderte ihr scheues Lächeln und setzte sich auf. „Seto hat mir von dem Vorfall im Lager erzählt“, fuhr die junge Magierin auch sogleich fort. „Wenn sich jetzt auch noch die Schattentänzer in diesen Krieg einmischen... die Katastrophe wäre perfekt.“ „Was weißt du über sie?“, fragte der Pharao schließlich. „Nicht viel mehr als Seto. Was hat er Euch denn erzählt?“ Atemu berichtete ihr von den Aussagen des Hohepriesters. Schließlich nickte sein Gegenüber. „Mehr vermag auch ich nicht zu berichten. Es ist schwer, etwas über sie in Erfahrung zu bringen. Sie meiden das Volk und werden wiederum von der Gesellschaft ausgeschlossen. Die meisten- mich eingeschlossen- verstehen einfach nicht, weshalb sie diese Götter anrufen. Gewiss, auch wir opfern Gottheiten wie Seth oder Sachmet, doch wir flehen sie nicht an, ihres Amtes zu walten. Ich meine, wer würde schon wollen, dass der Herrscher des Chaos seine Macht demonstriert?“ „Irgendeinen Grund muss es geben, weshalb sie so gegen uns sind“, erwiderte Atemu. „Ich kann nicht glauben, dass dies ausschließlich von ihrer anderen Ansicht und der Tatsache, dass sie gemieden werden, herrührt. Vor allem frage ich mich eines. Wenn es wirklich so wäre, dass sie alleine aus diesem Grund Menschen töten, warum handelt es sich dabei nur um Soldaten Ägyptens? Sie greifen nur eine bestimmte Gruppe an. Kann es sein, dass man sie verfolgt hat?“ Mana schüttelte den Kopf. „Nein. Zwar waren die Schattentänzer vielen Leuten ein Dorn im Auge, aber man hat ihnen nie ein Leid zugefügt. Sie verehren böse Gottheiten, die Verdammnis über dieses Land bringen können, wenn man sie erzürnt. Man hatte Bedenken, dass Seth wütend sein könnte, würde man seine Jünger angreifen. Außerdem geschahen diese Morde erst vor Kurzem, davor war der Clan lediglich ein Haufen von Aussätzigen, die im Verborgenen gelebt und sich selten gezeigt haben. Ab und an haben sie Karawanen überfallen oder mal ein Dorf geplündert, ansonsten haben sie sich völlig vom Rest Ägyptens abgeschottet. Beinahe so, als wollten sie jeden Kontakt vermeiden.“ Atemu nickte. „Gut, aber irgendeinen Grund muss es geben. Wenn sie Soldaten angreifen, die Ägypten unterstehen... könnte es sein, dass sie gegen irgendetwas rebellieren wollen? Irgendeinen Zorn gegen uns hegen? Anders kann ich mir das nicht erklären. Einen Grund muss es geben. Irgendwelche Beweggründe müssen sie dazu bringen, derartig zu handeln. Woher wissen wir überhaupt, dass diese Morde von ihnen begangen wurden?“ „Das Zeichen der Sachmet war neben den Toten auf den Boden gemalt worden. Mit Blut. Und da diese Göttin eben eine ist, die bei ihnen am höchsten verehrt wird, glauben wir, dass sie etwas damit zu tun haben könnten. Aber absolut sicher können wir uns natürlich nicht sein- auch wenn Seto das anders sieht. Für ihn sind die Schattentänzer die Wurzel des Übels.“ Plötzlich schnippte Mana mit den Fingern. „Mir kommt da eine Idee!“ Auf Atemus fragenden Blick hin fuhr sie fort. „Ich denke ich weiß, wer uns darauf eine Antwort geben könnte, weshalb der Clan für die Morde verantwortlich sein könnte. Und derjenige sitzt praktischer Weise nicht weit weg im Kerker.“ Der Pharao zog eine Augenbraue nach oben. „Du denkst, Bakura könnte uns weiterhelfen?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Einen Versuch ist es wert, oder? Vielleicht hatte er irgendwann einmal Kontakt zu anderen Menschen, die ähnlich dachten wie er- die der Meinung waren oder sind, Ägypten wäre ohne die Herrschaft seiner Pharaonen besser dran. Ihr wisst doch: Egal wie gutmütig und fähig ein König ist, es wird immer welche geben, die man nicht zufrieden stellen kann. Vielleicht gibt es tatsächlich Schattentänzer, die nicht einfach nur ihre Götter anbeten, sondern ihren Glauben verbreiten wollen und deshalb zornig auf Euch sind. Wenn er schon einmal so jemanden getroffen hat, kann er uns eventuell mehr berichten. Selbst, wenn er im Endeffekt alleine gearbeitet hat- man tauscht sich doch immer mit anderen aus, die ähnlich denken, oder?“ „Gut“, befand Atemu schließlich. „Finden wir es heraus.“ Zur selben Zeit schlichen zahlreiche Wachen auf den Mauern Men-nefers umher. Sie alle trugen ihre Speere hoch erhoben, beobachteten jeden Fleck der Wüste, die sich unterhalb der Stadt dahin zog. Lediglich einer von ihnen hatte inne gehalten und lehnte an dem kalten Stein, der die Stadt schützen sollte. Er hatte sich auf die Lanze gestützt. Sein Kopf hing schlaff herunter. Seit Tagen schon hatte er nicht mehr geschlafen. Seine Frau beschwerte sich bereits, dass sie ihn kaum noch zu Gesicht bekommen würde- und das in Zeiten wie diesen. Er verstand, was sie damit sagen wollte. Sie hätte sich ihn an ihrer Seite gewünscht. Auch ihm ging es nicht anders. Auch er fürchtete sich vor all den Dingen, die da noch kommen mochten. Er hatte schon unzählige Kameraden sterben sehen. Vielleicht war er der Nächste? „Darf ich fragen, was Ihr da tut?“, riss ihn plötzlich eine schneidende Stimme aus den Gedanken. Augenblicklich schreckte der Wächter hoch. Sein Gesicht wurde bleich wie Kreide, seine Augen weiteten sich. „Pha... Meister Seto! Bitte verzeiht, ich... das war dumm von mir. Es wird nicht wieder vorkommen, das schwöre ich Euch!“ Die kalten, blauen Augen des Hohepriesters schienen den Mann regelrecht zu durchbohren. Er wartete absichtlich einen Moment, um das Bangen des Kriegers noch weiter zu schüren, ehe er antwortete. „Geht zurück auf Euren Posten. Sollte ich noch einmal sehen, wie Ihr während Eures Dienstes die Aufmerksamkeit vernachlässigt, werdet Ihr beim nächsten Gefecht an vorderster Front stehen, verstanden?“ Der Mann nickte erschrocken, eilte dann jedoch sofort davon. Seto blieb alleine zurück... und biss sich schon nach kurzer Zeit auf die Unterlippe. Hätte er nicht befürchten müssen, beobachtet zu werden, er hätte mit der Faust gegen die Stadtmauer geschlagen. Seine Hände zitterten. Er hätte sich selbst ohrfeigen können. Was sollte das? Warum drohte er diesem einfachen Mann, der nach Tagen des Wacheschiebens völlig erschöpft war, so etwas an? Wieso hatte er sich nicht beherrschen können? Diese Aussage, diese... Drohung, jemanden in der nächsten Schlacht in die vorderste Reihe zu stellen, implizierte doch, dass er noch immer Bedenken hatte, die Stadt retten zu können. Er nahm den Menschen mit derlei Worten einen Teil ihrer Hoffnung. Eine Hoffnung, die es vielleicht gar nicht mehr gab? Er stützte sich auf der Mauer ab und blickte in die Unendlichkeit der Wüste hinaus. Wenn dem wirklich so war, wenn Men-nefer nicht mehr gerettet werden konnte... dann war all das ganz alleine seine Schuld. Er hatte als Herrscher Ägyptens versagt, den Feind viel zu weit vorrücken lassen. Und letztendlich seinen eigenen Cousin aus dem Totenschlaf reißen müssen. Er biss sich erneut auf die Unterlippe und schmeckte Blut im Mund. Hatte er wirklich geglaubt, Atemu jemals ebenbürtig werden zu können? Er lachte heißer auf, als er sich daran erinnerte, wie Bakura damals in den Palast eingedrungen war und alle Hüter der Milleniumsgegenstände zugleich zum Kampf aufgefordert hatte. Danach hatte er Mahad Vorwürfe gemacht, weil dieser für die Sicherheit der königlichen Bauten zuständig gewesen war. Immerzu war Seto sich sicher gewesen, es besser machen zu können, als alle anderen. Und nun? Nun stand er hier, mit dem Wissen, dass er versagt hatte. Unwillkürlich wanderten seine Gedanken weiter. Zu einem Menschen, den er längst hatte vergessen wollen, und der doch in Form seiner Ka-Bestie immer präsent war. Kisara. Niemals hatte er sie aus seinem Denken verbannen wollen, weil er eine Abneigung gegen sie verspürte. Nein. Ganz im Gegenteil. Es tat einfach viel zu sehr weh, sich an sie zu erinnern. An ihre strahlenden Augen, die ihm fortwährend versichert hatten, dass sie an ihn glauben würde, egal, was geschah. Ihr Haar, das sich sanft im Wind wiegte. Ihre weiße Haut, die so aus der Masse hervor stach und sie doch nur noch hübscher machte. Warum nur war nicht auch sie zurück gekehrt? Hatte das Schicksal ihr keinen neuen Platz in dieser Welt zugedacht? Er ballte die Hände zu Fäusten. „Wenn du mich jetzt sehen könntest... würdest du dann noch immer an mich glauben, Kisara?“, flüsterte er in die Nacht hinaus. Der Morgen war noch fern, als sich der Pharao und Mana hinab in die Kerker begaben. Der Grabräuber hatte das Angebot, sich in der Stadt bewegen zu können, abgelehnt. „Was glaubst du, weshalb er das getan hat?“, meinte die Magierin schließlich. Sie waren inzwischen vom formellen 'Euch' und 'Ihr' abgewichen. Atemu zog eine Augenbraue nach oben. „Wovon sprichst du?“ „Davon, dass er lieber in diesen verrotteten Gemäuern bleibt, als draußen herum zu laufen. Warum hast du Seto eigentlich dazu veranlasst, Marlic und ihm dieses Angebot zu machen? Irgendwie verstehe ich das nicht ganz.“ Ihr Blick war kritisch. Der junge König zuckte mit den Schultern. „Du scheinst, was das angeht, skeptisch zu sein.“ „Nicht skeptisch... nun, doch, vielleicht ein bisschen. Aber ich würde es eher verwundert nennen.“ „Weißt du, Mana... ich glaube nicht, dass ein Mensch durch und durch böse sein kann. Viele Leute, die mir einst feindlich gegenüberstanden, sind letztendlich schon meine Freunde geworden. Es hilft nichts, jemandem nur immer wieder seine Fehler aufzuzeigen und ihn auf ewig zu verurteilen. Ein jeder ist in der Lage, sich zu ändern. Doch dazu muss man ihm erst einmal die Chance geben.“ „Und du glaubst wirklich, Bakura hat so eine verdient?“, hakte seine Freundin nach. Atemu blieb stehen. „Denkst du, Anubis hätte ihn zurück geschickt, wenn er nicht auch davon ausgehen würde? Die Götter wissen, in welch misslicher Lage sich unsere Heimat befindet. Ich glaube nicht, dass er uns eine weitere Bürde auferlegen würde. Also muss es einen anderen Grund geben, weshalb er ausgerechnet Bakura und Marlic in die Welt der Lebenden gesandt hat.“ Mana senkte betrübt den Blick. „Mir wäre es lieber, wäre es Mahad oder einer der anderen gewesen...“, meinte sie mit trauriger Stimme. Kurz darauf spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter. Als sie aufsah, blickte sie in das lächelnde Gesicht ihres Kindheitsfreundes. „Das kann ich verstehen.“ Sie gingen weitere Stufen hinab. Die Magierin rieb sich die frei liegenden Oberarme. Sie fröstelte. „Mir ist schleierhaft, wie man freiwillig hier unten bleiben kann...“, murmelte sie, als sie die ersten Wachen passierten. „Mana? Wie geht es Seto eigentlich wirklich?“ Für einen Moment sah die Magierin verwundert drein, dann begriff sie, worauf Atemu hinaus wollte. „Das kann ich nicht sagen. Niemand kann das, denke ich... Er spricht nicht gerne über die Dinge, in die sein Vater verstrickt gewesen ist. Und auch Kisaras Tod scheint nicht spurlos an ihm vorüber gegangen zu sein.“ Nur zu verständlich. Atemu konnte sich noch gut an damals erinnern. Sie hatten mit angesehen, wie aus Akunadin ein Priester der Finsternis geworden war. Kurz darauf hatte sich heraus gestellt, dass der Onkel und ehemalige Schützer des Pharao zudem der Vater von Seto war. Er hatte gar Kisara rücksichtslos getötet, als sie sich ihm in den Weg gestellt hatte. Alles nur, um seine Pläne zu verwirklichen. Letztendlich hatte sich das eigene Blut jedoch gegen Akunadin gewandt. Seto selbst hatte seinen Vater erstochen. Schließlich erreichten sie die Zelle, in der Bakura untergebracht worden war. Die Wachen auf dem Gang erkundigten sich lediglich kurz, was ihren Herrscher zu so später Stunde hinab in die Gemäuer des Palastes führte. Dann wichen sie von der Tür zurück und entfernten sich ein Stück. Atemu wechselte noch einen letzten Blick mit Mana, auf deren Gesicht Schatten und das Licht der Fackeln um die Vorherrschaft kämpften. Dann klopfte er. Wie zu erwarten war, kam keine Antwort. Er versuchte es erneut, doch abermals wurde nicht reagiert. Schließlich drückte er die Klinke einfach herunter. In der Kammer herrschte völlige Dunkelheit. Lediglich durch die winzige Öffnung, die als Fenster diente, flutete ein wenig Mondlicht herein. Ihre Augen brauchten einen Moment, ehe sie sich an die Schatten gewöhnt hatten. Noch während sie eintraten, hörten sie das Rascheln von Stoff. Dann drang eine Stimme an ihre Ohren, die kaum mehr als ein bitteres Zischen war. „Was willst du?“ Aus der Dunkelheit schälte sich schließlich eine Gestalt. Atemu konnte nicht leugnen, dass er für einen kurzen Moment zusammen zuckte, als sein Gegenüber in den Schein des Mondes trat. Seine Züge waren hart wie eh und je. In den fliederfarbenen Augen lag ein Funkeln, das von Abscheu zeugte. Er hatte sich zu voller Größe aufgerichtet. Alles war ihm recht, doch er würde nicht zulassen, dass der Pharao ihn jemals am Boden sah. Das wusste Atemu. Auch wenn sein Körper etwas ganz anderes sprach. Er wirkte erschöpft. „Ich möchte dich etwas fragen“, erwiderte Atemu schließlich. Ein abwertendes Schnaufen war zu hören. „Und wieso sollte ich dir irgendwelche Antworten geben?“ „Weil er der Pharao von Ägypten ist!“, fauchte Mana dazwischen. Doch auch das schien den Grabräuber nicht im Geringsten zu kümmern. „Hat mich dieser Umstand jemals interessiert?“, giftete er zurück, ehe er sich abwandte und zu dem Fenster hinüber ging. Die nächtliche Brise umspielte seine Haare. Atemu entschied, dass es nichts bringen würde, ihn freundlich zu bitten. „Hast du jemals etwas von den Schattentänzern gehört?“, fragte er deshalb frei heraus. „Sehe ich so aus? Jetzt lasst mich endlich in Ruhe.“ „Soll das heißen, du weißt nichts über sie?“ Bakura schlug mit der Faust auf den Sims des Fensters. „Was bitte sollte ich mit einem Haufen von abergläubischen Spinnern zu tun haben? Und jetzt zieh endlich Leine.“ Die letzten drei Worte hatte er besonders betont. Seine Augen funkelten gefährlich. Wieder schaltete sich Mana ein. „Mich würde da mal etwas ganz anderes interessieren, wenn unser großer 'König der Diebe' uns darüber nichts zu erzählen weiß.“ Sie trat einen Schritt nach vorne und ballte die Hände zu Fäusten. „Was treibst du hier eigentlich? Hast du überhaupt eine Ahnung, wie großzügig es von Atemu war, dich nicht auf ewig hier einzusperren, nach allem, was du getan hast?“ Bakura hatte den Blick wieder nach draußen gewandt. Doch nun begann ein Muskel an seiner Schläfe gefährlich zu zucken. „Na los, sag schon! Ist das hier wieder irgendein Spielchen von dir? Hm? Oder traust du dich nach deiner grandiosen Niederlage einfach nicht mehr, dein Gesicht in der Öffentlichkeit zu zeigen?“ „Mana, das reicht!“ Doch Atemus Einwand kam zu spät. Sie hatte den Bogen bereits überspannt. Wie vom Blitz getroffen fuhr Bakura herum. „Verdammte Scheiße nochmal, verpiss' dich endlich, du kleines Miststück! Ich brauche eure Almosen nicht, kapiert? Lieber verrotte ich in diesem Kerker, als auch nur ein Angebot von unserem wunderbaren König anzunehmen!“ Sein Blick traf den des Pharao. Unendliche Wut, nein, brennender Hass, loderte darin. „Was glotzt du so?“ „Ich glotze nicht, Bakura. Ich empfinde lediglich Mitleid mit dir.“ Mit diesen Worten machte er auf dem Absatz kehrt und zog Mana mit sich aus der Kammer hinaus. Die Tür fiel krachend hinter ihnen ins Schloss. Zurück blieben Dunkelheit und Stille, die eine einzelne Seele umhüllten wie ein endloses Meer, aus dem es kein Entrinnen gab. Wie erstarrt, stand Bakura da und rührte sich keinen Zentimeter. Mitleid? Er taumelte nach hinten, bis er die Wand im Rücken spürte, dann sank er daran zu Boden. War es nicht genug, dass Anubis ihn zurück in diese verdammte Welt geschickt hatte? An den Ort, wo er zu Grunde gegangen war? Wo er all die Hoffnungen, die Toten seines Dorfes zu rächen, verloren hatte? Er presste die Nägel in die Handflächen, dass es schmerzte. Hatte er nicht irgendwann genug gelitten? Reichte die Qual nicht längst? Womit hatte er das verdient? Womit hatte er verdient, dass sein Erzfeind nicht einmal mehr Hass auf ihn verspürte? Wieso bekam er stattdessen diese erniedrigende Empfindung entgegen gebracht? Warum ausgerechnet Mitleid? Er schickte einen stillen Fluch in die Nacht hinaus. Einen Fluch, der ganz alleine Anubis galt. Er hatte nie an die Gnade der Götter geglaubt. Doch spätestens jetzt war er sich sicher, dass sie ihren Blick stets von ihm abgewandt hatten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)