Die Seele der Zeit von Sechmet (Yu-Gi-Oh! Part 6) ================================================================================ Epilog: Am Ende des Weges ------------------------- Seine Gedanken ein letztes Mal ordnend schritt Atemu auf die Empore zu, von der aus er die angesetzte Ansprache an sein Volk richten würde. Der Vorhof des Palastareals war gefüllt mit Menschen, die darauf warteten zu erfahren, was ihr Pharao in Anbetracht der zurückliegenden Ereignisse sagen würde. Das Gemurmel der Menge drang bis zu ihm herauf. Dies würde seine letzte Handlung als amtierender Pharao von Ägypten sein. Er hatte lange überlegt, was er sagen sollte, was er seinen Untertanen mit auf den Weg geben wollte. Er würde zur Sprache bringen müssen, was sie in diesem Krieg verloren hatten. Er wollte sie aber auch mit Hoffnung im Herzen in die Zukunft blicken lassen. Seine Gedanken wanderten zu dem, was nach dieser Ansprache passieren würde. Sie hatten lange überlegt, wie sie mit der Tatsache umgehen sollten, dass Atemu bald nicht mehr zugegen sein würde. Diskussionen über Diskussionen waren geführt worden, bis sie sich schließlich für einen der umständlicheren, aber womöglich besten Wege entschieden hatten, die Sache anzugehen: man würde das wahre Schicksal des Pharao vor dem Volk verbergen. Eigentlich lagen Atemu derartige politische Spiele überhaupt nicht, aber er glaubte dennoch, dass dies die beste Lösung für alle sein würde. Die Befürchtungen Setos, Manas und Atemus waren ähnlich gewesen, als sie darüber nachgedacht hatten, dem Volk zu erklären, war ihrem amtierenden Herrscher bevorstand. Ägypten befand sich aufgrund des Schaden, den Caesian angerichtet hatte und angesichts des Trümmerfeldes, das er hinterließ, in einer Zeit des Umbruchs. Das Volk war ohnehin schon entwurzelt genug – ihre Verwirrung noch weiter zu schüren, indem man ihnen erzählte, Atemu sei von den Toten auferstanden, könnte jetzt aber nicht bleiben, weil das Ägypten noch mehr schaden würde, war nicht zielführend. Hinzu kam, dass sie den Bildungsgrad, den ein durchschnittlicher Ägypter genoss, berücksichtigen mussten. Darüber hinaus war das ägyptische Volk zwar ein sehr religiöses, es handelte sich dabei allerdings mehr um eine situationsabhängige Religiosität. Kulte bestimmter Götter wurden mal mehr, mal weniger zelebriert, der Fokus wechselte immer wieder über die Jahrhunderte hinweg. Sie sahen das Risiko eines Aufstandes, erklärte man dem einfachen Volk, dass es die Götter waren, die ihren Erlöser aus ihrer Mitte rissen. Und da Atemu aus erster Hand wusste, dass die Götter definitiv real und mächtig waren sowie durchaus gefährlich sein konnten, wollte man vermeiden, hier einen Konflikt zu riskieren. Deshalb würde man der Bevölkerung stattdessen eine Geschichte auftischen, die bis ins kleinste Detail ausgearbeitet war und von der nur der engste Kreis des Pharao wusste. Ein, zwei Umläufe nach der jetzigen Ansprache würde man verkünden lassen, dass sich eine von Atemus Kriegsverletzungen entzündet hätte und Seto vorübergehend die Geschicke des Landes lenken würde, bis er genesen war. Sein Zustand würde sich in den folgenden Tagen jedoch vorgeblich soweit verschlechtern, dass Atemu das Amt schließlich auch offiziell an den Hohepriester übergeben und kurz darauf sterben würde. Anschließend würden die Bestattungsriten, wie es beim Tod eines Regenten üblich war, in Gang gesetzt: es würde eine Trauerfeier geben, eine rituelle Mumifizierung bis hin zu der eigentlichen Beisetzung samt Prozession. Sie hatten lange darüber nachgedacht, wie sie gerade diesen Teil des Plans umsetzen wollten. Vor allem die Mumifizierung stellte einen Stolperstein dar. Sie konnten unmöglich den ganzen beteiligten Priesterkorpus in ihr Vorhaben einweihen, ohne zu riskieren, dass etwas nach außen drang. Einen großen Teil dieses Geschehens konnten sie zum Glück auf Seto abwälzen, der immerhin lange Zeit als Hohepriester fungiert hatte, und es sich offiziell nicht nehmen lassen würde, die erforderlichen Riten an seinem Vetter selbst durchzuführen. Die Stellen, an denen es sich nicht vermeiden ließ, andere Priester hinzuziehen, würden hingegen in Manas Verantwortung liegen. Sie hatte einen Nachmittag lang alte Bücher und Schriften gewälzt und schließlich einen Illusionszauber gefunden, der einem Menschen das Aussehen eines anderen verleihen konnte. Dafür brauchten sie jedoch trotz allem einen Leichnam. Glücklicherweise würde sich ein solcher relativ leicht und ohne ein allzu schlechtes Gewissen beschaffen lassen. Es gab eine Hand voll Soldaten, die nach den letzten blutigen Auseinandersetzungen noch immer mit dem Leben rangen und im Krieg ihre Familie verloren hatten. Es würde kaum jemand nach ihnen suchen. Im Gegenzug würde der Tote eine Bestattung erhalten, die eines Königs würdig war und normalerweise weit über dem lag, was sich ein einfacher Soldat leisten konnte. Atemu behagte der Gedanke überhaupt nicht, doch er wusste, dass es notwendig war. Nach seinem vermeintlichen Tod würde dann Seto die Regierungsgeschäfte übernehmen und – erneut – zum Herrscher Ägyptens gekrönt werden. Ein Faktor blieb jedoch, den sie nicht beeinflussen konnten: würde das Volk annehmen, Seto habe sich nun, da Atemu nicht mehr gebraucht wurde, seinen Posten mit Gewalt zurückgeholt? Im Zweifel durch eine Intrige? Sie hofften, dass dem nicht so sein würde, dass der Umstand, dass der Hohepriester seinen Platz auf dem Thron freiwillig geräumt hatte, als Atemu zurückgekehrt war, genügte, um derlei Bedenken im Keim zu ersticken. Doch zuvor war es noch einmal an ihm, zum Volk zu sprechen und ihnen den richtigen Weg zu ebnen. Es blieb ihnen nicht mehr viel Zeit. Die Sonne näherte sich für den heutigen Tag bereits ihrem Zenit. Bereits beim morgigen Sonnenaufgang würde er seiner Heimat ein für alle Mal den Rücken kehren müssen, um in ein neues, ungewisses Abenteuer aufzubrechen. Er atmete ein letztes Mal tief durch und ordnete seine Gedanken, legte sich Worte zurecht. Dann trat er auf die Empore hinaus. Sofort brandete Jubel zu ihm herauf, Grüße und Lobpreisungen drangen an sein Ohr. Sein Blick schweifte über die unzähligen Menschen, die auf dem Platz auf ihn warteten. Es waren tausende. Und dennoch fiel sofort auf, dass es nicht mehr so viele waren, wie einst. Ägypten hatte in diesem Krieg so viele seiner Kinder verloren, wie selten zuvor. Er hob die Hand als Zeichen, dass er die Menschen seinerseits grüßte. Danach dauerte es nicht lange, bis sich ihre Aufregung soweit gelegt hatte, dass die Rufe versiegten. An ihre Stelle trat eine gespannte Stille, ein forderndes Schweigen. Sie alle warteten darauf, was ihr Pharao zu sagen hatte. Dieser straffte sich und ließ seinen Blick noch einmal über die Menge wandern, dann hob er zu sprechen an. „Volk Ägyptens! Eine Zeit der Angst und der Zerstörung liegt hinter uns. Was in den vergangenen Zyklen geschehen ist, werden wir noch lange im Gedächtnis behalten. Vielleicht werden wie es gar niemals vergessen, hinterlassen die Ereignisse doch ihre Spuren in unserer Heimat. Spuren, die ebenso wie die Narben auf unserer Haut noch frisch sind. Es wird viel Zeit und viel Geduld brauchen, bis sie verheilt sind. Wir alle haben in dieser Katastrophe etwas verloren. Sei es unser Heim oder unsere Lebensgrundlage, unsere Brüder und Schwestern oder unsere Väter und Mütter. Wir alle tragen tiefe Trauer im Herzen ob des Grauens, das uns heimgesucht hat. Doch wisst, dass keiner von uns alleine ist. Wir alle leiden gemeinsam. Auch ich fühle euren Schmerz. Ich habe zahllose Menschen sterben sehen. Gute Menschen, die ihr Leben gegeben haben, um das eure ebenso zu verteidigen, wie das meine. Menschen unterschiedlichster Abstammung und unterschiedlichsten Glaubens. Doch keiner von uns muss in diesen Stunden alleine bleiben. Wir sind in unserer Trauer vereint. Bitten wir die Götter, dass die, die in diesem Krieg ihr Lebens verloren haben, in das Jenseits einziehen und dort den Frieden finden dürfen, den sie sich verdient haben, indem sie bereit waren, den höchsten Preis zu zahlen, den ein Mensch zahlen kann.“ Zunächst schwoll ein zustimmendes Gemurmel in der Menge an, das sich jedoch schnell wieder legte und einem einträchtigen, andächtigen Schweigen wich. Dennoch konnten einige ihre Emotionen nicht unterdrücken. Hier und da drangen Klagelaute zu ihm herauf, als einzelne Leute in Tränen ausbrachen. Unbewusst wanderten seine Gedanken zu den Menschen, die in diesem Krieg an seiner Seite gefochten und die sie schließlich verloren hatten: Resham, Kipino, Keiro, tausende von loyalen Soldaten, tausende von unschuldigen Zivilisten. Gerade das, was er in Theben miterlebt hatte, würde ihn noch lange in seinen Albträumen heimsuchen, da war er sich sicher. Wie diese Menschen dagestanden hatten, eingenommen von dem Amulett der Bastet, vollkommen regungs- und emotionslos, als die Klingen aufblitzten. Aber auch Taisan kam ihm in den Sinn, der Ägypten nichts schuldig gewesen war und dennoch sein Leben gegeben hatte, um seinem eigenen Bruder Einhalt zu gebieten. Er atmete noch einmal tief durch, ehe er weitersprach. „Und dennoch liegt nicht nur eine Zeit der Trauer vor uns. Nein, so fehlplatziert, wie es nach allem, was wir erleiden mussten, auch wirken mag – wir dürfen uns auch freuen. Darüber, dass Caesian in die Knie gezwungen werden konnte. Darüber, dass Ägypten sich wieder einmal behauptet hat und erneut allen Widerständen trotzen konnte. Darüber, dass wir noch hier sind und vielen weiteren Sonnenaufgängen entgegenblicken können. Wir haben gewonnen! Wir sind frei! Doch das bedeutet nicht, dass wir uns ausruhen können. Es ist großer Schaden entstanden. Aber ich bin zuversichtlich, dass all das, was an Arbeit auf uns zukommt, nichts sein wird im Vergleich zu dem, was hinter uns liegt. Gemeinsam können wir unsere Heimat wiederaufbauen und ihr zu neuem Glanz verhelfen! Men-nefer wird ebenso wie Theben aus der Asche auferstehen. Wir werden denen, die von uns gegangen sind, Gräber anlegen und sie gebührend bestatten. Unsere Zahlen werden sich wieder mehren, die Felder wieder bestellt werden, der Handel florieren. Und gerade weil die Vergangenheit so dunkel war, können wir umso zuversichtlicher in die Zukunft blicken! Männer und Frauen Ägyptens! Gemeinsam sind wir stark! Mit vereinten Kräften können wir dieses Land wiederaufbauen und es stärker machen als je zuvor! Gemeinsam können wir all denen trotzen, die es darauf abgesehen haben, unserer Heimat zu schaden! Es wäre eine Lüge, würde ich hier stehen und behaupten, etwas wie das, was Caesian uns angetan hat, würde nie wieder passieren. Denn weder ich noch sonst irgendjemand kann wissen, vor welche Prüfungen uns das Schicksal noch stellen wird. Doch ich sage: lasst sie kommen! Gemeinsam werden wir dafür sorgen, dass dieses Reich noch tausend weitere Jahre Bestand hat!“ Als Atemu geendet hatte, reckte er eine geballte Faust in die Höhe, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Die Reaktion kam umgehend. Tausende von Menschen imitierten die Geste. Gleichzeitig schrien sie ihre Zustimmung heraus und jubelten ihm zu. Manche riefen immer wieder seinen Namen, gefolgt von den unterschiedlichsten Huldigungen und Lobpreisungen. Er konnte beruhigt sein. Die Bevölkerung Ägyptens würde nicht aufgeben. Sie würde nicht verzagen. Ja, sie würden trauern und diese Trauer würde noch eine ganze Weile spürbar sein. Doch Atemu war sich sicher, dass sie umso gestärkter in die Zukunft gehen würden und für all das gerüstet waren, was diese noch bereithielt. Der Himmel wirkte wie ein Tuch aus schwarzen Samt, das man am Firmament aufgespannt und mit tausenden kleinen Diamanten bestückt hatte. Der Mond war dabei der größte von allen und warf sein silbriges Licht auf die unendlichen Weiten der Wüste hinab. Hier und da waren die Rufe von Schakalen zu hören, die sich jedoch im Schatten der Dünen verbargen. Es war eine wunderschöne, angenehm kühle Nacht, die sich jedoch bereits ihrem Ende näherte. Es würde nicht mehr lange dauern, dann würde der Mond der Sonne weichen müssen, bis er am darauffolgenden Abend zurückkehren konnte. In mitten dieser Szenerie fand sich eine Gruppe von Menschen auf der höchsten Düne östlich von Men-nefer ein. Als sie den Kamm der Erhebung erklommen hatten, sahen sie sich zunächst achtsam um und vergewisserten sich, dass dies wirklich der Ort war, an dem sie erwartet wurden. Als sie sich dessen sicher waren, stiegen sie vom Rücken ihrer Pferde. Für eine Weile starben alle Gespräche und Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. Es war eine erwartungsvolle, aber auch bedrückende Stille. Denn für die meisten von ihnen bedeutete dieser Augenblick einen Abschied – von ihrer Heimat, aber auch von guten Freunden, Alliierten und Familie. „Es kann nicht mehr lange dauern, bis die Sonne aufgeht“, meinte Seto und blickte zum Horizont. „Dann wollen wir mal sehen, wie pünktlich eure lieben Götter sind“, kommentierte Marlic. Ein zuversichtliches Grinsen lag auf seinen Lippen. Außer denen, die diese Sphäre verlassen würden, hatten sich lediglich Mana und Seto eingefunden. Riell hatte sich bereits am Palast von Atemu verabschiedet und ihm alles Gute für seinen weiteren Weg gewünscht. Er hätte sich hier, in diesem Augenblick, jedoch fehl am Platze gefühlt und war daher zurückgeblieben. Dieser Moment gehörte Atemus Vetter und seiner besten Freundin. „Es wird wohl allmählich Zeit, sich zu verabschieden“, sagte Mana. Man hörte ihrer Stimme an, dass sie mit einem Kloß im Hals kämpfte. Nachdem sie sich kurz gesammelt und durchgeatmet hatte, fügte sie hinzu: „Das Zeichen kann jederzeit auftauchen und dann müsst ihr bereit sein.“ Es folgte ein betretenes Schweigen, das Joey, wie so oft, als Erster durchbrach. „Man, was für ein wahnsinniger Ritt … ich kann immer noch nicht richtig glauben, dass das alles wirklich passiert ist. Wäre nach all den Kämpfen echt schön gewesen, noch eine Weile in Friedenszeiten hier bleiben zu können. Aber was will man machen, was? Irgendwann müssen wir nun einmal nach Hause.“ „Ja, so schwer der Abschied auch fallen mag“, pflichtete ihm Yugi bei, ehe er die Hofmagierin und den künftigen Pharao ansah. „Mana, Seto, ich glaube ich spreche für alle, wenn ich sage, dass es uns trotz der Umstände wahnsinnig gefreut hat, euch wiederzusehen. Ihr werdet eure Sache bestimmt gut machen!“ „Genau“, stimmte Marik zu. „Und Ryou und mir war es eine Ehre, euch kennenlernen zu dürfen!“ Der Weißhaarige neben ihm nickte eifrig. Mana wischte sich schon jetzt verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel. „Wir können euch gar nicht genug für all das danken, was ihr für uns getan habt. Ohne eure Unterstützung wäre dieser Krieg anders verlaufen, da bin ich sicher. Wo immer ihr jetzt auch hingeht, gebt mir gut auf Atemu Acht. Und wer weiß? Vielleicht spielt das Schicksal wieder einmal verrückt und unsere Wege kreuzen sich erneut.“ „Dann aber hoffentlich ohne irgendwelche Kriege im Schlepptau“, warf Tristan ein. „Hey, seht mal! Sieht so aus als käme da doch noch jemand“, merkte Tea an und deutete in Richtung Men-nefer. Tatsächlich näherte sich von dort ein Pferd. Die Dunkelheit machte es schwer, zu erkennen, um wen es sich handelte. Erst als das Tier die Düne hinaufgetrabt kam, erkannten sie die dunklen Umhänge der Schattentänzer. Es dauerte auch nicht lange, bis die beiden Gestalten die Erhebung erklommen hatten und die erste vom Rücken des Pferdes hopste. „Marlic! Puh, ich hab’s noch geschafft! Ein Glück!“ Der Angesprochene starrte mit hochgezogener Augenbraue und ehrlicher Verwunderung Samira an, die strahlend auf ihn zu gerannt kam. „Nervensäge? Was willst du hier?“ Die Kleine kam schlitternd vor ihm zum Stehen. „Na, was wohl? Ich hatte gar keine Möglichkeit mehr, mich anständig von dir zu verabschieden! Aber ich bin ja gerade noch rechtzeitig zurückgekommen!“ „Ähm. Okay. Dann … bye, bye“, erwiderte Marlic und winkte ihr halbherzig zu. Doch die Kleine schüttelte nur belustigt den Kopf. „Ich bin noch nicht fertig, du Dummerchen. Ich hab noch etwas für dich!“ Sie kramte in einem Beutel, der um ihre Hüfte hing, ehe sie ihm eine ihrer putzigen Fäuste entgegenstreckte. „Hand auf!“ Der Ältere war viel zu baff, um zu widersprechen. Seine Verblüffung steigerte sich jedoch ins Unermessliche, als etwas circa drei Zentimeter großes, goldenes auf seine Handfläche fiel. Er hob es näher vor seine Augen, um es trotz der Dunkelheit inspizieren zu können. Es handelte sich um einen kleinen Skarabäus. „Und was genau soll ich damit?“, hörte er sich schließlich fragen. „Das ist ein Glücksbringer! Ich hab‘ zwar nach wie vor keine Ahnung davon, wie es in der Zukunft ist, aber Glück kann man immer brauchen. Vor allem wenn man einen Neuanfang wagt.“ Für einen Moment lang starrten sie sich an. Samira erwartungsvoll, Marlic völlig sprachlos. Dann plötzlich schoss das rothaarige Nervenbündel vor und umarmte ihr endgültig perplexes Gegenüber – so gut sie das bei ihrer geringen Körpergröße eben konnte. Der Ältere verfiel sofort in eine Art Schockstarre. „Danke für alles. Ich werd‘ dich echt vermissen!“, nuschelte Samira irgendwo auf Höhe seines Magens. Marlic starrte sie derweil mit zuckendem Augenlid an. Was …? Und wieso …? Er musste sie schnellstmöglich los werden. Er spürte bereits die Blicke des Pharao und seines Kindergartens auf sich ruhen. Er zog an ihrem Arm, doch das brachte keinen Erfolg. Sie hielt ihn umklammert wie einen Rettungsring auf offenem Meer. So biss er schließlich die Zähne zusammen und tätschelte ihr halbherzig den Kopf. „Ähm, ja, bitte. Und danke. Uhm … Hübsch … also der Skarabäus. Nicht du. Und jetzt sei eine brave Nervensäge und lass mich los.“ Zu seiner Verwunderung tat sie wie geheißen und trat einen Schritt zurück. Als sie zu ihm hochsah, standen kleine Tränen in ihren Augenwinkeln, die sie hastig wegwischte. „Mach’s gut, Marlic!“, sagte sie noch, dann wandte sie sich um und wuselte ebenso schnell zu dem Pferd zurück, wie sie gekommen war. Marlic sah ihr kopfschüttelnd und immer noch sprachlos hinterher, ehe sein Blick zu dem Skarabäus wanderte. Na ja … schien immerhin echtes Gold zu sein. Falls die Götter also keine Ahnung vom Kapitalismus des 21. Jahrhunderts hatten, dann wäre das Ding vielleicht wirklich so etwas wie ein Glücksbringer – in Form von Startkapital. Während Samira nun Marlic dazu gebracht hatte, ausnahmsweise mal keine kecken Worte herauszubringen, war auch Risha vom Pferd gestiegen. Bakura musterte sie einen Moment lang verdutzt aus der Ferne, ehe er sich von seinem Platz auf dem weichen Sand erhob und auf sie zuging. Für einen Augenblick sah er sie mit hochgezogener Augenbraue an, erzeugte damit jedoch keine Reaktion ihrerseits. „Ich dachte, du hattest nicht vor, zu kommen?“, sprach er die zuvor stille Frage schließlich aus. Sie seufzte und wandte den Blick ab. „War auch nicht mein Plan. Aber … irgendwie hätte es sich falsch angefühlt, diese letzte Chance ungenutzt verstreichen zu lassen.“ Bakura zuckte mit den Schultern. „Ich hätte dir keine Vorwürfe gemacht.“ Im Gegenteil. Er hätte es verstanden. Er wusste nicht, wie viel es ihr ausmachte, dass er gehen würde. Doch die letzten Tage, in denen sie verhältnismäßig viel geredet hatten, ließen ihn ahnen, dass es wenigstens nicht spurlos an ihr vorüber gehen würde. Daher hatte er nicht geglaubt, dass sie hier her kommen würde. Wenn er in der kurzen Zeit, die sich miteinander gekämpft hatten, eines gelernt hatte, dann war es, dass Risha Trauer und eigentlich alle negativen Gefühlsregungen mit Zorn konterte. Diesmal gab es jedoch niemanden, gegen den sich dieser hätte richten können – zumindest nichts Irdisches, das sie greifen konnte. Doch nun stand sie hier und schien doch selbst keine Ahnung zu haben, warum sie da war. „Ich werde es überleben. Resham ist tot, Kipino ist tot, Keiro ist tot … du bist auch schon mal gestorben. Und ich habe es immer überlebt, auch wenn es sich anfangs nicht so angefühlt hat.“ Sie seufzte. „Immerhin habe ich diesmal die Möglichkeit, Lebewohl zu sagen.“ Ein freudloses Glucksen. „Tja und jetzt stehe ich hier und hab keine Ahnung, wie man sowas überhaupt macht. Normalerweise sterben mir die Menschen unter den Fingern weg, ehe ich irgendwelche berühmten letzten Worte mit ihnen austauschen kann.“ Auch bei ihrer letzten Begegnung am Vorabend war es nicht dazu gekommen. Auf die Frage hin, ob sie da sein würde, hatte sie lediglich gemeint, dass er nicht mit ihr rechnen sollte. Dann hatte sie auf dem Absatz kehrt gemacht und war verschwunden. Bakura wusste nicht direkt, was er auf ihre Worte hin erwidern sollte. Stattdessen wanderte sein Blick zu Samira hinüber. „Hast du dich inzwischen entschieden, ob du bleiben wirst?“ „Ja … Ich weiß nicht, ob dieser Entschluss von Dauer sein wird, aber … so sehr ich Riells Entscheidung missbillige, ich kann ihnen nicht einfach den Rücken kehren. Sie haben viel für mich getan. Und sie brauchen tatsächlich jemanden, der die Dinge in Frage stellt.“ Sie sah ebenfalls zu der kleinen Schattentänzerin hinüber. „Außerdem bin ich es Resham schuldig, auf Riell aufzupassen.“ „Du schuldest niemandem etwas“, entgegnete Bakura. „Es ist dein Leben, nicht das seine.“ „Und doch würde es sich wie Verrat anfühlen, wenn ich sie zu einer so heiklen Zeit verlasse. Es ist viel passiert. Nichts ist mehr, wie es vorher war.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Mal sehen, ob ich dabei bleibe, wenn sich das Schlimmste gelegt hat. Aber vorerst ist das mein Plan.“ Bakura schnaubte. „Na ja. Immerhin hast du einen.“ Sie musterte ihn prüfend. „Wird es dir dort gut gehen, wo du hingehst?“ Die Frage kam überraschend und war für ihre Standards ungewohnt … besorgt. Umso mehr fragte sich der Grabräuber, was er darauf erwidern sollte – denn eigentlich wusste er keine Antwort darauf. Immerhin befand er sich im Begriff, eine Reise ins Ungewisse anzutreten. Schließlich entschied er sich jedoch dagegen, genau das zu sagen. Es würde sie nur unnötig beunruhigen. „Klar. Ich bin der König der Diebe. Ich komme überall zurecht. Und dieses Zeitalter, in das ich gehe, hat durchaus gewisse Vorzüge. Zumal es mir nicht unbekannt ist. Also ja, es wird alles gut gehen.“ „In Ordnung“, meinte sie, nachdem sie ihn noch einen Moment lang eingehend gemustert hatte. „Um Keiros Bestattung musst du dich jedenfalls nicht sorgen. Das verspreche ich. Es wird alles so geschehen, wie es die Riten vorsehen.“ Ihr Blick wanderte ebenso wie Bakuras zum Horizont. Noch war die Sonne nicht aufgegangen, doch der Himmel begann im Osten bereits, einen violetten Farbton anzunehmen. „Es wird wohl langsam Zeit“, meinte Risha schließlich. „Ich … also …“ Es hätte nur noch gefehlt, dass sie mit dem Fuß scharrte. Sie stand da und schien nicht zu wissen, ob sie etwas sagen sollte und wenn ja was. So druckste sie lediglich herum, fing immer wieder Sätze an, nur um sie dann abzubrechen. Bakura fuhr schließlich dazwischen. „Ich hätte da noch eine Bitte.“ Sofort richtete sich ihr Blick wieder auf ihn. „Ich höre?“ „Mach dem da“, meinte er mit Kopfnicken Richtung Seto, „wenigstens auf bürokratischer Ebene das Leben madig. Und der Hexe gleich mit.“ Zum ersten Mal seit Beginn des Gesprächs huschte ein Lächeln über Rishas Züge. „Geht klar.“ Danach trat wieder dieses unangenehme Schweigen zwischen sie und ihre Augen suchten abermals den Horizont. „Meinst du, wir sehen uns noch einmal wieder? Ich meine, mir ist bewusst, dass es nicht in diesem Leben sein wird. Aber vielleicht ja in der Nachwelt?“, äußerte die Schattentänzerin letztlich den Gedanken, der ihr die ganze Zeit durch den Kopf ging. Bakura zuckte mit den Schultern. „Je nachdem, was Ammit von unseren Herzen hält. Aber wenn ich in all dem Chaos, das mein Leben ist, eines gelernt habe, dann, dass alles möglich ist.“ „Gut. Dann hoffe zumindest ich auf das Beste. Nicht, dass ich dir einen baldigen Tod wünschen würde, ich hoffe du versteht, wie …“ „Risha?“ „Ja?“ „Lass die Wortklauberei sein. Du kannst lange nach den richtigen Worten suchen und wirst sie trotzdem nicht finden. Es gibt keine Worte für eine solche Situation.“ Er sah sie an. „Manchmal muss gar nichts gesagt werden.“ Perplex beobachtete sie, wie er schließlich einen Arm in ihre Richtung hob. Prüfend sah sie ihn an – immerhin lange genug, damit Bakura genervt die Augen verdrehte. „Jetzt komm schon her. Die Sonne geht gleich auf.“ Für einen Moment reagierte sie nicht, dann schüttelte sie den Kopf und nahm die angebotene Umarmung an. „Pass gefälligst auf dich auf. Ich habe keine Lust, nochmal durch Zeit und Raum reisen zu müssen, um deinen Hintern zu retten“, sagte Bakura nach einem Augenblick des innigen Schweigens. „Du ebenso.“ Damit lösten sie sich voneinander, hielten noch einen Moment lang Blickkontakt. Dann raffte Risha die Kapuze ihres Umhangs über den Kopf, wischte sich flüchtig über die Wange und ging zurück zu ihrem Pferd, während das verheißungsvolle Violett am Horizont an Intensität gewann. In einiger Entfernung nickte Mana ihrem Kindheitsfreund aufmunternd zu. „Jetzt ist es jeden Moment soweit, Atemu. Du trittst dein nächstes großes Abenteuer an.“ „Allerdings“, erwiderte er mit Blick in die Ferne. Dann wanderten seine Augen zu seinem Vetter und seiner besten Freundin. Zunächst ging er auf Seto zu, der jedoch noch das Wort ergriff, bevor Atemu sprechen konnte. „Mein Pharao“, er schüttelte den Kopf und korrigierte sich hastig, „Atemu, ich danke dir – für alles. Und ich bitte abermals um Vergebung dafür, dass wir uns anmaßten, deine Ruhe zu stören. Ich hoffe von Herzen, dass du dort, wo dich dein Weg nun hinführt, den Frieden findest, der dir bislang nicht vergönnt gewesen ist. Ich versichere dir, dass wir alles in unserer Macht stehende tun werden, um Ägypten zu beschützen.“ „Es ist keine Entschuldigung nötig, Seto. Du hast getan, was nötig war. Ich bin dankbar für dein Vertrauen – und diese neue Chance, die ich nie bekommen hätte, wäre ich im Totenreich geblieben. Ich bin sicher, du wirst ein großartiger Pharao sein. Immerhin ist das Amt für dich nicht neu. Du hast es schon einmal hervorragend bekleidet. Ich wünsche dir alles Gute – auch für deine Zukunft mit Kisara.“ „Vielen Dank. Dir ebenso, mein Pharao.“ Sie reichten einander die Rechte, während sie sich mit dem freien Arm knapp, aber freundschaftlich umarmten. Danach wandte sich Atemu an die Hofmagierin. Diese hatte sich derweil von Yugi und den anderen verabschiedet. Bereits jetzt rannen ihr Tränen über die Wangen, die noch stärker hervorquollen, als sie sich ihrem Regenten zuwandte. Atemu lächelte sie aufmunternd an und breitete die Arme aus. „Komm her“, forderte er sie auf. Es dauerte keinen Wimpernschlag, dann fand er sich in ihrer Umarmung wieder. „Alles Gute“, schluchzte sie. „Möge Ra dich stets auf deinem Weg begleiten und mögen die Götter dich segnen, Atemu. Du bist das Beste, was Ägypten je passiert ist. Ich werde dich niemals vergessen, das schwöre ich.“ „Und ich dich ebenso wenig, Mana. Seto und du, ihr werdet für immer in meinem Herzen sein. Und eines Tages, wenn wir unsere letzten Atemzüge getan haben, werden wir uns wiedersehen – da bin ich mir vollkommen sicher.“ „Ja“, stimmte sie mit erstickter Stimme zu, ehe ein kleines Lächeln über ihre Lippen huschte. „Und dann werden wir gemeinsam mit Mahad jede Menge Popcorn essen!“ Atemu konnte sich ein kurzes Lachen nicht verkneifen. „Das werden wir tun, ja.“ Er löste sich aus ihrer Umarmung, ließ die Hände jedoch noch auf ihren Schultern ruhen und musterte sie mit einem warmen Lächeln. Dann wischte er ihr eine Träne von der Wange und schüttelte den Kopf. „Und nun trockne deine Tränen. Es liegen große Aufgaben vor euch und eine noch glänzendere Zukunft.“ „Ich weiß ja. Es wäre nur so viel einfacher, wenn diese Zukunft nicht mit einem Abschied beginnen würde.“ Sie atmete einmal tief durch und fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. Atemu nickte verständnisvoll. „Und dennoch würde ich dich ungerne so zurücklassen.“ Sie musterte ihn einen Moment lang, dann schüttelte sie energisch den Kopf, als wolle sie irgendwelche bösen Gedanken vertreiben. Danach blickte sie ihn wieder an, noch immer mit Tränen in den Augen, aber diesmal mit einem breiten Lächeln auf den Lippen. „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich weiß auf mich aufzupassen und bin für das, was uns bevorsteht, bestens gewappnet!“ „Das ist die Mana, die ich kenne“, bestätigte Atemu. „Hey, ich glaube, es ist soweit!“, erklang plötzlich Joeys Stimme hinter ihnen. Ein Blick zum Horizont bestätigte Atemu, dass die ersten Sonnenstrahlen soeben dabei waren, auf sie hernieder zu gehen. Er wandte sich ein letztes Mal zu Mana um. Die wischte gerade wieder eine Träne fort, lächelte jedoch tapfer weiter. „Geh nur“, sagte sie. „Die Zukunft ruft nach dir.“ Sie umarmten sich noch ein weiteres Mal. Dann nickte er ihr ein letztes Mal zu, wandte sich um und ging zu seinen Freunden hinüber. „Alles in Ordnung?“, fragte Yugi, als er zu ihnen trat. „Ja, Partner“, bestätigte der Ältere. „Was auch immer in Domino City auf uns wartet, Atemu“, sagte Tea, „wir sind an deiner Seite!“ „Genau! Du kannst dich voll auf uns verlassen“, stimmte Joey zu. „Aber sowas von! Du wirst sehen, wir haben eine großartige Zeit vor uns!“, warf Tristan ein. „Wir alle werden uns bemühen, dass du dich dort ebenfalls wie zu Hause fühlst“, meinte Ryou mit einem Lächeln. „Die Welt, in die du uns begleiten wirst, bietet zahllose Möglichkeiten, Pharao“, pflichtete Marik bei. „Wann immer du dich nach Ägypten sehnst, kannst du meine Familie und mich gerne besuchen kommen.“ „Und mich in den USA!“, bot Duke an. Atemu ließ seinen Blick über die Gruppe wandern und nickte zuversichtlich. „Vielen Dank, Freunde. Danke für alles. Euer Vertrauen, eure Freundschaft, eure Zuversicht. All das bedeutet mir wirklich viel.“ „Können wir dann vielleicht langsam mal los? Diese Gefühlsduselei macht mir den Magen flau“, tönte plötzlich Marlics Stimme dazwischen. „Angst, dass du doch noch ein Tränchen verdrücken musst, weil du deinen einzigen Fan zurücklässt?“, feixte Joey. „Von wegen. Ich kann nur nicht darauf warten, mir meinen ersten Whiskey hinter die Binde zu kippen und euch Pappnasen endlich los zu sein.“ Bakura trat ebenfalls zu ihnen. „Bringen wir es endlich hinter uns.“ Dann kam der Moment, auf den sie gewartet hatten. Dem Erwachen eines Phönix gleich schoben sich die ersten Sonnenstrahlen hinter dem Horizont hervor und warfen ihr warmes Morgenlicht auf die Wüste hinab. Der Himmel verfärbte sich orange und sah aus, als würde er in Flammen aufgehen. Sie mussten nicht lange nach dem Zeichen suchen, das Sachmet ihnen angekündigt hatte. Sobald das Licht den Sand berührte, begann eine Stelle unmittelbar vor ihnen zu funkeln. Binnen kürzester Zeit gewann der Glanz an Intensität und formte sich zu einem leuchtenden Ankh, das in den Sand eingebettet war. „Das ist dann wohl das Zeichen, von dem die Rede war“, kommentierte der Grabräuber. „Sieht ganz danach aus“, pflichtete Yugi bei. Sein Blick wanderte zu Atemu. „Wie sieht es aus? Bist du bereit?“ Die Augen des Pharao ruhten noch einen Moment lang auf Men-nefer, dann wandte er sich dem Anderen mit einem Lächeln zu und nickte. „Ja, das bin ich, Partner. Es kann losgehen.“ Die Blicke der kleinen Gruppe wanderten noch einmal dorthin zurück, wo Mana und Seto standen. Die Hofmagierin winkte ihnen zu und wünschte ihnen noch eine gute Reise. Sie erwiderten die Geste. Auch Bakura sah noch einmal dorthin zurück, wo Risha und Samira neben ihrem Pferd standen und das Geschehen beobachteten. Sie nickten sich ein letztes Mal zu. „Dann auf drei“, gab Atemu vor. Er atmete ein letztes Mal durch – die letzten Atemzüge, die er hier, in seiner Heimat, tun würde. „Ein – zwei – drei!“ Zeitgleich traten sie vor und standen schließlich vereint auf dem Ankh. Die Reaktion kam augenblicklich. Sand stob einer brandenden Welle gleich auf und hüllte sie ein. Zugleich erstrahlte ein gleißendes Licht, das die Umstehenden blendete, sodass sie sich die Hände vor die Augen halten mussten. Atemu spürte ebenso wie die, die ihn begleiteten, einen starken Sog, der ihn hinfort riss aus Ägypten und hinein in ein neues Abenteuer. Es war ebenso schnell vorbei, wie es begonnen hatte. Keinen Wimpernschlag später zerstob der Sandwirbel in abertausende von kleinen Körnchen, die zu Boden rieselten. Das Licht erlosch. Einzig die Strahlen der Sonne erhellten nun die Wüste. Die Gruppe war verschwunden. Rishas Augen blieben noch einen momentlang an der Stelle haften, an der gerade eben noch ihr Vetter gestanden hatte. Sie biss sich auf die Unterlippe bis es wehtat. Doch schon nach einem Augenblick riss sie eine Stimme aus den Gedanken, die ziellos durch ihren Kopf schwirrten. „Majestät? Weint Ihr etwa?“ Entgeistert sah sie Samira an. „Unsinn. Ich hab lediglich Sand in die Augen bekommen. Außerdem bin ich nicht mehr deine Majestät, also gewöhn dir das ab.“ Sie sah ein letztes Mal dorthin, wo das Ankh erschienen war, dann wandte sie sich entschlossen um. „Lass uns zurückgehen. Es gibt viel zu tun.“ Auch Mana und Seto verweilten noch einen Moment am Ort der Trennung. Der Hohepriester und neue Herrscher seufzte schließlich. „Es wird nie wieder einen Pharao geben wie ihn.“ Mana lächelte unter Tränen. „Das stimmt“, pflichtete sie ihm bei, ehe sie ihn ansah. „Aber das bedeutet nicht, dass sein Nachfolger nicht auf seine ganz eigene Weise seine Spuren in Ägyptens Herz hinterlassen kann.“ Seto kam nicht umhin, ihr Lächeln zu erwidern. „Wollen wir zurückgehen?“, fragte er, nachdem ein Moment der einträchtigen Stille zwischen ihnen vorübergezogen war. „Ja. Lass uns reiten. Eine Menge Aufgaben warten auf uns. Und je eher wir damit beginnen, Atemus Vermächtnis zu festigen, desto besser.“ So preschten sie schließlich zurück gen Men-nefer. Nicht Seite an Seite, aber doch in ihrem Streben vereint: Ägypten zu stärken und zu beschützen. Ungesehen von ihnen materialisierte sich in ihrem Rücken eine Gestalt auf dem Kamm der Düne. Die schwarzen Tatzen trugen sie bis an den höchsten Punkt der Erhebung. Dort ließ sie sich auf ihren kräftigen Hinterbeinen nieder. Die goldenen Ornamente an ihrem Körper schimmerten im Sonnenlicht, während sie den Sonnenaufgang mitverfolgte. „Alles Gute, vorlautes Menschenkind“, sprach Sachmet in die Stille hinein. „Alles Gute.“ ~~~Yu-Gi-Oh! Die Seele der Zeit – Ende~~~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)